Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 6. Juni 2008
Aktenzeichen: 3-5 O 11/08, 3-05 O 11/08, 3-5 O 11/08, 3-05 O 11/08

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 06.06.2008, Az.: 3-5 O 11/08, 3-05 O 11/08, 3-5 O 11/08, 3-05 O 11/08)

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits und die gerichtlichen Kosten ihr Klagen haben die Kläger jeweils selbst zu tragen

Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits der Beklagten haben die Klägerin zu 1) 93 % und die Klägerin zu 2) 7 % zu tragen.

Das Urteil ist für die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) ohne Sicherheitsleitung und gegenüber der Klägerin zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin zu 2) wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, es sei denn, dass die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für die Klage der Klägerin zu 1) beträgt bis zur Verbindung EUR 300.000,--,

für die Klage der Klägerin zu 2) bis zur Verbindung EUR 20.000,--,

und seit Verbindung für alle Klagen insgesamt EUR 300.000--.

Tatbestand

Am 13.12. 2007 fand die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Zu dieser Hauptversammlung hatte die Beklagte durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 9.7.2007 wie folgt geladen:

"Die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts bedarf des Nachweises der Aktionärseigenschaft. Ein solcher Nachweis ist durch das depotführende Kreditinstitut möglich, wobei Textform ausreicht. Der Nachweis hat sich frühestens auf den 21. Tag vor der Hauptversammlung zu beziehen und ist bei Eintritt zur .Hauptversammlung neben einem amtlichen Lichtbildausweis (Personalausweis/Reisepass) vorzulegen.

Zur organisatorischen Vorbereitung der Hauptversammlung werden die Aktionäre gebeten, sich unter Beifügung einer Kopie eines aktuellen Depotauszugs bis zum siebten Tag vor der Versammlung bei folgender Stelle anzumelden; €. Aktionäre, die sich auf diesem Wege bei der Gesellschaft angemeldet haben, erhalten eine Eintrittskarte zur Hauptversammlung. Aktionäre sind aber auch ohne Eintrittskarte teilnahmeberechtigt. Wir weisen unsere Aktionäre darauf hin, dass sie in jedem Fall, auch wenn Sie sich bereits auf o.g. Weg angemeldet haben, einen aktuellen Nachweis über ihre Aktionärseigenschaft vorzulegen haben. Dies kann insbesondere durch Vorlage eines aktuellen Depotauszugs oder eines vergleichbaren aktuellen Nach weises des Anteilsbesitzes und der Anzahl der Aktien erfolgen. Der Umfang des Stimmrechts wird anhand dieses Nachweises bestimmt Da die Prüfung der Aktionärseigenschaft gegenüber den Hauptversammlungen von Publikumsgesellschaften angewandten Verfahren deutlich aufwendiger ist, bitten wir die Aktionäre, sich bereits gegen 9:30 Uhr am Veranstaltungsort einzufinden. Aktionäre, die nicht persönlich an der Hauptversammlung teilnehmen möchten, können ihr Stimmrecht durch Bevollmächtigte ausüben lassen. Die Vollmacht muss schriftlich erteilt werden. Neben der schriftlichen Vollmacht muss der Bevollmächtigte sich ebenfalls durch einen amtlichen Lichtbildausweis ausweisen. Zudem bedarf es auch in diesem Falle eines Berichtigungsnachweises des Vollmachtgebers."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ladung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 33 € 44 d. A.) verwiesen

In der Satzung der Beklagten ist nichts über den Nachweis die Aktionärsstellung für die Hauptversammlung geregelt; wegen der Einzelheiten der Satzung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 45 bis 48 d. A.) Bezug genommen.

Beide Klägerinnen nahmen vertreten durch einen Herrn K an dieser Hauptversammlung teil. In dieser Hauptversammlung wurde über alle 15 streitgegenständlichen Tagesordnungspunkte TOP 2 € TOP 16, Beschuss gefasst.

Die Klage der Klägerin zu 1) € die sich gegen alle 15 Beschlussfassungen richtet ging per Fax beim Landgericht Frankfurt am Main am 14.1.2008 ein. Mit Beschluss vom 15.1.2008 wurde der Streitwert gem. § 63 GKG auf EUR 300.000 festgesetzt und die Klägerin zu 1) mit Verfügung vom 17.1.2008 zur Zahlung des sich aus diesem Streitwert ergebenen Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, dessen Zahlung am 28.1.2008 einging. Die Klage der Klägerin zu 2) € die sich nur gegen die Beschlussfassung zu TOP 8 Wahl des Aufsichtsrats wendet - ging per Fax beim Landgericht Frankfurt am Main am 14.1.2008 ein. Mit Beschluss vom 15.1.2008 wurde der Streitwert gem. § 63 GKG auf EUR 20.000 festgesetzt und die Klägerin zu 2) mit Verfügung vom 17.1.2008 zur Zahlung des sich aus diesem Streitwert ergebenen Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, dessen Zahlung am 25.1.2008 einging. Mit Beschluss vom 29.1.2008 hat das Gericht die beiden Klagen gem. § 246 Abs. 3 AktG verbunden und mit Verfügung vom gleichen Tag Termin bestimmt und die Zustellung der Klagen angeordnet. Noch vor Ausführung dieser Verfügung am 6.2.2008 ging am 4.2.2008 ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2) (Bl. 59 d. A.) ein, mit dem eine Zustellungsanschrift des Aufsichtsrats der Beklagten mitgeteilt wurde. In der Folgezeit zwischen dem 11.2.2008 und dem 13.2.2008 erfolgen dann die Zustellungen an den Vorstand der Beklagten und an die mitgeteilten Anschriften der Aufsichtsratsmitglieder.

Noch bevor der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 18.3.2008 seine Klageerwiderung einreichte, hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) der Beklagten einen Vergleichsvorschlag zu Beendigung des Rechtsstreits per FAX übermittelt, wonach die Kläger ihre Klagen zurücknehmen würden, die Beklagte gewisse Informationen auf ihrer Interseite veröffentlichen und die Kosten des Rechtsstreits übernehmen sollte. Bei den Kosten waren als Streitwert EUR 500.000 und für den Vergleich EUR 4.000.000,-- bzw. EUR 4.500.000 angesetzt. Weiterhin erhielt dieser Vorschlag eine Musterberechnung des sich ergebenden Kostenerstattungsanspruchs. Wegen der Einzelheiten dieses Vergleichsvorschlags wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Bl. 280 bis 286 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin zu 1) macht geltend, die Beschlüsse dieser Hauptversammlung seien nichtig oder anfechtbar, da die in der Ladung angegebenen Teilnahmebedingungen fehlerhaft gewesen seien, in der Satzung keine Grundlage hätten und den Aktionären die Teilnahme der Hauptversammlung in unzulässiger, sachlich nicht begründeter Weise erheblich erschwerten. Die Beschlüsse der Hauptversammlung litten weiter daran, dass die Beklagte nicht sichergestellt habe, dass an der Hauptversammlung auch lediglich die berechtigten Aktionäre teilnahmen und ihr Stimmrecht dort ausübten. Weiter macht die Klägerin zu 1) geltend, es habe in Bezug zur Beschlussfassung bei Tagesordnungspunkt 13 im Vorfeld und in der Hauptversammlung Informationsverletzungen gegeben. Angaben zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den Finanzdaten der "P GmbH" seien nicht gemacht worden. Weiterhin habe die Frage nicht konkret beantwortet werden können, wie sich der Ausgabebetrag der Aktien im Rahmen der Sachkapitalerhöhung von EUR 5,10 ergebe. Eine rechtsmissbräuchliche Klagerhebung liege auch im Hinblick auf den Inhalt des Vergleichsvorschlags nicht vor. Ein Rechtsmissbrauch durch die Bemessung des Gegenstandswertes für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren durch die Klägerin zu 1) bestehe nicht. Bei einer vereinbarten Gebührenerstattung wird die Partei lediglich von der Last der angefallenen Kosten befreit. Zudem seien die dort genannten Werteinschätzungen alles andere als fern liegend; dies ergebe sich im Einzelnen aus den angegriffenen Beschlussfassungen die von nicht unerheblicher Bedeutung seien. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1) vom 19.5.2008 (Bl. 291 ff d. A.) verwiesen. Die Klägerin zu 2) macht gegenüber der Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 8 € Wahl des Aufsichtsrats € geltend, die Anfechtbarkeit ergebe sich daraus, dass entgegen der Bestimmung des § 124 Abs. 3 S. 3 AktG die Angabe des konkret ausgeübten Berufs der Kandidaten im Vorschlag der Verwaltung nicht erfolgt sei. Der Klägerin zu 2) sei der Vergleichsvorschlag unbekannt gewesen, so dass jedenfalls gegenüber ihr nicht der Einwand des Rechtsmissbrauches erhoben werden könne.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

1. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 2

"Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns 2005";

2. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 3

"Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns 2006";

3. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 4

"Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2005";

4. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 5

"Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2006";

5. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 6 "Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2005";

6. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 7

"Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006";

7. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 9

"Beschlussfassung über die Zustimmung zur Informationsübermittlung im Wege der elektronischen Datenfernübertragung";

8. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 10

"Beschlussfassung über den Ort der Hauptversammlung";

9. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 11

"Beschlussfassung über eine Regelung zur Anmeldung zu einer Hauptversammlung";

10. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 12

"Beschlussfassung über eine Satzungsregelung hinsichtlich Jahresabschluss und Lagebericht, Entlastung des Vorstands und Aufsichtsrat";

11. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 13

"Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft durch Sach- und Bareinlagen";

12. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 14

"Beschlussfassung über die Firma der Gesellschaft";

13. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 15

"Beschlussfassung über den Unternehmensgegenstand der Gesellschaft";

14. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 16

"Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2007"

für nichtig zu erklären;

hilfsweise festzustellen, dass diese Beschlussfassungen nichtig sind.

Darüber hinaus beantragen die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2) den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 zum Tageordnungspunkt 8 "Wahl der Aufsichtsratsmitglieder W Z, A Herr und Dr. M Wi " für nichtig zu erklären; hilfsweise festzustellen, dass diese Beschlussfassung nichtig ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint zunächst, die Klagen seien schon deswegen unstatthaft, da eine fristgerechte Klagerhebung nicht vorliege. Die Verzögerung der Zustellung ginge zu Lasten der Kläger. Zudem werde bestritten, dass die Kläger ihre Aktien vor Bekanntmachung der Tagesordnung am 9.11. 2007 erworben hätten. Die Art der Bekanntmachung der Berufe für die vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder sei nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden. Die Bedingungen für die Teilnahme in der Bekanntmachung seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Klageerwiderung vom 18.3.2008 (Bl. 133 - 136 d. A.) verwiesen. Informationsrechtsverletzungen habe es weder vor noch innerhalb der Hauptversammlung gegeben. Den Aktionären habe ein Wertgutachten eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die P GmbH vorgelegen. Wegen der Einzelheiten dieses Wertgutachtens wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 147 ff d. A.) verwiesen. Die Klagen seien auch rechtsmissbräuchlich erhoben worden. Abgesehen davon, dass sich dies schon aus dem Verhalten der Kläger sowie ihre geringen Beteiligung an der Beklagten ergebe, mache dies der übermittelte Vergleichsvorschlag deutlich. Für die dort angesetzten Werte gebe es keine Grundlage.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klagen beider Kläger sind unbegründet.

Zwar sind die Klagen rechtzeitig in der Anfechtungsfrist erhoben, da nach ständiger Rechtsprechung der Kammer die Klageeinreichung innerhalb der Frist genügt (im Anschluss an BGH NJW 1986, 1347; vgl. auch KG KGR 2000, 233) und der Kläger erst auch nach Aufforderung des Gerichts den Gerichtskostenvorschuss (binnen 2 Wochen) einzuzahlen hat, was Voraussetzung für eine Zustellung an die Beklagte ist. Die Zustellung wirkt dann gem. § 176 ZPO auf den Tag der Einreichung der Klage fristwahrend zurück. Die Klage der Klägerin zu 1) ging am 14.1.2008 bei Gericht ein. Mit Verfügung vom 17.1.2008 wurde die Klägerin zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, die Zahlung erfolgte am 28.01.2008. Die Klage der Klägerin zu 2) ging am 14.1.2008 bei Gericht ein. Mit Verfügung vom 17.1.2008 wurde die Klägerin zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, die Zahlung erfolgte am 25.01.2008. Soweit es in der Folgezeit bis zur Zustellung zu Verzögerungen gekommen sein sollte, kann dies nicht zu Lasten der Kläger gehen. Nach h. M. (vgl. Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, § 250 Rz. 8; Stilz in Spindler/Stilz, AktG, § 250 Rz. 24; Hüffer, AktG, 7. Aufl. § 250 Rz. 14 jew. m.w.Nachw.) der sich die Kammer anschließt, waren die Klagen auch trotz Geltendmachung der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des entsprechenden Aufsichtsratswahlbeschlusses mit den Klagen auch an zumindest ein nach dem Wahlbeschluss gewähltes Aufsichtsratsmitglied zuzustellen, was hier für beide Klagen geschehen ist.

Die Klage der Klägerin zu 1) kann aber schon deswegen nicht zum Erfolg führen, weil ihr der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen steht, wobei unerheblich ist, dass die von ihr vorgebrachten Beanstandungen hinsichtlich der in der Ladung zur Hauptversammlung angegebenen Teilnahmebedingungen im Hinblick auf die Satzung der Beklagten zutreffend sein dürften, worauf die Kammer bereits im Verbindungsbeschluss vom 29.1.2008 hingewiesen hat.

Ein Kläger, der eine Klage nach §§ 243 ff AktG mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann, muss sich den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten lassen (BGHZ 107, 296, 308). Das gilt sogar dann, wenn er sich erst nach Klageerhebung dazu entschließt, die Gesellschaft in eigennütziger Weise zu ungerechtfertigten Sonderleistungen zu bewegen (BGH, WM 1991, 261).

Eine Gesamtbetrachtung führt zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Klage der Klägerin zu 1) rechtsmissbräuchlich mit dem Ziel erhoben oder aufrechterhalten worden ist, die Beklagte in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die die Klägerin keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann. Der Rechtsmissbrauch ergibt sich hier daraus, dass die Klägerin zu 1), vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, dessen Verhalten sie sich gemäß § 278 BGB i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO hier zurechnen lassen muss, am 11.3.2008 der Beklagten eine vergleichsweise Regelung dahingehend vorgeschlagen hat, wonach die Kläger die Klagen zurücknehmen werden und die Beklagte sich verpflichten soll gewisse Informationen über den Wert der P GmbH auf Ihrer Internetseite zu veröffentlichen und die Kosten des Verfahrens übernehmen. Der Rechtsmissbrauch folgt dabei nicht bereits, dass die Klage zurückgenommen werden sollen und die Beklagte die Kosten des Verfahrens tragen soll (Abkauf des Klagerechts), da in den aktienrechtlichen Verfahren nach §§ 243 ff AktG die vergleichsweise Beendigung des Verfahrens notwendigerweise oft in dieser Weise geschehen muss (vgl. hierzu Schwintowski DB 2007, 2695, 2698), sondern aus den für die Gebühren der klägerischen Verfahrensbevollmächtigten angesetzten Gegenstandswerten von EUR 500.000 für die 1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 RVG, dem Gegenstandswert von EUR 4.000.000 EUR gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3101 Nr. 2 RVG (kein Abgleich nach § 15a Abs. 3 RVG und einer 1,5 Einigungsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 1000 VV RVG nach Wert 4.000.000.000,-- EUR (Abgleich nach §§ 15 Abs. 3 RVG; 1,5 Gebühr nach Wert 4.500.000 EUR). Nach einer beigefügten Musterabrechnung ergibt dies für die Klägerin zu 1) Erstattungsansprüche von EUR 37.205,80 netto, wobei bereits allein EUR 22.494,00 auf die Einigungsgebühr aus einem Wert von EUR 4.500.000,-- entfallen.

Diese für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten angesetzten Werte, insbesondere der Vergleichswert, sind weit von der Wertfestsetzung durch das Gericht für die Klage der Klägerin zu 1) vom 15.1.2008 in Höhe von insgesamt EUR 300.000 entfernt, wobei die Kammer entsprechend ihrer ständigen und der Klägerin zu 1) aus vielen Verfahren bekannten und bislang nicht von ihr beanstandeten Rechtsprechung den für kleinere Gesellschaften hier regelmäßig angesetzten Wert von EUR 20.000,-- je angefochtenen Tagesordnungspunkt angesetzt hat, wobei die Klägerin zu 1) in ihrer Klageschrift selbst nur insgesamt einen vorläufigen Wert von EUR 50.000,-- für alles als Streitwert angegeben hatte.

Wenn letztlich auch der Wert von EUR 500.000 den vom Gericht für angemessen angesetzten Wert von EUR 300.000 noch nicht in derartiger Weise übersteigt, dass das Verdikt des Rechtsmissbrauchs sich aufdrängt, ist dies jedenfalls bei dem Vergleichs(mehr)wert gegeben. Warum hier durch den Vergleich ein Mehrwert (für die Klägerin zu 1) oder die Beklagte von mehr dem 13 fachen des für die gerichtlichen Gebühren angesetzten Wert sich ergeben soll ist nicht ersichtlich. In dem Vergleichsvorschlag werden über den Gegenstand des Rechtsstreits hinaus keine weiteren Gegenstände geregelt. Berücksichtigt man, dass der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens nach § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG für jeden Anfechtungspunkt auf 10 % des Grundkapitals der Beklagten von insgesamt EUR 400.000,-- d.h. bei 15 Anfechtungspunkten auch maximal EUR 600.000,-- begrenzt ist, widerspricht der angesetzte Vergleichsmehrwert dem Gesetz. Auch aus der Sicht der Klägerin zu 1) die nur mit 3 Aktien auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung bei 400.000 Aktien der Beklagten insgesamt vertreten war, ist nicht ersichtlich, wie es zu diesem Vergleichsmehrwert kommen soll.

Wenn nun die Klägerin zu 1) durch ihren Prozessbevollmächtigten für eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits demgegenüber erheblich übersteigende Werte für die anwaltliche Gebührenrechnung als erstattungsfähigen Kosten ansetzt, ist ein zum Rechtsverlust führender Rechtsmissbrauch gegeben, da sie hiermit die Beklagte zu Leistungen veranlassen wollte, auf die die Klägerin keinen Anspruch hat. Ob diese Leistungen letztlich bei den Prozessbevollmächtigten verbleiben sollten, oder der Klägerin in irgendeiner Weise (anteilig) zugute kommen sollten, ist hier unbeachtlich. Auch unberechtigte Leistungen an Dritte sind dem Aktionär zuzurechnen, wenn diese auf Veranlassung des Aktionärs erfolgten (vgl. Ehmann ZIP 2008, 584, 586; Cahn/Senger in Spindler/Stilz, AktG § 57 RZ. 66; Fleischer in Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rz. 33; Hüffer, AktG, 8. Aufl. § 57 Rz. 12, 14 jew. m.w.Nachw.).

Auch die Klage der Klägerin zu 2) ist unbegründet. Wenn auch naheliegt, dass die Klägerin zu 2) ebenfalls von dem vorgeschlagenen Vergleich profitieren sollte, mithin auch hier ein Rechtsmissbrauch nicht ausgeschlossen erscheint, ist jedoch nicht feststellbar, dass dieser Vorschlag mit der Klägerin zu 2) oder ihren Prozessbevollmächtigten zuvor abgesprochen war. Die Klage der Klägerin zu 2), die sich nur gegen die Beschlussfassung zu TOP 8 € Wahl des Aufsichtsrats - wendet, ist aber auch deswegen unbegründet, weil nach dem Vorbringen der Klägerin zu 2) kein die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit begründender Gesetzes- oder Satzungsverstoß hier vorliegt. Dabei ist hier wegen der Unbegründetheit der Klage der Klägerin zu 1) wegen Rechtsmissbrauchs nur auf das Vorbringen der Klägerin zu 2) zur Begründung der Anfechtung abzustellen. Selbst wenn daher die Klägerin zu 1) in der Anfechtungsfrist durchgreifende Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe geltend gemacht hätte, kann sich die Klägerin zu 2) nicht darauf berufen, wenn sie nicht zumindest einen von diese Gründe ggf. unter Wahrung der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG selbst vorgebracht hat. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es sich bei den Klägern von aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen um notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 ZPO handelt, denen gegenüber in der Sache eine einheitliche Entscheidung ergehen muss (vgl. BGH AG 1993, 422; 1999, 375), doch kann dies nur zum Tragen kommen, soweit bei Klägern überhaupt die materiell-rechtlichen Klagevoraussetzungen gegeben sind, d.h. ihnen ein Klagerecht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch zusteht.

Die sich aus § 248 AktG ergebende Rechtskraftwirkung der Entscheidung im Anfechtungsprozess über die Mangelhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen für alle Aktionäre genügt zwar, um eine solche notwendige Streitgenossenschaft anzunehmen, ersetzt aber nicht die Notwendigkeit für jeden einzelnen Kläger, die materiell-rechtlich erforderlichen Klagevoraussetzungen einzuhalten.

Die Regelung der notwendigen Streitgenossenschaft gestaltet die prozessuale Stellung der Streitgenossen gegenüber der einfachen Streitgenossenschaft in besonderer Weise, um in den Fällen, in denen eine einheitliche Entscheidung geboten ist, diese einheitliche Entscheidung zu ermöglichen. Die gesetzliche Regelung ist auf die Vertretung bei Säumnis einzelner Streitgenossen beschränkt und damit lückenhaft. Ihr kann nicht entnommen werden, dass stets eine übereinstimmende Beurteilung aller Prozesshandlungen der Streitgenossen oder den Streitgenossen gegenüber vorzunehmen ist. Eine "einheitliche Streitpartei" gibt es nicht. Vielmehr bleiben die Streitgenossen auch in den Fällen des § 62 ZPO selbständige Streitparteien in jeweils besonderen Prozessrechtsverhältnissen zum gemeinsamen Gegner (h. M., vgl. BGH NJW 1996, 1061; Zöller-Vollkommer, ZPO 26. Auflage, § 62 Rz. 22; Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Auflage, § 62 Rz. 30). Ob die Prozesshandlung eines Streitgenossen oder gegenüber einem Streitgenossen Wirkung auch im Verhältnis zu den anderen Streitgenossen entfaltet, ist daher eine Frage des einzelnen Regelungsproblems, die differenzierend unter Berücksichtigung des Zweckes der notwendigen Streitgenossenschaft und des Grundsatzes der Selbständigkeit der Streitgenossen zu beurteilen ist (§§ 61, 63 ZPO). Der Kläger bestimmt mit dem Vorbringen von Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründen den Umfang der Rechtskontrolle (vgl. Schwab in Schmidt/Lutter, AktG § 246 Rz. 2). Ist ein Kläger seines Rechts wegen Rechtsmissbrauchs verlustig geworden, so müssen allein die von ihm geltend gemachten Gründe bei der Prüfung der Klagen der anderen Kläger außen vor bleiben.

Dies führt dazu, dass allein der von der Klägerin zu 2) geltend gemachte Verstoß gegen § 124 Abs. 3 S. 3 AktG € mangelnde Angabe des tatsächlich ausgeübten Berufs der vorgeschlagenen Kandidaten € nicht zur Anfechtbarkeit führt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 14.5.2007 € II ZR 182/06 € DStR 2007, 1493) im Anschluss an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21.3.2006 (€ 10 U 17/05 € AG 2007, 374; a. A.: LG München I, Urteil vom 26.4.2007 € 5 HKO 12846/06 € Konzern 2007, 448) ist der hier gerügte Verstoß gegen § 124 Abs. 3 AktG nur marginaler Art ("selbständiger Kaufmann" statt " konkrete kaufmännische Tätigkeit", "angestellter Diplombetriebswirt" bzw. "angestellter Diplom Ingenieur" statt "angestellter Diplombetriebswirt bzw. angestellter Diplom Ingenieur bei einer bestimmten Gesellschaft") und aus der Sicht eines verständigen Aktionärs für die Entscheidung über seine Teilnahme und die Abstimmung bei der Wahl ohne Relevanz, zumal er es selbst in der Hand hat, durch Nachfrage in der Hauptversammlung die Information über die konkrete Tätigkeit zu erlangen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO gegenüber der Klägerin zu 1) und in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO gegenüber der Klägerin zu 2).

Der Streitwert war gem. § 247 AktG festzusetzen. Nach dieser Rechtsprechung des zuständigen Rechtsmittelgerichts € dem nicht zu folgen die Kammer keinen Anlass sieht € ist regelmäßig bei Anfechtungen zu Hauptversammlungsbeschlüssen, mittlerer und großer Aktiengesellschaften, zu denen die Beklagte nicht zu rechnen ist, ein Wert von EUR 50.000,-- je Beschlusspunkt anzusetzen. Bei kleineren Gesellschaften € wie vorliegend € ist je Beschlusspunkt ein Wert von EUR 20.000,-- anzusetzen. Bei 15 angegriffenen Beschlüssen der Kläger zu 1) und 2) ergibt dies den zusammenzurechnenden (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl. § 247 Rz.) Gesamtstreitwert von EUR 300.000,--






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 06.06.2008
Az: 3-5 O 11/08, 3-05 O 11/08, 3-5 O 11/08, 3-05 O 11/08


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