Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 10. September 2009
Aktenzeichen: 14 B 1009/09

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 10.09.2009, Az.: 14 B 1009/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beschwerde des Antragstellers wurde vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss vom 10. September 2009 abgewiesen. Das Gericht hat entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass seine Hausarbeit im ersten juristischen Staatsexamen neu bewertet oder wiederholt wird. Das Verwaltungsgericht hatte bereits den Antrag auf eine einstweilige Anordnung zur Zulassung einer Wiederholung der Hausarbeit oder einer Neubewertung abgelehnt. Der Antragsteller hat daraufhin Beschwerde eingelegt und verfolgt nun sein ursprüngliches Begehren weiter. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger keinen glaubhaften Anspruch auf eine Neuanfertigung der Hausarbeit nachweisen konnte. Es wurde davon ausgegangen, dass er erst nach Mitteilung des Prüfungsergebnisses den behaupteten Mangel in der Aufgabenstellung geltend gemacht hat. Das Gericht hat entschieden, dass es dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie dem Gebot der Chancengleichheit widersprechen würde, wenn ein Prüfling nachträglich einen Verfahrensmangel rügt und dadurch Einfluss auf die Bewertung seiner Prüfungsleistung nehmen kann. Das Gericht hat außerdem festgestellt, dass die Aufgabe, die der Antragsteller für seine Hausarbeit erhalten hatte, keinen unzulässigen Prüfungsstoff enthielt. Es wurde erklärt, dass das Urheberrecht zwar nicht zu den Prüfungsfächern gehört, aber dennoch Teil des Prüfungsstoffs sein kann. Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Verstoß gegen die Soll-Vorschrift des Justizprüfungsgesetzes vorlag. Das Gericht hat daher die Beschwerde des Antragstellers abgewiesen und entschieden, dass die Kosten des Verfahrens vom Antragsteller getragen werden müssen. Die Streitwertfestsetzung wurde auf 3.750,00 EUR festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 10.09.2009, Az: 14 B 1009/09


Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts,

den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller zu einer Wiederholung der Hausarbeit im ersten juristischen Staatsexamen zuzulassen,

hilfsweise,

dem Antragsgegner eine Neubewertung der Hausarbeit aufzugeben,

abgelehnt.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein ursprüngliches sowie ein weiteres Begehren und beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller zu einer Wiederholung der Hausarbeit im ersten juristischen Staatsexamen zuzulassen,

hilfsweise,

dem Antragsgegner eine Neubewertung der Hausarbeit und der Klausuren aufzugeben.

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO prüft der Senat in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80 a und 123 VwGO) nur die gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO dargelegten Gründe, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben sein soll.

1. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Anordnungsanspruch bezüglich einer Neuanfertigung der Hausarbeit glaubhaft gemacht hat, weil er verspätet, nämlich erst nach Mitteilung des Prüfungsergebnisses geltend gemacht habe, dass er aus dem behaupteten Mangel in der Aufgabenstellung rechtliche Konsequenzen ziehen wolle. Der Kläger wendet dagegen ein, er habe nicht wissen können und müssen, dass die Aufgabenstellung den Vorgaben des Justizprüfungsrechts widersprochen habe. Auch der Antragsgegner habe dies nicht gesehen. Erst sein Prozessbevollmächtigter habe bezweifelt, dass Urheberrecht zulässiger Prüfungsstoff einer Hausarbeit in der ersten juristischen Staatsprüfung sei. Es spricht viel dafür, dass dieser Einwand nicht durchgreift und das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass es dem im Prüfungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben in Verbindung mit dem Gebot der Chancengleichheit, Art. 3 Abs. 1 GG, und den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG widerspräche, wenn ein Prüfling die Möglichkeit hätte, es von der Bewertung der Prüfungsleistung abhängig zu machen, ob er nachträglich einen während der Erbringung der Prüfungsleistung aufgetretenen objektiv erkennbaren Verfahrensmangel rügt oder nicht. Das dürfte auch für den Verfahrensmangel "unzulässiger Prüfungsstoff" anzunehmen sein.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 13.12.2005 - 19 A 4972/04 -, EzB BbiG §§ 34-36 Nr. 20 = juris, und vom 3.6.2009 - 14 B 594/09 -, NRWE = juris; zuletzt auch Beschluss vom 3.9.2009 - 14 B 940/09 -, NRWE.

2. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an. Denn nach summarischer Einschätzung ist der Antragsgegner zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufgabe, die der Antragsteller für seine Hausarbeit zu bearbeiten hatte, keinen unzulässigen Prüfungsstoff enthält.

a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird durch § 6 Abs. 1 JAO der Prüfungsstoff nicht beschränkt, aus dem Aufgaben aus dem Bürgerlichen Recht zu entnehmen sind. Vielmehr werden dort lediglich die drei Hauptgebiete benannt, aus denen die Aufgaben für die häuslichen Arbeiten zu entnehmen sind. Mit dem in dieser Vorschrift verwendeten Begriff "Bürgerliches Recht" ist der Verordnungsgeber dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers des für die Prüfung des Antragstellers anzuwendenden JAG 1993 gefolgt. Im Rahmen der Regelungen über die Organisation der juristischen Prüfungen wird dort mit dem Begriff "Bürgerliches Recht" nicht das Bürgerliche Recht im engeren Sinne bezeichnet, also das im Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen geregelte allgemeine Privatrecht. Vielmehr wird dieser Begriff als Bezeichnung des Hauptgebiets "Zivilrecht" im Gegensatz zum Öffentlichen Recht und zum Strafrecht benutzt. Der Antragsgegner weist insoweit zutreffend darauf hin, dass in § 10 Abs. 2 S. 3 JAG 1993 für die Aufsichtsarbeiten aus dem "Bürgerlichen Recht" erläuternd auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchstaben a bis c) und damit u. a. auf das Handels- und Gesellschaftsrecht und das Arbeitsrecht hingewiesen wird. Darüber hinaus sind in § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 JAG 1993 unter dem Begriff "Bürgerliches Recht" sämtliche zivilrechtlichen Prüfungsfächer, hier für die mündliche Prüfung im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung, zusammengefasst.

b) Das Urheberrecht, das Teil des Prüfungsstoffs der Hausarbeit des Antragstellers war, gehört zwar nicht zu den Prüfungsfächern, da es weder im Katalog der Pflichtfächer gemäß § 3 Abs. 2 JAG 1993 in Verbindung mit §§ 4a bis 4c JAO noch als Inhalt einer Wahlfachgruppe gemäß § 3 Abs. 3 JAG 1993 aufgeführt ist. Es kann jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 JAG 1993 bei der häuslichen Arbeit als "anderes Rechtsgebiet ... im Zusammenhang mit den Prüfungsfächern" zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden. Das ist hier geschehen. Das Urheberrecht gehört zum Privatrecht. Es hat zahlreiche Bezüge u. a. zu den Teilen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 a) JAG 1993 in Verbindung mit § 4a Nr. 1 JAO Prüfungsfächer sind. In der konkreten Aufgabenstellung kam es unter anderem darauf an, ob der Urheber eines durch das Urheberrecht geschützten Werkes seine Einwilligung zu dessen Änderung "nach Treu und Glauben" versagen darf, § 39 Abs. 2 UrhG. Der für das gesamte Rechtsleben bedeutende Grundsatz, dass jedermann bei Ausübung seiner Rechte und der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat, hat seine positivrechtliche Normierung in § 242 BGB. Aufgrund dessen bestand auch unter Berücksichtigung der in der Aufgabenstellung enthaltenen Prüfungsmaßgabe ("unter ausschließlicher Zugrundelegung des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte") ein in prüfungsrechtlicher Hinsicht genügender Zusammenhang zu einem bedeutenden Regelungskomplex der Prüfungsgebiete "Erstes und Zweites Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs".

3. Der Hilfsantrag hat aus mehreren Gründen ebenfalls keinen Erfolg.

a) Hinsichtlich des erstmalig gestellten Begehrens, die Klausuren erneut bewerten zu lassen, fehlt die instanzielle Zuständigkeit des erkennenden Gerichts.

b) Es besteht kein Anlass die Hauptsache vorweg zu nehmen, wie dies der Antragsteller mit der beantragten Neubewertung der Hausarbeit begehrt.

c) Schließlich hat der Senat - worauf das Verwaltungsgericht verwiesen hat - bereits entschieden, wann der vom Antragsteller behauptete Verstoß gegen die Soll- Vorschrift des § 11 Abs. 2 JAG 1993 vorliegen könnte.

Senatsbeschluss vom 12.3.2009 - 14 A 66/09 -, NRWE = juris.

Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Fall hier bei der Hausarbeit vorgelegen haben könnte, hat der Antragsteller nicht dargetan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, diejenige über die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 1.5 und 36.1 des Streitwertkatalogs 2004.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 10.09.2009
Az: 14 B 1009/09


Link zum Urteil:
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