Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 13. Juni 1996
Aktenzeichen: 6 U 151/95

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 13.06.1996, Az.: 6 U 151/95)

Tenor

Die Berufung gegen das am 2. August 1995 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer: 10.125,-- DM.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Vertragsstrafeansprüche nicht zu. Zwar ist durch die am 1. August 1994 in Kraft getretene Änderung des UWG nicht die Geschäftsgrundlage für bereits vor diesem Zeitpunkt verwirkte Vertragsstrafeansprüche weggefallen; dies hat der Bundesgerichtshof inzwischen in einer nach dem angefochtenen Urteil ergangenen Entscheidung (WRP 96, 194 - Aknemittel) klargestellt. Die Klageforderungen sind jedoch verwirkt (§ 242 BGB), da der Kläger seine Ansprüche über längere Zeit nicht verfolgt hat und durch weitere Umstände bei der Beklagten das schutzwürdige Vertrauen darauf entstehen konnte, daß der Kläger von diesen Ansprüchen endgültig Abstand genommen habe.

Der Kläger hat nach dem ersten Vertragsverstoß knapp fünf Jahre und nach dem zweiten Verstoß knapp drei Jahre verstreichen lassen, bis er seine Ansprüche mit der am 9. Januar 1995 erfolgten Mahnung und der anschließenden Klageerhebung wieder aufgegriffen hat. Zu diesen recht beachtlichen "Zeitmoment" tritt als "Umstandsmoment" hinzu, Daß der Kläger von den Verstößen gegen die Unterlassungserklärung nicht nur Kenntnis hatte, sondern die Beklagte auch jeweils unter Fristsetzung zur Zahlung der Vertragsstrafen aufgefordert hatte. Wenn der Kläger diesen Zahlungsaufforderungen jahrelang keine weiteren Konsequenzen folgen ließ, konnte das bei der Beklagten die berechtigte Erwartung hervorrufen, der Kläger wolle seine Forderungen nicht mehr weiterverfolgen.

Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung sind auch Sinn und Zweck der Vertragsstrafe zu berücksichtigen. Sie dient nicht in erster Linie dazu, dem Kläger eine bloße Einnahmequelle zu verschaffen; insbesondere hat sie gegenüber einem Wettbewerbsverein nicht den Charakter einer Schadensersatzpauschale. Die Vertragsstrafe hat vielmehr als Quasi-Vollstreckungsmaßnahme die Aufgabe, den Unterlassungsschuldner durch Auferlegung einer spürbaren Sanktion zur künftigen Beachtung des Verbots anzuhalten. Diese besondere Funktion der Vertragsstrafe macht es für den Unterlassungsgläubiger unter normalen Umständen erforderlich, sich um eine verhältnismäßig zügige Durchsetzung des Vertragsstrafeanspruchs zu bemühen. Denn nur wegen der Erwartung einer konsequenten Anwendung des zur Verfügung stehenden Sanktionsmittels ist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung geeignet, die Wiederholungsgefahr generell - also auch gegenüber Dritten - zu beseitigen. Unterläßt der Gläubiger daher in Kenntnis der Zuwiderhandlung über einen längeren Zeitraum ohne jeden erkennbaren Grund die Durchsetzung seines Vertragsstrafeanspruchs, darf der Unterlassungsschuldner darauf vertrauen, daß dieser Vertragsstrafeanspruch endgültig aufgegeben worden ist.

Nur ergänzend kommt im vorliegenden Fall hinzu, daß die am 1. August 1994 in Kraft getretene Änderung des UWG die Beklagte in ihrem Vertrauen darauf bestärken konnte, daß der Kläger seine Vertragsstrafeansprüche nicht weiterverfolgen würde. Durch die Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist die Befugnis der Wettbewerbsvereine zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche in mehrfacher Hinsicht beschränkt worden. Zumindest aus der Sicht der Beklagten lag daher die Annahme nahe, daß diese Rechtsänderung auch Auswirkungen auf die Verfolgung von Vertragsstrafeansprüchen haben konnte. Die Beklagte durfte deshalb nach dem 1. August 1994 erst recht annehmen, daß der Kläger seine vor mehreren Jahren erstmals geltend gemachten Vertragsstrafeansprüche nunmehr endgültig nicht mehr weiterverfolgen würde.

Für die vom Kläger angeregte Zulassung der Revision besteht kein Anlaß, da der Frage, wie die aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätze über die Verwirkung auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden sind, keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zukommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 13.06.1996
Az: 6 U 151/95


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