Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. April 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 330/05

(BPatG: Beschluss v. 28.04.2009, Az.: 6 W (pat) 330/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat am 28. April 2009 einen Beschluss in einem Einspruchsverfahren gefasst. Es wird festgestellt, dass das Verfahren beendet ist. Gegen das Patent mit der Bezeichnung "Kugelgelenk und Verfahren zu seiner Herstellung" wurde ein Einspruch eingelegt, der ausschließlich auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützt wurde. Der Einspruch wurde später vom Einsprechenden zurückgenommen, nachdem die Patentinhaberin das Patent auf die Einsprechende übertragen hatte. Das Gericht ist der Meinung, dass das Einspruchsverfahren nicht fortgeführt werden sollte, da der zurückgenommene Einspruch nur auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützt war. Die anderen Widerrufsgründe des Patents werden nicht mehr geprüft. Das Gericht hat daher entschieden, dass das Einspruchsverfahren beendet ist. Dieser Beschluss wurde gefasst, um das Verfahren formell abzuschließen und die Sach- und Rechtslage für die verbliebenen Verfahrensbeteiligten zu klären.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 28.04.2009, Az: 6 W (pat) 330/05


Tenor

Es wird festgestellt, dass das Einspruchsverfahren beendet ist.

Gründe

I.

Gegen das Patent 199 23 869 mit der Bezeichnung "Kugelgelenk und Verfahren zu seiner Herstellung", dessen Erteilung am 25. Mai 2005 veröffentlicht wurde, ist am 25. August 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist ausschließlich auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützt worden. Nachdem die bisherige Patentinhaberin das Streitpatent auf die Einsprechende übertragen hatte, hat die einzige Einsprechende ihren Einspruch mit Schriftsatz vom 18. Mai 2006, per Fax eingegangen am 19. Mai 2006, zurückgenommen. Das Patent wurde am 9. Juni 2006 auf die ehemalige Einsprechende umgeschrieben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Das Einspruchsverfahren ist nach Rücknahme des einzigen fristgerecht erhobenen, mit Gründen versehenen ausreichend substantiierten und ausschließlich auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützten Einspruchs beendet.

2.2. Nach dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG beendet die Rücknahme des zulässigen einzigen Einspruchs das Einspruchsverfahren zwar nicht. Diese Vorschrift ist eine Ausprägung des allgemein geltenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 61 Rn. 32) und entspricht der Eigenschaft des Einspruchsverfahrens als Popularrechtsbehelf, der der Allgemeinheit die Möglichkeit geben soll, alsbald nach Veröffentlichung der Patenterteilung Gründe geltend zu machen, die dem Rechtsbestand des erteilten Patents entgegenstehen und so in einem besonders kostengünstigen Verfahren das erteilte Patent einer vertieften Prüfung zu unterwerfen, jedenfalls aber zur Klärung der unter Schutz gestellten technischen Lehre und deren inhaltlicher Festlegung beitragen soll (BGH GRUR 1994, 439 -Sulfonsäurechlorid; Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 59 Rn. 9). Die Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG differenziert deshalb nicht zwischen den einzelnen Einspruchsgründen, sondern ordnet in jedem Fall nach Rücknahme des Einspruchs eine Weiterführung des Einspruchsverfahrens von Amts wegen an (vgl. dazu Benkard, a. a. O., § 59 Rn. 63b; offen gelassen in BGH a. a. O. -Lichtfleck; vgl. dazu auch BGH GRUR 1995, 333 -Aluminium-Trihydroxid; vgl. auch BPatGE 47, 141 ff. -Aktivkohlefilter).

Auch das Ausscheiden des früheren Patentinhabers aus dem Verfahren aufgrund der Übertragung des Patents an die frühere Einsprechende hat im Regelfall noch keine verfahrensbeendigende Wirkung. Für die frühere Einsprechende ist die neue Patentinhaberin kraft Gesetzes in das Verfahren eingetreten (§ 30 Abs. 3 PatG, § 265 Abs. 2 ZPO). Einer Sachprüfung der Widerrufsgründe steht eine solche Änderung der Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nicht entgegen. Das Einspruchsverfahren ist vielmehr auch unter solchen Voraussetzungen mit einer Sachentscheidung abzuschließen (BGH GRUR 1996, 42 ff. -Lichtfleck).

2.3. Nach Auffassung des Senats ist jedoch das Einspruchsverfahren nicht fortzuführen, wenn der einzige nunmehr zurückgenommene Einspruch ausschließlich auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) gestützt worden ist (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 21 Rn. 18, anders aber § 59 Rn. 63b, Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 61 Rn. 27; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., 61 Rn. 28; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., S. 606; BPatG 8 W (pat) 306/04 Beschluss vom 11.11.2008; 8 W (pat) 306/08 Beschluss vom 10.11.2008; 8 W (pat) 359/04 Beschluss vom 24.8.2006, jeweils veröffentlicht in juris Das Rechtsportal). Denn eine weitere Prüfung der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr 3 PatG) im gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG fortgesetzten Einspruchsverfahren kann vorliegend nicht mehr stattfinden (vgl. dazu auch BPatGE 36, 213 f; zuvor erwogen in BGH a. a. O. S. 281 -Lichtfleck).

Der Einspruchsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG hat die Frage der Zuordnung der Erfindung sowie die Anmeldung durch einen Nichtberechtigten zum Gegenstand und dient anders als die Einspruchsgründe des § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PatG ausschließlich dem Interesse des Verletzten, der allein einspruchsberechtigt ist, und nicht -wie die übrigen Einspruchsgründe -der im Allgemeininteresse liegenden Klärung der Frage, ob die Erfindung schutzwürdig ist (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 21 Rn. 18, 23 und § 8 Rn. 5; BPatG GRUR 2009, 72 Rn. 44 -Schweißheizung für Kunststoffrohrmatten; Kraßer, a. a. O., S. 374 f.; Winterfeldt, VPP-Rundbrief Nr. 2/1996, S. 42). Der von § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG bezweckte Schutz des Erfinderrechts ist aber jedenfalls dann sicher gewährleistet, wenn der Einsprechende, der seinen Einspruch ausschließlich auf widerrechtliche Entnahme gestützt hat, bereits selbst Patentinhaber geworden ist und außerdem durch die Rücknahme seines Einspruchs zu erkennen gegeben hat, dass er sein Nachanmelderecht gem. § 7 Abs. 2 PatG nicht geltend machen will (vgl. dazu auch BPatGE 36, 213 f.; BGH a. a. O., 281 -Lichtfleck). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der durch eine widerrechtliche Entnahme Verletzte gem. § 8 PatG mit einer Vindikationsklage parallel zu einem Einspruchsverfahren nach § 59 PatG die Übertragung des Streitpatents verlangen kann (vgl. Busse, a. a. O., § 8 Rn. 35; BPatGE 47, 141 ff. -Aktivkohlefilter). Es wäre ein Wertungswiderspruch und außerdem verfassungsrechtlich bedenklich, wenn bei einer freiwilligen Übertragung des Streitpatents dieses grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht entgegen dem Willen des früheren Einspruchsführers und nunmehrigen Eigentümers im Einspruchsverfahren von Amts wegen aufgrund des Einspruchsgrundes des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG widerrufen werden könnte. Eine Weiterführung der Prüfung würde daher den Schutzzweck dieses Einspruchsund Widerrufsgrundes verfehlen, weil sie gerade den Verletzten mit einem Widerruf oder einer Beschränkung des Patents schädigen könnte.

2.4. Für eine Fortführung des Einspruchsverfahrens zur Prüfung der Einspruchsund Widerrufsgründe des § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PatG von Amts wegen besteht mit dem Ausschluss der Prüfung des Einspruchsgrundes des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG auch keine Grundlage mehr für eine Prüfungsbefugnis und die sich aus dem Untersuchungsgrundsatz ergebende Ermittlungspflicht in der ersten Instanz des Einspruchsverfahrens (§ 46 Abs. 1 PatG i. V. m. § 59 Abs. 4 PatG).

Zwar können grundsätzlich nach pflichtgemäßen Ermessen anstelle eines Einspruchsgrundes oder zusätzlich auch weitere Widerrufsgründe nach § 21 Abs. 1 PatG von Amts wegen in das Verfahren einbezogen und zur Grundlage einer Entscheidung gemacht werden (vgl. BGH GRUR 1995, 333 -Aluminium-Trihydroxid; BPatGE 47, 141 ff. -Aktivkohlefilter). Wie bereits oben ausgeführt, bezwecken jedoch § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG und ein allein auf diesen Widerrufsgrund gestütztes Einspruchsverfahren, anders als die übrigen, dem Interesse der Allgemeinheit dienenden Einspruchsgründe des § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PatG, ausschließlich den Schutz des Verletzten. Es würde daher diesem Schutzzweck widersprechen, die weiteren im öffentlichen Interesse bestehenden Widerrufsgründe von Amts wegen in das allein dem Schutz des Verletzten dienende Verfahren einzubeziehen und das Einspruchsverfahren zur Prüfung dieser Einspruchsgründe fortzuführen (vgl. dazu auch BPatG 11 W (pat) 29/04, Beschluss v. 12.1.2009 -Prüfungskompetenz bei widerrechtlicher Entnahme).

Weiterhin ist zu bedenken, dass die nunmehr wohl herrschende Meinung davon ausgeht, dass die Patentfähigkeit des widerrechtlich entnommenen Gegenstands nicht Vorraussetzung des Tatbestands der widerrechtlichen Entnahme ist (vgl. Busse, a. a. O., § 21 Rn. 78; Schulte, a. a. O., § 21 Rn. 48; vgl. dazu auch BGH GRUR 2007, 996 Rn. 13). Danach scheidet auch ein Widerruf des Patents auf Grund anderer Widerrufsgründe als dem geltend gemachten der widerrechtlichen Entnahme aus, weil dem Verletzten das Nachanmelderecht gemäß § 7 Abs. 2 PatG abgeschnitten wird, wenn der Einspruch wegen fehlender Schutzfähigkeit scheitern könnte. Um ein solches dem Schutzzweck von § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG und § 7 Abs. 2 PatG widersprechendes Ergebnis zu vermeiden, darf die Patentfähigkeit daher nicht im auf widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruchsverfahren, sondern nur in der Nachanmeldung des Verletzten, sofern dieser eine solche einreicht, geprüft werden (vgl. Busse, a. a. O., § 21 Rn. 78; Schulte, a. a. O., § 21 Rn. 48; Kraßer, a. a. O., S. 606).

2.5.

Im vorliegenden Fall sprechen daher nach Auffassung des Senats überwiegende Gründe dafür, das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck entgegen dem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass das Einspruchsverfahren beendet ist. Für eine Entscheidung über den Bestand des Streitpatents ist daher kein Raum mehr.

3.

Um das Einspruchsverfahren förmlich abzuschließen und zur Klarstellung der Sachund Rechtslage im Interesse der verbliebenen Verfahrensbeteiligten war die Beendigung des Einspruchsverfahrens durch Beschluss festzustellen (vgl. BPatG 8 W (pat) 306/04 Beschluss vom 11.11.2008; BPatG 8 W (pat) 359/04 Beschluss vom 24.8.2006, jeweils veröffentlicht in juris Das Rechtsportal; vgl. dazu auch BPatGE 46, 247 Ziff. 4 -gerichtliches Einspruchsverfahren II; BGH GRUR 1997, 615, I. 2. und II. 2. -Vornapf).

Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 28.04.2009
Az: 6 W (pat) 330/05


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