Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juni 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 291/00

(BPatG: Beschluss v. 19.06.2002, Az.: 29 W (pat) 291/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für die Dienstleistungen

"Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen"

eingetragene Wortmarke Nr. 397 17 168

"H-COM"

ist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wort-Bildmarke

, die für die Waren und Dienstleistungen

"Fernsprech-Nebenstellenanlagen"

im Markenregister eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 18. Mai 2000 zurückgewiesen. Zwar seien die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sehr ähnlich. Trotzdem fehle es an einer Verwechslungsgefahr, weil die Marken nicht hinreichend ähnlich seien. Der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke sei als Hinweis darauf, dass die Waren der Widerspruchsmarke (Tele-)kommunikation in hoher Qualität ermöglichen, rein beschreibend und könne nicht selbstständig kollisionsbegründend wirken, so das sich der Schutzumfang der Widerspruchsmarke auf ihre konkrete graphische Eigenprägung beschränke. Außerdem handele es sich bei "H-COM" und "Hicom" um kurze Wörter, bei denen die Abweichungen am Wortanfang stark auffielen, was insbesondere auch bei klanglicher Wiedergabe gelte, denn der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke würde üblicherweise wie "Haicom", die jüngere Marke aber wie "Hacom" gesprochen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke sei nicht schutzunfähig, was sich durch die Eintragung der reinen Wortmarke 1 076 170 "HICOM", die Vorgängermarke der Widerspruchsmarke war, ergebe. Zwar seien die Marken nicht optisch verwechselbar, wohl aber in klanglicher Hinsicht. Der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke, der das Zeichen präge, sei der angegriffenen Wortmarke ähnlich. Der Bindestrich in der jüngeren Marke und der Bildbestandteil in der Widerspruchsmarke träten bei klanglicher Wiedergabe nicht in Erscheinung. Damit ständen sich klanglich "Hakom" und "Haicom" gegenüber, also Klangfolgen, die aufgrund des sehr ähnlichen klanglichen Gesamteindrucks unter ungünstigen Umständen nicht eindeutig unterscheidbar seien. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die Widerspruchsmarke sehr gut benutzt sei und einen hohen Bekanntheitsgrad habe.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Marke 397 17 168 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 079 073 zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es bestehe aufgrund der deutlichen Unterschiede in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht keine Verwechslungsgefahr. Der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke bestehe aus den Wortelementen "Hi" (Abkürzung für "hoch, hochwertig") und "com" (Abkürzung für "communications" und Second-Level-Domain). Er trete daher als unmittelbar beschreibende Angabe in den Hintergrund. Die Eigenprägung der Widerspruchsmarke bestehe in ihrer grafischen Gestaltung, so dass eine klangliche Verwechslungsgefahr aufgrund der Wörter ausscheide. Wegen der grafischen Ausgestaltung der Widerspruchsmarke sowie der unterschiedlichen Schreibweise der Wörter fehle es an einer (schrift-)bildlichen Verwechslungsgefahr. Auch eine isolierte Gegenüberstellung der Wörter ergebe keine klangliche Ähnlichkeit, weil die denkbaren Aussprachen der Widerspruchsmarke "HEI-KOM" bzw. "HI-KOM" deutlich von "HAKOM" differierten. Für eine assoziative Verwechslungsgefahr gebe es keinen Anhaltspunkt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken nicht die Gefahr von Verwechslungen (§§ 107, 114, 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 112 Abs. 1 MarkenG).

1. Nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. B der Markenrechtsrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR 1998, 387- Sabèl/Puma), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die das jüngere Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. Markenrechtsrichtlinie, 10. Erwägungsgrund). Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die dominierenden und die sie unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. BGH 1996, 198 - Springende Raubkatze; BGHZ 131, 122, 124 f. - Integradiclophont). Schließlich impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; GRUR 1999, 731 - Canon II; zuletzt EuGH GRUR Int. 2000, 899 - Adidas/Marca Moda; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND, zuletzt BGH GRUR 2002, 167 - Bit/Bud mwN). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben.

2. Die Waren der Widerspruchsmarke und die Dienstleistungen der angegriffen Marke liegen im engeren Ähnlichkeitsbereich (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 393 re. Sp. Stichwort "Telekommunikation"). Weiterhin kann zugunsten der Widersprechenden unterstellt werden, dass ihre Marke für "Fernsprech-Nebenstellenanlagen" aufgrund hoher Umsätze erhöhte Kennzeichnungskraft aufweist und dass diese Steigerung der Kennzeichnungskraft sich auch auf das Wort ohne jegliche grafische Ausgestaltung bezieht, das alleine als kollisionsbegründend in Betracht kommt. Die gegenseitigen Waren und Dienstleistungen können sich bei relativ breiten Verkehrskreisen begegnen, die Waren der Widersprechenden werden aber in aller Regel mit einer gewissen Aufmerksamkeit gekauft und verglichen, weil es dem Verkehr auf die konkreten Eigenschaften und auf die Qualität ankommt. Darum erscheint insgesamt ein mittlerer Abstand der Zeichen ausreichend. Diesen Abstand von der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke ein.

3. Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist stets vom Gesamteindruck der Marken auszugehen (st.Rspr. BGH BlPMZ 1997, 28 - Foot-Joy; Mitt. 1996, 285 f. - Sali-Toft; GRUR 1999, 241, 243 - Lions; zuletzt BGH GRUR 2002, 167 - Bit/Bud mwN). Einen Elementenschutz gibt es grundsätzlich nicht. Die Marken unterscheiden sich in ihrer Gesamtheit durch den zusätzlichen Bildbestandteil der Widerspruchsmarke deutlich, was die Widersprechende auch nicht bestreitet.

4. Weichen - wie im vorliegenden Fall - die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet voneinander ab, so kann jedoch trotzdem eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn übereinstimmende oder ähnliche Markenbestandteile den Gesamteindruck der Kombinationsmarken alleine prägen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze; GRUR 1996, 406 - Juwel; GRUR 1999, 733, 735 - LION DRIVER; MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH/ELFI RAUCH; BGH GRUR 2002, 167 - Bit/Bud mwN).

Zwar ist davon auszugehen, dass der allein als eine Kollision begründend in Betracht kommende Wortbestandteil den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägt, denn grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass der Wortbestandteil zur Benennung der Marke allein verwendet wird, weil dieser die einfachste Bezeichnungsform darstellt (vgl. etwa BGH GRUR 2002, 171 - Marlboro-Dach; BGH GRUR 2001, 1158 - Dorf Münsterland). Er stellt auch keine schutzunfähige Angabe für die Waren der Widerspruchsmarke dar, aus der keine Rechte hergeleitet werden könnten (BGH GRUR 2001,1158 - Dorf Münsterland). Der Senat konnte bei einer Recherche weder im Internet mit zahlreichen Suchmaschinen noch in allgemeinen und speziellen Lexika einen Nachweis für die beschreibende Verwendung von "Hicom" bzw. "Hi-COM" oder Hinweise darauf, dass dieses Wort als beschreibende Angabe konkret in Frage komme, finden. Die Wortbildung kommt ausschließlich in Firmenbezeichnungen und als Bezeichnung für eine bestimmte Nebenstellenanlage der Widersprechenden vor. Jedoch handelt es sich bei "COM" um die gebräuchliche Abkürzung für "Kommunikation", die auch in Deutschland Verwendung findet (Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 4. Aufl; Winkler, M + T Computerlexikon, Heyne Verlag 2000; Rosenbaum, Abkürzungslexikon ET/EDV/IT, Verlag Technik Berlin) und in Drittzeichen häufig vorkommt vgl. 29 W (pat) 353/99 - ComStation; 29 W (pat) 003/98 - ComTransactions; 29 W (pat) 122/99 - ART + COM; 30 W (pat) 113/94 - PC-COM; Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM) und für die gegenseitigen Waren und Dienstleistungen eine Sachangabe darstellt. Damit ist dieser Bestandteil für sich genommen schutzunfähig. Solche schutzunfähigen oder kennzeichnungsschwachen Wortelemente dürfen zwar bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit nicht vernachlässigt werden und beeinflussen den Gesamteindruck des Gesamtwortes mit, der markenrechtliche Schwerpunkt und die Aufmerksamkeit des Verkehrs liegen aber auf dem anderen Wortteil - hier auf dem bereits ohnehin besonders stark beachteten Wortanfang (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rn 152). Bei dieser Ausgangslage können Verwechslungen zwischen den Zeichen ausgeschlossen werden. Die übliche Aussprache der Widerspruchsmarke ist "HaiKom", weil der Verkehr diese Aussprache von Wörtern wie "Hi-Fi, Hijacker, Hi-Quality, Hi Tech usw." kennt (vgl. Fink, von Kuh-Look bis fit for fun, 1997; Duden, Deutsches Universalwörterbuch; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2000 anbei). Seltener dürfte die Marke wie "Hikom" ausgesprochen werden. Bei der jüngeren Marke sind die Aussprachen "HA-KOM" und (gelegentlich) "Äitschkom" denkbar. Klangliche Verwechslungen zwischen "Äitsch-Kom" und der älteren Marke sind wegen der bei jeder Aussprachevariante der Widerspruchsmarke bestehenden deutlichen Abweichungen nicht zu erwarten. Bei der Aussprache der Widerspruchsmarke wie "Hi-Kom" bzw. wie "Hai-Kom" stimmt zwar der Lautbestand weitgehend überein. Jedoch enthält die jüngere Marke ausschließlich dunkle, dumpfe Selbstlaute, während der klangliche Gesamteindruck der Widerspruchsmarke stark beeinflusst wird durch den prägnanten hellen i-Laut, der betont wird und am Wortanfang besonders stark auffällt. Diese Unterschiede in den relativ kurzen Wörtern können selbst bei undeutlichen Übermittlungsbedingungen nicht überhört werden. Aus diesen Gründen beschränken sich die klanglichen Gemeinsamkeiten hier im wesentlichen auf den übereinstimmenden in Alleinstellung schutzunfähigen Bestandteil "COM". Solche Übereinstimmungen allein aber können eine Verwechslungsgefahr nicht begründen (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rn 152). Schriftbildliche Verwechslungen scheiden aus, weil der Erfahrungssatz, dass Wort-Bildzeichen im allgemeinen vom Wortbestandteil geprägt werden, für die schriftbildliche Verwechslungsgefahr nicht gilt (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions; BGH GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"; BGH I ZB 4/00 Beschluss vom 8. Mai 2002 - DKV/OKV) und durch den zusätzlichen Bildbestandteil des Widerspruchszeichens deutliche Unterschiede zu der jüngeren Marke bestehen. Für begriffliche Verwechslungen bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.

5. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr liegt nicht vor. Die Annahme einer assoziativen Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Marken erkennen und somit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, gleichwohl aber aufgrund eines übereinstimmenden Stammbestandteils mit Hinweischarakter auf die Widersprechende die jüngere Marke als Bestandteil einer Markenserie der Widersprechenden ansehen (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rn 210, 213; Fezer, Markenrecht, § 14 Rn 220). Jedoch gilt bei der assoziativen Verwechslungsgefahr ebenso wie bei der unmittelbaren Verwechslungsgefahr der Grundsatz, dass sich die Verwechslungsgefahr nicht auf einen schutzunfähigen Bestandteil wie im vorliegenden Fall den Zeichenbestandteil "COM" gründen kann (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl. § 9 Rn 217; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl. § 14 Rn 234).

6. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

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BPatG:
Beschluss v. 19.06.2002
Az: 29 W (pat) 291/00


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