Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juni 2003
Aktenzeichen: 9 W (pat) 301/02

(BPatG: Beschluss v. 02.06.2003, Az.: 9 W (pat) 301/02)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag mitsamt der Beschreibung Spalte 8, eingegangen am 30. April 2003, Beschreibung Spalten 1 und 2, eingegangen in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2003, Beschreibung Spalten 3 bis 7 sowie Figuren 1 - 5 gemäß erteilten Unterlagen.

Gründe

I.

Gegen das am 6. April 1998 angemeldete und am 10. Januar 2002 veröffentlichte Patent 198 15 381 ist von der I. J... GmbH in I...str. in B..., II. A...GmbH in A...-E...-Str. in D..., III. A... AB in V... (Schweden) und IV. T... GmbH & Co KG in I...str. in A..., Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten und zwar nach Hauptantrag auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 mitsamt der Beschreibung Spalte 8, eingegangen am 30. April 2003, der Beschreibung Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie der Beschreibung Spalten 3 bis 7 und den Figuren 1 bis 5, wie erteilt, nach Hilfsantrag auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 mitsamt der Beschreibung Spalte 8, eingegangen am 30. April 2003, der Beschreibung Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie der Beschreibung Spalten 3 bis 7 und Figuren 1 bis 5, wie erteilt.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Dachhimmelverkleidung für ein Kraftfahrzeug mit zumindest einem im Bereich des Fahrzeugdaches (22) angeordneten Airbagmodul (20), wobei das Airbagmodul (20) einen Luftsack (2) und eine Gaszufuhreinrichtung (16) aufweist und in die Dachhimmelverkleidung integriert ist, welche aus einem geschäumten oder gegossenen Werkstoff besteht, wobei das Airbagmodul (20) in die Dachhimmelverkleidung (18) mit eingeschäumt bzw. eingegossen ist, so dass Airbagmodul (20) und Dachhimmelverkleidung (18) vor der Montage in das Kraftfahrzeug zu einer Einheit zusammengefügt sind.

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 8 sind dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nachgeordnet.

Zur Begründung ihrer Einsprüche weisen die Einsprechenden auf folgende Druckschriften hin:

DE 29 716 574 U1, DE 19 632 222 A1, DE 37 07 196 C1, DE 19 612 229 A1, DE 29 616 904 U1, EP 0 810 128 A2, DE 29 605 896 U1, GB 2 309 942, GB 2 314 300.

Die Einsprechenden tragen im wesentlichen vor:

a) Das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne, § 21 (1) Nr. 2.

b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag weise gegenüber einer Kombination der Gegenstände gemäß den Druckschriften DE 29 716 574 U1 oder DE 19 632 222 A1 mit DE 37 07 196 C1 nicht die notwendige erfinderische Tätigkeit auf.

Die Patentinhaberin widerspricht den Ausführungen der Einsprechenden in sämtlichen Punkten. Nach ihrer Überzeugung beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem genannten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im Prüfungsverfahren waren über die von den Einsprechenden genannten Entgegenhaltungen hinaus noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

EP 0 791 511 A1, DE 196 22 231 A1, EP 06 944 444 A2.

Entsprechend ihrer schriftlichen Ankündigung vom 8. Mai 2003 hat die ordnungsgemäß geladene Einsprechende II an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

II.

Die Einsprüche sind gemäß PatG § 59 Abs 1 frist- und formgerecht erhoben sowie ausreichend substantiiert worden und somit zulässig. Sie haben teilweise Erfolg wegen der das Patent beschränkenden Änderung der Patentansprüche.

1. Das Patentbegehren gemäß Hauptantrag ist der Patentschrift zu entnehmen und auch in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

In dem geltenden Patentanspruch 1 sind die in den erteilten Patentansprüchen 1 und 2 enthaltenen Merkmale zusammengefasst. In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen finden sich die nunmehr beanspruchten Merkmale in den Patentansprüchen 1 und 2 sowie im Abs 4 auf S 2.

2. Der gemäß Hauptantrag geltende Patentanspruch 1 geht aus von dem Stand der Technik nach der DE 297 16 574 U1. In der geltenden Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, dass diese Dachhimmelverkleidung für ein Kraftfahrzeug vormontierte Airbagmodule aufweist, wobei die Airbagmodule in dafür vorgesehenen Ausnehmungen angeordnet und mittels Befestigungselementen festgelegt sind, so dass eine vormontierte Einheit entsteht.

Vor diesem Hintergrund besteht das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem darin, eine verbesserte Dachhimmelverkleidung für ein Kraftfahrzeug mit zumindest einem im Bereich des Fahrzeugdaches angeordneten Airbagmodul zu schaffen, welche kostengünstig zu fertigen sowie einfach und schnell zu montieren ist, ohne die Funktionssicherheit des Airbagmoduls zu beeinträchtigen.

Diese Aufgabe wird durch den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist patentfähig.

Als Durchschnittsfachmann, der den Stand der Technik am Anmeldetag kennt und bewertet, ist ein Maschinenbauingenieur, insbesondere der Fahrzeugtechnik, anzunehmen, der bei einem Kfz-Hersteller oder -Zulieferer als Konstrukteur für die Fahrzeuginnenausstattung arbeitet und über einschlägige Erfahrung in der Anordnung von Airbags verfügt.

a) Die Erfindung ist im Streitpatent hinreichend deutlich beschrieben.

Die von der Einsprechenden I geäußerten Zweifel hinsichtlich der Ausführbarkeit der Erfindung richten sich auf die Frage, wie das Airbagmodul in die Dachhimmelverkleidung mit eingeschäumt bzw eingegossen werden soll. Falls der Durchschnittsfachmann diese Frage nicht bereits mit seinem einschlägigen Fachwissen, zu dem ohne Zweifel die Herstellung von geschäumten Dachhimmeln zählt, beantworten kann, erfährt er diesbezüglich aus der erläuternden Beschreibung des Streitpatents, dass das Airbagmodul vor dem Gießen bzw Schäumen der Dachhimmelverkleidung in das entsprechende Formwerkzeug eingelegt wird. Bei der anschließenden Formung der Dachhimmelverkleidung wird es gleichzeitig in diese integriert, vgl insb Sp 2 Z 42 bis 46.

b) Die gewerblich anwendbare Dachhimmelverkleidung für ein Kraftfahrzeug ist neu, denn im berücksichtigen Stand der Technik ist unbestritten keine Dachhimmelverkleidung bekannt, in die ein Airbagmodul eingeschäumt bzw. eingegossen ist.

c) Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dachhimmelverkleidungen für Kraftfahrzeuge mit einem im Bereich des Fahrzeugdaches angeordneten Airbagmodul sind aus den Druckschriften DE 29 716 574 U1 und DE 19 632 222 A1 bekannt. Dabei besteht das jeweilige Airbagmodul aus einem Luftsack und einer Gaszufuhreinrichtung und ist in die Dachhimmelverkleidung integriert, wobei das Airbagmodul und die Dachhimmelverkleidung vor der Montage in das Kraftfahrzeug zu einer Einheit zusammengefügt sind, vgl insb Schutzanspruch 1 sowie Patentanspruch 1.

Die Befestigung des Airbagmoduls erfolgt nach DE 29 716 574 U1 auf der Rückseite eines offenbar selbstragenden Dachhimmels 10 durch Aufnahmekörper 18 für die Gasführungsrohre 22, die einen Schenkel aufweisen, welcher von einer Randlippe 16 des Dachhimmels 10 formschlüssig aufgenommen und mit den Befestigungsbolzen der Handgriffe verschraubt wird. Die Gasgeneratoren sind von Klammern 26 gehalten, die an der Rückseite des Dachhimmels 10 ausgebildet sind, vgl insb Schutzansprüche 3, 5 und 6 iVm den Figuren 1 bis 3.

Nach DE 19 632 222 A1 ist auf der Rückseite eines aus warm verpressten Grundmaterial bestehenden Dachhimmels 11 eine gesonderte, an wenigstens einem Spriegel 1 abgestützte Trägerstruktur 2 bis 5 vorgesehen, an welcher die Airbageinrichtung 6 bis 10 vormontiert ist, vgl insb Patentansprüche 1 bis 4 iVm den Figuren 1 bis 4.

Damit weisen diese Druckschriften von dem streitpatentgemäß beanspruchten Einschäumen oder Eingießen des Airbagmoduls in einen geschäumten oder gegossenen Dachhimmel eindeutig weg.

Das teilweise Einschäumen von Befestigungselementen in geschäumte Hartschaumverkleidungen, wie zB sp. Türverkleidungen, Dachhimmel oder Hutablage, ist am Anmeldetag des Streitpatents bereits ca. 10 Jahre nachweislich im einschlägigen Fachbereich bekannt gewesen, wie die DE 37 07 196 C1 der damaligen T... GmbH zeigt. Nach der darin vermittelten Lehre kommt es im wesentlichen darauf an, dass lediglich die Ankerplatte 2, 2« eines Befestigungselements eingeschäumt wird und die spätere Befestigungszone beim Schäumen durch einen besonderen Werkzeugeinsatz 10 abgedichtet ist, vgl insb Patentanspruch 1 iVm Fig 3. Dadurch ist gewährleistet, dass die spätere Befestigungszone während des Schäumvorganges freigehalten wird, so dass vorteilhafterweise auf kostspielige Nacharbeiten verzichtet werden kann, vgl insb Sp 3 Z 13 bis 17 und Sp 4 Z 52 bis 62 sowie die Zusammenfassung.

Der eingangs definierte Durchschnittsfachmann kannte diese spezielle und bei Dachhimmeln verwendete Einschäumtechnik somit auch schon am Anmeldetag der beiden vorstehend erläuternden Dachhimmel mit integrierten Airbagmodulen. Trotzdem hat er die dortigen Airbagmodule nicht eingeschäumt, sondern separat befestigt, wie aufgezeigt worden ist. Aber selbst wenn er die Lehre der DE 37 07 196 C1 aufgegriffen hätte, wäre er damit nicht zum Gegenstand des Streitpatents gelangt. Bei einer sachgerechten und nicht retrospektiven Anwendung hätte er allenfalls Befestigungsteile miteingeschäumt und dabei deren Befestigungszone für das Airbagmodul durch einen besonderen Werkzeugeinsatz freigehalten/abgedichtet. In konkreter Übertragung auf den Dachhimmel nach der DE 29 716 574 U1 hätte sich damit möglicherweise eine Vereinfachung der Dachhimmelherstellung dahingehend ergeben, dass die Klammern 26 oder die hochgebogene Lippe 16 nicht mehr durch eine entsprechende Ausformung der Gießform des Dachhimmels selbst, sondern durch mit eingeschäumte Befestigungselemente ausgeführt worden wären, an denen dann das Airbagmodul befestigt würde. Für den Dachimmel nach der DE 19 632 222 A1 gilt im Hinblick auf die dort zur Airbagbefestigung vorgesehene Trägerstruktur 2 bis 5 sinngemäß dasselbe. Diese Überlegungen führen somit nicht zum beanspruchten Patentgegenstand, sondern eindeutig in eine andere Richtung.

Der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik liegt noch weiter vom Beanspruchten entfernt, denn er zeigt keinen Dachhimmel mit vorgefertigter Airbageinrichtung.

Die DE 19 612 229 A1 ist bereits in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift gewürdigt und offenbart einen Luftsack 5, der in einem flexiblen Schutzschlauch 7 verpackt direkt am Dachholm befestigt wird und von einem anschließend angebrachten Dachhimmel 9 abgedeckt ist, vgl insb Anspruch 1 iVm Fig 1. Alternativ kann der Luftsack 5 auch lose in einem separaten, quasi röhrenförmigen Verkleidungsteil 19 angeordnet sein, das an dem Dachhimmel oder am Dachholm 4 befestigbar ist, vgl insb Patentanspruch 3 sowie Sp 3 Z 43 bis 59 iVm Fig 3.

Ein Airbag, der speziell den Kopfbereich bei einem Fahrzeugüberschlag schützen soll, ist in der EP 0 810 128 A2 offenbart, vgl insb Sp 1 Z 58 bis Sp 2 Z 3. Dazu ist ein Luftsack 32 mitsamt Gasgenerator 34/54 vollflächig zwischen einem Dachhimmel 26 und der Isolierung 24 der Dachaußenhaut 20 angeordnet, vgl insb Fig 3. Wie der Dachhimmel mit dem Airbag montiert wird, läßt die Druckschrift offen. Aus der Schnittdarstellung der Fig 3 entnimmt der Durchschnittsfachmann allerdings eher eine Einzelmontage der Bauteile im Fahrzeug als eine Vormontage, weil die jeweiligen Bauteile (Isolierung, Airbag, Dachhimmel) keine gegenseitigen Befestigungen erkennen lassen.

Ein zusammengefalteter Airbag erstreckt sich nach der DE 29 616 904 U1 unter den Verkleidungen der A-Säule entlang des Dachrahmens bis zur B- bzw C-Säule, vgl insb Anspruch 7 sowie S 3 Z 14 bis 16.

Ein nachrüstbarer Airbag, der lediglich in einem Montageschlauch 22 gehalten ist und unter oder auch auf der Fahrzeuginnenverkleidung 32 befestigt werden kann, ist in DE 29 605 896 U1 beschrieben, vgl insb Anspruch 11 sowie S 5 Z 10 bis 14 iVm Fig 2.

Die GB 2 309 942 und die GB 2 314 300 sind von der Einsprechenden III lediglich zu den Unteransprüchen 5 und 8 genannt worden. Nach der Beschränkung des Patentbegehrens haben sie ebenso wie die lediglich im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften EP 0 791 511 A1, DE 196 22 231 A1 und EP 06 944 444 A2 keine Rolle mehr gespielt. Dieser Stand der Technik wurde im übrigen von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen.

Mithin ist nachgewiesen, dass der am Anmeldetag des Streitpatents bekannte Stand der Technik weder für sich, noch in Kombination mit einer oder mehreren der genannten Druckschriften den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Patents nahelegen konnte. Er ergibt sich für den Durchschnittsfachmann auch nicht ohne weiteres.

Der Gegenstand des diesem Beschluss zugrundeliegenden Patentanspruchs 1 ist somit patentfähig.

4. Die Patentansprüche 2 bis 8 betreffen zweckmäßige weitere Ausbildungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1, die nicht selbstverständlich sind, und haben daher ebenfalls Bestand.

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BPatG:
Beschluss v. 02.06.2003
Az: 9 W (pat) 301/02


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