Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2002
Aktenzeichen: 34 W (pat) 10/01

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2002, Az.: 34 W (pat) 10/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 21. Februar 2002 (Aktenzeichen 34 W (pat) 10/01) über die Beschwerden der Einsprechenden I und II entschieden. Dabei wurde der Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2000 aufgehoben und das Patent in beschränkter Form aufrechterhalten. Das Patent umfasst die Patentansprüche 1 und 2 sowie die Bezeichnung und Beschreibung aus den Spalten 1 und 2, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurden. Die weitergehende Beschwerde wurde jedoch zurückgewiesen.

Die Einsprechenden hatten sich gegen den Beschluss der Patentabteilung gerichtet. Die Einsprechende I schloss sich dabei den Ausführungen der Einsprechenden II an. Die Einsprechende II brachte vor, dass die beanspruchte Erfindung nicht deutlich genug und vollständig offenbart sei. Insbesondere sei nicht klargestellt, was mit "gegen Katalase stabilen Peroxiden" und "frei von Hydroperoxid" gemeint sei. Zudem sei das in Anspruch 1 offenbarte Verfahren nicht patentfähig, da der Einsatz von organisch substituierten Peroxiden zur Fixierung bei der Haarverformung bereits bekannt sei.

Die Patentinhaberin beantragte hingegen, das Patent in beschränkter Form aufrechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde abzuweisen.

Das Gericht entschied, dass die Beschwerden der Einsprechenden nur teilweise Erfolg hatten und im Übrigen zurückgewiesen wurden. Der Widerrufsgrund der mangelhaften Offenbarung der Erfindung lag nicht vor. Ein Fachmann mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Haarbehandlung sei in der Lage, die Lehre des Patentanspruchs 1 nachzuvollziehen, wenn er den Inhalt der Patentschrift berücksichtige. Es bedürfe keiner weiteren Definition der Begriffe "gegen Katalase stabil" und "frei von Hydroperoxid" in der Patentschrift.

Das beanspruchte Verfahren erfülle zudem die weiteren Patentierungsvoraussetzungen. Es sei gewerblich anwendbar und neu, da die Einsprechenden keinen Stand der Technik vorlegen konnten, der ein vergleichbares Verfahren zeigte. Zudem beruhe das Verfahren auf erfinderischer Tätigkeit, da der Einsatz von organisch substituierten und gegen Katalase stabilen Peroxiden für die Haarverformung nicht naheliegend sei.

Damit wurde der Patentanspruch 1 aufrechterhalten. Gleiches galt für den Patentanspruch 2, der eine bevorzugte Ausgestaltung des Verfahrens betrifft.

(Die Inhaltsangabe umfasst ca. 24% der Textlänge der Gerichtsentscheidung und ist in mehreren Absätzen strukturiert).




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 21.02.2002, Az: 34 W (pat) 10/01


Tenor

Auf die Beschwerden der Einsprechenden I und II wird der Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2000 aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 und 2, Bezeichnung und Beschreibung Spalten 1 und 2, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2002.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Patentabteilung das Patent aufrechterhalten.

Hiergegen wenden sich die Beschwerden der Einsprechenden.

Die Einsprechende I, die an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommmen hat, schließt sich den Ausführungen der Einsprechenden II in deren Schriftsatz vom 8. Februar 2002 an.

Die Einsprechende II macht geltend, die beanspruchte Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne (PatG § 21 (1) Nr. 2). So sei nicht definiert, was unter "gegen Katalase stabilen Peroxiden" und was unter "frei von Hydroperoxid" zu verstehen sei. Soweit aber das Verfahren nach Patentanspruch 1 nacharbeitbar offenbart sei, sei es nicht patentfähig, da der Einsatz von organisch substituierten Peroxiden zur Fixierung bei der Haarverformung bekannt sei.

Die Einsprechenden beantragen jeweils, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den aus dem Tenor ersichtlichen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen.

Die geltenden Patentansprüche lauten:

1. Verfahren zur Haarverformung, durch Lockerung der Schwefelbrücken in der Keratinschicht, anschließender Verformung und Stabilisierung durch eine Schlußoxidation, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlußoxidation mit organisch substituierten und gegen Katalase stabilen Peroxiden durchgeführt wird, welche über Ozongas hergestellt und frei von Hydroperoxid gehalten werden.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß ein Glycerinperoxid eingesetzt wird.

Im Verfahren sind folgende Druckschriften zu berücksichtigen:

(1) DE 32 07 738 A1

(2) Lehrbuch für Friseure, 7. Aufl., Bd. 1, Leipzig, VEB Fachbuchverlag, 1988, S. 190, 191

(3) DE 36 43 323 C2

(4) DE 36 20 849 C2

(5) DE 38 28 709 A1

(6) EP 02 61 387 B1

(7) EP 03 20 612 B1

(8) Janistyn, Hugo: Taschenbuch der modernen Parfümerie und Kosmetik, 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft m.b.H. Stuttgart, 1974, S. 428 - 429.

(9) Janistyn, Hugo: Handbuch der Kosmetika und Riechstoffe, III. Band: Die Körperpflegemittel, Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg, 1973, S. 369.

(10) DE 36 10 394 A1

(11) US 5 041 286

(12) JP 61/17 89 13, referiert bei Derwent als Referat 86-249694.

(13) DE 16 17 500 A

(14) Dr. K. Gäbelein: Vortrag, "FORUM COSMETICUM", Basel, 1984,

(15) Dr. K. Gäbelein: "Der aktivierte Sauerstoff". In: Kosmetik-Journal, 1991, Seiten 29/30

(16) Zeitschrift für Phytotherapie, Heft 4/1993, Hippokrates Verlag GmbH Stuttgart, "Portrait einer Arzneipflanze", Seiten 217 - 218.

(17) Katalog 1995/96 der Firma FLUKA-Chemie, Ulm, Beilage, Nrn. 60640, 60629, 60632 u.a.

(18) "Der grosse Brockhaus", 16. Auflage, 1955, F.A. Brockhaus, Wiesbaden, unter dem Stichwort "Katalase".

(19) Handbuch zur Anwendung der Nomenklatur organischchemischer Verbindungen, 1979, Akademie-Verlag, Berlin Seiten 295 und 296

(20) Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage, Seiten 1683, 1684, 3273 und 3297

(21) Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage, Seiten 1892, 5011 und 5012.

Wegen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II A) Die zulässigen Beschwerden konnten nur den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg haben und waren im übrigen zurückzuweisen.

Die Einsprüche waren ebenfalls zulässig.

B) Der auch in der Beschwerde wieder aufgegriffene Widerrufsgrund der mangelhaften Offenbarung der Erfindung liegt nicht vor.

Wie bereits im angefochtenen Beschluss der Patentabteilung auf Seite 7f unter II.B. zutreffend ausgeführt wird, ist der hier zuständige Fachmann - ein Diplomchemiker mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Haarbehandlung - ohne weiteres in der Lage, die Lehre des Anspruchs 1 nachzuvollziehen, wenn er den Inhalt der Patentschrift mit einbezieht. Insbesondere ist dieser Fachmann ohne weiteres in der Lage festzustellen, ob die zum Einsatz kommenden organisch substituierten Peroxide, welche zB nach dem in der DE 36 43 323 C2 (3) beschriebenen Verfahren (vgl Streitpatentschrift Sp 2 Z 23ff) hergestellt worden sind, gegen Katalase stabil und frei von Hydroperoxid sind. Die von Katalase katalysierte Reaktion ist allgemein bekannt (vgl (18)). Der hier zuständige Fachmann hat keine Probleme festzustellen, ob zum Einsatz kommende organisch substituierte Peroxide von Katalase abgebaut werden oder ob sie gegen Katalase stabil sind; ebenso wenig ist es für ihn ein Problem festzustellen, ob organisch substituierte Peroxide frei von Hydroperoxid, dh Wasserstoffperoxid, gehalten wurden. Denn Hydroperoxid ist schließlich das übliche Substrat, welches durch Katalase zersetzt und welches auch zur Aktivitätsbestimmung des Enzyms Katalase eingesetzt wird (vgl dazu die bereits genannte Druckschrift (18) sowie gutachterlich den Auszug aus dem Fluka-Katalog (17)). Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weitergehenden Definition der Teilmerkmale "gegen Katalase stabil" und "frei von Hydroperoxid" in der Patentschrift.

Für eine Umdeutung von "Hydroperoxid" im Patentanspruch 1 in die allgemeinere Bezeichnung "Hydroperoxide", worauf die Argumentation der Einsprechenden II in ihrem Vortrag in Verbindung mit der Vorlage der Druckschriften (19) und (20) abzielte, besteht kein Raum. Dies wurde vom Senat durch Hinweis auf die klare Definition von Hydroperoxid als Wasserstoffperoxid - entsprechend Römpp (21) - belegt.

C) Das mit geltendem Anspruch 1 beanspruchte Verfahren erfüllt auch die weiteren Patentierungsvoraussetzungen.

1. Es ist unbestritten gewerblich anwendbar, aber auch neu.

Die Einsprechenden waren nicht in der Lage aufzuzeigen, dass im Stand der Technik ein Verfahren mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 bekannt ist. Auch der Senat konnte in dem umfangreichen zu berücksichtigenden Stand der Technik kein derartiges Verfahren auffinden. Da die beschwerdeführenden Einsprechenden hierzu nichts Neues vorgetragen haben, wird auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (vgl S 6 bis 7 Abschnitt A.) hingewiesen.

2. Das beanspruchte Verfahren beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn der Einsatz von organisch substituierten und gegen Katalase stabilen Peroxiden, welche über Ozongas hergestellt und frei von Hydroperoxid gehalten werden, zur Schlussoxidation bei der Haarverformung wird durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Da die Einsprechenden hierzu im Beschwerdeverfahren keine Argumente vorgetragen haben und der Senat in dem zu berücksichtigenden Stand der Technik keine Hinweise für diesen Einsatz erkennen kann, wird wiederum auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (vgl S 8 bis 10) verwiesen.

Der Patentanspruch 1 hat somit Bestand.

Gleiches gilt für den Patentanspruch 2, der eine bevorzugte Ausgestaltung des Verfahrens nach Anspruch 1 betrifft. Die Bedenken der Einsprechenden II hinsichtlich "Glycerinperoxid" konnten von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage der Formel einer darunter fallenden Verbindung ausgeräumt werden.

Ch. Ulrich Hövelmann Dr. Barton Dr.W. Maier Bb






BPatG:
Beschluss v. 21.02.2002
Az: 34 W (pat) 10/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/5e40900e8140/BPatG_Beschluss_vom_21-Februar-2002_Az_34-W-pat-10-01




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