Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2008
Aktenzeichen: 27 W (pat) 120/07

(BPatG: Beschluss v. 24.06.2008, Az.: 27 W (pat) 120/07)

Tenor

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. August 2007 wird aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der Marke Nr. 300 32 701 mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Februar 2001 Widerspruch eingelegt aus ihrer MarkeNr. 396 35 889.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Erstbeschluss vom 29. März 2005 den Widerspruch zurückgewiesen und der Widersprechenden aufgrund eines entsprechenden Kostenantrages der Inhaberin der angegriffenen Marke die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle mit Erinnerungsbeschluss vom 18. Dezember 2006 ebenfalls zurückgewiesen und der Widersprechenden gleichzeitig auch die Kosten des Erinnerungsverfahrens auferlegt.

Gegen die vorgenannten Beschlüsse hat die Widersprechende am 12. Februar 2007 zunächst Beschwerde eingelegt, welche beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 27 W (pat) 85/05 geführt wird, ihren Widerspruch gegen die angegriffene Marke aber mit Anwaltsschriftsatz vom 2. März 2007, beim Gericht eingegangen am 16. April 2007, zurückgenommen.

Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. August 2007 hat die Markenabteilung 3.2. des Deutschen Patent- und Markenamtes auf den Festsetzungsantrag der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 29. Januar 2007, geändert am 13. März 2007, die dieser von der Widersprechenden zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.182,80 € festgesetzt. Unter Berufung auf BPatGE 16, 259 hat sie dabei die Ansicht vertreten, durch die Widerspruchsrücknahme seien nur die vorangegangenen Sachentscheidungen der Markenstelle, nicht aber die in den Beschlüssen vom 29. März 2005 und vom 18. Dezember 2006 ausgesprochenen Kostengrundentscheidungen gegenstandslos geworden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, für eine Kostenfestsetzung fehle es an einer rechtskräftigen Kostengrundlage; entgegen der Mitteilung der Geschäftsstelle des erkennenden Senats habe sich nämlich das Beschwerdeverfahren durch die Rücknahme des Widerspruchs nicht insgesamt erledigt, sondern sei wegen der angegriffenen Kostenentscheidungen der Markenstelle weiterhin anhängig, so dass es an einer die Kostenfestsetzung rechtfertigenden rechtskräftigen Kostengrundentscheidung mangele. Im Übrigen sei die Kostenfestsetzung auch der Höhe nach unbegründet.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Markenstelle für Klasse 3.2 vom 1. August 2007 den Kostenfestsetzungsantrag der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach ist die Annahme der Markenabteilung zutreffend, dass infolge der Rücknahme des Widerspruchs die Kostengrundentscheidungen der Markenstelle rechtskräftig geworden seien. § 269 ZPO sei weder unmittelbar noch analog anwendbar.

An der auf den Hilfsantrag der Widersprechenden anberaumten mündlichen Verhandlung haben beide Beteiligte entsprechend vorheriger Ankündigung nicht teilgenommen.

II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist aufzuheben, weil es bei seinem Erlass an einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung fehlte; diese hat erst der erkennende Senat im Parallelverfahren 27 W (pat) 85/05 am 24. Juni 2008 getroffen.

Demgegenüber ist der weitergehende Antrag der Widersprechenden auf Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages, nachdem im vorgenannten Parallelverfahren eine Kostengrundentscheidung getroffen wurde, nicht (mehr) unzulässig oder insgesamt unbegründet, sodass die Beschwerde der Widersprechenden insoweit keinen Erfolg haben kann; vielmehr hat die Markenabteilung über den Kostenfestsetzungsantrag nunmehr unter Berücksichtigung der Kostengrundentscheidung neu zu befinden.

1. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist zu Unrecht erlassen worden, denn entgegen der Ansicht der Markenabteilung fehlte es nach der Rücknahme des Widerspruchs bei Erlass des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses an einer Kostengrundentscheidung, aufgrund derer die von der Inhaberin der angegriffenen Marke beantragten Kosten hätten festgesetzt werden können. Insbesondere schieden die beiden Beschlüsse der Markenstelle vom 29. März 2005 und vom 18. Dezember 2006 als eine solche Grundlage für die festgesetzten Kosten aus, weil die darin jeweils enthaltene Kostenauferlegung zu Lasten der Widersprechenden nach der Rücknahme des Widerspruchs wirkungslos geworden war. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2008 in der Parallelsache 27 W (pat) 85/07 im Anschluss an BGH GRUR 1998, 818 Puma nämlich im Einzelnen ausgeführt hat, ist § 269 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO n. F. (die mit den in der Entscheidung genannten Normen des § 269 Abs. 3 Satz 1 und 3 ZPO a. F. identisch sind) gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG auf den Fall der Widerspruchsrücknahme entsprechend anzuwenden. Danach gilt das Widerspruchsverfahren als nicht anhängig geworden, und vorangegangene, nicht rechtskräftige Entscheidungen der Markenstelle und des Gerichts werden wirkungslos. Diese Rechtsfolge tritt dabei für den gesamten Entscheidungsinhalt ein, so dass der nach § 82 Abs. 1 MarkenG entsprechend anzuwendende § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch die Kostengrundentscheidungen der Markenstelle, welche sie bei den vorgenannten Beschlüssen im Widerspruchs- und Erinnerungsverfahren getroffen hatte, ihre Wirkung verlieren.

Der Wirkungslosigkeit der von der Markenstelle getroffenen Kostengrundentscheidungen steht auch die von der Markenabteilung im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zitierte, am 10. Oktober 1974 noch auf der Grundlage des seit 1. Januar 1995 aufgehobenen Warenzeichengesetzes ergangene Entscheidung BPatGE 16, 259, 260 nicht entgegen. Soweit hierin die Auffassung vertreten wird, durch eine Widerspruchsrücknahme werde die vorangegangene Kostengrundentscheidung der Markenstelle nicht gegenstandslos, ist hierfür nach der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs kein Raum mehr, so dass an dieser Entscheidung nicht mehr festgehalten werden kann. Sie übersieht zudem bereits zum früheren Recht, dass mit der Rücknahme des Widerspruchs dem gesamten Widerspruchsverfahren der Boden entzogen wurde, so dass zwangsläufig nicht nur vorangegangene Sach-, sondern auch alle Kostengrundentscheidungen wirkungslos werden.

2. Soweit die Widersprechende über die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses hinaus auch die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages begehrt, ist die Beschwerde unbegründet, weil dieser Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht (mehr) unzulässig oder (zur Zeit) unbegründet ist, nachdem der Senat in dem Parallelverfahren 27 W (pat) 85/07 mit Beschluss vom heutigen Tage eine alle Verfahrensabschnitte erfassende endgültige Kosten(grund)entscheidung getroffen hat.

3. Der Senat hat davon abgesehen, über den sowohl das Widerspruchs- als auch das Erinnerungsverfahren vor der Markenstelle erfassenden Kostenfestsetzungsantrag auch in der erstattungsfähigen Höhe eine abschließende Entscheidung zu treffen (§ 70 Abs. 3 MarkenG). Hierzu, bedarf es nachdem im vorgenannten Beschluss entgegen den Kostenentscheidungen in den wirkungslos gewordenen Beschlüssen der Markenstelle eine Kostentragungspflicht der Widersprechenden nur noch für das Erinnerungsverfahren ausgesprochen wurde, weiterer Ermittlungen und einer erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

C. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 71 Abs. 3 und 4 MarkenG aus Billigkeitsgründen anzuordnen, weil die Beschwerdegebühr nicht angefallen wäre, wenn die Markenabteilung zutreffend erkannt hätte, dass eine Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag bis zum Erlass einer Kostengrundentscheidung nicht hätte getroffen werden dürfen. Bei richtiger Verfahrensbehandlung durch die Markenabteilung hätten sich die Verfahrensbeteiligten nämlich in derselben Situation befunden, wie dies nunmehr nach Erlass des vorliegenden Beschlusses und der Kostengrundentscheidung im Parallelverfahren 27 W (pat) 85/07 der Fall ist. Da bei richtiger Verfahrensweise der Markenabteilung die Beschwerdegebühr somit nicht angefallen wäre, erscheint es unbillig, die Widersprechende mit dieser weiter zu belasten, so dass deren Rückzahlung aus Billigkeit anzuordnen war.

Dr. Albrecht Dr. van Raden Schwarz Pü






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