Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juli 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 68/02

(BPatG: Beschluss v. 22.07.2003, Az.: 24 W (pat) 68/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Februar 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarketechnical visionsist für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 8, 9, 10, 11, 12, 16, 20, 21, 28, 41 und 42 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Mit Beschluß vom 27. Februar 2002 hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs. 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Bei der angemeldeten englischen Wortfolge "technical visions" handle es sich in ihrer, den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres verständlichen Bedeutung "technische Visionen" lediglich um ein Schlagwort, welches dem Verbraucher als leitmotivartige Sachaussage in werbemäßiger Form nahebringen solle, daß den betroffenen Waren und Dienstleistungen, die alle durch das Thema "technische Visionen" mitbestimmt seien, technische Visionen zugrunde lägen. Die angemeldete Wortfolge sei weder ungebräuchlich noch mehrdeutig. Sowohl der englische Ausdruck "technical visions" als auch das deutschsprachige Pendant "technische Visionen" würden besonders häufig als (beschreibende) Schlagwörter verwendet, wie eine überblicksartig durchgeführte Internet-Recherche ergeben habe. Der Verkehr sei an die Verwendung derartiger Slogans und Redewendungen in der Werbesprache gewöhnt und neige daher nicht dazu, gegebenenfalls vorhandene Ungereimtheiten in Werbeaussagen aufzuspüren und zu überdenken. Die angemeldete Wortfolge, die sich in einer die beanspruchten Waren und Dienstleistungen allgemein anpreisenden Werbeaussage erschöpfe, vermöge daher die gesetzlich geforderte betriebliche Kennzeichnungsfunktion nicht zu erfüllen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung im Beschwerdeverfahren auf folgende Fassung beschränkt hat:

"Klasse 16:

Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) für nichttechnische und nicht auf Technik bezogene Wissensbereiche.

Klasse 41:

Erziehung und Ausbildung in nichttechnischen und nicht auf Technik bezogenen Wissensbereichen; sportliche Aktivitäten.

Klasse 42:

Verpflegung; Beherbergung von Gästen; Rechtsberatung und Vertretung."

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Der Auffassung der Markenstelle, daß der angemeldeten Marke als werbemäßigem, lediglich produktanpreisendem Schlagwort jegliche Unterscheidungskraft fehle, werde widersprochen. Allein die Tatsache, daß eine Marke eine anpreisende Wirkung besitze, stehe ihrer Unterscheidungskraft grundsätzlich nicht entgegen. Nach gefestigter Rechtsprechung fänden die Bewertungsmaßstäbe hinsichtlich der Unterscheidungskraft in gleicher Weise für Werbeschlagwörter wie für andere Wortmarken Anwendung. Aufgrund der unterschiedlichen Bedeutungen der Einzelworte "technical" (= technisch, fachlich) und "visions" (= Sehvermögen, Weitblicke, Visionen, Vorstellungen) ergäben sich für die lexikalisch nicht belegte Wortfolge "technical visions" verschiedene Deutungsmöglichkeiten und ein diffuser Sinngehalt, so daß der angemeldeten Marke jedenfalls für die nach der erfolgten Einschränkung noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden könne. Ebensowenig handle es sich insoweit um eine gebräuchliche Wortfolge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke für die nach der vorgenommenen Einschränkung konkret noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine absoluten Eintragungshindernisse entgegen.

Insoweit kann der angemeldeten Marke nicht die gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Dieses Schutzhindernis greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn eine Marke im Hinblick auf die von ihr erfaßten Waren oder Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt aufweist oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, daß vom Verkehr stets nur als solches und nicht als herkunftsindividualisierendes Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl zB BGH GRUR 2003, 342 "Winnetou"; GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Dieselben Grundsätze sind auch bei der markenrechtlichen Beurteilung von Werbeslogans und sonstigen spruchartigen Wortfolgen anzuwenden, die dann der Unterscheidungskraft entbehren, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen vorwiegend beschreibend verstanden werden oder sich in Anpreisungen oder Werbeaussagen allgemeiner Art erschöpfen (vgl zB BGH GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft"; GRUR 2001, 1047, 1048 "LOCAL PRESENCE; GLOBAL POWER"; GRUR 2001, 735, 736 "Test it"; GRUR 200, 323 "Partner with the Best"). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Zwar ist mit der Markenstelle davon auszugehen, daß die englische Wortfolge "technical visions" von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres und eindeutig im Sinn von "technische Visionen" bzw "technische Zukunftsvorstellungen/-bilder" verstanden wird. Darauf läßt schon die signifikante orthographische Ähnlichkeit zwischen dem englischen und dem entsprechenden deutschen Ausdruck schließen. Auch kommen in Kombination mit dem Adjektiv "technical" (= technisch) weitere theoretisch mögliche Bedeutungen des Wortes "vision" bzw (dt) "Vision", wie "übernatürliche Erscheinung, (optische) Halluzinationen, Sehvermögen oder Weitblick" (vgl zB PONS, Großwörterbuch für Experten und Universität, Engl-Dt, 2001, S 943; Duden, Dt Universalwörterbuch, 3. Aufl, S 1682), wegen ihres insoweit ersichtlich unpassenden Begriffsgehalts nicht zum Tragen. Für ein Verständnis der angemeldeten Marke im oben genannten Sinn spricht im übrigen der Umstand, daß es sich sowohl bei der englischen Wortfolge "technical visions" als auch bei der gleichbedeutenden deutschen Wortfolge "technische Visionen" um im einschlägigen technischen Sachzusammenhang häufig verwendete Ausdrücke handelt, wie die der Anmelderin übermittelten Ergebnisse einer Internet-Recherche des Senats zu den beiden Suchbegriffen belegen.

Ferner stimmt der Senat mit der Markenstelle darin überein, daß die angemeldete Marke mit ihrem Aussagegehalt "technische Visionen/technische Zukunftsvorstellungen/-bilder" im Zusammenhang mit technischen Waren und Dienstleistungen bzw solchen, die einen sonstigen unmittelbaren Bezug zur Technik aufweisen, vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, sondern lediglich als werbliche Anpreisung mit einem vordergründig beschreibenden Sachhinweis darauf aufgefaßt werden wird, daß die betreffenden Produkte und Leistungen (schon) technischen Zukunftsvorstellungen entsprechen bzw in ihnen technische Visionen (bereits) verwirklicht sind oder sie technische Visionen/Zukunftsvorstellungen zum (thematischen) Inhalt bzw Gegenstand haben. Bei den noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen spielt jedoch eine wie immer geartete Technik ersichtlich keine wesens- oder merkmalsbestimmende Rolle. Sie sind weder technischer Art noch haben sie sonst einen erkennbaren direkten technischen Bezug oder Hintergrund, weshalb sich insoweit ein Verständnis der angemeldeten Wortfolge "technical visions" als anpreisende Sach- oder Werbeaussage nicht anbietet. Nachdem die englische Wortfolge "technical visions" im Geschäftsverkehr oder in der Werbung ferner nicht derart gebräuchlich ist, daß sie von den Verkehrsteilnehmern nur als solche und nicht als Unterscheidungsmerkmal für Waren und Dienstleistungen aus unterschiedlichen Unternehmen aufgefaßt werden wird, kann der angemeldeten Marke im noch beantragten Umfang nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Mangels einer für die betroffenen Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Bedeutung kann die angemeldete Marke des weiteren im Verkehr nicht zur Bezeichnung ihrer Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale dienen und ist daher auch nicht nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 22.07.2003
Az: 24 W (pat) 68/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5cf694accd8c/BPatG_Beschluss_vom_22-Juli-2003_Az_24-W-pat-68-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share