Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2011
Aktenzeichen: 26 W (pat) 524/10

(BPatG: Beschluss v. 11.05.2011, Az.: 26 W (pat) 524/10)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung der für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze; Kühleis;

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

bestimmten Marke Zeit für den Augenblickvollumfänglich zurückgewiesen, weil ihr für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine aus deutschen Begriffen gebildete, sloganartige Wortfolge, die sprachregelgerecht gebildet sei und sich ohne weiteres in zahlreiche ähnlich gebildete, verkehrsübliche Wendungen, wie z. B. "Zeit für einander", "Zeit für das Wesentliche" oder "Zeit für sich", einreihe. In Bezug auf die Waren, für die die Eintragung begehrt werde, stelle die angemeldete Marke zwar keine unmittelbar beschreibende Angabe dar. Es handele sich bei ihr jedoch um einen emotionalen Werbeslogan, welcher die Aufmerksamkeit und den Kaufanreiz der angesprochenen Verkehrskreise fördere. Die Wortfolge "Zeit für den Augenblick" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als Einladung verstanden, sich Zeit zu nehmen und die so beworbenen Produkte hier und jetzt zu konsumieren, weil der Augenblick es wert sei, ausgekostet zu werden. In diesem Sinne werde die angemeldete Marke auch bereits in der Werbesprache verwendet. Diesbezüglich hat die Markenstelle auf Verwendungsbeispiele aus dem Internet verwiesen. Angesichts des erkennbar anpreisenden Begriffsgehalts werde der Verkehr in der angemeldeten Marke keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft so bezeichneter Waren sehen. Die angesprochenen Verkehrskreise seien an die Verwendung derartiger Slogans und Redewendungen gewöhnt. Die angemeldete Wortfolge bewege sich auch im Rahmen dessen, was auf dem Lebensmittelund Getränkesektor in der Werbung üblich sei und erwartet werde. Dass die Aussage der angemeldeten Wortfolge relativ allgemein gefasst sei, ändere nichts daran, dass der Verkehr sie als nur als eine inhaltlich und sprachlich werbeübliche Anpreisung verstehe.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, die angemeldete Wortfolge "Zeit für den Augenblick" stelle nicht nur keine unmittelbar warenbeschreibende Sachaussage dar, sondern es handele sich bei ihr auch nicht um eine so gebräuchliche Wortfolge der Alltagssprache, dass sie vom Verkehr allein und stets nur als solche aufgenommen und verstanden werde. Im Gegensatz zu den von der Markenstelle zitierten, im Verkehr üblichen Ausdrücken weise die angemeldete Marke keinen eindeutigen Begriffsgehalt auf, sondern sei interpretationsbedürftig. Man könne sich zwar Zeit für einander, für sich selbst oder für eine wesentliche Sache nehmen oder auch einen Augenblick erübrigen, um etwas zu tun. Was jedoch "Zeit für den Augenblick" bedeute, sei inhaltlich völlig unbestimmt. Angesichts dieser begrifflichen Unbestimmtheit werde der Verkehr die angemeldete Wortfolge nicht nur als einen üblichen Slogan, sondern zugleich auch als Marke verstehen. Ergänzend verweist die Anmelderin insoweit auf die ihrer Ansicht nach maßgeblichen Grundsätze der "For You"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1999, 1093) und insbesondere darauf, dass jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden, und dass an Werbeslogans keine strengeren Anforderungen zu stellen seien als an andere Zeichen und sie insbesondere keine besondere Originalität aufweisen müssten.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamts aufzuheben.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, aber unbegründet. Die Feststellung der Markenstelle, dass der angemeldeten Marke für die in der Anmeldung aufgeführten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), erweist sich auch nach erneuter sachlicher und rechtlicher Prüfung als zutreffend.

Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung ist die konkrete Eignung eines Zeichens, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren/Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428, 431, Nr. 48 -Henkel). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 806, Nr. 35 -Philips; GRUR 2008, 608, 610, Nr. 59 -EUROHYPO; BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 -FUSSBALL WM 2006). Was nicht individualisiert, kann nicht Gegenstand eines Individualrechts werden, sondern soll Gemeingut bleiben und der freien Verwendbarkeit unterliegen. Nur soweit die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion bejaht werden kann, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass eine Angabe oder ein Zeichen der ungehinderten allgemeinen Verwendung vorenthalten und zu Gunsten eines Einzelnen monopolisiert wird (EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Nr. 48 -Dreidimensionale Tablettenform I).

Die Unterscheidungskraft fehlt zunächst insbesondere Zeichen, die für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen eine unmittelbare beschreibende Bedeutung haben oder einen sachlich beschreibenden Bezug zu diesen aufweisen (BGH a. a. O., Nr. 32 -FUSSBALL WM 2006). Die erforderliche Unterscheidungskraft kann aber auch Angaben und Zeichen fehlen, die -ohne die Waren/Dienstleistungen unmittelbar zu beschreiben oder einen engen beschreibenden Bezug zu diesen aufzuweisen -aus anderen Gründen nicht zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung geeignet sind. Dies gilt insbesondere für gebräuchliche Wörter oder Wendungen der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, wenn sie nur als solche in ihrer ursprünglichen, nicht markenmäßigen Bedeutung und deshalb nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice; a. a. O., Nr. 19 und 45 -FUSSBALL WM 2006).

Werbeslogans und sonstige spruchartige Wortfolgen sind bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft wie andere Wortmarken zu behandeln. Sie unterliegen keinen strengeren Schutzvoraussetzungen und müssen insbesondere keine zusätzliche Originalität aufweisen (EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 34 -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Werbeslogans unterliegen aber auch keinen geringeren Schutzvoraussetzungen als andere Wortmarken. So setzt die Bejahung ihrer Unterscheidungskraft unverändert voraus, dass das Zeichen geeignet sein muss, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 -VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die jeweilige Marke nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung besteht, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslöst (EuGH a. a. O., Nr. 57 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Lässt der Werbeslogan den erforderlichen Grad an Originalität oder Prägnanz vermissen und erfordert er kein Mindestmaß an gedanklichem oder analysierendem Aufwand seitens der maßgeblichen Verkehrskreise, fehlt ihm jedoch die notwendige Unterscheidungskraft (vgl. EuG, GRUR-RR 2011, 250 ff., Rn. 34 - executive edition).

Die angemeldete Marke "Zeit für den Augenblick" stellt eine aus deutschen Wörtern der Umgangssprache gebildete, sloganartige Wortfolge dar, die sich -wie bereits die Markenstelle zutreffend festgestellt hat -sprachlich und begrifflich ohne Weiteres in der Werbung und im allgemeinen Verkehr bereits gebräuchliche, ähnlich gebildete Ausdrücke wie "Zeit für einander", "Zeit für das Wesentliche" und "Zeit für sich" einreiht. Ihr fehlt es auch an Originalität, denn sie wird, wenn auch in anderen Warenund Dienstleistungsbereichen, bereits selbst in der Werbung in einer nicht markenmäßigen, sondern beschreibenden bzw. anpreisenden Form dazu verwendet, um darauf hinzuweisen, dass ein Angebot Muße und Entspannung bietet und es ermöglicht, kurz innezuhalten und den Augenblick zu genießen. Insoweit bedarf es keiner weiteren tatsächlichen Nachweise, weil bereits die Markenstelle solche Benutzungsnachweise beigebracht hat, die sie der Anmelderin mit dem angegriffenen Beschluss übersandt hat und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen an dieser Stelle Bezug genommen wird. Die festgestellte Benutzung der angemeldeten sloganartigen Wortfolge in der Werbung stellt nicht nur ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass sich die Bezeichnung "Zeit für den Augenblick" als Werbeanpreisung eignet und vom Verkehr als Hinweis auf ein Angebot, dass dazu bestimmt ist, dem Verbraucher einen Augenblick des Genusses bzw. Zeit für das Hier und Jetzt zu ermöglichen, verstanden wird, sondern auch dafür, dass ein Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit dieses anpreisenden Slogans besteht.

Entgegen der Ansicht der Anmelderin bedarf es beim angesprochenen allgemeinen Publikum auch keiner sprachlichen Analyse oder eines besonderen gedanklichen Aufwands, um die anpreisende Aussage des angemeldeten Slogans als solche zu verstehen. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf die Waren, für die er angemeldet und bestimmt ist, denn bei diesen handelt es sich um Lebensund Genussmittel, die häufig z. B. in Arbeitspausen oder zum Feierabend genossen werden und einen kurzen Moment es Innehaltens begleiten bzw. einen kurzen, aber bewussten Genuss bieten sollen. Insoweit fehlt es der Wortfolge "Zeit für den Augenblick" auch nicht an der nötigen Prägnanz. Da die angemeldete Marke auch keine sonstigen sprachlichen Besonderheiten aufweist, wird sie der Durchschnittsverbraucher der in der Anmeldung aufgeführten Waren nur als einen anpreisenden Slogan und nicht zugleich als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen, weshalb ihr jegliche Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren fehlt. Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.

Dr. Fuchs-Wissemann Dr. Schnurr Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 11.05.2011
Az: 26 W (pat) 524/10


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