Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 15. November 2002
Aktenzeichen: 6 U 143/02

(OLG Köln: Urteil v. 15.11.2002, Az.: 6 U 143/02)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 11. Juli 2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 102/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn das Landgericht ist mit zutreffenden, vom Senat vorab in Bezug genommenen Überlegungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin mit ihrer nachfolgend wiedergegebenen, im General-Anzeiger vom 21.06.2002 erschienenen und sich über gut 1/4 einer Seite der Tageszeitung erstreckenden Werbeanzeige eine gemäß § 7 Abs. 1 UWG unzulässige Sonderveranstaltung angekündigt hat, deren Bewerbung und Durchführung mithin künftig zu unterbleiben hat:

pp.

Nach der nach wie vor in Kraft stehenden Bestimmung des § 7 Abs. 1 UWG liegt eine unzulässige Sonderveranstaltung nur, aber auch immer dann vor, wenn eine Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindet, der Beschleunigung des Warenabsatzes dient und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorruft. Dass es sich bei der von der Antragsgegnerin beworbenen Veranstaltung um eine Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel handelt, die der Beschleunigung des Warenabsatzes dient und die den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorruft, kann in Anbetracht der konkreten Ausgestaltung der Werbeanzeige keinem Zweifel unterliegen. Einer näheren Begründung bedarf dies nicht, weil auch die Antragsgegnerin das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 UWG nicht in Zweifel zieht.

Entgegen der von ihr und auch vom Landgericht Berlin (Urteil vom 27.09.2002 in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung 103.O.124/02) geäußerten Rechtsauffassung kann es im Ergebnis aber auch keinen durchgreifenden Bedenken unterliegen, dass die Antragsgegnerin zugleich eine Verkaufsveranstaltung beworben hat, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG liegt. Dies ist nach allgemeiner Meinung (vgl. nur: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001, § 7 UWG Rdnr. 7) dann der Fall, wenn sie auf die angesprochenen Verkehrskreise wie eine Unterbrechung des normalen, gewöhnlichen Geschäftsbetriebs wirkt, also nicht mehr als üblicher, regelmäßiger Geschäftsverkehr erscheint, sondern den Eindruck des Einmaligen, Unwiederholbaren entstehen lässt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, richtet sich nach dem Gesamterscheinungsbild der Verkaufsaktion, wie sie sich nach ihrer werblichen Ankündigung dem Publikum darstellt (BGH GRUR 1997, 476 f. "Geburtstagswerbung II"; Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 19 und Baumbach/Hefermehl, a.a.O.) Bei der Prüfung der Frage, ob die beworbene Verkaufsveranstaltung durch ihre besondere Herausstellung in der Werbung und in der Durchführung aus dem normalen Geschäftsbetrieb der betreffenden Branche, des Branchenüblichen und des in der Branche für angemessen Gehaltenen herausfällt, ist zu bedenken, dass Branchenübungen einem ständigen Wandel unterworfen sind, und dass vernünftige, sachgerechte Fortentwicklungen in den Kreis branchenüblichen Verhaltens einzubeziehen sind (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 7 UWG Rdnr. 8 m.w.N. sowie OLG München, Urteil vom 18.07.2002, MD 2002, 1201, 1202).

Danach gilt im Streitfall folgendes: Beim angesprochenen Verkehr, zu dem die Mitglieder des Senats ebenso zählen wie die Mitglieder der Kammer und was diese deshalb aus eigener Sachkunde und Erfahrung zu beurteilen in der Lage sind, entsteht schon aufgrund der blickfangmäßig hervorgehobenen, sich über etwa 3/4 der gesamten Breite der Werbeanzeige erstreckenden, das Werbeschlagwort "K`"Aufregung" der Konkurrenz aufgreifenden Werbeaussage

"20%

auf alles*

heute und morgen.

Freitag bis 20 Uhr,

Samstag bis 16 Uhr

Supergünstig

einkaufen

ohne

"K"aufregung."

der Eindruck, die Antragsgegnerin habe die Preise für ihr gesamtes Sortiment um 20% gesenkt. Mit Rücksicht darauf, dass es sich um eine recht große und allein wegen ihrer Farbgestaltung und namentlich des Wechselspiels zwischen den Farben Rot und Grün ins Auge stechenden Werbeanzeige handelt, wird der angesprochene Verkehr aufgrund der Ankündigung, er könne binnen eines bestimmten, begrenzten Zeitraumes

"supergünstig"

einkaufen und

"20% auf alles"

erhalten, nicht davon ausgehen, die Antragsgegnerin biete ihm von ihr ausgesuchte rabattierte Ware an, wird die Verkaufsaktion der Antragsgegnerin vielmehr als etwas Außergewöhnliches und Einmaliges und aus dem normalen Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin Herausfallendes ansehen. Dies gilt auch und gerade vor dem Hintergrund, dass der Verkehr seit dem Fall des Rabattgesetzes daran gewöhnt ist, dass ihm der Handel Rabatte in einem Umfang anbietet, den er bislang nicht gewohnt war. Denn (branchen-) üblich und unter der Geltung des § 7 UWG hinnehmbar sind allenfalls solche Werbungen geworden, mit denen auf einen oder einzelne Artikel ein relativ hoher Rabattsatz angekündigt wurde, oder die alle Waren einbezogen, einen Rabattsatz von 20% aber auch nicht annähernd erreichten.

Kündigt die Antragsgegnerin demgemäß mit ihrer den Gegenstand des Verfügungsbegehrens des Antragstellers bildenden Werbeanzeige aus der Sicht eines durchschnittlich informieren, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, auf den nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH WRP 2000, 289 "Lifting-Creme") und des Bundesgerichtshofs (siehe unter anderem BGH WRP 2000, 517, 519 = GRUR 2000, 619, 621 "Orient-Teppichmuster") maßgeblich abzustellen ist, eine außerhalb ihres normalen, gewöhnlichen Geschäftsbetriebs liegende Verkaufsveranstaltung an, teilt der Senat zwar ihre Auffassung, dass ein solcher verständiger Verbraucher die in der Werbeanzeige abgedruckten Coupons nicht übersieht, den über dem Wort "alles" abgedruckten Sternchenhinweis richtig zuordnet und daher weiß, dass sich das werbliche Angebot letztlich auf den Kauf von 20 Artikeln beschränkt, sofern die Antragsgegnerin tatsächlich auf die Vorlage der Coupons besteht. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass der angesprochene Verkehr die Verkaufsaktion der Antragsgegnerin aus diesem Grunde nunmehr trotz ihrer vorübergehenden Natur als eine ihm bekannte oder auch nur übliche Rabattierung von Waren begreifen könnte. Der angesprochene Verkehr sieht nämlich, dass ihm hier nicht etwa 20 vom werbenden Unternehmen ausgesuchte, um 20% reduzierte Artikel angeboten werden, erkennt vielmehr, dass ihm die Antragsgegnerin mit ihrer Werbung die Möglichkeit eröffnet, jede beliebige Ware bis zu einer Gesamtstückzahl von 20 Artikeln zu einem außerhalb von Schlussverkäufen ungewöhnlich niedrigen, nämlich um 20% reduzieren Preis zu kaufen. Jeder Verbraucher, der nicht gerade in der alles andere als den Schwerpunkt der Verkaufstätigkeit der Antragsgegnerin ausmachenden Lebensmittel- und Feinkostabteilung mehr als 20 Produkte einzukaufen gedenkt, sieht damit, dass er auch bei einer von ihm verlangten Vorlage der in der Werbung abgedruckten vier Kauf-Coupons seinen Waren-Bedarf ohne weiteres abdecken kann. Denn es widerspricht jedweder Lebenserfahrung, dass ein Durchschnittsverbraucher und (potentieller) Kunde der Antragsgegnerin innerhalb des beworbenen Verkaufszeitraums und damit innerhalb von zwei Tagen mehr als 20 Kaufhausartikel kaufen könnte. Damit macht es aber im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Antragsgegnerin die Gewährung eines 20%-igen Rabattes auf alle Waren ankündigt oder aber den Kauf solchermaßen reduzierter Ware auf 20 Artikel beschränkt, zumal der angesprochene Verkehr es - darauf hat schon das Landgericht zu recht hingewiesen - ohne weiteres in der Hand hat, sich gegen einen geringen Geldbetrag eine weitere Ausgabe des General-Anzeiger zu kaufen und sich so in den Besitz weiterer Coupons zu setzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 15.11.2002
Az: 6 U 143/02


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