Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 2. März 2006
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX – 15/06

(OLG Hamm: Beschluss v. 02.03.2006, Az.: 2 (s) Sbd. IX – 15/06)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Verteidiger vor dem Landgericht Siegen die Gewährung einer Pauschgebühr, deren Höhe er in das Ermessen des Senats gestellt hat. Hinsichtlich seiner Tätigkeiten im Einzelnen wird auf die Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 30. Januar 2006 Bezug genommen, die dem Antragsteller bekannt ist und in der dessen Tätigkeitsumfang zutreffend dargestellt ist.

Der Antrag war abzulehnen. Zur Begründung nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, zunächst auf die dem Antragsteller bekannte und die Rechtsprechung des Senats berücksichtigende Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom Bezug und tritt dieser bei. Ergänzend merkt der Senat an:

Das Verfahren war zum einen nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG. Zur Frage, wann ein Verfahren "besonders schwierig" ist, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 99 BRAGO fest, da das RVG insoweit keine Änderungen gebracht hat (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 17. Februar 2005 in 2 (s) Sbd. VIII 11/05). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung bot nach der insoweit maßgeblichen Einschätzung des Gerichtsvorsitzenden die Strafsache für den Antragsteller keine besonderen Schwierigkeiten.

Das Verfahren war zum anderen - entgegen der Auffassung des Antragstellers - aber auch nicht "besonders umfangreich". Der Schriftsatz des Antragstellers vom 22. Februar 2006 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Er führt darin aus, er schließe sich zwar vom "Grundsatz her den Ausführungen des Leiters des Dezernats 10 im Schreiben vom 30.01.2006 an, und sei ebenfalls der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen des § 51 RVG - nur - unter Berücksichtigung der in dem vorgenannten Schreiben des Leiters des Dezernats 10 genannten Gründe noch nicht erfüllt seien. Er sei aber dennoch der Auffassung, dass die Strafsache überdurchschnittlich umfangreich gewesen sei. Er sei nämlich gleichzeitig in dem gegen den ehemaligen Angeklagten eingeleiteten Disziplinarverfahren tätig gewesen. Die Überschneidungen zwischen dem Strafverfahren und dem Disziplinarverfahren ließen die Angelegenheit vorliegend als im Ergebnis überdurchschnittlich umfangreich erscheinen.

Darüber hinaus habe sich der ehemalige Angeklagte seit Anfang Oktober 2004 in der JVA Hagen befunden und sei dort völlig isoliert gewesen. Er habe eine Einzelzelle bewohnt, Umschluss sei nicht gewährt worden. Sämtliche Freizeitaktivitäten seien gestrichen gewesen und sein Mandant habe Einzelduschen und Einzelfreistunden erhalten, so dass dieser sich über einen langen Zeitraum in keinster Weise auch nur irgendwie habe austauschen können. Die Haftbesuche seien daher von besonderer Intensität gewesen. Die Haftbesuche selbst hätten im vorliegenden Verfahren nicht abgerechnet werden können, da sie sich mit dem Verfahren KLs 111 Js 298/04 (LG Siegen) überschnitten. Im Rahmen dieser Haftbesuche, die im dortigen Verfahren abgerechnet worden seien, nicht aber im hiesigen Verfahren, sei aber auch das hiesige Verfahren thematisiert worden.

Zur Dauer der Haftbesuche trägt der Antragsteller vor:

"18.10.1004 JVA Hagen 18.55 Uhr bis 19.10 Uhr (insgesamt 6 Mandanten);

15.11.2004 JVA Hagen 18.45 Uhr bis 19.10 Uhr (insgesamt 6 Mandanten);

22.11.2004 JVA Hagen 19.00 Uhr bis 19.40 Uhr (insgesamt 3 Mandanten);

06.12.2004 JVA Hagen 16.30 Uhr bis 16.45 Uhr (insgesamt 10 Mandanten);

22.12.2004 JVA Hagen 14.40 Uhr bis 14.00 Uhr (insgesamt 2 Mandanten)."

Herr S sei aufgrund der Vorfälle in der JVA Siegen, die zur Verurteilung im vorliegenden Verfahren geführt hätten, mit zwei bis drei Beamten zu Verteidigergesprächen vorgeführt worden. Bei jedem Besuch sei der Unterzeichner ausdrücklich auf besondere Vorsicht und die seitens der JVA eingeschätzte besondere Gefährlichkeit des Gefangenen hingewiesen worden. Wenn auch die Besuche nicht von überdurchschnittlicher Dauer gewesen seien, so seien sie jedoch eine deutlich psychische Belastung gewesen, da sein Mandant seinerzeit tatsächlich nur schwer einzuschätzen gewesen sei.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine Pauschgebühr zu begründen.

Soweit der Antragsteller den besonderen Umfang des Verfahrens einerseits mit seiner Tätigkeit in dem gegen seinen Mandanten geführten Disziplinarverfahren begründen will, fehlen jegliche Ausführungen dazu, inwieweit dieses Verfahren den Antragsteller zeitlich eingebunden hat.

Aber auch die vom Antragsteller aufgezählten Haftbesuche sind nicht geeignet, das Verfahren als besonders umfangreich im Sinne des § 51 RVG erscheinen zu lassen. Entscheidend ist zunächst, dass die Haftbesuche sich nicht auf das vorliegende Strafverfahren, sondern auf das Verfahren 111 Js 298/04 StA Siegen bezogen und auch - wie vom Antragsteller richtig bemerkt - bereits in jenem Verfahren abgerechnet worden sind. Unabhängig davon ist aber auch die Angabe, die Haftbesuche seien "von besonderer Intensität" gewesen, kein geeignetes Kriterium im Sinne des § 51 RVG. So wird schon nicht hinreichend deutlich, ob die Haftbesuche deshalb von "besonderer Intensität" waren, weil der ehemalige Angeklagte aufgrund seiner Haftsituation besonderer psychologischer Betreuung durch den Antragsteller bedurfte - was bei der Bewilligung einer Pauschgebühr eine eher untergeordnete Rolle spielt - oder ob der Antragsteller die Haftbesuche für sich als so intensiv empfunden hat, weil der ehemalige Angeklagte als gefährlich galt. Aber auch Letzteres ist kein geeignetes Kriterium, eine Pauschgebühr zu begründen.

Auch die Dauer der Haftbesuche war vorliegend nicht besonders zeitintensiv. Die Besuche haben zwischen 15 und 40 Minuten gedauert, wobei sich dem Senat nicht eindeutig erschließt, ob die vom Antragsteller angegebenen Zeitspannen sich jeweils ausschließlich auf Gespräche mit dem ehemaligen Angeklagten beziehen oder ob er innerhalb des angegebenen Zeitraums mehrere Mandanten aufgesucht hat. Auch wenn die Angaben zu Gunsten des Antragstellers dahin zu verstehen sein sollten, dass der Antragsteller die angegebenen Zeiten allein für Gespräche mit seinem Mandanten verwandt hat, können diese Besuche von ihrem zeitlichen Umfang her nicht als besonders intensiv angesehen werden.

Aber selbst wenn die von dem Antragsteller aufgeführten Umstände geeignete Kriterien wären, ein Verfahren als "besonders umfangreich" einzustufen, käme gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Pauschgebühr ohnehin nur dann in Betracht, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit "nicht zumutbar" wären. Diese ausdrückliche Betonung des Zumutbarkeitsgesichtspunktes ist neu und soll den Ausnahmecharakter der Pauschgebühr betonen, die diese wegen der neu geschaffenen Gebührentatbestände in Zukunft haben soll. Dass die gesetzlichen Gebühren vorliegend die Grenze der Unzumutbarkeit erreicht hätten, ist nicht anzunehmen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Umstand, dass der Zeitaufwand für die Verteidigung eines inhaftierten Angeklagten in der Regel höher ist, bereits dadurch Rechnung getragen hat, dass die Gebühr einen Zuschlag erhält, vgl. RVG, Teil C. Vergütungsverzeichnis, Teil 4. Strafsachen, Vorbemerkung 4, Abs. 4.

Nach alledem musste der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr erfolglos bleiben.






OLG Hamm:
Beschluss v. 02.03.2006
Az: 2 (s) Sbd. IX – 15/06


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