Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2003
Aktenzeichen: 25 W (pat) 239/02

(BPatG: Beschluss v. 15.05.2003, Az.: 25 W (pat) 239/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juli 2002 aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der international registrierten Marke R 283 283 angeordnet.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Sabalium 320 ist nach Teillöschung im Verfahren vor dem DPMA noch für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich ein nichtverschreibungspflichtiges, pflanzliches Arzneimittel gegen Prostatabeschwerden" eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. Dezember 1996.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren, am 3. Dezember 1969 eingetragenen und für die Waren "Produits pharmaceutiques, notamment un vasodilatateur coronaire et cerebral" in der Bundsrepublik Deutschland Schutz genießenden IR-Marke R 283 283 SIBELIUM, deren Benutzung nach anfänglich uneingeschränkter erhobener Nichtbenutzungseinrede nunmehr nur noch eingeschränkt bestritten ist. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat von der Einrede ausgenommen ein Mittel gegen Schwindelanfälle. Die Widersprechende hat darüber hinaus noch weitergehende Unterlagen hinsichtlich einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung eines Arzneimittels zur Prophylaxe bei Migräne vorgelegt, deren Richtigkeit die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht bestreitet.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 8. Juli 2002 den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen und die Benutzungsfragen dahingestellt sein lassen. Ausgehend von der Registerlage, identischer oder zumindest ähnlicher Waren und deshalb strengen Anforderungen an den Markenabstand sei dennoch ein ungestörtes Nebeneinander der Marken in jeder Hinsicht gewährleistet. Denn der Gesamteindruck der jüngeren Marke sei nicht auf den Bestandteil "Sabalium" zu reduzieren, da die Zahlenangabe "320" nicht als Angabe der Menge oder der Wirkstoffkonzentration gebräuchlich sei und der Verkehr "320" deshalb nicht als eine bloße Sachangabe ansehen werde. Aber selbst wenn man der Widerspruchsmarke nur den Bestandteil "Sabalium" der jüngeren Marke gegenüberstelle bestehe wegen des unterschiedlichen Klang- und Schriftbildes der Markenwörter keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Widerspruchsmarke enthalte keine beschreibenden Anklänge und weise bereits eine originär mindestens normale Kennzeichnungskraft auf. Wie aufgrund verschiedener Recherchen zu belegen sei, würden auch keine der Widerspruchsmarke deutlich angenäherten Kennzeichnungen mit dem Anfangsbuchstaben "S" und der Endung "lium" im unmittelbaren wettbewerblichen Umfeld benutzt. So weise das Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" nur eine vergleichbar gebildete Arzneimittelbezeichnung ("Stabalium") auf, wie auch im weiteren wettbewerblichen Umfeld nur noch die Bezeichnung "Sterilium" zur Kennzeichnung eines Desinfektionsmittels verwendet werde. Hinzu komme, dass die Widerspruchsmarke seit 1977 ununterbrochen zur Kennzeichnung eines cerebralen Calciumantagonisten bzw seit 1994 zusätzlich für ein Arzneimittel zur Migräneprophylaxe benutzt worden sei. Die intensive Benutzung werde auch durch die eidesstattlich versicherten Jahresumsätze belegt, welche die Millionengrenze überschritten. Die Widerspruchsmarke weise deshalb insgesamt einen im oberen Bereich liegenden Schutzumfang auf, so dass aufgrund der Ähnlichkeit der jeweils zum Kernbereich der Arzneimittel zählenden - wenn auch indikationsverschiedenen - Arzneimittel und der angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise ein deutlicher Markenabstand zu fordern sei.

Dieser sei weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht erfüllt, da der Bestandteil "Sabalium" in der angegriffenen Marke prägend und allein kollisionsbegründend sei. Entgegen der Annahme der Markenstelle handele es sich bei dem Zahlenbestandteil "320" der jüngeren Marke - wie die dem Senat vorgelegte Recherche belege - nämlich um eine in bezug auf die maßgeblichen Waren übliche Mengenangabe für Sabapalmenprodukte als Urologika - wie zB das Präparat "Talso N-UNO" (Rote Liste (RL) 2002, Hauptgruppe (HG) 82 153 mit den Mengenangaben 160 mg/320 mg - wie auch die angegriffenen Marke selbst im Internet mit der Mengenangabe "320 mg pro Kapsel" beworben werde. Der Verkehr werde deshalb in der nachgestellten Zahl "320" keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur eine Mengenangabe sehen, zumal eine Durchsicht der "Roten Liste" eine Vielzahl von Arzneimittelbezeichnungen aufweise, in denen der eigentlichen Produktbezeichnung "glatte" Zahlen (die durch "5" bzw "10" teilbar sind) nachgestellt seien. Die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen Sabalium und SIBE-LIUM seien jedoch hochgradig ähnlich und klanglich wegen der unzureichenden Lautunterschiede der sich gegenüber stehenden Vokale "i"/"a" und "e"/"a" verwechselbar. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe insbesondere unter Berücksichtigung der handschriftlichen Wiedergabe, welche nicht völlig vernachlässigt werden könne, aber auch in Druckschrift und Kleinschreibung.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sein solle, zumal der Umsatz rückläufig sei. Der Wortbestandteil "ium" sei weit verbreitet und als solcher nicht kennzeichnungskräftig. Hinsichtlich der Ähnlichkeit der Waren sei wegen der Indikationsverschiedenheit der sich gegenüberstehenden Arzneimittel, nämlich eines Arzneimittels (Kranz- und Gehirngefäßerweiterers) zur Behandlung von Schwindel und eines Arzneimittels gegen Prostatabeschwerden nur von einer entfernten Warenähnlichkeit auszugehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der in der angegriffenen Marke enthaltene Wortbestandteil "Sabal" in Arzneimittelbezeichnungen für Urologika wegen der häufigen Verwendung der Sabalfrüchte in einer großen Anzahl der eingetragenen Marken enthalten sei und es auch der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht verwehrt sein könne, einen derartigen beschreibenden Hinweis zu verwenden. Dem komme jedoch letztlich nicht einmal entscheidungserhebliche Bedeutung zu, da für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr vom Gesamteindruck der Marken auszugehen sei und der Zeichenabstand selbst dann noch ausrechend wäre, wenn man die Auffassung teilte, dass die Zahl "320" in der angegriffenen Marke schutzunfähig sei. Denn auch die sich gegenüberstehenden Worte "Sabalium" und "SIBELIUM" seien sowohl in klanglicher Hinsicht wegen der abweichenden Vokalfolge als auch in schriftbildlicher Hinsicht ausreichend verschieden. Es bestehe deshalb keine Verwechslungsgefahr, wobei im übrigen eine handschriftliche Zeichenähnlichkeit nach der heute maßgeblichen Verschreibungspraxis mittels PC nicht maßgeblich sei und zudem von einer leserlichen Handschrift auszugehen sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da nach Auffassung des Senats zwischen den Marken Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und aufgrund des Widerspruchs aus der älteren IR-Marke R 283 283 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen (§ 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG).

1) Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, wenn dieser auch wegen der langjährigen Präsenz auf dem Arzneimittelmarkt und der seit 1977 andauernden Benutzung den oberen Bereich eines normalen Schutzumfanges erreicht. Hinreichende Anhaltspunkte für eine darüber hinaus gesteigerte Kennzeichnungskraft konnten hieraus jedoch nicht hergeleitet werden, da auch Jahresumsätze, welche über einer ... EURO liegen, im Bereich der Arzneimittel keineswegs ungewöhnlich sind und zudem Umsatzangaben allein nicht ohne weiteres eine hinreichende Aussagekraft für die Frage der Bekanntheit eines Produkts zukommt.

2) Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke auf die nach § 43 Abs 1 MarkenG nach Ablauf der Benutzungsschonfrist mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke durch die gegenüber dem DPMA abgegebene Erklärung mit Schriftsatz vom 13. Juni 2000 "die Einrede werde nicht aufrechterhalten" nicht verzichtet, sondern diese nur fallengelassen hat, konnte die Einrede erneut für die beiden nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeiträume (10.12.1991- 10.12.1996 und 15.5.1998-15.5.2003) - hier mit Ausnahme eines Arzneimittels gegen Schwindel (Antivertiginosum HG 14 der RL) - erhoben werden (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 359, 361 - Bayer/BeiChem; Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 43 Rdn 47 und Rdn 49). Soweit die Widersprechende eine weitergehende Benutzung der Widerspruchsmarke seit 1994 für die Indikation der Migräneprophylaxe geltend macht und zur Glaubhaftmachung Originalverpackungen, Auszüge aus dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" (RL) sowie Beipackzettel des Antivertiginosums "Sibelium" (RL 14005) vorgelegt hat, sieht der Senat auch insoweit eine entsprechende Benutzung als hinreichend glaubhaft gemacht, zumal die Inhaberin der angegriffenen Marke dies nicht in Abrede stellt. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an. Denn auch bei ausschließlicher Berücksichtigung des von der Nichtbenutzungseinrede ausgenommenen Arzneimittels gegen Schwindel (Antivertiginosum, RL HG 14) ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit bei der Widerspruchsmarke von Arzneimitteln auszugehen, welche ebenso wie die für die angegriffene Marke beanspruchten Prostatamittel (Urologika der HG 82 der RL) zum Kernbereich der Arzneimittel gehören, aber eine deutliche Indikationsverschiedenheit aufweisen. Im Rahmen der Integrationsfrage ist hierbei auf Seiten der Widerspruchsmarke von Antiemetika/Antivertiginosa (Arzneimittel der HG 14 der RL) allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 218 -Taxanil), da diese nach der Auffassung des Verkehrs als zum Bereich des konkret benutzten Arzneimittels gehörend angesehen werden (vgl auch allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus; GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB; MarkenR 2001, 371, 376 - ISCO).

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die gegenüberstehenden Prostatamittel und Antivertiginosa auch in tatsächlicher Hinsicht als teils nur apothekenpflichtige oder sogar vereinzelt frei verkäufliche Arzneimittel nicht nur an Fachkreise, sondern auch direkt an allgemeine Verkehrskreise richten und deshalb auch der Endverbraucher für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr uneingeschränkt zu berücksichtigen ist (vgl hierzu und zur Bedeutung der Rezeptpflicht - auch zur einseitigen Rezeptpflicht - BPatGE 44, 33, 36-37 - ORBENIN; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 218 -Taxanil; BGH MarkenR 2000, 138, 139 Ketof/ETOP). Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; vgl auch zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

3) Auch wenn danach zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG eher keine strengen Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind und der Senat zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nur mittlere Anforderungen zugrunde legt, so ist dennoch die Ähnlichkeit der Marken in klanglicher und schriftbildlicher Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen ist.

a) Eine Verwechslungsgefahr kommt vorliegend insbesondere dann ernsthaft in Betracht, wenn dem Bestandteil "Sabalium" der angegriffenen Marke eine den jeweiligen Gesamteindruck prägende und kollisionsbegründende Bedeutung zukommt, da - wie bereits die Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt hat - sich die Zeichen in ihrer Gesamtheit durch den weiteren Zahlenbestandteil "320" der jüngeren Marke sowohl im Klang- als auch im Schriftbild unterscheiden. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kommt dem Bestandteil "Sabalium" der angegriffenen Marke eine derartige kollisionsbegründende Bedeutung zu.

Hierbei geht auch der Senat von dem Grundsatz aus, dass zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marke in ihrer registrierten Form abzustellen ist, da sich ihr Schutzbereich nach dem Schutzgegenstand der gewählten Gesamtgestaltung bestimmt (vgl BGH MarkenR 2000, 134, 137 - ARD-1), wobei selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können und dann nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 369, 409 mit weiteren Hinweisen). Dieser Grundsatz schließt aber die Erkenntnis ein, dass auch einzelnen Zeichenbestandteilen unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende - und nicht nur eine den Gesamteindruck wesentlich mitbestimmende - Kennzeichnungskraft zukommen kann und dann bei einer Übereinstimmung von Zeichen in dem jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtzeichen zu bejahen ist (ständige Rspr des BGH, vgl MarkenR 1999, 161, 162 - LORA DI RECOARO; BGH MarkenR 2002, 165, 167 - BIG).

b) So ist es auch hier hinsichtlich der angegriffenen Marke "Sabalium 320", da nicht nur der Fachverkehr, sondern auch die hier ebenso angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise nur in dem Wortbestandteil "Sabalium" der angegriffenen Marke den eigentlichen kennzeichnenden Schwerpunkt und den Gesamteindruck prägenden Teil des Gesamtzeichens sehen werden, während sie den Zahlenbestandteil als bloße Wirkstoff-Mengenabgabe ansehen, vergleichbar den sonstigen Dosier- oder Mengenangaben wie sie die Widersprechende beispielhaft angeführt hat (5, 10, 25, 40, 80, 100, 150, 240, 320, 500, 1000 usw) und wie sie auf nahezu allen Arzneimittelgebieten auch üblich sind. Zu einer derartigen Annahme besteht insbesondere auch Anlass im Hinblick auf den hier maßgeblichen Gebrauch der Mengenangabe "320" für den Arzneimittelbereich, insbesondere Produkte der Sabalpalmenfrüchte als Prostatamittel, auf welche ja auch die angegriffene Marke durch den Anfangsbestandteil "Sabal" sehr deutlich hinweist. Die Widersprechende hat insoweit zutreffend auf die maßgeblichen Kennzeichnungs- und Bezeichnungsgewohnheiten derartiger Arzneimittel hingewiesen, für welche die Zahl "320" eine übliche Wirkstoff-Mengenangaben darstellt und welche deshalb die maßgebliche Verkehrsanschauung bestimmt (vgl zB BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH; auch zur Bedeutung der üblichen Bezeichnungsgewohnheiten für die Unterscheidungskraft EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry). So findet sich in der "Roten Liste 2002" zB die Präparatebezeichnung "Sabal STADA¨ uno 320 mg" (HG 82, 142) und eine Vielzahl von weiteren Prostatamitteln wie Sabacur¨ uno Kapseln (HG 82, 140 RL), Prosta Urgenin Uno¨ Kapseln (HG 82, 136), Prostess¨/-uno Kapseln (82, 138), Sabal uno Apogepha¨ Kapseln (HG 82, 143), die Extrakte der Sabalpalmenfrüchte enthalten und in Wirkstoffmengen von 320 mg (teilweise auch zusätzlich 160 mg) angeboten werden. Wenn deshalb für den Bereich von Arzneimitteln eine Markenverkürzung auch eher unüblich ist (vgl BGH MarkenR 2002, 49, 52 ASTRA/ESTRA-PUREN), so liegt sie hier jedoch aufgrund der aufgezeigten Gegebenheiten nahe und belegt jedenfalls die Annahme, dass der Verkehr in dem Wortbestandteil "Sabalium" der angegriffenen Marke den eigentlichen kennzeichnenden Schwerpunkt des angegriffenen Gesamtzeichens sieht und dieser den Gesamteindruck prägt.

c) Steht der Widerspruchsmarke "SIBELIUM" somit das Markenwort "Sabalium" als selbständig kollisionsbegründenden Bestandteil der jüngeren Marke gegenüber, so ist nach Auffassung des Senats vorliegend unter Berücksichtigung des jedenfalls zu fordernden mittleren Markenabstandes und der angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht zu bejahen.

Die Markenwörter "Sabalium" und "Sibelium" (bzw "SABALIUM" und "SIBELIUM") weisen in jeder üblichen Schreibweise, insbesondere aber auch bei der mit in die Beurteilung einzubeziehenden handschriftlichen Wiedergabe (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 211), nicht nur dieselbe Umrisscharakteristik und Wortlänge auf, sondern auch mit Ausnahme zweier Buchstaben im Wortinnern eine Übereinstimmung der jeweils zweiten Worthälfte und der Anfangsbuchstaben. Anfangs- und Schlusselemente bestimmen aber erfahrungsgemäß den bildlichen Gesamteindruck stärker als abweichende Elemente im Wortinnern (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 207), so dass vorliegend die sich gegenüberstehenden Markenwörter in ihrem jeweiligen Gesamteindruck deutlich von den dominierenden Gemeinsamkeiten bestimmt werden (vgl hierzu EuGH GRUR 1998, 387, 390 - Springende Raubkatze; MarkenR 1999, - Lloyd / Loints).

Ebenso weisen die jeweils dreisilbigen und in ihrer klanglichen Struktur gleichartig aufgebauten Markenwörter auch in klanglicher Hinsicht deutliche Parallelen nicht nur in der Anzahl der Silben und dem übereinstimmenden Sprechrhythmus auf, sondern auch im identischen Konsonantengerüst und der im Gesamtklangbild spürbar nachklingenden übereinstimmenden zweiten Worthälfte. Die verbleibenden vokalischen Abweichungen vermögen demgegenüber eine hinreichende Differenzierung des jeweiligen Gesamteindrucks der Wörter und ihr hinreichend sicheres Auseinanderhalten nicht zu gewährleisten, auch wenn es sich vorliegend um einen Grenzfall handeln mag. Zu berücksichtigen ist insoweit insbesondere auch, dass die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise im Umgang mit Arzneimittelkennzeichnungen nicht nur weniger geübt und erfahren sind als Fachleute, sondern dass die Verkehrsauffassung erfahrungsgemäß eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr, vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) und keine abweichenden, sofort erfassbaren Begriffsinhalte der Markenwörter der Verwechslungsgefahr als Unterscheidungshilfen entgegenwirken (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 223 224) Es ist deshalb im Ergebnis sowohl eine klangliche wie auch schriftliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken begründet. Die von der Widersprechenden ergänzend herangezogene Frage einer zusätzlich bestehenden komplexen Verwechslungsgefahr kann deshalb offen bleiben.

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Widersprechenden als begründet.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Bayer Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 15.05.2003
Az: 25 W (pat) 239/02


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