Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 165/04

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2005, Az.: 32 W (pat) 165/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2004 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 25. Oktober 2002 seitens einer bayerischen Fachhochschule (Körperschaft des öffentlichen Rechts) angemeldete Wortmarke GEORG-SIMON-OHM war zunächst für folgende Waren und Dienstleistungen bestimmt:

"Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Tassen, Gläser; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Erziehung; Ausbildung; Ausbildung im Bereich der Technik, insbesondere im Bereich Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Feinwerk- und Mikrotechnik, Maschinenbau, Medientechnik, Verfahrenstechnik, Prozessinformatik, Versorgungstechnik, Werkstofftechnik, Werkstoffkunde, Fahrzeugtechnik; Ausbildung im Bereich der Architektur, Chemie, Informatik, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaft, Sozialwesen, Gestaltung, Kommunikationsdesign, Mediendesign; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software."

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung mit Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 21. Juni 2004 teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Erziehung; Ausbildung; Ausbildung im Bereich der Technik, insbesondere im Bereich Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Feinwerk- und Mikrotechnik, Maschinenbau, Medientechnik, Verfahrenstechnik, Prozessinformatik, Versorgungstechnik, Werkstofftechnik, Werkstoffkunde, Fahrzeugtechnik; Ausbildung im Bereich der Chemie, Informatik; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten", wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Der Nachname des deutschen Physikers Georg Simon Ohm (1789 bis 1854) sei in die Fachterminologie der Elektrizitätslehre ("Ohmsches Gesetz") eingegangen. Auf dem Gebiet der Naturwissenschaften werde Georg Simon Ohm als historische Person wahrgenommen. Die Beurteilung der Markenschutzfähigkeit von Namen solcher Persönlichkeiten sei im einzelnen umstritten. Ein Verständnis als Hinweis auf die betriebliche Herkunft scheide jedenfalls dann aus, wenn der Name - wie hier bezüglich der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen - als Sachhinweis auf Inhalt und Thema der Produkte oder als Beschreibung des Gegenstands der Dienstleistungsangebote in Betracht komme, z. B. im Sinne einer Auseinandersetzung mit Leben und Werk von Georg Simon Ohm.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie zunächst die Aufhebung des Beschlusses vom 21. Juni 2004 und die Schutzbewilligung für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen erstrebt hat.

Sie ergänzt ihr Vorbringen im patentamtlichen Verfahren - dort hatte sie u. a. auf einige Wortmarken mit den Namen berühmter Naturwissenschaftler hingewiesen - mit der Anführung weiterer Namensmarken, vor allem bekannter Komponisten und Maler. Derartige Namen seien unterscheidungskräftig und, sofern sie keine Sachangabe verkörperten (wie etwa "Mozart" für Konditoreiprodukte), auch nicht freihaltebedürftig. Die Annahme der Markenstelle, die angemeldete Marke würde in Verbindung mit den Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 41 so verstanden, dass es um die Befassung mit Leben und Werk Georg Simon Ohms ginge, sei eine unbegründete und einem Nachweis nicht zugängliche Vermutung.

Die Anmelderin hat ergänzende Unterlagen zum Beleg dafür vorgelegt, dass die betreffende Fachhochschule aufgrund landesgesetzlicher Regelung zur Führung des Namens "Georg Simon Ohm" berechtigt ist und dass dieser langjähriger Professor und Rektor an einer Vorgängerinstitution war.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Anmeldung im Umfang der beschwerdegegenständlichen Waren in Klasse 16 zurückgenommen. Weiterhin wurde das Verzeichnis der Dienstleistungen in Klasse 41, soweit diese Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, wie folgt beschränkt:

"Erziehung und Ausbildung im Hochschulbereich, nämlich Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Feinwerk- und Mikrotechnik, Maschinenbau, Medientechnik, Verfahrenstechnik, Prozessinformatik, Versorgungstechnik, Werkstofftechnik, Werkstoffkunde, Fahrzeugtechnik, Chemie und Informatik; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten."

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist, da vor dem 31. Dezember 2004 eingelegt, ohne vorherige Erinnerung statthaft und auch sonst zulässig (§ 66, § 165 Abs. 4 MarkenG). In der Sache hat sie auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg.

Bezüglich der Waren in den Klassen 18, 21, 25 und 28 sowie der Dienstleistungen in Klasse 42 ist keine Zurückweisung erfolgt; diese sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Entsprechendes gilt für sämtliche Waren in Klasse 16 mit Ausnahme von "Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)", welche die Anmelderin nicht mehr beansprucht. Von den Dienstleistungen in Klasse 41 stehen "Ausbildung im Bereich der Architektur, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaft, Sozialwesen, Gestaltung, Kommunikationsdesign, Mediendesign; sportliche Aktivitäten" außer Streit.

Hinsichtlich der verbleibenden Erziehungs- und Ausbildungsdienstleistungen in Klasse 41, die sich nunmehr gegenständlich beschränkt nur auf den Hochschulbereich beziehen, sowie den Unterhaltungs- und kulturellen Dienstleistungen stehen einer Registrierung der angemeldeten Bezeichnung keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG (mehr) entgegen.

Dass der Namenscharakter der angemeldeten Marke durch die Bindestriche nicht berührt wird, bestreitet auch die Anmelderin nicht. Personennamen sind gemäß der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 1 MarkenG abstrakt markenfähig, unterliegen aber, in gleicher Weise wie sonstige Wortmarken, der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG, die jedoch im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nicht eingreifen.

So unterliegt die angemeldete Marke insoweit zunächst keinem Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil es nicht wirklich nahe liegt, dass in dem Eigennamen "GEORG-SIMONS-OHM" in entscheidungserheblichem Umfang eine Merkmalsbezeichnung für technische Ausbildungsdienstleistungen an Hochschulen gesehen wird. Diese Beurteilung gilt auch für das Fach Elektrotechnik, da niemand ernsthaft erwartet, dass gerade Ohmsche Lehren den ausschließlichen oder auch nur schwerpunktmäßigen Inhalt von Vorlesungen, Übungen, Seminaren usw. bilden. Auch bezüglich Unterhaltungs- und kulturelle Dienstleistungen stellt "Georg-Simon-Ohm" keine freihaltebedürftige beschreibende Angabe dar.

Der als Marke angemeldete Personenname verfügt für die verbleibenden beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen auch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft ist wie die anderen Eintragungsverbote des § 8 Abs. 2 MarkenG im Hinblick auf das Allgemeininteresse zu beurteilen, das ihm zugrunde liegt (vgl. EuGH GRUR 2002, 804, 809 [Nr. 77] - Philips; GRUR 2003, 514, 518 [Nr. 71] - Linde, Winward u. Rado; GRUR 2003, 604, 607 [Nr. 50 ff.] - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Nr. 25] - SAT.2; BPatG GRUR 2004, 333 - ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN). Dabei ist im Falle des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG das Allgemeininteresse eng verwoben mit der Herkunftsfunktion als Hauptfunktion der Marke (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Nr. 27] - SAT.2). Es geht dahin, dass Zeichen, denen wegen ihres beschreibenden Charakters oder aus sonstigen Gründen die Eignung zur betrieblichen Herkunftsindividualisierung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt, in das - um einen Begriff des schweizerischen Markenrechts aufzugreifen - Gemeingut fallen und zu jedermanns freier Verfügung bleiben müssen (vgl. hierzu Hacker, GRUR 2001, 630, 633). Daher kann die Feststellung oder Verneinung eines Allgemeininteresses an der freien Verfügbarkeit einer Bezeichnung für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen einen Anhaltspunkt für das Fehlen oder Vorliegen der erforderlichen Unterscheidungskraft bilden (vgl. BPatG GRUR 2004, 333, 334 - ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN; Hacker, GRUR 2001, 630, 634 f.). Im Ansatz zutreffend hat die Markenstelle insoweit darauf hingewiesen, dass die Namen historischer Personen im allgemeinen nicht einem bestimmten Unternehmen und dessen Produkten zugeordnet werden. Der Bezug zu einem konkreten Hersteller und Anbieter liegt hier eher fern, weil derartige Namen Teil des der Allgemeinheit zustehenden kulturellen Erbes sind (Götting, Persönlichkeitsmerkmale von verstorbenen Personen der Zeitgeschichte als Marke, GRUR 2001, 615, 620 liSp; vgl. auch BPatG GRUR 1998, 1021, 1022 - Mona Lisa) und häufig zur Benennung öffentlicher Einrichtungen, etwa Schulen, verwendet werden. Das Allgemeininteresse an der Freihaltung solcher als Gemeingut zu wertenden Eigennamen kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände zurücktreten.

Solche Umstände liegen hier indessen vor, weil die Anmelderin selbst den Namen "Georg Simon Ohm" berechtigterweise als wesentlichen Teil der Bezeichnung ihrer Hochschule führt und diesen - was die Erziehungs- und Ausbildungsdienstleistungen anbetrifft - nur als Marke für solche im Hochschulbereich beansprucht. Anders als bei allgemein- und berufsbildenden Schulen, bei denen ihrer großen Anzahl wegen eine markenmäßige Monopolisierung des Namens einer bekannten historischen Person (mit bundesweiter Wirkung) nicht vertretbar wäre, gilt diese Überlegung für Hochschulen aller Art (Universitäten, technische Hochschulen, Fachhochschulen, Kunst- und Musikhochschulen usw.) nicht in gleicher Wiese. Deren Anzahl ist im Ganzen noch überschaubar. Dass Hochschulen aufgrund gesetzlicher Regelung oder kraft Tradition die Namen bekannter Personen führen, etwa wenn diese als Gründer oder Lehrer mit der Hochschule in Verbindung standen (z. B. die Gebrüder Humboldt, Friedrich Schiller, Ernst Moritz Arndt, Justus Liebig) oder in der betreffenden Stadt geboren sind (z. B. Johannes Gutenberg, Johann Wolfgang Goethe, Heinrich Heine), stellt keine Seltenheit dar. Entsprechendes gilt für Georg Simon Ohm, der lange Zeit am Polytechnikum in Nürnberg, in deren Tradition die jetzige Fachhochschule steht, gelehrt und dieses geleitet hat.

Der Anmelderin geht es ersichtlich nicht darum, den beschreibenden Gebrauch des Namens "GEORG-SIMON-OHM" zu behindern, sondern um die zusätzliche markenrechtliche Absicherung der Verwendung des betreffenden Namens, zu dessen Führung sie - wie ausgeführt - kraft öffentlichen Rechts ohnehin befugt ist und für den sie auch zivilrechtlich Namensschutz beanspruchen kann. Unter diesen besonderen Umständen muss ein etwaiges Interesse anderer Hochschulen oder sonstiger Einrichtungen der wissenschaftlichen Forschung, sich gleichfalls gerade nach Ohm zu benennen - für das im Übrigen keine Anhaltspunkte vorliegen -, zurücktreten.

Prof. Dr. Hacker Richter Kruppa ist infolge Krankheit verhindert zu unterschreiben.

Prof. Dr. Hacker Viereckbr/Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.11.2005
Az: 32 W (pat) 165/04


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