Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 23/03

(BPatG: Beschluss v. 05.12.2005, Az.: 14 W (pat) 23/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Januar 2003 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 43 39 529 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels aus Flugasche"

widerrufen.

Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Verfahren zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels aus Flugasche mit hohen Anteilen an Anhydrit und Kalk, die als oxidische Hauptkomponenten Siliciumdioxid, Eisentrioxid, Aluminiumtrioxid, Schwefeltrioxid, Magnesiumoxid und Calciumoxid enthält, wobei in Großfeuerungsanlagen bei der Verbrennung von Steinkohle, Braunkohle oder anderen fossilen Brennstoffen derart Komponenten zugesetzt werden, dass die anfallende Flugasche in Anwesenheit von Wasser hydraulisch erhärtet."

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, das Verfahren nach diesem Anspruch sei gegenüber dem aus

(1) U. LENZ, H. KREUSING, N. MÖHLENBRUCH, B. THOLE: Verwertungsmöglichkeiten von Aschen aus rheinischer Braunkohle. IN DE.-Z: Braunkohle, Bd. 41, Heft 7/1989, Seiten 239 bis 244 abzuleitenden Stand der Technik nicht mehr neu.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Patentinhabers. Er trägt im wesentlichen vor, bei dem in (1) beschriebenen Trockenadditivverfahren werde Kalksteinmehl oder B-Asche der Braunkohle lediglich zur Einhaltung der geforderten Grenzwerte für SO2 zugesetzt und nicht, um hydraulische Eigenschaften der Flugasche einzustellen. Bei den außerdem erwähnten Flugaschen mit hydraulischen Eigenschaften wäre eine Einstellung durch die genannten Zusätze gar nicht erforderlich. Es gebe keine hydraulische Braunkohlenflugasche von Hause aus. Laut der Zementnorm DIN EN 197-1 sei die Braunkohlenflugasche kein Puzzolan und auch keine Flugasche wie die Steinkohlenflugasche, die zur Gruppe der kieselsäurereichen Flugaschen (V) gehöre. Die Herstellung von TAV-Aschen sei nicht mehr erlaubt, im übrigen seien sie instabil und keine hydraulischen Binder. Ihre Instabilität lasse nicht einmal die Verwendung als Betonzusatzstoff gemäß DIN EN 450 zu. Somit seien die im Patentverfahren gemachten Aussagen zum Produktprofil der Rückstände aus der Verbrennung von Braunkohlenflugaschen und die Namensgebungen nicht sachgerecht.

Der Patentinhaber beantragt Aufhebung des Beschlusses und Aufrechterhaltung des Patents.

Die Einsprechenden treten dem Vorbringen des Patentinhabers entgegen und beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Patentinhaber mitgeteilt, dass er an dieser nicht teilnehmen wird.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde des Patentinhabers ist zulässig. Sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen, da dem Verfahren nach Anspruch 1 auch nach Auffassung des Senats gegenüber (1) die Neuheit nicht zuerkannt werden kann.

Aus der Tabelle 1 (S 240 liSp) dieser Entgegenhaltung gehen Braunkohlenflugaschen mit hohen Anteilen an Anhydrit und Kalk hervor, die als oxidische Hauptkomponenten Siliciumdioxid, Eisentrioxid, Aluminiumtrioxid, Schwefeltrioxid, Magnesiumoxid und Calciumoxid enthalten. Gemäß Seite 240 rechte Spalte Zeilen 3 bis 6 der Entgegenhaltung verleihen gerade Calciumoxid und Anhydrit in Verbindung mit den gleichfalls vorhandenen Aluminaten und Silikaten allen Braunkohlenaschen, mit Ausnahme der Nassasche, puzzolanische bis hydraulische Eigenschaften.

Damit ist die Behauptung des Patentinhabers widerlegt, es gebe im Stand der Technik keine Braunkohlenflugaschen, die in Anwesenheit von Wasser hydraulisch erhärten. Dies steht in völliger Übereinstimmung mit den Ausführungen in der Streitpatentschrift (Sp 1 Z 50 bis 53), es müsse gewährleistet sein, dass die äquivalente Menge Freikalk die Anhydritverbindung hydraulisch und damit wasserfest macht : werden nämlich in (1) Tabelle 1 die Gewichtsprozente als g/100 g zugrundegelegt, so entspricht dies 35,7 bis 624 mmol CaO und 28,7 bis 109 mmol SO3. Damit gelten sämtliche innerhalb dieser Gewichtsbereiche liegenden Molverhältnisse als vorbeschrieben, somit auch diejenigen Fälle, in denen das Molverhältnis von "freiem" CaO (gesamtes CaO abzüglich zur CaSO4-Bildung benötigtes CaO, das der SO3-Menge in mmol entspricht) mindestens äquivalent ist zur Anhydritverbindung (deren Menge in mmol der SO3-Menge stöchimetrisch entspricht). (1) beschreibt demnach Braunkohlenflugaschen mit hydraulischen Eigenschaften iSd Streitpatents.

Weiterhin ist in (1) das Trockenadditivverfahren (TAV) angegeben, bei dem der Kohle Kalksteinmehl und B-Kohlenasche als Entschwefelungsagenz zugeschlagen werden, um die geforderten SO2-Grenzwerte (im Rauchgas) einzuhalten (Abs unter Tabelle 1). Aufgrund des nur geringfügigen Unterschiedes in der chemischen Zusammensetzung derartiger Braunkohlenwirbelschichtaschen zu den in Tabelle 1 aufgeführten Daten für Braunkohlenflugaschen sind die vorstehenden Überlegungen ohne weiteres auf TAV-Flugaschen übertragbar. Dabei ist festzuhalten, dass durch den CaO-Zuschlag in der Kohle der CaO-Anteil in der Flugasche nur ansteigen, aber nicht abnehmen kann.

Dass das Zuschlagen von Kalksteinmehl und B-Kohlenasche nach (1) zum Zweck der Entschwefelung erfolgt und die Zielsetzung eines hydraulischen Erhärtens der anfallenden Flugasche hierbei nicht ausdrücklich erwähnt ist, kann dem beanspruchten Verfahren nicht zur Neuheit verhelfen. Entscheidend ist, dass die Verfahrensmaßnahme als solche vorbeschrieben ist; das sich hiermit unmittelbar und zwangsläufig einstellende Ergebnis zählt zum neuheitsschädlichen Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (BGH GRUR 1980, 283 (Ls 2) - Terephthalsäure).

Die Hinweise des Patentinhabers auf DIN EN 197-1 und DIN EN 450 sowie sein Argument, die Herstellung von TAV-Aschen sei nicht mehr erlaubt, können am neuheitsschädlichen Offenbarungsgehalt der Druckschrift (1) nichts ändern. Dieser ist völlig unabhängig davon, welche Anforderungen, Festlegungen und Definitionen in einschlägigen Normen getroffen werden und inwieweit bereits beschriebene Verfahren zugelassen oder genehmigungsfähig sind oder tatsächlich ausgeübt werden. Das Erfordernis der Neuheit ist unabhängig von eventuellen Gesetzesverboten oder Verwaltungsvorschriften zu sehen (Schulte PatG 7. Aufl § 2 Rdn 15, 23).

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Az: 14 W (pat) 23/03


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