Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 7. Februar 2012
Aktenzeichen: 5 U 92/11

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 07.02.2012, Az.: 5 U 92/11)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.2.2011 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.008,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2010, 12.797,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2010 sowie weitere 7.855,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen;

2. es wird festgestellt, dass der Rückzahlungsanspruch für den Genussschein mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) nicht durch Verluste vermindert ist und in Höhe des Nennbetrags von 1.000,00 € besteht, sowie festgestellt, dass der Rückzahlungsanspruch für den Genussschein mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) nicht durch Verluste vermindert ist und in Höhe des Nennbetrags von 1.000,00 € besteht;

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Laufzeit des mit der A-Bank € GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom ... 2007 und für die Dauer der Laufzeit des Genussscheins mit der Kennziffer ISIN DE € (WKN €) jährliche Ausschüttungen auf Basis eines Referenzzinssatzes (EURIBOR Zwölf-Monats-Einlagen) zuzüglich 150 Basispunkte bezogen auf den Nennbetrag gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen (WKN €) an die Klägerin zu leisten und den Rückzahlungsanspruch gemäß § 7 der Genussscheinbedingungen (WKN €) nicht durch Verlustteilnahme zu vermindern;

4. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Laufzeit des mit der A-Bank € GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom € 2007 und für die Dauer der Laufzeit des Genussscheins mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) jährliche Ausschüttungen von 6,7 % p.a. bezogen auf den Nennbetrag gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen (WKN €) an die Klägerin zu leisten und den Rückzahlungsanspruch gemäß § 6 der Genussscheinbedingungen (WKN €) nicht durch Verlustteilnahme zu vermindern.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Bedienung von Genussscheinen nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Die Klägerin ist eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in O1. Sie ist Eigentümerin dreier Genussscheine der Beklagten:

- 249 Stück Inhaber-Genussscheine mit der Kennziffer ISIN DE€, WKN €(ursprünglich B)

- 191 Stück Inhaber-Genussscheine mit der Kennziffer ISIN DE€, WKN € (ursprünglich B)

- 22 Stück Inhaber-Genussscheine mit der Kennziffer ISIN DE€, WKN € (ursprünglich C)

Die Beklagte ist eine Bank innerhalb des A-Bank-Konzerns, die im Jahre 2002 aus der Verschmelzung der Aktiengesellschaft D-Bank und der C € -Bank Aktiengesellschaft hervorgegangen ist.

Die auf die Beklagte verschmolzene C AG hatte am 29.12.2000 den streitgegenständlichen Genussschein ISIN DE€, WKN €, im Gesamtnennbetrag von 200 Mio. € in einer Stückelung zu je 1.000,00 € begeben. Der C-Genussschein ist zum organisierten Markt zugelassen. Er läuft zum 31.12.2012 aus und ist zum 01.07.2013 zur Rückzahlung fällig. Ausweislich § 2 Abs. 1 der Genussscheinbedingungen erhalten die Genussscheininhaber eine dem Gewinnanteil der Aktionäre der C vorgehende jährliche Ausschüttung aus dem Bilanzgewinn, die nach den Bestimmungen in § 2 Abs. 2 berechnet wird. Gemäß § 2 Abs. 3 vermindert sich die Ausschüttung, wenn der Bilanzgewinn zur vollständigen Bezahlung nicht ausreicht. Insgesamt ist die Ausschüttung dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Gemäß § 5 wird der Bestand der Genussscheine weder durch Verschmelzung oder Umwandlung der C noch durch eine Veränderung ihres Grundkapitals berührt. Gemäß § 7 nehmen die Genusscheininhaber am laufenden Verlust (Jahresfehlbetrag) in voller Höhe teil. Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen, vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers. Wegen der weiteren Einzelheiten der Genussscheinbedingungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 4 ff. (Bl. 327 ff. d. A.) Bezug genommen.

Im Jahre 2002 verschmolz die C mit der D-Bank Aktiengesellschaft zur Beklagten. Diese wiederum schloss am €.2007 mit der A-Bank € GmbH (künftig auch: A) einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) ab. Zwischen der A-Bank € GmbH und der A-Bank AG besteht ebenfalls ein Gewinnabführungsvertrag, der am €.2004 in das Handelsregister eingetragen wurde. Mittlerweile ist die Beklagte eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der A-Bank €GmbH, die wiederum eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der A-Bank AG ist. Die A-Bank AG hat für ihre Töchter eine Patronatserklärung abgegeben.

Zum Zeitpunkt der Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten zu dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der A-Bank €GmbH lag unstreitig eine für die künftigen Geschäftsjahre positive Prognose hinsichtlich der Ertragsentwicklung der Beklagten vor. Die außen stehenden Aktionäre der Beklagten erhielten im Zusammenhang mit dem BGAV einen Ausgleich in Höhe von 1,01 € jeweils für die Geschäftsjahre 2007 und 2008 sowie eine Abfindung in Höhe von 24,32 € je Stückaktie. Eine Regelung über die Behandlung der Genussscheine enthält der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht.

Am 08.08.2008 erwarb die Beklagte auf Veranlassung der Konzernobergesellschaft A-Bank AG alle Aktien der A-Bank-Tochter B AG. Mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum 01.01.2008 wurde die B am 18.08.2008 auf die Beklagte verschmolzen.

Die B hatte Genussscheine mit der WKN € (ISIN DE€) emittiert. Der Nennbetrag beträgt DM 1.000,00 je Stück. Die Verzinsung ist variabel. Die Inhaber der Genussscheine haben Anspruch auf eine Ausschüttung in Höhe von 125 Basispunkten über dem Sechs-Monats-EURIBOR. Die Ausschüttung ist jeweils zum 30. November des folgenden Jahres fällig. Die Laufzeit dieser Genussscheine endete am 31. Dezember 2009; der zurückzuzahlende Betrag wurde am 30. November 2010 fällig.

Weitere Genussscheine hatte die B mit der WKN € (ISIN DE€) im Jahr 2003 emittiert. Der Nennbetrag beträgt ebenfalls EUR 1.000,00 je Stück. Die Verzinsung ist fest. Die Inhaber dieser Genussscheine haben Anspruch auf eine Ausschüttung in Höhe von 6,7 % p.a. auf den Nennbetrag. Diese ist jeweils zum 1. Juli eines nachfolgenden Jahres fällig. Die Laufzeit der Genussscheine endet am 31. Dezember 2013; der zurückzuzahlende Betrag wird am 1. Juli 2014 fällig.

In den Genussscheinbedingungen der beiden von der B emittierten Genussscheine ist in § 2 u. a. geregelt: €Die Ausschüttung auf die Genussscheine ist dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf.€ In § 6 heißt es u. a.: €Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen oder das Grundkapital der Bank zur Deckung von Verlusten herabgesetzt, so vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers€€. Wegen der weiteren Einzelheiten der Genussscheinbedingungen der B wird auf die zur Akte gereichten Kopien (Anlagen K 5, K 10, K 16, Anlagenordner) Bezug genommen.

Im Verschmelzungsvertrag der Beklagten mit der B ist in § 3.1 u. a. Folgendes geregelt: €Die D gewährt nach Wirksamwerden der Verschmelzung den Inhabern gleiche Genussrechte mit einer der vorgenannten Ausschüttung entsprechenden Zahlungsverpflichtung gegenüber den jeweiligen Inhabern, die allen Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern nachgehen, allerdings mit den von der D bereits begebenen Genussrechten gleichrangig sind.€

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verschmelzungsvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage K 8, Anlagenordner) Bezug genommen.

Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen klägerischen Vortrag (Klageschrift, Seiten 12, 61 (Bl. 12, 61 d. A.) hatte die B vor der Verschmelzung mit der Beklagten einen positiven Ertragswert, obgleich sie im Geschäftsjahr 2007 einen Jahresfehlbetrag von 123,6 Mio. € auswies. Durch Auflösung von Kapital- und Gewinnrücklagen konnten die Genussscheine der B auch für das Geschäftsjahr 2007 voll bedient werden.

Im Geschäftsjahr 2007 führte die Beklagte nach ihrem Geschäftsbericht infolge des bestehenden BGAV einen (fiktiven) Gewinn in Höhe von 103 Mio. € ab. Auf die Genussscheine leistete sie für das Geschäftsjahr 2007 eine Ausschüttung entsprechend dem im Geschäftsbericht ermittelten fiktiven Gewinn vor der Abführung. Ohne Verlustübernahme durch die herrschende Gesellschaft wäre bei der Beklagten im Geschäftsjahr 2008 ein Fehlbetrag entstanden. Dennoch erbrachte die Beklagte auch für dieses Jahr weiter Zahlungen auf die Genussscheine.

Nach ihrem Jahresabschluss entstand der Beklagten für das Geschäftsjahr 2009 ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 169,7 Mio. €, der allerdings bilanziell durch Erträge aus Verlustübernahmen in Höhe von 150,6 Mio. € durch die A-Bank € GmbH aufgrund des BGAV und aus einer Herabsetzung der Rückzahlungsansprüche der Genussscheine in Höhe von 19,1 Mio. € ausgeglichen wurde. Zahlungen auf die Genussscheine leistete die Beklagte für das Jahr 2009 nicht. Darüber hinaus setzte die Beklagte die jeweiligen Rückzahlungsansprüche der Genussscheine herab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Seite 14 (Bl. 337 d.A.), sowie auf die Klageschrift, Seite 21 (Bl. 21 d. A.) Bezug genommen.

Die A-Bank-Gruppe hat von der Regelung des § 2a KWG (€Waiverregelung€) Gebrauch gemacht, wodurch die Beklagte von den Anforderungen an die Angemessenheit der Eigenmitteilausstattung, der Großkreditvorschriften sowie den Anforderungen an das interne Kontrollsystem auf Institutsebene befreit ist. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu sowie zu den Auswirkungen auf die A-BankAG wird auf den in Kopie zur Akte gereichten Offenlegungsbericht der A-Bank AG 2009, dort Seite 4 f (Anlage K 64, Sonderband Anlagen K 42 € K 77) verwiesen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages die Genussscheininhaber nicht beeinträchtigen dürfe. Eine ausdrückliche Regelung für den Fall der Bildung eines Vertragskonzerns durch Abschluss eines Unternehmensvertrages der Emittentin sei hier €unstreitig€ nicht getroffen worden. Der gesetzliche Schutz der Aktionäre finde im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag über den Ausgleich nach § 304 AktG und die Abfindung nach § 305 AktG statt. Der Schutz für die Genussscheininhaber dürfe dahinter nicht zurückbleiben. Die geltend gemachten Ansprüche bei den von der B ausgegebenen Genussscheinen ergäben sich unmittelbar aus den Genussscheinbedingungen, da nach diesen eine Ausschüttung nur dadurch begrenzt sei, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen dürfe. Der Begriff €Bilanzverlust€ sei handelsrechtlich zu verstehen. Da ein solcher wegen der Verlustübernahme der herrschenden Gesellschaft gemäß § 302 Abs. 1 AktG nicht eintreten könne, seien die Genussscheine der B entsprechend der Bedingungen zu bedienen und es komme auch keine Herabsetzung des Rückzahlungsbetrages in Betracht. Insofern sei auch zu berücksichtigen, dass im Verschmelzungsvertrag der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht angesprochen worden sei, vielmehr den Genussscheininhabern gleichartige Rechte wie zuvor eingeräumt worden seien.

Auch bei dem von der C emittierten Genussschein komme eine Herabsetzung nicht in Betracht, da auch diese nach den vereinbarten Bedingungen einen Bilanzverlust verlange. Hinsichtlich der jährlichen Zinsen sei hinsichtlich des C-Genussscheins eine entsprechende ergänzende Vertragsauslegung bzw. Anpassung der Emissionsbedingungen vorzunehmen. Diese müsse sich wegen des späteren Abschlusses des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der Beklagten nach der im Zeitpunkt der Zustimmung der Hauptversammlung zu dem BGAV vorliegenden Prognose hinsichtlich der künftigen Ertragsentwicklung richten. Da - was unstreitig ist - diese zum Zeitpunkt der Zustimmung der Hauptversammlung zum Abschluss des BGAV positiv gewesen sei, hätten für die restliche Laufzeit des Genussscheins unverminderte jährliche Ausschüttungen zu erfolgen.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte sei für sie negativen Weisungen der A bzw. der A-Bank AG ausgesetzt gewesen. Weiter hat sie behauptet, dass es allgemeiner Bankenpraxis entspreche, dass im Falle des nachträglichen Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages Genussscheine ohne Rücksicht auf das fiktive Ergebnis der beherrschten Gesellschaft bedient würden.

Ergänzend hat die Klägerin auf die von ihr eingereichten Rechtsgutachten der Professoren Dr. SV1 (Anlagen K 1 und K 44, Anlagenordner), Dr. Sv2 (Anlage K 42, Anlagenordner) und Dr. SV3 (Anlage K 43, Anlagenordner) Bezug genommen.

Mit ihrem Zahlungsantrag hat die Klägerin die - der Höhe nach unstreitigen - nicht erfolgten Ausschüttungen für das Geschäftsjahr 2009 geltend gemacht. Hinzu komme der bereits fällige Anspruch auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals hinsichtlich des B-Genussscheins ISIN DE€, WKN €.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.008,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2010, 12.797,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2010 sowie weitere 7.855,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 mit Eintritt des 30. November 2010 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Rückzahlungsanspruch für den Genussschein mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) nicht durch Verluste vermindert ist und in Höhe des Nennbetrags von 1.000,00 € besteht und festzustellen, dass der Rückzahlungsanspruch für den Genussschein mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) nicht durch Verluste vermindert ist und in Höhe des Nennbetrags von 1.000,00 € besteht;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Laufzeit des mit der A-Bank € GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom € 2007 und für die Dauer der Laufzeit des Genussscheins mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) jährliche Ausschüttungen auf Basis eines Referenzzinssatzes (EURIBOR Zwölf-Monats-Einlagen) zuzüglich 150 Basispunkte bezogen auf den Nennbetrag gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen (WKN €) an die Klägerin zu leisten und den Rückzahlungsanspruch gemäß § 7 der Genussscheinbedingungen (WKN €) nicht durch Verlustteilnahme zu vermindern; und

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Laufzeit des mit der A-Bank € GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom € 2007 und für die Dauer der Laufzeit des Genussscheins mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €), jährliche Ausschüttungen von 6,7 % p.a. bezogen auf den Nennbetrag gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen (WKN €) an die Klägerin zu leisten und den Rückzahlungsanspruch gemäß § 6 der Genussscheinbedingungen (WKN €) nicht durch Verlustteilnahme zu vermindern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Feststellungsanträge für unzulässig gehalten, da das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Auch der Sache nach bestünden die geltend gemachten Ansprüche nicht. Sie habe hinsichtlich der Bedienung der Genussscheine zu Recht auf den (fiktiven) Bilanzgewinn/Bilanzverlust abgestellt, der sich ohne Berücksichtigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ergebe. Ein Ausgleichs- oder Abfindungsanspruch entsprechend §§ 304, 305 AktG stehe den Genussscheininhabern nicht zu. Da es im Geschäftsjahr 2009 unabhängig vom Bestehen des BGAV zu keinem (fiktiven) Bilanzgewinn gekommen sei, sondern stattdessen zu einem (fiktiven) Bilanzverlust, könne keine Ausschüttung gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen erfolgen; vielmehr seien die Genussscheininhaber an dem fiktiven Bilanzverlust zu beteiligen.

Dies gelte auch hinsichtlich der von der B begebenen Genussscheine. Der Begriff €Bilanzverlust€ in den Genussscheinbedingungen sei nicht formal in bilanztechnischem Verständnis auszulegen, sondern im Sinne eines fiktiven Bilanzverlustes vor Abführung bzw. Ausgleich durch das herrschende Unternehmen. Auch durch den Verschmelzungsvertrag der Beklagten mit der B sei keine andere Lage entstanden. Dieser habe nur gleichwertige Rechte gewähren sollen. Würde man darauf abstellen, dass wegen der Ausgleichsverpflichtung ein Bilanzverlust nicht entstehen könne, wäre dies gerade kein gleichwertiges Recht, sondern die Genussscheine würden sich als Anleihen mit einer garantierten Verzinsung darstellen, mithin kein Genussrechtskapital im Sinne des § 10 Abs. 5 KWG mehr darstellen.

Die Beklagte hat die Erteilung nachteiliger Weisungen aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bestritten. Vielmehr habe sich dieser deutlich positiv für die Beklagte ausgewirkt. Ebenso hat die Beklagte die von der Klägerin behauptete Bankenpraxis bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Seite 4 ff. (Bl. 327 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.02.2011 hat das Landgericht der Klage bis auf den Zahlungsantrag über 1.008,70 € sowie den Feststellungsantrag hinsichtlich der Zinszahlungen aus dem Genussschein der C WKN € stattgegeben. Zur Begründung führt das Landgericht an, dass die Klage insgesamt zulässig sei. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin sei hinsichtlich des Umfangs der Verpflichtung der Beklagten zur (künftigen) jährlichen Bedienung der streitgegenständlichen Genussscheine sowie zum Umfang der Rückzahlungsverpflichtungen gegeben. Hinsichtlich der von der € emittierten Genussscheine seien sowohl die Zahlungsanträge als auch die Feststellungsanträge in vollem Umfang begründet. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung der Genussscheinbedingungen, die daran anknüpften, dass eine jährliche Ausschüttung (nur) dadurch begrenzt sei, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Ein solcher könne wegen des Abschlusses des BGAV gemäß § 302 AktG jedoch nicht entstehen. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei insoweit nicht geboten, da die Beklagte den BGAV mit der A nach eigener Entschließung und nach Zustimmung ihrer Aktionäre abgeschlossen habe mit der Folge, dass sie nun keinen Bilanzverlust mehr ausweisen könne.

Entsprechend seiner Entscheidung in dem Parallelverfahren 3/5 O 65/10 (Urteil vom 14.12.2010) begründet das Landgericht die teilweise Abweisung der Klageanträge hinsichtlich des Genussscheins der C damit, dass zwar infolge des Abschlusses des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages durch die Beklagte als beherrschtem Unternehmen für die Klägerin als Genussscheininhaberin eine Situation entstanden sei, die es gebiete, gemäß § 311 BGB den Vertrag zwischen den Parteien über die Bedingungen der Genussscheine anzupassen. Denn für die Genussscheininhaber bestehe eine Schutzlücke, da bei Abschluss des BGAV keine Regelung für die vom beherrschten Unternehmen begebenen Genussscheine getroffen worden sei. Allerdings sei der klägerischen Auffassung einer analogen Anwendung von § 304 AktG nicht zu folgen, insbesondere da dies zu einem Verzicht auf die in § 7 der Bedingungen ausdrücklich vereinbarte Teilnahme am Verlust der Gesellschaft führe. Das Begehren der Klägerin laufe im Ergebnis darauf hinaus, das Genussrecht einem einfachen Darlehen gleichzustellen. Stattdessen hält das Landgericht ein Abstellen auf die Ertragslage und den Bilanzgewinn der Konzernmutter, also der A-Bank AG, für geboten. Da eine derartige Vertragsanpassung jedoch nicht Gegenstand der Klage sei und im Übrigen die A-Bank AG im Jahre 2009 keinen Gewinn erwirtschaftet habe, sei die Klage abzuweisen. In ausdrücklicher Abkehrung von seinem Urteil vom 14.12.2010 in dem Parallelverfahren beschränkt das Landgericht diese Ansicht jedoch auf die jährliche Zinsausschüttung.

Da auch bei dem C-Genussschein ausweislich der Genussscheinbedingungen in § 7 Abs. 1 die Herabsetzung des Genusskapitals an das Vorliegen eines Bilanzverlustes geknüpft sei und ein solcher wegen § 302 AktG nicht eintreten könne, sei das eingesetzte Kapital in jedem Fall in voller Höhe zurückzuerstatten

Wegen der Einzelheiten der Urteilsgründe wird auf Seite 21 ff. (Bl. 344 d.A.) des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin greift mit ihrer Berufung das landgerichtliche Urteil an, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Insoweit wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 15. Februar 2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt, Az.: 3-5 O 100/10, die Beklagte und Berufungsbeklagte über die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen und den zuerkannten Betrag hinaus

1. zu verurteilen, an die Klägerin 1.008,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2010 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Laufzeit des mit der A-Bank € GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom € 2007 und für die Dauer der Laufzeit des Genussscheins mit der Kennziffer ISIN DE€ (WKN €) jährliche Ausschüttungen auf Basis eines Referenzzinssatzes (EURIBOR 12-Monats-Einlagen) zzgl. 150 Basispunkte bezogen auf den Nennbetrag gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen (WKN €) an die Klägerin zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Darüber hinaus beantragt die Beklagte,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.02.2011 dahingehend abzuändern, dass die Klage vollumfänglich abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und nimmt auf das von ihr eingeholte Privatgutachten von Prof. Dr. SV4 vom €.2011 (Anlage B 7, Bl. 516 ff. d.A.) Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Während die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg hat, ist die Berufung der Beklagten unbegründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, auch den der C begebenen Genussschein ISIN DE€, WKN €, während der Laufzeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in vollem Umfang zu bedienen. Über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus ist sie daher verpflichtet, für das Jahr 2009 an die Klägerin einen Ausschüttungsbetrag von 1.008,70 € nebst Zinsen zu zahlen. Für die weitere Laufzeit des Genussscheins war die entsprechende Verpflichtung der Beklagten festzustellen. Die von der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

1. Genussschein der C

Der Senat hat über den streitgegenständlichen Sachverhalt hinsichtlich des Genussscheins der C ISIN DE€, WKN € bereits mit Urteil vom 13.12.2011 in dem Parallelverfahren 5 U 56/11 (3/5 O 56/10 LG Ffm.) entschieden. Insoweit gilt Folgendes:

Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den gestellten Feststellungsantrag. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht ein Feststellungsinteresse der Klägerin hinsichtlich des Umfangs der Verpflichtung der Beklagten zur jährlichen Bedienung des streitgegenständlichen Genussscheins sowie zum Umfang der Rückzahlungsverpflichtung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 21 ff., Bl. 344 d. A.) Bezug genommen.

Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet. Infolge des von der Beklagten mit der A-Bank € GmbH abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ist die Klägerin als Genussscheinsberechtigte in ähnlicher Weise schutzbedürftig wie ein außen stehender Aktionär. Im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB ist daher ein angemessener Ausgleich entsprechend § 304 AktG vorzusehen, der im vorliegenden Fall dazu führt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Bestehens des BGAV die vereinbarten Couponzahlungen zu leisten und - das weitere Bestehen des BGAV vorausgesetzt - das eingezahlte Kapital nach Fälligkeit zum Nennwert zurück zu zahlen.

Ausgangspunkt der infolge des abgeschlossenen BGAV aufgetretenen Problematik ist, dass auf Grund der Pflicht zur Gewinnabführung auf Seiten der Beklagten kein Bilanzgewinn gemäß § 2 der Genussscheinbedingungen mehr entsteht. Auf der anderen Seite kann wegen der Pflicht zur Verlustübernahme nach § 302 AktG auch kein Verlust (Jahresfehlbetrag) im Sinne von § 7 der Genussscheinbedingungen mehr auftreten. Wollte man allein die vertraglichen Regelungen anwenden, erhielten die Genussscheininhaber - unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Beklagten und ihrer Mutterkonzerne - ab dem Inkrafttreten des BGAV keine Ausschüttungen mehr, wie sie auch beim Auftreten etwaiger Verluste an diesen nicht teilnehmen würden. Dieses Ergebnis ist ersichtlich nicht sach- und interessengerecht, was insoweit auch zwischen den Parteien nicht im Streit ist. Da die Genussscheinbedingungen keine Regeln für den Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages enthalten, ist eine sog. ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB erforderlich.

Diese ist einer Anwendung von § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) vorzuziehen. Denn der Abschluss des BGAV erfolgte willentlich aufgrund einer (rechtmäßigen) freien Entscheidung der Aktionäre der Beklagten. Führt eine Partei die Änderung der vertraglichen Grundlagen vorsätzlich herbei, kann sie aus deren Wegfall keine Rechte herleiten (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 313, Rn. 22 m.N.). Es wäre daher - angesichts dessen, dass Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge ausdrücklich gesetzlich gestattet sind und je nach Situation wirtschaftlich bzw. steuerlich durchaus sinnvoll sein können - unbillig, wenn bei der zu findenden Lösung allein die Interessen der Klägerin ausschlaggebend wären.

Eine ergänzende Vertragsauslegung hat hingegen die Lücken der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung anhand des im Vertrag enthaltenen Regelungsplans der Parteien unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu schließen (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 Rn. 2 m.N.).

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass richtiger- und gerechterweise statt des tatsächlich bilanzierten, wegen des Ausgleichs durch die Konzernmutter immer €Null€ betragenden Gewinns bzw. Verlustes auf das vor der Feststellung eines ggf. abzuführenden Gewinns bzw. auszugleichenden Verlusts ausgewiesene fiktive Geschäftsergebnis abzustellen sei. Denn dies entspreche der wirtschaftlichen Situation ohne das Vorliegen eines BGAV.

Diese Lösung wird im Ergebnis den berechtigten Interessen der Klägerin nicht gerecht. Zwar entspricht sie auf den ersten Blick scheinbar am besten den in den Genussscheinbedingungen getroffenen Regelungen und erscheint daher zunächst naheliegend. Es kann im vorliegenden Fall auch dahingestellt bleiben, ob sie ggf. im Falle des Vorliegens nur eines Gewinnabführungsvertrages angemessen sein könnte. In dem gegebenen Fall des Abschlusses auch eines Beherrschungsvertrages berücksichtigt sie jedoch zu Lasten der Genussscheininhaber nicht ausreichend, dass bereits das vorläufige, fiktive Jahresergebnis der beherrschten Gesellschaft davon beeinflusst ist oder jedenfalls beeinflusst sein kann, dass es sich bei der Beklagten nicht um ein unabhängiges, sondern um ein beherrschtes Unternehmen handelt.

Zwar handelt es sich bei der Beklagten um ein Kreditinstitut, weswegen die Sondervorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) maßgeblich sind. Nach diesem muss dem €Geschäftsleiter€ (im vorliegenden Fall dem Vorstand) die uneingeschränkte Geschäfts- und Vertretungsbefugnis zustehen. Entscheidungsvorbehalte Dritter wie z.B. des Aufsichtsrats, einzelner Aufsichtsratsmitglieder oder Anteilseigner sind mit diesem Grundsatz nicht vereinbar. Entsprechendes gilt für den Eingriff in diese Befugnis durch einen Beherrschungsvertrag, der die Erteilung von Weisungen gegenüber den Geschäftsleitern nicht ausschließt (Boos/Fischer/Schult-Mattler/Schäfer, KWG, 3. Aufl., § 1 Rn. 153, 154; Luz/Neus/Scharpf/ Schneider/Weber/Serafin/Weber, KWG, § 1 Rn. 57). § 1 Abs. 3 des BGAV vom €.2007 sieht daher vor:

€A (A-Bank € GmbH) wird die nach den Bestimmungen des Gesetzes über das Kreditwesen und des Pfandbriefgesetzes bestehende Alleinverantwortung des Vorstands der D bei ihren Weisungen beachten. A wird keine Weisungen erteilen, deren Ausführung zur Folge hätte, dass die D oder ihre Organe gegen die ihnen durch das Gesetz über das Kreditwesen oder das Pfandbriefgesetz auferlegten Pflichten oder gegen Anordnungen oder Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verstoßen würden. Weisungen bedürfen der Schriftform.€

Ein Ausschluss der Leitungsmacht des § 308 AktG oder auch nur ein vollständiger Ausschluss nachteiliger Weisungen im Sinne von § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG liegt hierin jedoch nicht. Dies gilt vor allem, da die Beklagte von der Option des § 2 a Abs. 1 KWG (sog. Waiver-Regelung) Gebrauch gemacht hat und daher von zentralen Strukturnormen des Bankenaufsichtsrechts befreit ist. Gemäß § 2 a Abs. 1 KWG kann ein abhängiges Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen davon absehen, die Vorschriften der §§ 10, 13,13 a und 25 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, Festlegung von Strategien, Einrichtung von Prozessen zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation von Risiken anzuwenden. Diese entscheidenden Befugnisse werden stattdessen von dem herrschenden Unternehmen wahrgenommen, weswegen die Ausnahmeregelung überhaupt nur in Anspruch genommen werden kann, wenn das übergeordnete Unternehmen beherrschenden Einfluss auf das nachgeordnete Unternehmen ausüben kann (Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O, § 2 a, Rn. 7). Dieser beherrschende Einfluss umfasst notwendiger Weise ein umfassendes Weisungsrecht, das - im übergeordneten Konzerninteresse - auch das Recht zu nachteiligen Weisungen für das einzelne abhängige Unternehmen beinhaltet.

Jedenfalls im vorliegenden Fall sind damit (auch für die Beklagte nachteilige) Weisungen gemäß § 308 AktG nicht ausgeschlossen.

Hinzu kommt, dass im Konzern auch ohne ausdrückliche Weisung Geschäftschancen oder vielversprechende Entwicklungen des abhängigen Unternehmens auf das herrschende Unternehmen oder auf Schwesterunternehmen des abhängigen Unternehmens umgeleitet werden können. Ferner kann die Bilanzierungspolitik des abhängigen Unternehmens geändert werden. So kann etwa mittels zentral vorgeschriebener Konzernverrechnungspreise das abhängige Unternehmen gezwungen werden, Produkte oder Dienstleistungen unter Marktwert an andere Konzernunternehmen zu leisten. Hinzu kommt der Verlust an Selbständigkeit und Leitungsmacht durch die Einführung eines konzernweiten Cash-Managements. Auch ohne Weisungen können durch Maßnahmen des herrschenden Unternehmens daher die Gewinne des abhängigen Unternehmens geschmälert werden.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, das vorhandene €abstrakte€ Risiko negativer Weisungen sei €im vorliegenden Fall € minimal€ (Schriftsatz vom 4.1.2011, S. 31, Bl. 289 d.A.), überzeugt dies nicht. Die Beklagte trägt insoweit vor, dass auf Grund einer EU-Beihilfeentscheidung die A-Bank AG verpflichtet sei, bis Ende 2014 die Beklagte zu verkaufen. Dieser Verkauf werde besser funktionieren, wenn die Beklagte Gewinne erwirtschafte. Unabhängig hiervon sei die Konzernmutter ganz allgemein an einer möglichst hohen Abführung und damit einem möglichst hohen Gewinn ihrer Tochter interessiert.

Diese Argumente greifen nach Auffassung des Senats nicht durch. Denn es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass es z. B. aus Gründen der Bilanzpolitik oder auch des Steuerrechts für die Konzernmutter durchaus ebenso günstig oder noch günstiger sein kann, die Gewinne bei dieser oder einem Schwesterunternehmen entstehen zu lassen. Auch ein geplanter Verkauf der Beklagten Ende 2014 schließt nicht aus, dass im Interesse des Gesamtkonzerns Weisungen erteilt werden, die während der Laufzeit des Genussscheins (also bis Ende 2012) den Gewinn der Beklagten schmälern.

Nicht überzeugend ist die von Prof. Dr. SV4 in ihrem Gutachten vom €.2011 vorgeschlagene €teleologische Reduktion€ von § 308 AktG dahingehend, dass bei Existenz von Genussscheinen einer abhängigen Gesellschaft das herrschende Unternehmen auch bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages der Genussscheinschuldnerin keine nachteiligen Weisungen erteilen darf. Diese Auffassung führte im Ergebnis zu einer massive Beeinträchtigung der Interessen beider Parteien. Die Beklagte stünde der Sache nach so, als hätte sie gerade keinen Beherrschungsvertrag abgeschlossen, sondern bestünde lediglich ein faktischer Konzern im Sinne von § 311 AktG. Eine derart weitgehende Einschränkung der von den Aktionären mit der Zustimmung zu dem BGAV der herrschenden Gesellschaft erteilten Leitungsmacht allein deswegen, weil zuvor ein Genussschein begeben wurde, widerspräche nicht nur § 308 AktG, sondern verletzte die mit dem Abschluss des BGAV legitimer Weise wahrgenommene Abschlussfreiheit der Beklagten sowie die Interessen ihrer Vertragspartnerin, der herrschenden Gesellschaft. Mit dem abgeschlossenen BGAV, in dem von der gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich gegebenen Möglichkeit eines Ausschlusses nachteiliger Weisungen gerade kein Gebrauch gemacht wurde, wäre diese Lösung nicht zu vereinbaren. Hinzu kommt, dass die von Prof. Dr. SV4 vorgeschlagene Lösung auch kaum praktikabel wäre, da den Genussscheininhabern mangels Einblick in die Geschäftsführung und mangels Auskunftsansprüchen ein Nachweis nachteiliger Weisungen praktisch kaum möglich wäre, wodurch die Klägerin massiv benachteiligt würde. Es bestünde vielmehr die Gefahr, dass wegen eines Teilaspekts der Unternehmensfinanzierung die grundlegende Regelungen des Konzernrechts verändert und die vielfältigen Interessen der übrigen Beteiligten, insbesondere der Aktionäre des herrschenden wie des beherrschten Unternehmens, beeinträchtigt würden.

Nicht zu folgen ist im Ergebnis dem Vorschlag des Landgerichts, statt auf das Jahresergebnis der Beklagten auf dasjenige ihrer (obersten) Konzernmutter, der A-Bank AG, abzustellen. Hiernach wäre die Ausschüttung der Genussscheine davon abhängig zu machen, ob die Konzernmutter einen entsprechenden Bilanzgewinn erwirtschaftet bzw. einen Bilanzverlust erleidet. Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil (S. 33, Bl. 356 d. A.) ausdrücklich einräumt, würde dies faktisch bedeuten, dass der Genussschein der Beklagten wie ein Genussschein der Konzernmutter behandelt würde.

Für eine derartige Lückenfüllung gemäß § 157 BGB könnte der Rechtsgedanke des § 23 UmwG sprechen, wonach im Falle einer Verschmelzung den Inhabern von Genussscheinen des übertragenden Rechtsträgers gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren sind. Hintergrund der Regelung ist, dass die Inhaber der in § 23 UmwG genannten Kapitalanlagen (ausdrücklich auch von Genussrechten) über kein Stimmrecht oder sonstige Mitwirkungsrechte in der übertragenden Gesellschaft verfügen, weswegen sie nicht über die Verschmelzung (mit-)entscheiden können. § 23 UmwG gewährt deshalb im Interesse des Verwässerungsschutzes einen entsprechenden Ausgleich (Semler/Stengel/Kalss, UmwG, 2. Aufl., § 23 Rn. 1). Sind auch die Inhaber von Genussscheinen im vorliegenden Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in ähnlicher Weise schutzbedürftig, da sie mangels Stimm- oder Mitwirkungsrechten auch über dessen Abschluss nicht mit entscheiden können, so ist nach der Auffassung des Senats - wie auch beider Parteien - der Lösung des Landgerichts nicht zu folgen. Denn die Verschmelzung, für die der Gesetzgeber die Gewährung gleichwertiger Rechte im übernehmenden Rechtsträger angeordnet hat, ist endgültig ist und lässt den übertragenden Rechtsträger erlöschen. Im Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bleibt hingegen zum einen das beherrschte Unternehmen als Rechtsträger in vollem Umfang bestehen. Auch ist der Abschluss eines BGAV grundsätzlich nur zeitlich befristet bzw. vorübergehend. So enthält im vorliegenden Fall § 6 des Vertrages vom €.2007 in Abs. 3 folgende Regelung:

€Der Vertrag kann schriftlich mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres der D gekündigt werden. Der Vertrag kann erstmals zum Ende des Geschäftsjahres gekündigt werden, dass mindestens fünf Kalenderjahre nach dem Beginn des Geschäftsjahres endet, in dem der Vertrag wirksam wird.€

Abs. 4 lautet wie folgt:

€Das Recht jeder Partei zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. A ist insbesondere zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn sie nicht mehr die Mehrheit der Stimmrechte aus Anteilen an D hält.€

Würde nun statt auf die Verhältnisse der Beklagten auf diejenigen des herrschenden Unternehmens oder diejenigen der Konzernmutter (A-Bank AG) abgestellt, hätte dies Folgen, die dem Charakter des Genussscheins widersprächen. Denn wiese die Beklagte Verluste auf, ihre Konzernmutter jedoch Gewinne, würden die Genussscheine nicht herabgesetzt, sondern voll bedient, obgleich Verluste erwirtschaftet wurden, was eindeutig den Regelungen und dem Charakter des streitgegenständlichen Genussscheins widerspräche. Im umgekehrten Fall, das heißt, wenn die Beklagte einen (fiktiven) Gewinn auswiese, die Konzernmutter jedoch einen Verlust, müssten die Genussscheine herabgesetzt werden und erhielten keine Verzinsung. Dies führte dazu, dass die Genussscheine in der Bilanz der Beklagten herabgesetzt werden müssten und diese Herabsetzung zur Deckung von Verlusten der Mutter herangezogen würde mit der Folge, dass die Herabsetzung in der Bilanz der Beklagten zu einem außerordentlichen Ertrag führte, der ihren Bilanzgewinn entsprechend erhöhte und aufgrund des Gewinnabführungsvertrages an das herrschende Unternehmen (letztlich die Konzernmutter) abgeführt werden müsste. Im Ergebnis führte dies zu einer unzulässigen Abführung vorvertraglicher Eigenkapitalbestandteile gemäß § 301 AktG.

Vorzugswürdig ist daher eine Lösung entsprechend § 304 AktG. Gemäß § 157 BGB ist davon auszugehen, dass die Parteien redlicherweise eine solche vereinbart hätten, wenn sie bei Begebung des Genussscheins eine Regelung für den Fall des späteren Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages getroffen hätten. In der Literatur wird ganz überwiegend eine solche Lösung nach § 304 AktG vertreten, wobei allerdings durchweg keine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik erfolgt. Teilweise wird eine direkte Analogie zu § 304 AktG vertreten (so Hasselbach/Hirte, in: Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. (2005), § 304 Rn. 147; Lutter, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. (1993), § 221 Rn. 405; Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktienrecht, 2. Aufl. (2005), § 221 Rn. 320; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, 1998, S. 538; van Look, in: Bundschuh u.a., Recht und Praxis der Genußscheine, 1987, S. 35, 41; Vollmer, Der Genußschein - ein Instrument für mittelständische Unternehmen zur Eigenkapitalbeschaffung an der Börse, ZGR 1983, S. 445, 467; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 221 Rn. 68a, der dies als €erwägenswert und wohl richtig€ ansieht; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. (2009), § 304 Rn. 14a, zumindest in geeigneten Fällen; Veil, in: Spindler/Stilz, Kommentar zum Aktiengesetz, § 304 Rn. 14, wenn Schutz mittels vertraglicher Vereinbarungen oder Schadensersatz nicht ausreichend ist). Teilweise werden zudem Abfindungsansprüche nach § 305 befürwortet (so Vollmer, a.a.O.; van Look, a.a.O.; ähnlich Schneider, Genußrechte an Konzernunternehmen, FS Goerdeler, 1987, S. 526 f., der ein Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund befürwortet; kritisch dagegen Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 221 Rn. 68a, der einen solchen Anspruch für überzogen hält), wobei sich in diesem Fall die Ansprüche gemäß §§ 304, 305 AktG unmittelbar gegen die Muttergesellschaft richten. Ein anderer Teil der Literatur befürwortet eine €indirekte Analogie€ über eine ergänzende Vertragsauslegung der Genussrechtsbedingungen bzw. eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB (Lindemann, Gewinnabhängige Ansprüche im Konzern, 2003, S. 57 ff.; Stephan, in: K. Schmidt/Lutter, AktG (2008), § 304 Rn. 68; Bilda, in: Münchener Kommentar zum Aktienrecht, 2. Aufl. (2000), § 304 Rn. 27; Paulsen, in: Münchener Kommentar zum Aktienrecht, 3. Aufl. (2010), § 304 Rn. 32; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. (2004), § 304 Rn. 18; Veil, in: Spindler/Stilz, Kommentar zum Aktiengesetz, § 304 Rn. 14; Krieger, in: Münchener Handbuch für Gesellschaftsrecht € Aktiengesellschaft, 3. Aufl. (2007), § 63 Rn. 72; Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußscheinen, 1994, S. 180 f.; Frantzen, Genußscheine, 1992, S. 284 f.; Sethe, AG 1993, S. 351, 366 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. (2009), § 304 Rn. 14a, der dies als einen Lösungsansatz von mehreren sieht; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 221 Rn. 68a, der diese Rechte als €Minimum€ ansieht; wohl auch Schenk, in: Heidelberger Kommentar zum Aktienrecht, 2007, § 304 Rn. 14, der das Schutzbedürfnis erkennt und lediglich eine analoge Anwendung der §§ 304 f. AktG ablehnt).

Da vorliegend eine vertragliche Regelungslücke besteht, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB geschlossen werden kann, bedarf es einer direkten Gesetzesanalogie nicht. Insoweit besteht auch das Problem einer unbeabsichtigten Regelungslücke hinsichtlich von Genussscheinen nicht. Ebenso wenig bedarf es der Gewährung von Schadensersatzansprüchen aus § 280 BGB (solche werden für möglich erachtet von Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 221 Rn. 320; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2004), § 304 Rn. 18; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. (2009), § 304 Rn. 14a). Denn zum einen handelte die Beklagte nicht pflichtwidrig, sondern im Rahmen ihrer vom Gesetzgeber ausdrücklich gewährten wirtschaftlichen Freiheit, indem sie den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der A-Bank € GmbH abschloss. Zum anderen wird durch eine sachgerechte ergänzende Vertragsausfüllung die Entstehung eines Schadens auf Seiten der Klägerin vermieden.

Ausgangspunkt der Überlegung, dass die Parteien redlicherweise eine dem Grundgedanken von § 304 AktG entsprechende Regelung für die Genussscheininhaber und damit die Klägerin getroffen hätten, ist, dass die Genussscheininhaber insofern (außen stehenden) Aktionären der Beklagten vergleichbar sind, als sie wie diese am Gewinn und Verlust der Gesellschaft teilnehmen. Gegenüber den außen stehenden Aktionären sind sie jedoch noch schutzwürdiger, da sie keine Möglichkeit zur gesellschaftsrechtlichen Mitwirkung, insbesondere zur (Mit-)Abstimmung über den Abschluss eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages wie auch kein Rederecht etc. auf der entsprechenden Hauptversammlung haben. Insofern ist ein - zumindest - den außen stehenden Aktionären entsprechender Schutz naheliegend, soweit es um einen Ausgleich der wirtschaftlichen Risiken (und nicht der Mitverwaltungsrechte) infolge des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages geht.

Wie ausgeführt ist eine Anlehnung an § 23 UmwG nicht sachgerecht. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass auch eine Anlehnung an § 304 AktG die ursprüngliche vertragliche Regelung erheblich verändert. Jedoch verbleibt es bei der Maßgeblichkeit der Verhältnisse des von den Genussscheinerwerbern ausgewählten Unternehmens (wenn auch im Wege einer Prognose für die Zukunft festgeschrieben). Auch trägt eine Anlehnung an § 304 AktG dem Umstand Rechnung, dass bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag das beherrschte Unternehmen als selbständige rechtliche Einheit erhalten bleibt und rechtlich wie tatsächlich eine Auflösung des Konzerns in der Zukunft möglich ist.

In der Durchführung ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt die - ohnehin wegen § 304 AktG vorzunehmende - Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft in der Zukunft. Im vorliegenden Fall war diese unstreitig für die Zeit bis zur Fälligkeit des Genussscheins am 31.12.2012 positiv, was auch daraus folgt, dass im BGAV ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 1,01 € netto für das Geschäftsjahr 2007 und 1,10 € netto für die Geschäftsjahre ab 2008 je Aktie vorgesehen waren. Gemäß § 2 Abs. 1 der Genussscheinbedingungen geht die Ausschüttung der Genussscheininhaber dem Gewinnanteil der Aktionäre vor. Im Ergebnis folgt hieraus, dass die Klägerin, wie von ihr vertreten und beantragt, (unter der Voraussetzung eines Fortbestands des BGAV) bis zum Auslauf des Genussscheins am 31.12.2012 die jeweils für jede Zinsperiode gemäß § 2 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen zu berechnende Zinsausschüttung und danach die vollständige, ungeschmälerte Rückzahlung des Genusscheins zum Nennbetrag beanspruchen kann.

Da gemäß § 7 der Genussschein-Bedingungen dieser am laufenden Verlust (Jahresfehlbetrag) in voller Höhe teilnimmt, müsste in dem Fall, dass die Gewinnprognose für das Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages negativ ist, für die gesamte Laufzeit des BGAV bzw. Restlaufzeit des Genussscheins die Ausschüttung entfallen sowie eine Beteiligung der Genussscheininhaber an dem (prognostizierten) Verlust erfolgen. Auf die Einzelheiten, insbesondere der Berechnungen für diesen Fall, kommt es wegen der unstreitig positiven Gewinnprognose vorliegend nicht an.

Im Ergebnis offen bleiben kann Frage, ob angesichts der vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung nach Abschluss des BGAV das Genussrechtskapital noch gemäß § 10 Abs. 5 KWG dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen ist. Die Funktion des eingezahlten Kapitals als €Ergänzungskapital€ und damit haftendes Eigenkapital war unstreitig einer der Gründe für die Begebung der Genussscheine. Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 KWG ist

€Kapital, das gegen Gewährung von Genußrechten eingezahlt ist (Genußrechtsverbindlichkeiten) € dem Ergänzungskapital (u.a.) nur dann zuzurechnen, wenn 1. es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt und das Institut berechtigt ist, im Falle eines Verlustes Zinszahlungen aufzuschieben, €€

Unstreitig erfüllte der streitgegenständliche Genussschein ursprünglich diese Bedingung. Die Frage ist jedoch, ob dies auch noch der Fall ist, wenn - wie vorliegend bei einer positiven Ertragsprognose - während der Laufzeit eines BAGV eine Teilnahme am aktuellen (fiktiven) Verlust nicht mehr stattfindet.

Die Klägerin vertritt, gestützt insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr. SV1 (Ergänzungsgutachten vom €2010, S. 7 ff.), die Ansicht, dass die Voraussetzungen von § 10 Abs. 5 KWG auch weiterhin erfüllt seien, insbesondere da die Teilnahme am Verlust der Gesellschaft im Fall einer Insolvenz der herrschenden Gesellschaft sowie nach einem Ende des BGAV weiterhin bestehen bleiben. Eine Gefährdung der Gläubigerinteressen, deren Schutz § 10 Abs. 5 KWG - was unstreitig ist - allein diene, sei wegen § 302 AktG ausgeschlossen. Die Beklagte meint demgegenüber, eine Lösung nach dem Vorbild von § 304 AktG führe zu einem Verlust der Qualifizierung des eingezahlten Kapitals als Ergänzungskapital. Auch das Landgericht (Urteil S. 32, Bl. 355 d.A.) geht offenbar davon aus, dass das Abstellen auf eine Stichtagsprognose eine - gemäß § 9 der vereinbarten Bedingungen (und § 10 Abs. 5 Satz 3 KWG) unzulässige - Änderung der Genussscheinbedingungen zur Folge hätte.

Festzuhalten ist, dass keine gesetzliche Pflicht besteht, die Kriterien des § 10 Abs. 5 KWG einzuhalten. Rechtsfolge eines Verstoßes ist €nur€, dass die Qualifikation der Genussrechtsverbindlichkeiten als Ergänzungskapital entfällt und die Beklagte deshalb ggf. anderweit ihr Eigenkapital erhöhen muss, um den aufsichtsrechtlichen Bedingungen zu genügen.

Im Ergebnis bedarf die Frage, ob das Abstellen auf eine Stichtagsprognose die Qualifikation des Genussscheinkapitals als Ergänzungskapital entfallen lässt, jedoch keiner Entscheidung. Denn selbst wenn dies der Fall wäre und entsprechend negative Auswirkungen für die Beklagte hinsichtlich ihrer Eigenkapitalquote nach sich zöge, wäre die Beklagte geringer schutzwürdig als die Klägerin. Denn sie hat aus freiem, eigenem Entschluss den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der A-Bank € GmbH abgeschlossen, während die Klägerin mangels Aktionärsstellung keinerlei Einflussmöglichkeit hatte.

Da im Wege einer ergänzenden Auslegung gemäß § 157 BGB der Vertrag über den Genussschein so angepasst werden kann, dass beiden Parteien seine Fortsetzung zugemutet werden kann, besteht im Abschluss des BGAV kein wichtiger Grund für eine (ohnehin nicht erklärte) Kündigung gemäß § 314 BGB (vgl. § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 314 Rn. 9 zum Vorrang einer Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB vor einer Kündigung gemäß § 314 BGB).

Da der Genussschein-Vertrag zwischen den Parteien (bzw. ihren Rechtsvorgängern) lediglich punktuell ergänzt wird, ansonsten aber unverändert weiter besteht, bleibt Schuldner der Ausschüttungs- und Rückzahlungsbeträge die Beklagte (für den Anspruch aus § 304 AktG ist dies umstritten, vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 304 Rn. 4 m.N., der für eine Schuldnerschaft des herrschenden Unternehmens plädiert).

Die Frage, ob der Klägerin - wahlweise - ein Abfindungsanspruch entsprechend § 305 AktG zustehen könnte (ablehnend z. B. MünchKomm/Habersack, AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 320; Kölner Kommentar/Lutter, 2. Aufl., § 221, Rn. 404) bedarf mangels Antragstellung keiner Entscheidung.

Da nach dem Ausgeführten bereits die Möglichkeit einer negativen Beeinflussung der Geschäftspolitik der Beklagten durch ihre Konzernmütter die Schutzbedürftigkeit der Klägerin begründet, kann für das Ergebnis die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die A bzw. die Konzernmutter A-Bank AG der Beklagten tatsächlich negative Weisungen erteilt haben, offen bleiben. Gleiches gilt für die von der Klägerin behauptet Bankenpraxis hinsichtlich einer Bedienung von Genussscheinen bei Vorliegen eines fiktiven Bilanzverlusts.

2. Genussscheine der B

Hinsichtlich der von der B begebenen Genussscheine ISIN DE€, WKN € und ISIN DE€, WKN € ist die Rechtslage die Gleiche wie hinsichtlich des C Genussscheins ISIN DE.., WKN ...

Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die Klage bereits aufgrund der Formulierung der Bedingungen der von der B emittierten Genussscheine begründet ist, wie dies das Landgericht annimmt (Auslegung des Begriffs €Bilanzverlust€), kann dabei für das Ergebnis dahin stehen. Denn auch wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass die Vertragsbestimmung im vorliegenden Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nicht im strengen Sinne des Handelsrechts auszulegen ist, ist nach dem zu 1.) Ausgeführten die Klage begründet. In diesem Fall besteht - entsprechend der Rechtslage bei dem von der C begebenen Genussschein - eine Regelungslücke für den Fall des Abschlusses eines BGAV bzw. für den vorliegenden Fall der Verschmelzung der B AG auf eine im Rahmen eines BGAV abhängige Gesellschaft (die Beklagte). Die Genussscheininhaber der ehemaligen B AG sind genauso schutzwürdig wie diejenigen des C-Genussscheins. Die Interessenlage ist die gleiche. Es wäre deshalb davon auszugehen, dass die Parteien, wenn sie den Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bzw. einer Verschmelzung mit einer abhängigen Gesellschaft geregelt hätten, redlicher Weise einen Ausgleich für die Genussscheininhaber entsprechend dem Rechtsgedanken von § 304 AktG vereinbart hätten.

Der Einholung eines Gutachtens zur Bestimmung eines €angemessenen Ausgleichs€ gemäß § 304 AktG bedarf es nicht. Denn - mangels eines Bestreitens des entsprechenden Vortrags der Klägerin durch die Beklagte - ist zwischen den Parteien unstreitig, dass hinsichtlich der B eine positive Ertragsprognose bestand, wie diese auch bis zu ihrer Verschmelzung auf die Beklagte stets die Genussscheine in vollem Umfang bedient hat. Da die Ausschüttungen an die Genussscheininhaber den Dividenden der Aktionäre vorgehen und in dem Fall eines positiven Ergebnisses stets in voller Höhe entsprechend der Genussscheinbedingungen zu leisten sind, bedarf es anders als hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs außen stehender Aktionäre gemäß § 304 AktG insoweit nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 16.1.2012 (Bl. 705 d.A.) in Bezug genommenen €Wurzeltheorie€. Zwar ist es zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG bei der Bestimmung der Ausgleichszahlung auch Entwicklungen, die erst später eintreten, aber schon in den am Stichtag bestehenden Verhältnissen angelegt sind, berücksichtigt werden müssen (Urteil vom 4.3.1998, II ZB 5/07, BGHZ 138, S. 136 ff., zit. nach juris, Rn. 11 m.w.N.). Dass und mit welcher Konsequenz hinsichtlich der Ertragsprognose negative Entwicklungen bereits im Zeitpunkt der Verschmelzung der B auf die Beklagte im Jahre 2008 angelegt waren, trägt die Beklagte jedoch nicht vor. Sie weist lediglich darauf hin, dass die Beklagte und zuvor die B €in beträchtlichem Umfang€ Staatsanleihen in ihrem Portfolio hätten. Irgendein Vortrag dazu, in welchem Umfang welche Anleihen welcher Staaten gehalten wurden bzw. werden, fehlt jedoch. Lediglich allgemein verweist die Beklagte auf die €Finanzkrise€ des Jahres 2008 und darauf, dass der B ohne die Übernahme durch die A-Bank ein ähnliches Schicksal gedroht habe wie der F (F). Dieser Vortrag ist nicht schlüssig. Die Finanzkrise der Jahre 2008/2009, die insbesondere auch zur Schieflage bei der F führte, betraf Wertpapiere im Zusammenhang mit Subprime-Krediten in den USA, nicht aber Staatsanleihen. Auch behauptet die Beklagte nicht, dass eine Abwertung von Staatsanleihen (bestimmter) Euroländer bereits im - maßgeblichen - Jahr 2008 (Erwerb der D durch die Beklagte am 08.08.2008 mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum 01.01.2008) vorhersehbar gewesen war, was jedoch erforderlich wäre, um eine Berücksichtigung zu rechtfertigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011, 21 W 7/11, zit. nach juris, Rn. 97).

3. Der Zinsanspruch hinsichtlich der Zahlungsansprüche folgt aus §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache war die Revision zuzulassen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 07.02.2012
Az: 5 U 92/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2ea6693ec625/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_7-Februar-2012_Az_5-U-92-11




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