Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. September 2007
Aktenzeichen: 25 W (pat) 111/05

(BPatG: Beschluss v. 12.09.2007, Az.: 25 W (pat) 111/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. April 2004 und 21. April 2005 aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 359 198 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke AQUR ist am 20. November 2001 unter der Nummer 301 11 392 für

"Arzneimittel, nämlich Magen-Darmetherapeutika"

in das Markenregister eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der seit dem 10. November 1926 für die Waren

"Pharmazeutische Präparate"

unter der Nummer 359 198 eingetragenen Marke Azur Widerspruch erhoben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat vor der Markenstelle eine über die Waren "Analgetika, Antipyretika" hinausgehende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat eine weitergehende Benutzung nicht vorgetragen und auch keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat unter Berücksichtigung einer Benutzung der Widerspruchsmarke für "Analgetika, Antipyretika" mit zwei Beschlüssen vom 01. April 2004 und 21. April 2005, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie hat im Beschwerdeverfahren die Nichtbenutzungseinrede auf sämtliche Waren der der Widerspruchsmarke erstreckt, da sie eine Benutzung der Widerspruchsmarke nicht habe feststellen können. Die Widersprechende hat auf die am 22. August 2005 zugestellte Beschwerdebegründung, zu der mit Verfügung vom 18. Mai 2007 nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Monaten gegeben wurde, nicht erwidert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene Widerspruch war gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen. Der Widerspruch kann hier schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Widersprechende nach Ausdehnung der vor der Markenstelle zunächst beschränkt erhobenen Benutzungseinrede auf sämtliche Waren der Widerspruchsmarke im Beschwerdeverfahren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Benutzungszeitraum nicht glaubhaft gemacht hat. Auf Seiten der Widerspruchsmarke können daher bei der Frage der Verwechslungsgefahr i. S. von § 9 Abs. 2 MarkenG keine Waren berücksichtigt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

Soweit die Inhaberin eine Benutzung der Widerspruchsmarke im Verfahren vor der Markenstelle für die Waren "Analgetika, Antipyretika" nicht bestritten und die Nichtbenutzungseinrede auf eine darüber hinausgehende Benutzung beschränkt hat, war sie nicht gehindert, die Nichtbenutzungseinrede im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt zu erheben und damit auch auf "Analgetika, Antipyretika" auszudehnen. Denn einer Beschränkung der Nichtbenutzungseinrede kommt keine bindende Wirkung zu, so dass sie jederzeit in vollem Umfang ihrer rechtlichen Voraussetzungen ausgedehnt werden kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 21). Für einen - ohnehin nur in Ausnahmefällen in Betracht kommenden - (teilweisen) Verzicht auf die Einrede bieten sich keine Anhaltspunkte.

Da die Widersprechende ihre Einrede zudem nicht auf einen Benutzungszeitraum beschränkt hat und die Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 20. Dezember 2001 bereits länger als fünf Jahre im Markenregister eingetragen war, greift hier die Einrede mangelnder Benutzung sowohl für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ein (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 15). Danach hätte die Widersprechende eine ernsthafte Benutzung ihrer Marke sowohl für den Zeitraum von fünf Jahren vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke als auch für den Zeitraum von fünf Jahren rückgerechnet vom Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung glaubhaft machen müssen.

Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren jedoch weder hierzu noch sonst zur Sache geäußert, obwohl der Senat ihr mit Verfügung vom 18. Mai 2007 nochmals eine Frist zur Stellungnahme auf die Beschwerdebegründung von 2 Monaten gegeben hat mit der Ankündigung, nach Fristablauf über die Beschwerde zu entscheiden.

Gerichtliche Aufklärungshinweise nach § 82 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 139, 278 ZPO waren ebenfalls nicht veranlasst. Insbesondere war der Senat nicht gehalten, die Widersprechende auf die nötige Vorlage von Mitteln zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung hinzuweisen. Denn ein derartiger Hinweis hätte zu Lasten der Verfahrensgegnerin in Widerspruch zu der ausschließlich der Widersprechenden obliegenden Verantwortung für die Beibringung geeigneter Tatsachen und Beweismittel und damit zu dem für Benutzungsfragen geltenden Beibringungsgrundsatz (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 2, 37) sowie der Neutralitätspflicht des Gerichts gestanden (BPatG GRUR 2000, 900, 902 - Neuro-Vibolex).

Zwar obliegt nach § 139 Abs. 1 ZPO dem Gericht die Pflicht, auf die Beibringung der zur Rechtsfindung notwendigen Tatsachen- und Beweismittel hinzuwirken. Diese Fürsorgepflicht findet jedoch dort ihre Grenzen, wo - wie vorliegend - die darlegungs- und beweisbelastete Beteiligte ihrer Pflicht zur Erklärung nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht nachkommt (vgl. dazu aktuell den noch nicht veröffentlichten Beschluss des BGH vom 15. Februar 2007 - I ZB 46/06 - Alltrek) und insbesondere entsprechende Hinweise an eine Partei deren verfahrensrechtliche Position stärken und gleichzeitig die der anderen Partei schwächen würden (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTRAVITAL; BPatG GRUR 2000, 900, 902 - Neuro-Vibolex; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 39). Dies gilt umso mehr, als die Grundanforderungen an die Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung in ständiger Rechtsprechung geklärt und keine neueren abweichenden Entwicklungen zu verzeichnen sind.

Nachdem die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke bereits im Hinblick auf die durchgreifende Nichtbenutzungseinrede Erfolg hat, kommt es auf die Frage, ob zwischen den Marken eine Verwechslungsgefahr besteht, nicht mehr an.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

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Az: 25 W (pat) 111/05


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