Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Februar 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 43/07

(BPatG: Beschluss v. 14.02.2011, Az.: 19 W (pat) 43/07)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60L des Deutschen Patentund Markenamts vom 2. Juli 2007 wird aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse B60L -hat die am 15. Dezember 2005 eingereichte Patentanmeldung, für welche die Priorität einer koreanischen Voranmeldung vom 1. Dezember 2005 (Az. KR 10-2005-0116649) in Anspruch genommen ist, mit Beschluss vom 2. Juli 2007 zurückgewiesen mit der Begründung, dass die angemeldete Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 34 Abs. 4 PatG).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 24. August 2007.

Sie beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60L des Deutschen Patentund Markenamts vom 2. Juli 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, mit noch anzupassender Beschreibung, und 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, vom Anmeldetag 15. Dezember 2005.

Der mit einer eingefügten Merkmalsgliederung versehene geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Laden einer Batterie (10) eines Hybridfahrzeugs bei neutraler Schaltstellung (N), a) wobei eine Antriebswelle (70) einerseits fest mit einem Rad (80) des Hybridfahrzeugs und andererseits mit einem Hohlrad (63) eines innerhalb eines Automatikgetriebes installierten Planetengetriebes verbunden ist, b) wobei das Planetengetriebe ein Sonnenrad (61), das mit einem Generator (40) verbunden ist, und einen Planetenträger (64), der mit einem Motor (50) verbunden ist, aufweist, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:

1.

Ermitteln, ob die aktuelle Schaltstellung die neutrale Schaltstellung (N) ist;

2.

Messen des Ladezustands (SOC) der Batterie (10);

3.

Vergleichen des gemessenen Ladezustands (SOC) der Batterie (10) mit einer vorbestimmten unteren Grenze für den Ladezustand (SOC) der Batterie (10);

4.

Ausgeben eines Dummy-Signals an einen Hubsensor (100) einer elektrohydraulischen Bremse (EHB) (90), wenn der gemessene Ladezustand (SOC) der Batterie (10) niedriger als die vorbestimmte untere Grenze für den Ladezustand (SOC) der Batterie (10) ist;

5.

Betreiben der elektrohydraulischen Bremse (EHB) (90) basierend auf dem Dummy-Signal derart, daß die elektrohydraulische Bremse (EHB) (90) auf das Rad (80) des Hybridfahrzeugs und dadurch über die Antriebswelle (70) auf das Hohlrad (63) des Planetengetriebes einwirkt, so dass das Fahrzeug nicht zu fahren beginnt;

6.

Betreiben des Generators (40) durch Betreiben des Motors (50);

7.

Messen des Ladezustands (SOC) der Batterie (10) nach dem Betreiben des Generators (40);

8.

Stoppen des Motors und Lösen der elektrohydraulischen Bremse (EHB) (90), wenn der nach dem Betreiben des Generators (40) gemessene Ladezustand (SOC) der Batterie (10) höher als die vorbestimmte untere Grenze für den Ladezustand (SOC) der Batterie (10) ist."

Der dem Patentanspruch 1 nebengeordnete Patentanspruch 3 lautet in gegliederter Fassung:

"Hybridfahrzeug, bei dem das Verfahren gemäß Anspruch 1 durchführbar ist, aufweisend:

1.

einen Motor (50);

2.

einen Generator (40);

3.

eine Antriebswelle (70), die fest mit einem Rad (80) des Hybridfahrzeugs gekoppelt ist;

4.

ein Planetengetriebe mit einem Sonnenrad (61), das mit dem Generator (40) verbunden ist, einem Hohlrad (63), das mit der Antriebswelle (70) verbunden ist, und einem Planetenträger (64), der mit dem Motor (50) verbunden ist; und 5.

eine elektrohydraulische Bremse (EHB) (90) mit einem Hubsensor (100), die zum Laden der Batterie (10) bei neutraler Schaltstellung (N) auf das Rad (80) und dadurch über die Antriebswelle (70) auf das Hohlrad (63) des Planetengetriebes einwirkt, 6.

so dass das Fahrzeug nicht zu fahren beginnt."

Die Anmelderin ist der Auffassung, dass die ursprünglichen Unterlagen eine ausführbare Erfindung offenbaren. Schon aufgrund der mit dem Generator 40 weitgehend identischen Darstellungsweise in Figur 2 erkenne der Fachmann, dass es sich bei dem "Getriebemotor 30" um einen Elektromotor handele, so dass der nicht näher dargestellte Motor 50 der Verbrennungsmotor des Hybridfahrzeugs sei. Nur dieser Motor sei auch im ursprünglichen Anspruch 5 genannt, so dass dem Fachmann schon insoweit ein funktionsfähiges Hybridfahrzeug offenbart sei.

Zwar sei es ursprünglich offenbart und ersichtlich vorteilhaft, wenn die elektrohydraulische Bremse auf das Dummy-Signal hin die Rotation der Antriebswelle nicht vollständig beschränke; jedoch sei insbesondere ein Eingriff der Bremse im Stillstand des Fahrzeugs als Idealfall offenbart und der Patentanspruch 1 darauf beschränkbar.

Um den Motor zu schonen, werde dieser in der neutralen Schaltstellung mittels eines Start-Stopp-Systems gestoppt, wie es im Schritt S140 in Figur 4 angegeben sei; selbstverständlich werde der Motor im NEIN-Fall (Schritt S130) wieder angelassen, um den Generator gemäß Schritt S170 zu betreiben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem nun geltenden Patentbegehren insoweit Erfolg, als der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60L vom 2. Juli 2007 aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt gem. § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG zurückzuverweisen war, weil das und im Zurückweisungsbeschluss angenommene Patentierungshindernis nach § 34 Abs. 4 PatG nicht vorliegt und das Patentamt noch nicht in der Sache selbst entschieden hat.

Als zuständiger Fachmann ist hier nach Auffassung des Senats ein Diplom-Ingenieur (FH) der Elektrotechnik/Elektrischen Regelungstechnik mit Berufserfahrung in Entwicklung und dem Betrieb von Hybridfahrzeugen anzusehen, dem auch die Grundlagen der Fahrzeugtechnik, insbesondere der Bremssysteme vertraut sind.

1. Die Erfindung ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).

Schon aus seinem allgemeinen Fachwissen weiß der Fachmann, dass ein Verbrennungsmotor, ein Elektromotor, eine aufladbare Batterie, ein Generator, ein leistungsverzweigendes Getriebe und eine elektrisch betätigbare Bremse die wesentlichen Baugruppen eines Hybridfahrzeugs des anmeldungsgemäßen Typs bilden, wobei Elektromotor und Generator funktionell zu einem "Motorgenerator" vereint sein können.

Damit offenbaren die ursprünglichen Patentansprüche 5 und 6 in Verbindung mit Figur 4 ein Hybridfahrzeug mit einem als Motor 50 bezeichneten Verbrennungsmotor. Hinsichtlich des Generators ist -mangels weiterer technischer Alternativen -sowohl ein Motorgenerator offenbart als auch ein Generator, der dann durch einen in beiden Patentansprüchen zwar nicht genannten aber mitzulesenden Elektromotor zu ergänzen wäre, und der bspw. die im Ausführungsbeispiel (Fig. 2 und 3) als Getriebemotor 30 bezeichnete Baugruppe sein könnte.

Zwar versteht der Fachmann bei Kraftfahrzeugen aller Art unter einer "Beschränkung der Radrotation" (vgl. urspr. PA 6) üblicherweise einen normalen Bremsvorgang bei einem sich bewegenden Fahrzeug, der auch ein Feststellen der Räder im Stillstand des Fahrzeugs gegen Wegrollen oder Wegfahren einschließt.

Jedoch enthielten die ursprünglichen Ansprüche 5 und 6 keinerlei Sachmerkmale, die das Ladeverfahren gemäß den vorangehenden Ansprüchen betreffen (was der Prüfungsstelle zu Recht Anlass zur Beanstandung mangelnder Einheitlichkeit der Anmeldung gegeben hat), so dass aus diesen Ansprüchen allein das ursprünglich offenbarte anmeldungsgemäße Verständnis der Wirkung der elektrohydraulischen Bremse beim Ladevorgang nicht ableitbar ist.

Die Anmeldung offenbart aber in erster Linie ein Ladeverfahren, für das auf den ersten drei ursprünglichen Beschreibungsseiten in Verbindung mit Figur 1 der technische Hintergrund ausführlich dargelegt ist. Schon Seite 1 weist an mehreren Stellen darauf hin, dass das Ladeverfahren bedarfsweise auch in der neutralen Schaltstellung durchgeführt werden muss, wenn der Motor (eigentlich) gestoppt sein könnte (S. 1 Z. 24 bis 25 der u. U.), der Motor also weiter betrieben werden muss (S. 1 Z. 28, 29 der u. U.), und zwar im Stillstand des Fahrzeugs; denn "das Hohlrad steht fest durch das Gewicht des Fahrzeugs" (S. 1 le. Abs. der u. U.).

Das Reaktionsmoment des Generators beim Ladevorgang bewirkt bei dem sowohl im Zusammenhang mit dem Stand der Technik als auch beim anmeldungsgemäßen Hybridfahrzeug vorgesehenen Planetengetriebe eine Leistungsaufteilung zwischen Generator und der Antriebswelle und damit eine nicht erwünschte Kraftübertragung auf die Räder mit der Folge einer Fahrzeugbewegung, die bisher nicht verhindert werden kann bzw. verboten ist (S. 2 Abs. 3, 4 der u. U.).

Aber auch um das Drehmoment des Motors in der neutralen Schaltstellung beim Ladevorgang effizient zu nutzen (S. 3 Z. 16 bis 18 der u. U.), darf selbstverständlich die Motorleistung nicht teilweise dafür verwendet werden, das Fahrzeug zu bewegen, wenn das nicht erforderlich bzw. nicht erwünscht ist, weil das Fahrzeug steht (Neutralstellung) und auch stehenbleiben soll.

Schließlich verwendet der Fachmann den im Zusammenhang mit dem anmeldungsgemäßen Ausführungsbeispiel verwendeten Begriff des "Lösens" einer Bremse (S. 4 Abs. 1) regelmäßig nur für eine Feststellbremse, d. h. im Zusammenhang mit einem stillstehenden Fahrzeug, nicht aber für das "Loslassen" einer Bremse bei einem sich bewegenden Fahrzeug.

Vor dem Hintergrund aller dieser Angaben entnimmt der Fachmann deshalb den ursprünglichen Unterlagen als erfindungswesentlich, dass die angemeldete Erfindung ausschließlich Ladevorgänge betrifft, die bei Stillstand des Hybridfahrzeugs ausgeführt werden sollen, bei denen der Motor also nicht zum Bewegen des Fahrzeugs benötigt wird, sondern allein zum Laden der Batterie betrieben wird, und bei denen die elektrohydraulische Bremse deshalb als Feststellbremse beim stillstehenden Fahrzeug verwendet wird, damit das Fahrzeug nicht zu fahren beginnt

(S. 2 Abs. 2und S. 3Abs. 2der u. U.).

Wie er einen solchen Betrieb des Fahrzeugs verwirklicht, ist dem Fachmann hinsichtlich des Zusammenwirkens von Motor, Planetengetriebe, Generator, Antriebswelle der Räder und Bremse in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, soweit es nicht dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns zuzurechnen ist, so dass die Anmeldung eine ausführbare Erfindung offenbart.

Da die geltenden Ansprüche 1 bzw. 3 -wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt -jeweils alle wesentlichen Verfahrensbzw. Sachmerkmale enthalten, sind auch die Gegenstände jedes dieser Ansprüche ausführbar offenbart.

2. Die Anmeldung erfüllt mit den geltenden Ansprüchen auch das im Erstbescheid ursprünglich gerügte Erfordernis der Einheitlichkeit einer Patentanmeldung (§ 34 Abs. 5 PatG).

Mit seiner Rückbeziehung auf den Patentanspruch 1 ist der Patentanspruch 3 auf Hybridfahrzeuge beschränkt, die nicht nur die explizit angegebenen erfindungswesentlichen Sachmerkmale aufweisen, sondern bspw. auch die im Patentanspruch 1 nicht genannten Mittel zur Erzeugung des im beanspruchten Verfahren verwendeten Dummy-Signals, das an den Hubsensor ausgegeben wird, um die elektrohydraulische Bremse in der neutralen Schaltstellung zur Durchführung eines Ladevorgangs festzustellen sowie die für Merkmal 1 bzw. 2 und 3 des Anspruchs 1 vorauszusetzenden Mittel zur Feststellung der aktuellen Schaltstellung bzw. zum Messen und Vergleichen des Ladezustands der Batterie.

Damit ist das Patentbegehren nunmehr auf eine einzige Erfindung beschränkt, die mit dem Patentanspruch 1 auf ein Ladeverfahren einer Hybridfahrzeug-Batterie gerichtet ist und mit dem Patentanspruch 3 auf ein Hybridfahrzeug, bei dem dieses Ladeverfahren aufgrund seiner gegenständlichen Ausgestaltung durchführbar ist.

3. Offenbarung und Verständnis der geltenden Ansprüche.

3.1 Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 sind dem Fachmann an folgenden Stellen der ursprünglichen Unterlagen als erfindungswesentlich offenbart:

Merkmal a): Sachmerkmale des ursprünglichen Anspruchs 3 Merkmal b): ursprüngliche Ansprüche 5 und 6)

Merkmale 1, 2 und 6 bis 8: ursprünglicher Anspruch 1 Merkmal 4: ursprünglicher Anspruch 2 i. V. m. Seite 7, Absatz 2 der ursprünglichen Unterlagen Merkmal 5: ursprünglicher Anspruch 2 in Verbindung mit Seite 7, Absatz 2 und Seite 8, Absatz 2 der Beschreibung und mit dem oben erläuterten einzig offenbarten Verständnis der "Rotationsbeschränkung" des Rades dahingehend, dass das (stehende) Fahrzeug nicht zu fahren beginnt.

Der geltende Patentanspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 4.

Die Merkmale des geltenden Anspruchs 3 sind an den folgenden Stellen der ursprünglichen Anmeldeunterlagen erfindungswesentlich offenbart:

In der Anmeldungsbeschreibung, insbesondere im Zusammenhang mit den Figuren 2 bis 4, ist ein einziges Ladeverfahren an einem einzigen Hybridfahrzeug erläutert, welches bestimmte Bauteile/Baugruppen aufweist, die darüber hinaus in einer im Einzelnen angegebenen Weise zusammenwirken, welche für das Ladeverfahren erforderlich ist. Die Rückbeziehung des geltenden Anspruchs 3 auf den Anspruch 1 ist damit zulässig.

Die Merkmale 1, 2 und 4 entnimmt der Fachmann den Ansprüchen 5 und 6, die fest mit dem Rad gekoppelte Antriebswelle gemäß Merkmal 4 dem Anspruch 6 in Verbindung mit Anspruch 3.

Merkmal 5 ist im Anspruch 6 in Verbindung mit Seite 7, Zeilen 3 bis 7 offenbart, und Merkmal 6 beschränkt die Wirkung der elektrohydraulischen Bremse auf das -wie vorstehend dargelegt -ursprünglich einzig offenbarte Verständnis, dass das (stehende) Hybridfahrzeug nicht zu fahren beginnt.

Der Senat konnte sich insoweit nicht dem Vortrag der Anmelderin anschließen, dass der nun beanspruchte Stillstand des Fahrzeugs lediglich als -neben einer teilweisen Bremsung des Fahrzeugs -auch noch ursprünglich offenbarter Grenzfall anzusehen sei.

3.2 Die dem beanspruchten Verfahren in den Merkmalen a), b) vorangestellten Sachmerkmale verändern die Patentkategorie nicht, weil insbesondere die Verfahrensschritte 4 und 5 nicht ohne die jeweiligen Bauteile/Baugruppen eines Hybridfahrzeugs beschreibbar sind. Entsprechendes gilt für die Erwähnung weiterer Gegenstandsmerkmale (z. B. Batterie oder Hubsensor) in den Verfahrensmerkmalen.

Hinsichtlich der neutralen Schaltstellung des Automatikgetriebes (Merkmal 1) gibt der Anspruch 1 mangels darüber hinausgehender Angaben in den übrigen Unterlagen dem Fachmann lediglich die Lehre, dass in dieser Schaltstellung das Fahrzeug steht (vgl. Merkmal 5), dass bedarfsweise das Dummy-Signal ausgebbar sein muss (Merkmal 4), und dass am Ende des Ladevorgangs der Motor gestoppt und die Bremse gelöst wird.

Wenn gemäß Merkmal 4 das Dummy-Signal "an den Hubsensor ausgegeben" wird, so versteht der Fachmann im Lichte der ursprünglichen Unterlagen hierunter ein Signal, das von einer entsprechenden Baugruppe (im Ausführungsbeispiel einer HCU=hydraulic control unit, vgl. S. 6 Z. 30 bis 33 i. V. m. Fig. 2) ausgegeben wird und über den Hubsensor, der im Fahrbetrieb aus einer Bremspedal-Betätigung einen Bremsvorgang bewirkt, eine entsprechende Bremswirkung im Fahrzeugstillstand und ohne Pedalbetätigung bewirkt.

Dass die Bremse über die Antriebswelle auf das Hohlrad derart einwirken kann, dass das Fahrzeug nicht zu fahren beginnt (Merkmal 5) bedeutet ein Feststellen des Hohlrades. Es kann offenbleiben, ob im Antriebsstrang Hohlrad-Antriebswelle-Rad eine lösbare Kupplung enthalten sein darf oder nicht (die an vielen Stellen fragmentarischen ursprünglichen Unterlagen offenbaren keine Kupplung). Jedenfalls lehrt Merkmal 5 für den nach Ansicht des Senats durch die geltenden Ansprüche nicht ausgeschlossenen Fall "Kupplung im Antriebsstrang", dass diese geschlossen sein muss vor dem Verfahrensschritt 5 oder geschlossen werden muss im Zusammenhang mit Merkmal 5. Für den Fall "kupplungsloser Antriebsstrang" ist eine durchgehende Momentenübertragung zwischen Hohlrad und Rad unter Schutz gestellt.

Das Verständnis der Merkmale 3 bis 6 des geltenden Anspruchs 3 ergibt sich aus den Ausführungen zu den entsprechenden Merkmalen des Anspruchs 1.

4. Der Senat sieht vorliegend gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG davon ab, in der Sache selbst zu entscheiden. Nachdem die Prüfungsstelle in dem angefochtenen Beschluss die Zurückweisung der Anmeldung auf das, wie oben unter Ziffer 1. dargelegt, nicht gegebene Patentierungshindernis des § 34 Abs. 4 PatG gestützt hat, hat sie, aus ihrer Sicht folgerichtig, die weiteren Patentierungsvoraussetzungen der Neuheit (§ 3 PatG) und erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) nicht geprüft und insbesondere auch den hierfür relevanten Stand der Technik nicht bzw. nicht ausreichend recherchiert. Um dies nachzuholen, weist der Senat die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patentund Markenamt zurück. Dabei wird die Prüfungsstelle Folgendes zu beachten haben:

Gegenüber dem bisher aus der D1)=DE 600 16 687 T2 bekannten Stand der Technik ist sowohl das Ladeverfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 als auch das Hybridfahrzeug gemäß dem geltenden Anspruch 3 neu.

Zwar ist auch dort ein Hybridfahrzeug mit einer neutralen Schaltstellung N offenbart (Abs. [0022], [0023]), in der ohne Leistungsübertragung an die Räder ein Ladevorgang durchgeführt wird (Abs. [0029], [0030], Fig. 3 LADEMODUS), und es wird auch dort beim Ladevorgang mit stillstehendem Fahrzeug das Hohlrad des Planetengetriebes mit einer Bremse festgestellt (Abs. [0047] und [0048]).

Abweichend von Merkmal 5 des geltenden Anspruchs 1 bzw. den Merkmalen 5 und 6 des geltenden Anspruchs 3 ist aber das Hohlrad des Planetengetriebes nicht mittels der Fahrzeugbremse festgestellt sondern mittels einer im Getriebegehäuse 9 angeordneten Bremse B1 (Fig. 2, Abs. [0017]).

Weiter abweichend von Merkmal b) des geltenden Anspruchs 1 bzw. Merkmal 4 des geltenden Anspruchs 3 ist dort der Motor 1 (Fig. 2) mit dem Sonnenrad 4 verbunden und der Motor/Generator 2 mit dem Planetenträger 8 (Abs. [0016] und [0017]).

Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird die Prüfungsstelle nun die aus den im Erstbescheid angegebenen Gründen zunächst zurückgestellte Recherche zum Stand der Technik nachzuholen haben.

Da bei Planetengetrieben in leistungsverzweigten Hybridfahrzeugen jede der drei Wellen als die vom Verbrennungsmotor angetriebene bestimmt werden kann, je nachdem, welche Übersetzungsverhältnisse und Kraftflüsse angestrebt werden, ist die Recherche nicht nur auf Ladeverfahren und Hybridfahrzeuge zu beschränken, bei denen die in Merkmal b) und Merkmal 5) des Anspruchs 1 angegebene Zuordnung der Wellen zu Motor, Generator und Rad vorliegt, sondern auch auf solche mit anderen Zuordnungen (bspw. D1) mit einem vom Verbrennungsmotor angetriebenen Sonnenrad).

Da es -wie dargelegt -nicht darauf ankommt, ob der Antriebsstrang kupplungslos ist wie gemäß Merkmal 5 des geltenden Anspruchs 1 bzw. nach den Merkmalen 5 und 6 des geltenden Anspruchs 3, könnte dem Gegenstand der nun geltenden Ansprüche auch Stand der Technik entgegenstehen, der im Unterschied zum Anmeldegegenstand eine (aktivierte) Kupplung im Antriebsstrang aufweist.

Nachdem die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung auf Verlangen des Senats den ihr zum Anmeldegegenstand bekannten Stand der Technik nicht zu Protokoll geben konnte (§ 34 Abs. 7 PatG), wird sie dies alsbald nachzuholen haben, ohne dass eine nochmalige Aufforderung durch die Prüfungsstelle ergehen muss. Zu diesem Stand der Technik gehören insbesondere alle Druckschriften, die ihr in parallelen Prüfungsverfahren vor ausländischen Patentämtern entgegengehalten wurden.

Denn insbesondere dieser Stand der Technik ist bei der Prüfung auf Patentfähigkeit regelmäßig zu berücksichtigen, um einen Patentanmelder vor möglicherweise absehbaren Einsprüchen und/oder Nichtigkeitsklagen aufgrund eines insoweit unvollständig geführten Prüfungsverfahrens zu schützen.

Sollte sich der Gegenstand der geltenden oder demgegenüber möglicherweise weiter eingeschränkter Ansprüche als patentfähig erweisen, wäre die Beschreibung an das dann geltende Patentbegehren anzupassen und auch im Text fehlende Worte im Rahmen des ursprünglich Offenbarten einzufügen.

Bertl Dr. Kaminski Kirschneck Groß






BPatG:
Beschluss v. 14.02.2011
Az: 19 W (pat) 43/07


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