Oberlandesgericht Rostock:
Urteil vom 6. Juli 2011
Aktenzeichen: 2 U 38/03

(OLG Rostock: Urteil v. 06.07.2011, Az.: 2 U 38/03)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 28.03.2003 - Az.: 3 O 316/02 - geändert und wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Untersagungsantrag zu Ziffer 1) der Klageschrift vom 12.07.2002 in der Hauptsache erledigt ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Anzahl der Vervielfältigungen und verbreiteten Exemplare der Tonträger "B... D... - Blowin' in the Wind" und "B... D... - Gates of Eden" unter Angabe der Nettoabgabepreise und der Gestehungskosten.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Verwertung der Tonträger "B... D... - Blowin' in the Wind" und "B... D... - Gates of Eden" entstanden ist.

4. Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der Berufungs- und Revisionsinstanz - hat die Beklagte zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen Ziffer 2. durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung wegen der Kosten darf die Beklagte durch Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

7. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt € 200.000,-.

Gründe

A.

Die Klägerin verlangt aus abgeleitetem Recht von der Beklagten Auskunft und Schadensersatz wegen der Vervielfältigung und Verbreitung von zwei Tonträgern mit Aufnahmen von B... D... mit den Bezeichnungen "B... D... - Blowin' in the Wind" und "B... D... - Gates of Eden".

Die auf diesen Tonträgern enthaltenen Aufnahmen wurden in den Jahren 1964 und 1965 unter dem Label Columbia auf den Alben "B... D... - Bringing It All Back Home", "The Times They Are A-Changin'" und "Highway 61 Revisted" in den Vereinigten Staaten erstveröffentlicht. Die Klägerin ist hinsichtlich dieser Aufnahmen rechtsgeschäftlich berechtigt, die vom Label Columbia abgeleiteten Tonträgerherstellerrechte in Deutschland geltend zu machen, soweit solche Rechte in Deutschland bestehen. Nutzungsrechte wurden der Beklagten von der Klägerin weder direkt noch mittelbar eingeräumt.

Tonträgerrechte nach §§ 126 Abs. 3, 85 Abs. 1, 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. §§ 398, 413 BGB stehen der Klägerin in Deutschland für die streitgegenständlichen Aufnahmen nicht zu, weil für Tonträgerhersteller vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 01.01.1966 kein urheberrechtlicher Schutz bestand. Eine weitergehende Rückwirkung des Genfer Tonträgerabkommens vom 29.10.1971 - für die Bundesrepublik Deutschland am 18.05.1974 in Kraft getreten - besteht nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Klägerin genieße jedoch den Leistungsschutz des Tonträgerherstellers gemäß § 137 f UrhG, der Art. 10 Abs. 2 der EG-Schutzdauerrichtlinie umsetze. Daraus ergebe sich, dass sich amerikanische Tonträgerhersteller in Deutschland auf den Schutz des § 85 UrhG berufen könnten, wenn ihr Recht als Tonträgerhersteller am 01.07.1995 in irgendeinem Mitgliedsstaat der EG in Kraft gewesen sei. Das Vereinigte Königreich schütze Tonträgerrechte schon seit 1956 für die Dauer von 50 Jahren.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, § 137 f Abs. 2 UrhG diene lediglich der mit der Schutzdauerrichtlinie bezweckten Vereinheitlichung der Schutzdauer auf 50 Jahre. Zwar könne danach ein Schutzrecht, das am 01.07.1995 bereits abgelaufen war, wiederaufleben. Sofern ein Schutzrecht für Tonträger in Deutschland - wie hier an Aufnahmen vor dem 01.01.1966 - hingegen zu keinem Zeitpunkt bestanden habe, sei eine Neuentstehung des Rechts durch die Umsetzung der von Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie - auch bei richtlinienkonformem Verständnis - nicht eröffnet. Im Übrigen hat die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung der Klägerin hat der Senat unter Hinweis auf eine fehlende rechtliche Ableitung des geltend gemachten Schutzrechts aus § 137 f Abs. 2 UrhG zunächst zurückgewiesen.

Auf die zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil 07.10.2009 das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den Senat zurückverwiesen. Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 (Rs. C-240/07; GRUR 2009, 393 - Sony/Falcon) zum Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116/EG - Schutzdauerrichtlinie - sei die Bestimmung des § 137 f Abs. 2 UrhG auch dann anzuwenden, wenn der vorgesehene Schutz zwar nach dem Urheberrechtsgesetz vor dem 01.07.1995 zu keinem Zeitpunkt begründet worden sei, aber nach dem Gesetz eines anderen Mitgliedsstaats der Europäischen Union zum 01.07.1995 noch bestanden habe. Dabei seien nationale Bestimmungen i.S.d. Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie auch solche Regelungen über den Schutz von Rechtsinhabern, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaats seien. Zur Entscheidung des Rechtsstreits sei daher festzustellen, ob - wie von der Klägerin behauptet - das nationale Recht Großbritanniens auch vor dem 01.01.1966 festgelegte Tonträger amerikanischer Hersteller schützt, die in den USA veröffentlicht wurden.

Die Klägerin trägt dazu unter Verweis auf ein von ihr eingeholtes Rechtsgutachten vor, es könne dahinstehen, ob die Aufnahmen durch das in Großbritannien ab dem 18.05.1964 geltende Rom-Abkommen geschützt seien, das ein Erscheinen der Aufnahmen im Vereinigten Königreich jeweils 30 Tage nach der Erstveröffentlichung in den USA voraussetze. Vielmehr sei der Tonträgerschutz der Muttergesellschaft der Klägerin bereits nach dem Fremdenrecht des Vereinigten Königreichs durch den Copyright Act 1956 begründet. Seit dessen Inkrafttreten am 01.07.1957 seien Tonträger auch für juristische Personen geschützt (Sec. 12 und Sec. 1 Abs. 5). Diese Regelungen könnten nach Maßgabe einer Order in Council auch auf Drittstaaten angewendet werden, indem in Bezug auf Tonträgeraufnahmen, die in einem Drittstaat erstveröffentlicht worden seien, die Vorschriften über Tonträger mit einer Erstveröffentlichung im Vereinigten Königreich gälten (Sec. 32). Die erste Order in Council vom 27.09.1957 und auch die Order in Council aus dem Jahr 1964 sähen die Anwendung des Copyright Act 1956 auf die USA ausdrücklich vor.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

. den Klageanspruch zu Ziffer 1. der Klageschrift vom 12.07.2002 für erledigt zu erklären,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Klageanspruch zu Ziffer 1. der Klageschrift vom 12.07.2002 erledigt ist,

hilfsweise,

der Beklagten unter Androhung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsstrafe in Höhe von € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu untersagen, den Tonträger "B... D... - Blowin' in the Wind" sowie den Tonträger "B... D... - Gates of Eden" zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.

. der Beklagten aufzugeben, ihr Auskunft zu erteilen über die Anzahl der vervielfältigten und verbreiteten Exemplare der Tonträger "B... D... - Blowin' in the Wind" und "B... D... - Gates of Eden" unter Angabe der Nettoabgabepreise und der Gestehungskosten.

. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Verwertung der Tonträger "B... D... - Blowin' in the Wind" und "B... D... - Gates of Eden" entstanden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne nicht beurteilen, ob - wie in dem von der Klägerin vorgelegten Rechtsgutachten vorausgesetzt - englisches Sachrecht anwendbar sei. Darüber hinaus gehe die Klägerin bzw. ihre Gutachterin nicht auf das in Großbritannien sehr wichtige case law mit seinen Präzedenzfällen ein. In Auswertung von Urteilen englischer Gerichte müsse die fragliche Veröffentlichung im Ausland tatsächlich stattgefunden haben und finde überdies der Copyright Act 1956 außerhalb von Großbritannien keine Anwendung. Es wäre ferner zu erwarten gewesen, dass die Klägerin bzw. ihre Gutachterin auf die unter Sec. 12 (vi) in Bezug auf die USA erwähnten Ausnahmen eingegangen wäre. Nähere Ausführungen wären auch dazu zu erwarten gewesen, ob die Klägerin als Körperschaft (body incorporated) i.S.v. Art. 1 (c) anzusehen sei. Außerdem ergebe das Gutachten, dass die Klägerin jedenfalls nicht das ausschließliche Recht zum Abspielen in der Öffentlichkeit und zur Rundfunksendung der Aufnahmen habe. Schließlich weiche die Order in Council von 1964 von der Order in Council von 1957 ab und es bleibe unklar, in welchem Verhältnis diese Regelungen zueinander ständen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Tonträgerherstellerschutz für die unter dem Label Columbia in den Jahren 1964 und 1965 erstellten Aufnahmen von B... D... gegen die unberechtigte Vervielfältigung und Verbreitung in Deutschland zu (dazu I.). Aus diesem Grund ist die Erledigung des Unterlassungsanspruchs festzustellen und hat die Beklagte Auskunft im begehrten Umfang sowie dem Grunde nach Schadensersatz zu leisten (dazu II.).

I. Die Klägerin kann für die streitgegenständlichen Aufnahmen Tonträgerschutz gemäß §§ 137 f Abs. 2, 85 Abs. 1 UrhG in Deutschland geltend machen.

Nach der richtlinienkonformen Auslegung von §§ 137 f Abs. 2, 85 Abs. 1 UrhG sind die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes in der ab dem 01.07.1995 geltenden Fassung auch auf Tonträger anzuwenden, für die im Inland bisher zu keinem Zeitpunkt ein Schutz bestanden hat, wenn - und soweit - das Werk am 01.07.1995 nach dem Gesetz eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union geschützt war. Das gilt nicht nur für Angehörige oder Werke eines EU-Mitgliedsstaats, sondern auch dann, wenn Werke und Angehörige von Drittstaaten nach dem nationalen Recht des Mitgliedsstaats zu diesem Zeitpunkt Schutz genossen. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf das Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser Sache vom 07.10.2009 (Az.: I ZR 80/04).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Senat hat die von der Klägerin vorgetragene Rechtslage nach britischem Recht eingehend geprüft und anhand eigener Kenntnis nachvollzogen. Der Einholung eines Rechtsgutachtens bedarf es insoweit nicht.

1. Das Urheberrecht des Vereinigten Königreichs findet im vorliegenden Fall Anwendung, weil die Klägerin geltend macht, nach dem Recht dieses Mitgliedsstaats der Europäischen Union seien die fraglichen Tonträger am 01.07.1995 geschützt gewesen.

Es ist gerichtsbekannt und im Internet (z.B. auf der Website www.discogs.com) allgemein ersichtlich, dass die Alben von B... D... "B... D... - Bringing It All Back Home", "The Times They Are A-Changin'" und "Highway 61 Revisted" in den Jahren 1964 bzw. 1965 neben ihrer Erstveröffentlichung in den USA auch im Vereinigten Königreich erschienen sind.

Im Urheberrecht ist die Geltung des Territorialprinzips auch in ausländischen Rechtsordnungen allgemein anerkannt (Mestmäcker/Schulze, Urheberrechtskommentar, UrhG, Allg. Einführung, Rn. 33). Das gilt auch für die Vorschriften des britischen Copyrights (vgl. Def Lepp Music v. S...-B... [1986] R.P.C. 273). Es kommt daher zur Beurteilung der Rechtslage darauf an, ob die auf den oben genannten Alben enthaltenen Tonaufnahmen nach britischem Recht am 01.07.1995 im Vereinigten Königreich geschützt waren.

2. Der am 01.07.1995 geltende Copyright, Designs and Patents Act 1988 verweist in Sec. 170 wegen der Überleitungsvorschriften für Werke, die vor Inkrafttreten hergestellt worden sind, auf Schedule 1.

Paragraph 5 (1) des Schedule 1 legt fest, dass Copyright für ein existierendes Werk nach Inkrafttreten des Copyright, Designs and Patents Act 1988 nur besteht, wenn ein Copyright auch unmittelbar zuvor bestanden hat. Diese Regel soll allerdings nach Paragraph 5 (2) nicht die Entstehung eines Copyrights hindern, das auf der Erstveröffentlichung (Sec. 155) oder der Anwendbarkeit in Drittländern durch Order in Council (Sec. 159) beruht. Ob sich auch daraus ein Schutz der hier streitgegenständlichen Aufnahmen aus den Jahren 1964 und 1965 ergibt (vgl. OLG Hamburg GRUR 2000, 707 und GRUR-RR 2001, 73 - F... S...), kann hier offen bleiben.

Denn gemäß Paragraph 35 des Schedule 1 waren darüber hinaus die Werke, die bis zum Inkrafttreten des Copyright, Designs and Patents Act 1988 durch den Copyright Act 1956 geschützt waren, zugleich für den Schutz nach dem neuen Urheberrecht qualifiziert. ("Every work in which copyright subsisted under the 1956 Act immediately before commencement shall be deemed to satisfy the requirements of Part I of this Act as to qualification for copyright protection.")

Maßgeblich ist danach in erster Linie, ob die in den Jahren 1964 und 1965 veröffentlichten Aufnahmen unter dem Copyright Act 1956 im Vereinigten Königreich Schutz erlangt haben und ob dieser bis zum Inkrafttreten des Copyright, Designs and Patents Act 1988 angedauert hat. Das ist hier der Fall.

3. Die streitgegenständlichen Aufnahmen haben unter dem Copyright Act 1956 im Vereinigten Königreich Tonträgerschutz erlangt.

a) Der Copyright Act 1956 gewährte in Sec. 12 (1) zunächst Urheberschutz für jede Tonaufnahme (sound recording), deren Hersteller zur Zeit der Herstellung eine qualified person war. Eine qualified person konnte nach Sec. 1 (5) nicht nur eine natürliche Person (britischer Staatsbürger oder unter britischem Schutz stehende Person, irischer Bürger oder Einwohner des Vereinigten Königreichs) sein, sondern auch eine juristische Person (body incorporated) nach dem Recht eines jeden Teils des Vereinigten Königreichs.

Unbeschadet dieser Vorschrift erlangte den Schutz gemäß Sec. 12 (2) auch jede Tonaufnahme, deren erste Veröffentlichung im Vereinigten Königreich oder in einem anderen Land erfolgte, auf das die Regelung ausgedehnt (extended) worden war.

Zwar konnte die Muttergesellschaft der Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin nach diesen Vorschriften unmittelbar keine Urheberrechte in Großbritannien erwerben, weil sie weder eine britische juristische Person war noch die Aufnahmen zuerst im Vereinigten Königreich erschienen sind. Sie sind auch nicht in einem Land erstveröffentlicht worden, auf das die Regelung der Sec. 12 ausgedehnt worden war. Denn dies war nach Sec. 31 durch Order of Council nur für abhängige Gebiete eröffnet.

Durch weitere Order in Council konnten nach Sec. 32 (1) (a) die Regelungen des Copyright Act 1956 jedoch auch für Drittländer anwendbar erklärt werden, soweit die in diesen Ländern erstveröffentlichten Tonträger dadurch mit Tonträgern, die im Vereinigten Königreich zuerst veröffentlicht wurden, gleichgesetzt werden sollten.

b) Eine solche Order in Council ist mit der Copyright (International Conventions) Order 1957 am 27.09.1957 in Kraft getreten.

Nach Art. 1 der Verordnung sind die im Second Schedule aufgeführten Regelungen auf die im First Schedule genannten Drittländer für anwendbar erklärt worden, indem Vorschriften in Bezug auf Tonträger, die in einem dieser Länder erstveröffentlicht wurden, so anzuwenden sind, als wären sie zuerst im Vereinigten Königreich veröffentlicht worden (Art. 1 (a)). Ferner sollten die Vorschriften in Bezug auf juristische Personen der Drittländer so behandelt werden, als wären sie eine juristische Person nach britischem Recht (Art. 1 (c)).

Gemäß dem Second Schedule erstreckt sich die Anwendbarkeit für Werke aus Drittländern auf die Regelungen von Part I und II (außer Sec. 14) des Copyright Acts 1956 sowie auf die insoweit relevanten weiteren Vorschriften des Acts. Die Vereinigten Staaten sind im Frist Schedule Part II genannt.

aa) Das bedeutet, dass die streitgegenständlichen Aufnahmen des Jahres 1964 wegen ihrer Erstveröffentlichung in den USA von Beginn an in Großbritannien geschützt waren (Sec. 12 (2) Copyright Act 1956 i.V.m. Art. 1 (a) Copyright (International Conventions) Order 1957).

Darüber hinaus bestand auch ein Copyright der Muttergesellschaft der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin wegen der Herstellung des Tonträgers als qualified person (Sec. 12 (1) und Sec. 1 (5) Copyright Act 1956 i.V.m. Art. 1 (c) Copyright (International Conventions) Order 1957).

Es ist nicht ersichtlich, dass die C... B... S..., Inc., deren Abteilung das Label C... R... zur Zeit der Herstellung der Tonträger war, keine juristische Person nach amerikanischem Recht gewesen ist. Vielmehr war die C... B... S..., Inc., seinerzeit erkennbar eine Aktiengesellschaft mit Sitz in New York, USA (vgl. auch den Tatbestand von BVerfG GRUR 1990, 441 - B... D...). Auch die Beklagte hat keine anderweitigen Anhaltspunkte dargetan.

Der Anwendbarkeit der Regelungen des Copyright Act 1956 für die in den USA hergestellten und in 1964 erstveröffentlichten Tonträgeraufnahmen stehen die in Art. 1 (i), (iii) bis (vi) der Copyright (International Conventions) Order 1957 aufgeführten Ausnahmen nicht entgegen.

Die Ausnahmen nach Art. 1 (i) und (iv) bis (vi) beziehen sich sämtlich auf Werke, die vor Inkrafttreten der Copyright (International Conventions) Order 1957 hergestellt bzw. veröffentlicht wurden. Das ist hier ersichtlich nicht der Fall.

Auch die Einschränkung der Anwendbarkeit für Tonaufnahmen (sound recordings) durch Art. 1 (iii) ist hier ohne Belang. Danach bestand zwar für Aufnahmen aus den USA im Vereinigten Königreich kein Copyright-Schutz gegen das Abspielen der Aufnahme in der Öffentlichkeit und im Rundfunk. Gegen diese Art der Nutzung der Tonaufnahmen wendet sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit indes auch nicht. Sie macht vielmehr geltend, die Beklagte habe unberechtigt ihre Aufnahmen vervielfältigt und die Vervielfältigungen verbreitet. Der durch Sec. 12 (5) (a) Copyright Act 1956 gewährte Schutz gegen das Vervielfältigen der Aufnahme blieb hingegen von der Ausnahme unberührt.

bb) Nichts anderes gilt für die Aufnahmen, die im Jahr 1965 und damit nach Inkrafttreten der Copyright (International Conventions) Order 1964 am 21.05.1964 erstveröffentlicht wurden. Auch für sie besteht der Fremdenschutz des britischen Urheberrechts.

Art. 1 dieser Verordnung bestimmte die Anwendbarkeit der Regelungen aus Part I und II (außer Sec. 14) für Tonaufnahmen auf die in Schedule 1 genannten Drittländer, indem die Erstveröffentlichung in einem dieser Länder mit einer Erstveröffentlichung im Vereinigten Königreich sowie die juristischen Personen nach dem Recht eines dieser Länder mit juristischen Personen britischen Rechts gleichgesetzt werden (Art. 1 (a) und (c)). Die USA sind hier in Schedule 1 Part 2 aufgeführt.

Der Schutz der Tonaufnahmen aus dem Jahr 1965 ergibt sich daher - parallel zum Schutz der früheren Aufnahmen - aus Sec. 12 (1) und (2) Copyright Act 1956 i.V.m. Art. 1 (a) und (c) Copyright (International Conventions) Order 1964.

Die in der Copyright (International Conventions) Order 1964 genannten Ausnahmen von der Anwendung auf Drittländer und ergänzenden Vorschriften sind ebenfalls nicht einschlägig.

Art. 2 (1) und (3) regeln hinsichtlich des Copyright Act 1956 die Stichtage für die Anwendung der Überleitungsvorschriften (Schedule 7 to the Act) sowie für bestimmte Länder, die erst nach 1957 in den Anwendungsbereich des Copyright Act 1956 einbezogen wurden. Art. 2 (2) und (4)(b) enthalten nur Vorschriften für Werke die vor dem Inkrafttreten des Copyright Act 1956 veröffentlicht wurden. In Art. 3 findet sich schließlich die Bestimmung, dass ausländische Tonaufnahmen nicht gegen das Abspielen in der Öffentlichkeit und im Rundfunk geschützt sind, es sei denn, die Herkunftsländer sind in Schedule 3 der Verordnung erwähnt. Weitere Ausnahmen sind nicht ersichtlich.

Die maßgeblichen Regelungen der beiden Order in Council aus den Jahren 1957 und 1964 stimmen für den vorliegenden Fall inhaltlich überein. Es kann daher im Ergebnis dahinstehen, für welche Aufnahme konkret welche Order in Council anzuwenden ist.

c) Die von der Beklagten genannten Entscheidungen britischer Gerichte stehen der dargestellten Rechtslage, die sich aus dem vorrangigen kodifizierten Recht (statute law) ergibt, nicht entgegen.

Die Entscheidung in Sachen B... H... Ltd. v. F... [1972] W.L.R. 680, 687 befasst sich mit der Auslegung des Begriffs "Veröffentlichung" (publication) in einem Drittstaat, die für die Begründung eines Copyrights erforderlich ist. Veröffentlichung bedeutet nach dem britischen Rechtsverständnis die Herausgabe von Exemplaren des Werks an die Öffentlichkeit. So war das geheime Zirkulieren eines literarischen Textes (von A... S...) unter bewusster Umgehung der russischen Öffentlichkeit wegen dortiger Illegalität keine Veröffentlichung in diesem Sinne. Im vorliegenden Fall ist jedoch offenbar und allgemein bekannt, dass die Aufnahmen von B... D... in den USA öffentlich verbreitet worden sind.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung in Sachen Def Lepp Music v. S...-B... [1986] R.P.C. 273. In diesem Fall hat die Chancery Division of the High Court entschieden, dass möglicherweise urheberrechtsverletzende Handlungen, die außerhalb des Vereinigten Königreichs begangen werden, nicht Gegenstand eines Verletzungsprozesses vor den englischen Gerichten sein können. Das berührt den hier vorliegenden Fall nicht.

Anderweitige Entscheidungen und Gesichtspunkte, die - entgegen dem klaren Wortlaut des kodifizierten Rechts - den Aufnahmen einen Tonträgerherstellerschutz versagen könnten, sind weder ersichtlich noch von den Parteien vorgetragen.

4. Der Tonträgerherstellerschutz dauerte am 01.07.1995 noch an.

Gemäß Sec. 12 (3) Copyright Act 1956 begann der Schutz mit dem Ende des Kalenderjahrs der Erstveröffentlichung für die Dauer von 50 Jahren. Er läuft damit Ende 2014 bzw. 2015 aus. Eine Änderung dieser Frist ist durch Sec. 13A (2) (b) des Copyright, Designs an Patents Act 1988 nicht eingetreten.

II. Der Klägerin kann wegen der unautorisierten Vervielfältigung und Verbreitung der vervielfältigen Exemplare gegen die Beklagte die im deutschen Urheberrecht vorgesehenen Ansprüche geltend machen, weil gemäß §§ 137 f Abs. 2, 85 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit dem britischen Copyright Leistungsschutz für die Tonträger besteht.

1. Der ursprüngliche Unterlassungsantrag war zulässig und begründet, §§ 97 Abs. 1, 85 Abs. 1 UrhG. Der Anspruch hat sich durch die Unterlassungserklärung der Beklagten nach Rechtshängigkeit in der Hauptsache wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr erledigt. Da sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, war die Erledigung antragsgemäß festzustellen.

2. Daneben hat die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 1 UrhG.

Die Beklagte hat die Rechte der Klägerin vorsätzlich - mindestens aber fahrlässig - verletzt. Das ist bereits dem Umstand zu entnehmen, dass sie ihre - ausweislich der von ihr vertriebenen Tonträger - angebliche Lizenz von einem S... O... abgeleitet hat, der unstreitig als Tonträgerpirat bekannt ist. Nach der erkennbaren und zutreffenden Vorstellung der Klägerin war mithin eine Lizenz des Tonträgerherstellers erforderlich, ohne dass sie zumindest hinreichend sorgfältig geprüft hat, ob ihr eine solche tatsächlich wirksam eingeräumt worden ist.

Da der Klägerin die Bezifferung des Schadensersatzanspruchs noch nicht möglich ist, besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung.

3. Um den Schadensersatzanspruch beziffern zu können, hat die Klägerin nach §§ 242, 259, 260 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte als Verletzerin auf Auskunft über das Ausmaß der Vervielfältigung und Verbreitung der hergestellten Tonträger. Dazu zählen ebenfalls die begehrten Auskünfte zu Abgabepreisen und Gestehungskosten, damit die Höhe des Schadens auch auf Grundlage des Verletzergewinns (§ 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG) berechnet werden kann.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass nur die Kostenentscheidung eine Vollstreckung wegen einer Geldforderung eröffnet.

Die Revision war nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.






OLG Rostock:
Urteil v. 06.07.2011
Az: 2 U 38/03


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