Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 305/02

(BPatG: Beschluss v. 30.07.2003, Az.: 20 W (pat) 305/02)

Tenor

Das Patent wird mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1-10, Beschreibung Spalten 1, 2, 2a, 3 und 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Spalten 5 und 6 der Beschreibung sowie Zeichnungen (Figuren 1-3) nach Patentschrift.

Bezeichnung: Steuerung für ein elektronisches Gerät zum Empfang von Licht.

Gründe

I Gegen das Patent 100 44 746 ist Einspruch erhoben worden. Der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig; ihm fehle die Neuheit und er beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Textunterlagen, bestehend aus Patentansprüchen 1 bis 10 und Beschreibung, Spalten 1, 2, 2a, 3 und 4 aufrechtzuerhalten.

Die beiden nebengeordneten Ansprüche 1 und 8 lauten:

"1. Steuerung für ein elektronisches Gerät zum Empfang von Licht, das wenigstens einen lichtempfindlichen Sensor aufweist und aufgrund einer Belichtung Aufnahmedaten erzeugt sowie für jede Aufnahme parametrisierbar ist, wobei die Aufnahmedaten nach der Belichtung an wenigstens eine Datenverarbeitungseinheit übertragbar sind und die Berechnung des frühestmöglichen Auslösezeitpunkts (X) für die Belichtung (E) einer nachfolgenden Aufnahme anhand eines geräteinternen Zeitsignals und/oder eines geräteinternen Zeittaktes und der Parameter im Gerät selbst erfolgt derart, daß der früheste Auslösezeitpunkt nach der Belichtungsdauer der vorhergehenden Aufnahme und vor dem Ende der Übertragung ihrer Aufnahmedaten liegt, und wobei wenigstens ein Datensatz für die Parameter für die vorhergehende Aufnahme in einem ersten Speicher (13) abgelegt und wenigstens ein Datensatz für die Parameter für die nachfolgende Aufnahme in einem zweiten Speicher (15) abgelegt ist, welche Speicher abwechselnd aufgerufen werden.

8. Elektronisches Gerät mit wenigstens einem lichtempfindlichen Sensor (11) zum Empfangen von Licht, welches Gerät für jede Aufnahme parametrisierbar ist sowie eine interne Logikeinheit (14) aufweist, die eine Steuerung umfaßt, die anhand eines geräteinternen Zeitsignals und/oder eines geräteinternen Zeittaktes und der Parameter den frühestmöglichen Auslösezeitpunkt (X) für die Belichtung (E) einer nachfolgenden Aufnahme errechnet derart, daß der früheste Auslösezeitpunkt nach der Belichtungsdauer der vorhergehenden Aufnahme und vor dem Ende der Übertragung ihrer Aufnahmedaten liegt, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens ein erster und wenigstens ein zweiter Speicher (13, 15) für die Parameter vorhanden sind, in welchem ersten Speicher (13) der Datensatz für die Parameter für die vorhergehende Aufnahme und in welchem zweiten Speicher (15) der Datensatz für die Parameter für die nachfolgende Aufnahme ablegbar sind, welche Speicher abwechselnd aufrufbar sind."

Zu den Ansprüchen 2 bis 7 und 9, 10 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Einsprechende verweist zum Stand der Technik auf die folgenden Druckschriften:

D1 Datenblatt für das Bauelement CXD 2 437 TQ der Firma Sony, 1996, D2 Datenblatt für den CCD-Sensor ICX 085 AL der Firma Sony, 1995.

In einer Zwischenverfügung hatte der Berichterstatter - noch zu den Patentansprüchen erteilter Fassung - auf das Fachbuch "Fernsehtechnik", B. Wendland und H. Schröder, Band II, Hüthig Buchverlag GmbH, Heidelberg, 1991, S. 339-341, hingewiesen. Im Erteilungsverfahren ist die JP 08-307741 A in Betracht gezogen worden.

Die Einsprechende macht geltend, die beanspruchten Gegenstände seien nicht patentfähig. So seien die Merkmale des Anspruchs 1 überwiegend aus D1 iVm D2 zu entnehmen. Zu der anspruchsgemäßen Maßnahme, einen ersten und einen zweiten Speicher für den jeweiligen Parameter-Datensatz der vorhergehenden bzw der nachfolgenden Aufnahme vorzusehen, habe der Fachmann ohne erfinderische Überlegung kommen können. Die Verwendung eines solchen Wechselpuffers habe ihm nämlich im Interesse einer schnelleren Arbeitsweise nahegelegen. Außerdem sei der im Anspruch verwendete Begriff "frühestmöglicher Auslösezeitpunkt" aufgabenhaft und nicht hinreichend klar, und der Anspruchsgegenstand löse die angegebene Aufgabe nicht.

Nach Auffassung der Patentinhaberin steht die Patentfähigkeit des Beanspruchten nicht in Frage. Der zitierte Stand der Technik habe dem Fachmann keine Anregungen dahingehend vermittelt, die Parameter-Datensätze jeweils zweier aufeinanderfolgender Aufnahmen im Gerät abzuspeichern.

II Der Einspruch führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Beschränkung des Patents. Darüber hinaus hat er jedoch keinen Erfolg. Die nunmehr beanspruchten Gegenstände sind patentfähig.

Der für die Frage der Patentfähigkeit zu berücksichtigende Fachmann ist ein Entwickler mit mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Bildsensoren und deren Steuerung.

Zum Patentanspruch 1 Die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 ist unbestritten gegeben. Aus D1 ist die anspruchsgemäße Speicherung der Parameter-Datensätze jeweils zweier aufeinanderfolgender Aufnahmen nicht zu entnehmen. Dort ist lediglich die Einspeicherung eines Datensatzes DO bis D10, SMD1, SMD2 in einem Register vorgesehen, der Einzelheiten der dann vorzunehmenden Belichtung beinhaltet (S 10 und 11 Abschn "2. Electronic Shutter" iVm dem Blockdiagramm auf S 2). D2 beschreibt lediglich einen Bildsensor ICX 085 AL, bei dem die in D1 beschriebene Steuerschaltung angewendet werden kann (D1 S 1 li Sp letzte zwei Zeilen). Die Fachbuchstelle geht über D1 nicht hinaus; die JP A liegt weiter ab.

Der Anspruchsgegenstand beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Er ergab sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Die aus D1 bekannte Steuerung weist zwar eine Reihe von Merkmalen des Anspruchs 1 auf. So ist die Steuerung ebenfalls für ein elektronisches Gerät zum Empfang von Licht bestimmt, das einen lichtempfindlichen Sensor aufweist und aufgrund einer Belichtung Aufnahmedaten erzeugt sowie für jede Aufnahme parametrisierbar ist - zB mittels des oben erwähnten Datensatzes DO, D1 .... Für den Fachmann ist es auch selbstverständlich, daß die Aufnahmedaten nach der Belichtung aus den Registern des Bildsensors (vgl dazu D2, Blockdiagramm auf S 2) an eine Datenverarbeitungseinheit - zB zwecks Bildverarbeitung - übertragbar sind.

In D1 mag auch das Merkmal gegeben sein, daß die Berechnung des Auslösezeitpunktes für die Belichtung einer Aufnahme, also auch einer "nachfolgenden Aufnahme", anhand eines geräteinternen Zeittaktes und anhand der Parameter im Gerät selbst erfolgt, vgl dazu in D1 den bereits erwähnten Abschnitt "2. Electronic Shutter", die aufgrund des Satzes von Parametern DO, D1 ... erzeugten Signalimpulse XSUB, deren Auftreten eine effektive Belichtung verhindert und deren Aufhören daher den "Auslösezeitpunkt für die Belichtung" darstellt (zB Zeitdiagramm auf S 16) sowie den auf Seite 1 linke Spalte genannten Basistakt. Dabei mag auch die im Anspruch angegebene zeitliche Lage des Auslösezeitpunktes relativ zur Belichtungsdauer und zur Übertragung der vorhergehenden Aufnahme aus D1 hervorgehen, vgl dazu im Zeitdiagramm auf Seite 16 den das Ende der Belichtungsdauer der vorhergehenden Aufnahme darstellenden XSG-Impuls und die dort in Zeile OUT dargestellte Übertragung der Aufnahmedaten der vorhergehenden Aufnahme aus dem Bildsensor.

Die anspruchsgemäße Charakterisierung des Belichtungs-Auslösezeitpunkts als "frühestmöglich" ist dahingehend zu verstehen, daß der Auslösezeitpunkt unter den jeweils gegebenen Bedingungen nicht unnötig zu verzögern ist. Dies ist aber für den Fachmann auch bei der aus D1 bekannten Steuerung ohne weiteres ersichtlich. Ein früherer Auslösezeitpunkt würde nämlich - bei den dortigen Gegebenheiten - zu einer längeren Belichtung als gewünscht führen.

Der von der Einsprechenden in den Vordergrund gerückte Vortrag, das Merkmal "frühestmöglich" sei unklar und aufgabenhaft, und der Anspruchsgegenstand löse die angegebene Aufgabe nicht, bleibt ohne Erfolg.

Der Mangel der Unklarheit, soweit darunter fehlende Rechtssicherheit im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG gemeint ist, wonach die Anmeldung einen oder mehrere Patentansprüche enthalten muß, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll, ist kein Widerrufsgrund. Da die von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Änderungen der Patentansprüche das Merkmal "frühestmöglich" nicht berühren, liegt auch keine Änderung vor, deren patentrechtliche Zulässigkeit ohne Beschränkung auf die Widerrufsgründe des § 21 Abs. 1 PatG zu prüfen wäre, vergleiche BGH GRUR 1998, 901 - Polymermasse.

Schließlich und vor allem ist das Merkmal "frühestmöglich" gar nicht unklar in vorstehendem Sinne. Zutreffend ist allerdings, dass dieses Merkmal allgemein und breit gefasst ist, so dass viele Aspekte und Realisierungen darunter fallen. Dies ist aber nicht eine Frage der Klarheit, sondern der Neuheit und der erfinderischen Tätigeit. Tatsächlich ergibt sich im vorliegenden Fall, dass auch bei der bekannten Steuerung nach D1, wie oben dargelegt, eine "frühestmögliche" Auslösung der Belichtung erfolgt.

In der Charakterisierung des Merkmals "frühestmöglich" durch die Einsprechende als "aufgabenhaft" vermag der Senat schon grundsätzlich keinen patentrechtlichen Mangel zu erkennen. Gerade bei Steuerungsvorgängen ist es üblich und zweckmäßig, die einzelnen Maßnahmen durch die jeweils beabsichtigte Wirkung oder Funktion zu umschreiben, was naturgemäß "aufgabenhafte" Formulierungen mit sich bringt. Das verbietet das Patentgesetz nicht. Die mit solchen Formulierungen verbundene begriffliche Breite ist im Rahmen der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen und mag in diesem Zusammenhang eine Konkretisierung erforderlich machen. Sie mag auch die Frage der Ausführbarkeit berühren, § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG, zu deren Beantwortung aber die gesamten Patentunterlagen heranzuziehen sind. Im vorliegenden Fall bestehen zur Ausführbarkeit weder Bedenken noch hat die Einsprechende hierzu etwas vorgetragen.

Daß der Anspruchsgegenstand die in der Patentschrift angegebene Aufgabe, eine maximierte Aufnahmefolgefrequenz oder eine frühestmögliche Aufnahmebereitschaft auch bei sich ändernder Parametrisierung während der Aufnahmefolge zu erzielen, nicht löse, trifft für die geltende Fassung des Anspruchs 1 schon in der Sache nicht zu. Im übrigen wäre auch dies kein patenthindernder Mangel, da es zuerst auf die Patentfähigkeit des Anspruchsgegenstands ankommt. Das Patentgesetz fordert nicht, daß ein Anspruchsgegenstand die in der Beschreibung gestellte Aufgabe lösen muß (beispw BGH GRUR 1981, 186 -Spinnturbine II). Ein eventueller Widerspruch zur in der Beschreibung angegebenen Aufgabe könnte durch deren Anpassung an das Beanspruchte beseitigt werden und verlangt nicht Ergänzungen im Patentanspruch (Senat GRUR 1997, 523 - Faksimile-Vorrichtung).

Für die anspruchsgemäße Maßnahme, je einen Parameter-Datensatz für die vorhergehende und die nachfolgende Aufnahme in je einem Speicher abzulegen, ergaben sich für den Fachmann keine hinreichenden Anregungen.

Zwar könnte der Fachmann, wie die Einsprechende geltend macht, den Wunsch gehabt haben, eine höhere Arbeitsgeschwindigkeit der in D1 beschriebenen Steuerung zu erreichen. Hierfür erhielt er aus D1 aber lediglich den Hinweis auf die Möglichkeit, die Auslesegeschwindigkeit zu erhöhen unter Verschmelzung der Pixel von jeweils zwei aufeinanderfolgenden Zeilen (S 1 li Sp und Zeitdiagramm auf S 18).

Der Fachmann hätte auch auf den Gedanken kommen können, durch Begrenzung auf einen Bildausschnitt die Zeilenrate zu erhöhen, wie aus der im Verfahren vor der Erteilung des vorliegenden Patents zitierten JP 08-307 741 A, zB Absatz 0 017 entnehmbar ist.

Derartige Überlegungen konnten den Fachmann aber ersichtlich nicht zu der anspruchsgemäßen Abspeicherung der Parameterdatensätze zweier aufeinanderfolgender Aufnahmen und zu dem damit zusammenhängenden Gedanken führen, den Auslösezeitpunkt jeweils schon im Vorgriff berechnen zu können. Hierfür war vielmehr erfinderische Tätigkeit des Fachmanns erforderlich. Danach auf einen Wechselpuffer als Realisierungsmöglichkeit zurückzugreifen mag an sich naheliegen.

Zum Patentanspruch 8 Der Patentanspruch 8 ist auf ein elektronisches Gerät gerichtet, weist aber den oben erörterten Merkmalsinhalt des Patentanspruchs 1 ebenfalls auf. Die vorstehenden Ausführungen zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gelten daher sinngemäß auch für den Patentanspruch 8.

Die Ansprüche 2 bis 7, 9 und 10 betreffen besondere Ausführungsarten der Gegenstände der Ansprüche 1 bzw. 8 und sind daher mit diesen bestandsfähig.

Dr. Anders Kalkoff Martens Zehendner Be






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Beschluss v. 30.07.2003
Az: 20 W (pat) 305/02


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