Verwaltungsgericht Aachen:
Urteil vom 25. August 2005
Aktenzeichen: 1 K 550/05

(VG Aachen: Urteil v. 25.08.2005, Az.: 1 K 550/05)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger steht als Richter am Amtsgericht bei dem Amtsgericht B. im Dienst des beklagten Landes. Er ist Fraktionsvorsitzender einer Ratsfraktion im Rat der Stadt B. und in dieser Eigenschaft Mitglied in zahlreichen Ratsausschüssen. Vom Rat ist er in verschiedene Aufsichtsratsgremien insbesondere städtischer Versorgungsunternehmen, so unter anderem der STAWAG entsandt worden. Seit 1. Januar 1990 ist er wegen seine kommunalpolitischen Tätigkeit zu einem Viertel von den Dienstgeschäften freigestellt.

Mit Bescheid vom 13. Juni 1990 erteilte ihm der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Köln eine Nebentätigkeitsgenehmigung für die Tätigkeit in den Aufsichtsräten der AGIT, der Kur- und Badegesellschaft und der Volksbank B. -Süd. In der Folgezeit reichte der Kläger jährlich Aufstellungen über Nebeneinnahmen für die von ihm ausgeübten Nebentätigkeiten ein. Aus der Aufstellung für das Jahr 1996 ergibt sich, dass der Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1996 auch im Aufsichtsrat der STAWAG tätig war; entsprechende Aufstellungen erfolgten für die Jahre 1997 und 1998.

Am 28. Dezember 1999 beantragte der Kläger die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für die Tätigkeit unter anderem im Aufsichtsrat der STAWAG. Mit Bescheid vom 4. Februar 2000 genehmigte der Präsident des OLG Köln die Tätigkeit befristet auf zwei Jahre unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs im Hinblick darauf, dass sich Berührungspunkte zwischen den dienstlichen Aufgaben des Klägers und seiner angestrebten Nebentätigkeit nicht ergeben dürften, solange sein Einsatz als Familienrichter andauere. Am 3. Januar 2002 beantragte der Kläger die Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung und wies darauf hin, dass ihn der Aufsichtsrat der STAWAG inzwischen zum Vorsitzenden gewählt habe. Mit Bescheid vom 24. Januar 2002 verlängerte der Präsident des OLG Köln die Genehmigung auch für die Vorsitzendentätigkeit im Aufsichtsrat für zwei Jahre unter dem im Bescheid vom 4. Februar 2000 aufgeführten Vorbehalt.

Am 25. Juni 2003 erging ein Erlass des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (JM NRW) zur Mitgliedschaft von Richtern des Landes in Ratsausschüssen und Gesellschaftsorganen. Danach ist eine solche Mitgliedschaft mit dem Richteramt inkompatibel bei herausgehobener Stellung im Unternehmen und/oder Tätigkeit im Außenverhältnis mit Vertretungsbefugnis und/oder Überschreitung des Rahmens traditionell mit der Mandatswahrnehmung verbundener Tätigkeiten. Dies treffe zu auf die Geschäftsführung, den Vorstandsvorsitz und den Aufsichtsratsvorsitz eines privaten Unternehmens, an dem eine Kommune mehrheitlich beteiligt sei.

Auf einen weiteren Antrag vom 19. Januar 2004 zur Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung über den 31. Januar 2004 hinaus verlängerte der Präsident des OLG Köln unter Hinweis auf vorgenannten Erlass die Genehmigung der Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender aus Vertrauensschutzgründen lediglich bis zur Kommunalwahl im Herbst 2004, längstens bis zum Ablauf der Ratsperiode.

Nachdem der Kläger erneut in den Rat der Stadt B. gewählt worden war, beantragte er am 15. Oktober 2004 die Genehmigung einer Nebentätigkeit unter anderem für die Tätigkeit im Aufsichtsrat der STAWAG und als Vorsitzender der Aufsichtsrates.

Mit Bescheid vom 30. November 2004 lehnte der Präsident des OLG Köln die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für die Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der STAWAG unter Hinweis auf den Erlass des JM NRW vom 25. Juni 2003 ab.

Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er geltend machte, die für die Ablehnung herangezogene Begründung, wonach die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden eine Tätigkeit mit Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis beinhalte, stehe im Widerspruch zum Aktiengesetz. Hiernach werde die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich durch den Vorstand vertreten. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats sei auch kein besonderes Organ der Aktiengesellschaft. Es gelte der Grundsatz, dass die Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder gleichwertig sei. Die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung sei auch unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache zu Unrecht erfolgt, dass offensichtlich seit Bestehen des Landes Nordrhein- Westfalen es Richtern über Jahrzehnte hinweg nicht verwehrt worden sei, den Aufsichtsratsvorsitz von Gesellschaften wahrzunehmen, die mehrheitlich im kommunalen Besitz ständen. Ihm selbst sei eine solche Genehmigung über Jahre hinweg erteilt worden. Danach erscheine es willkürlich, nunmehr den Standpunkt zu vertreten, ein solches Amt wäre mit dem Richteramt nicht vereinbar. Hierin liege ein Eingriff in seine Grundrechte, die es Richtern nicht untersagten, sich kommunalpolitisch zu betätigen. Wenn es ihm als Richter zugestanden werde, ein Ratsmandat auszuüben und auch Mitglied in einem Aufsichtsrat eines mehrheitlich im kommunalen Besitz befindlichen Unternehmens zu sein, so werde er in seinen Rechten beschränkt, wenn er gehindert werde, den Vorsitz eines solchen Aufsichtsrates zu übernehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 wies der Präsident des OLG Köln den Widerspruch als unbegründet zurück, weil die Tätigkeit des Klägers als Vorsitzender des Aufsichtsrats der STAWAG mit dem Amt eines Richters unvereinbar sei. Nach § 4 Abs. 1 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) dürfe ein Richter Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen. Der vollziehenden Gewalt sei auch die Daseinsvorsorge der Gemeinden durch von ihnen beherrschte Kapitalgesellschaften wie der Stadtwerke B. AG zuzurechnen. Durch eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 1 DRiG sei den Richtern zwar die Tätigkeit in der Vertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft erlaubt. Dies gelte grundsätzlich auch für die bloße Mitgliedschaft im Aufsichtsrat eines privatrechtlich organisierten kommunalen Unternehmens, wenn die Mitgliedschaft mit der Wahrnehmung des Mandates verbunden sei. Nicht mehr vom Schutzzweck des § 4 Abs. 1 DRiG gedeckt sei indes eine Auslegung der Vorschrift, die es einem Richter gestatte, über eine einfache Aufsichtsratsmitgliedschaft hinaus eine herausgehobene Stellung in einem kommunalen Unternehmen einzunehmen. Der Vorsitz im Aufsichtsrat der STAWAG sei entgegen der Auffassung des Klägers eine solche gewichtige und außenwirksame Rolle. Dies folge aus der Bedeutung dieses Unternehmens und vor allem der Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb der Verfassung der Aktiengesellschaft. Außerhalb der Sitzungen des Aufsichtsrats repräsentiere dessen Vorsitzender dieses Gremium mit Wirkung nach außen, was sich etwa darin zeige, dass er auch gemäß § 80 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) auf Geschäftsbriefen angegeben sein müsse. Er sei ein aus dem Kreis der übrigen Aufsichtsratsmitglieder besonders hervorgehobenes Mitglied, das häufig ganz entscheidenden Einfluss auf das Wohl und Wehe des Unternehmens habe. Er koordiniere die Arbeit im Aufsichtsrat, leite dessen Sitzungen und repräsentiere ihn in der Öffentlichkeit und gegenüber den anderen Organen der Gesellschaft. Ferner berate er den Vorstand und sei dessen ständiger Ansprechpartner. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sei es nicht willkürlich, bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten zwischen einer einfachen Aufsichtsratsmitgliedschaft und dem Vorsitz in einem Aufsichtsrat zu differenzieren. Die Genehmigung vergleichbarer Nebentätigkeiten in der Vergangenheit rechtfertige keine andere Beurteilung. Der rechtsstaatlich gebotene Vertrauensschutz hindere nicht daran, eine bestehende Verwaltungspraxis zu überprüfen und sie gegebenenfalls unter Einräumung einer Übergangsfrist entsprechend dem Ergebnis der Überprüfung zu ändern. Dass die Nebentätigkeit eines Richters als Aufsichtsratsvorsitzender eines kommunalen Unternehmens vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nicht mehr als zulässig angesehen werde, sei dem Kläger vom zuständigen Dezernenten des OLG Köln bereits am 28. November 2003 telefonisch erläutert worden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei ihm die Nebentätigkeitsgenehmigung dennoch mit Bescheid vom 11. Februar 2004 bis zum Ablauf der Wahlperiode des Rates verlängert worden.

Der Kläger hat am 5. April 2005 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Vorverfahren, insbesondere seine Ansicht zur Vertretungsbefugnis der Gesellschaft und zur herausgehobenen Position des Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Eine herausgehobene Position in der Gesellschaft sei nur dem Vorstand zuzurechnen, was in dem Erlass des Justizministeriums vom 25. Juni 2003 ungenügend berücksichtigt werde.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Präsidenten des OLG Köln vom 30. November 2004 sowie Aufhebung dessen Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 zu verpflichten, dem Kläger auf seinen Antrag vom 15. Oktober 2004 eine Nebentätigkeitsgenehmigung für die Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der STAWAG über das Ende der im Oktober 2004 abgelaufenen Ratsperiode des Rates der Stadt B. hinaus zu erteilen.

hilfsweise, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln vom 30. November 2004 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 15. Oktober 2004 auf Genehmigung einer Nebentätigkeit nach Maßgabe des Hauptantrages neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden.

Er weist darauf hin, dass auch privatrechtlich verfasste Unternehmen, die - wie die Stadtwerke B. AG - durch die öffentliche Hand beherrscht würden und die öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnähmen, zur vollziehenden Gewalt im Sinne des § 4 Abs. 1 DRiG zu rechnen seien. Dem Begehren des Klägers auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung könne deshalb nur durch eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift Rechnung getragen werden, die indes im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift, das in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte Prinzip der Gewaltenteilung durchzusetzen, unter Berücksichtigung der gewichtigen außenwirksamen Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtwerke B. AG nicht möglich sei. Dabei komme es nicht auf eine Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrates und seines Vorsitzenden an, obwohl ihm beispielsweise in den Fällen der §§ 111 Abs. 4 Satz 2 und 112 AktG auch solche Befugnisse zustünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Erteilung der streitbefangenen Nebentätigkeitsgenehmigung über die im Oktober 2004 beendete Ratsperiode des Rates der Stadt B. hinaus. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers sind § 4 Abs. 1 Satz 1 des Landesrichtergesetzes (LRiG) i. v. m. § 68 Abs. 1 Nr. 4 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1989 (GV.NRW.1981 S. 234, ber. 1982 S. 256), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2003 (GV.NRW S. 814). Hiernach bedarf ein Richter zum Eintritt in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens, soweit diese einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, der vorherigen Genehmigung.

Die Erteilung einer solchen Genehmigung kommt indes nur in Betracht, wenn die angestrebte Tätigkeit vereinbar ist mit den Aufgaben eines Richters im Sinne des § 4 Abs. 1 DRiG. Ein Richter darf danach Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen. Die gemäß § 4 Abs. 2 DRiG ausnahmsweise zugelassenen Tätigkeiten erfassen den Fall des Klägers erkennbar nicht.

Bei der Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der STAWAG übt der Kläger Aufgaben der vollziehenden Gewalt aus. Bei der STAWAG handelt es sich um ein Unternehmen der Daseinsvorsorge. Ausweislich des Handelsregisters B des Amtsgerichts B. hat die Aktiengesellschaft als Gegenstand die Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Wärme, die Erfüllung anderer Versorgungsaufgaben, die Erfüllung von Entsorgungsaufgaben und die grundbesitzwirtschaftliche Betätigung. Dies sind Aufgaben der Daseinvorsorge, die zu den typischen Verwaltungsaufgaben einer Kommune zählen. Dabei kann sie sich zur Erfüllung dieser Aufgaben öffentlichrechtlich oder - wie hier - privatrechtlich organisierter Unternehmen bedienen, ohne dass es auf den Umfang ihrer Beteiligung an der juristischen Person ankäme. Entscheidend ist allein, dass Exekutivaufgaben in Erfüllung eines Auftrags der Kommune wahrgenommen werden,

vgl. Stellungnahme des Präsidenten des OVG NRW vom 29. Juli 2003 zum Erlassentwurf des Justizministeriums, Beiakte I (Beiheft zu den Personalakten des Klägers), Bl. 134, 135.

Damit ist bereits die einfache Mitgliedschaft eines Richters im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das im Auftrag der Kommune Leistungen der Daseinsvorsorge erbringt, unvereinbar mit § 4 Abs. 1 DRiG. Denn jede Betätigung in diesem Gremium dient letztlich dem dargestellten Zweck des Unternehmens und ist somit Verwaltungstätigkeit. Dies entspricht im Übrigen der Auffassung des Klägers, wonach die Tätigkeit aller Aufsichtsratsmitglieder gleichwertig sei. Insofern ist allerdings darauf hinzuweisen, dass zu den Aufgaben des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft nicht nur die Überwachung der Geschäftsführung gehört (nach § 111 Abs. 1 AktG, § 10 Abs. 1 der Satzung der STAWAG), sondern auch die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern, § 112 AktG. Gerade letztere Vertretungsbefugnis wirkt auch nach außen und hebt die besondere Stellungnahme des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder deutlich hervor.

Die Tätigkeit des Klägers im Aufsichtsrat der STAWAG und als dessen Vorsitzender lässt sich auch nicht der Ausübung seines Ratsmandats zuordnen, die dem Kläger gestattet ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei der Normierung des Deutschen Richtergesetzes dem Richter zwar die politische Betätigung gestattet, diese indes zugleich dem Mäßigungsgebot des § 39 DRiG unterstellt hat. Diese Gestattung war für den Gesetzgeber zugleich Anlass, einem Richter die Übernahme eines Kommunalmandats nicht zu verwehren,

vgl. Bundestagsdrucksache 3/2785.

Allerdings hat der Gesetzgeber die Ausübung eines solchen Mandats nicht als Ausnahme von dem in § 4 Abs. 1 DRiG geregelten Verbot, zugleich Aufgaben der rechtsprechenden und der vollziehenden Gewalt wahrzunehmen, in den Katalog des § 4 Abs. 2 DRiG aufgenommen. Dies spricht für eine Beschränkung des von einem Richter ausgeübten Kommunalmandats auf die rein politische Betätigung. Hintergrund dürfte u.a. gewesen sein, dem Richter, der neben seinem Amt nicht gleichzeitig Mitglied eines Landesparlaments oder des Bundestages sein darf, einen Rest an politischer Tätigkeit und Gestaltungsmöglichkeit zu belassen, solange diese nicht mit den Amtsgeschäften kollidieren. Umfasst wird damit im Wesentlichen die Rechtsetzung und die politische Gestaltung im kommunalen Vertretungsamt und in den Ausschüssen. Für eine weitere Ausdehnung der - grundsätzlich restriktiv auszulegenden - Ausnahmeregelung bestand und besteht indes keine Notwendigkeit. Deshalb stellt die Mitgliedschaft von Richtern in Verwaltungs- und Aufsichtsräten privater kommunaler Gesellschaften keine Ausübung eines kommunalpolitischen Mandats dar,

vgl. die in den Verwaltungsgängen (Beiheft zu den Personalakten des Klägers) enthaltene Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz vom 28. Januar 2003 zu dem Entwurf des Erlasses des Justizministeriums vom 25. Juni 2003.

Diese Beschränkung verletzt keine Grundrechte des Klägers. Vielmehr sind solche Rechte, die er allgemein als politische Betätigungsfreiheit benannt hat, von vornherein beschränkt durch das in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes vorgegebene staatliche Organisationsschema der Dreiteilung der Gewalten. Der Begriff der "vollziehenden Gewalt" ist dort wie auch in § 4 Abs. 1 DRiG gleichbedeutend mit dem der "Verwaltung",

vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1972 - VI C 19.69 -, BVerwGE 41, 195.

Die Vorschrift des Deutschen Richtergesetzes stellt insofern eine einfachgesetzliche Umsetzung des Verfassungsgebots der Gewaltenteilung dar, durch welche Richter von der gleichzeitigen Wahrnehmung von Aufgaben der Gesetzgebung und der Verwaltung ausgeschlossen sind.

Die im Erlass des Justizministeriums vom 25. Juli 2003 vorgenommene Gestaltung des Nebentätigkeitsrechts für Richter des Landes steht somit jedenfalls hinsichtlich des Verbots der Wahrnehmung einer hervorgehobenen Tätigkeit eines Richters im Aufsichtsrat eines kommunalen Versorgungsunternehmens im Einklang mit der in § 4 Abs. 1 Satz 2 DRiG vorgenommenen gesetzlichen Wertung und vermag die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung zu tragen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob eine Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht auch im Übrigen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG i. V. m. § 68 Abs. 2 Nr. 6 LBG gerechtfertigt wäre. Hiernach ist dem Richter eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu versagen, wenn die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigen kann, insbesondere wenn sie dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung - hier konkret der Richterschaft - abträglich wäre. Hierzu hat der Präsident des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in der o.a. Stellungnahme vom 28. Januar 2003 zum Entwurf des Erlasses vom 25. Juni 2003 ausgeführt:

Bei den im Erlass vorgenommenen Differenzierungen finden schließlich auch die im Landesbeamtenrecht mit entsprechender Geltung für Richter (§ 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG) niedergelegten - und der Zielrichtung des § 4 Abs. 1 DRiG entsprechenden -Grundsätze für die Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen keine Berücksichtigung. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG i. V. m. § 68 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 LBG liegt ein solcher Versagungsgrund insbesondere vor, wenn die Nebentätigkeit dem Ansehen der Richterschaft abträglich sein kann. Maßgebende Bedeutung kommt dabei den Umständen zu, die die besondere Stellung des Richters im verfassungsrechtlichen Gefüge und damit zugleich dessen Berufsbild prägen. Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Ihre verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit ist die Grundvorsaussetzung dafür, dass die ihnen anvertraute Rechtsprechung als dritte Gewalt im Staat ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag gerecht werden kann. Die dem Richter zugewiesene unabhängige Stellung privilegiert ihn einerseits, verpflichtet ihn andererseits aber auch, durch sein gesamtes innerdienstliches und außerdienstliches Verhalten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG i. V. m. § 57 LBG) den das Berufsbild prägenden Merkmalen der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Unbefangenheit Rechnung zu tragen. Neutralität, Unparteilichkeit und die für das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Unparteilichkeit des Richters zwingend erforderliche Zurückhaltung bzw. Distanz sind mit dem Begriff des Richters i.S.d. Art. 97 GG untrennbar verknüpft (vgl. BVerfG, Senatsurteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/100 -, BVerfGE 103, 111 (140) und Senatsbeschluss vom 8. Februar 1967 - 2 BvR 325/64 -, BVerfGE 21, 139 (146)). Diese Anforderungen begründen eine Verantwortung und einen Pflichtenkreis, der weitreichender sein kann als der eines weisungsgebundenen Beamten. Der Richter muss bei der rechtsprechenden Tätigkeit stets in der Lage sein, frei von außerrechtlichen Einflüssen, Zwängen und Rücksichtnahmen Gesetz und Recht Geltung zu verschaffen, wobei maßgebend nicht seine subjektive Überzeugung ist, unabhängig zu sein, sondern das Vertrauen derer, die sich an dem Begriff der Unabhängigkeit in dem dargelegten Sinn orientieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 - 2 C 72.86 -, BVerwGE 78, 216 (219 f.).

Ausgehend von diesem Richterbild ist es dem Ansehen der Richterschaft abträglich, wenn ein Verwaltungsrichter, der im Rahmen seiner rechtsprechenden Tätigkeit (auch) in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Entscheidung berufen ist, in denen Bürger gegen Maßnahmen der Kommunalverwaltungen klagen, selbst im Auftrag einer Kommune Exekutivaufgaben wahrnimmt. Damit würde in der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Distanz und Neutralität des Richters gegenüber der Verwaltung, die für die Akzeptanz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen von entscheidender Bedeutung ist, nachhaltig beeinträchtigt. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der einzelne Beitrag des Richters im Aufsichtsrat, in der Geschäftsführung, im "Außendienst", etc. des von der Kommune beauftragten Unternehmens geleistet wird. Für Öffentlichkeit ist letztlich entscheidend, ob das Unternehmen im Auftrag der Kommune und damit im Weisungsverhältnis tätig wird. Die dadurch in der Öffentlichkeit vermittelte Abhängigkeit wird mit dem Unternehmen als Ganzes und damit auch mit den für die Tätigkeit des Unternehmens verantwortlichen Gesellschaftsorganen und ihren Mitgliedern in Verbindung gebracht.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass "als Ausfluss des kommunalen Mandats" für die Mandatsträger "typischerweise Mitgliedschaften in Ausschüssen und ggf. - mit Rücksicht auf die zunehmende Privatisierung kommunaler hoheitlicher Tätigkeiten - in Gesellschaftsorganen privatrechtlich organisierter kommunaler Unternehmen" bestehen. Denn die Mitgliedschaft in den Gesellschaftsorganen ist mit dem kommunalen Mandat rechtlich nicht verknüpft. Diesbezügliche Forderungen mögen faktisch an den Mandatsträger herangetragen werden, ihnen zu entsprechen ist nicht die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung aus dem Mandat, sondern beruht auf der eigenen freien Willensentscheidung des Mandatsträgers.

Auch diese Erwägungen, die die Kammer auch hinsichtlich anderer als Verwaltungsrichter uneingeschränkt teilt, rechtfertigen die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung.

Die Aufgabe des Vorsitzenden des Aufsichtsrats ist auch nicht von der Genehmigung zur Tätigkeit als (einfaches) Aufsichtsratsmitglied gedeckt. Zwar mag der Wortlaut des § 68 Abs. 1 Nr. 4 LBG diese vom Kläger vertretene Ansicht zulassen, denn hier ist nur von der Notwendigkeit einer Genehmigung zum "Eintritt" in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft die Rede. Indes kann die dem Kläger insoweit erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung nicht losgelöst von der streitgegenständlichen Versagung der Genehmigung für eine Vorsitzendentätigkeit im Aufsichtsrat gesehen werden. Diese Versagung modifiziert die Genehmigung in dem Sinne, dass sie unter der Auflage erteilt worden ist, nicht den Vorsitz im Aufsichtsrat der STAWAG zu übernehmen.

Wegen der Rechtmäßigkeit der die Nebentätigkeit versagenden Entscheidung besitzt der Kläger auch keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Neubescheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wird die Berufung zugelassen, vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.






VG Aachen:
Urteil v. 25.08.2005
Az: 1 K 550/05


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