Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 15. August 2000
Aktenzeichen: 7 W 9/00

(OLG Hamm: Beschluss v. 15.08.2000, Az.: 7 W 9/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss vom 24. Februar 2000 teilweise abgeändert:

Der Streitwert für die mit Schriftsatz vom 21.12.1998 erhobene Widerklage wird für den Zeitraum bis zum 01.10.1999 auf 163.806,96 DM festgesetzt.

Im übrigen verbleibt es bei dem angefochtenen Beschluss.

Gründe

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten wenden sich mit der Beschwerde dagegen, dass das Landgericht den Streitwert der mit Schriftsatz vom 21.12.1998 erhobenen Widerklage lediglich mit demjenigen Streitwert bewertet habe, der erst nach der übereinstimmenden Erledigung der Hauptsache anzusetzen sei.

Die gem. § 9 Abs.2 BRAGO i.V.m. § 25 Abs.3 GKG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Für den Zeitraum von der Rechtshängigkeit der Widerklage bis zu der insoweit übereinstimmenden teilweisen Erledigung der Hauptsache ist der volle Streitwert der Widerklage zu berücksichtigen. Eine in Rechtsprechung und Literatur im einzelnen dem Umfang nach umstrittene Streitwertreduzierung kann erst nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen und nur für den Zeitraum danach eintreten (vgl. etwa OLG Bamberg JurBüro 1992, S. 762; Göttlich / Mümmler BRAGO 19. Auflage bei "Erledigung der Hauptsache" unter 4.1; Markl/Meyer GKG 3. Auflage, Anh. § 12/§ 3 ZPO, Rdn. 64; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 58. Auflage, Anh. § 3, Rdn. 48).

Die Widerkläger hat hier mit der Widerklage die Beseitigung von Mängeln der Pachtsache begehrt. Weil § 16 GKG nach den dort aufgestellten Voraussetzungen nicht eingreift, richtet sich der Streitwert für Mängelbeseitigungsverlangen gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an der Mängelbeseitigung. Wie dieses Interesse zu bemessen ist, ist streitig. Teilweise wird vertreten, dass die Höhe der Mängelbeseitigungskosten maßgeblich sei (vgl. etwa LG Kiel WuM 1995, S. 320). Teilweise wird vertreten, dass analog § 9 ZPO der bis zu dreieinhalbfache Jahresbetrag des für die geltend gemachten Mängel anzusetzenden Minderungsbetrages anzusetzen sei (vgl. etwa OLG Hamburg WuM 1995, S. 595; LG Köln WuM 1999, S. 553; Bub/Treier, 3. Auflage, VIII Rdn. 239). Teilweise wird eine Begrenzung des analog § 9 ZPO zu ermittelnden Wertes unter Berücksichtigung der Wertung des § 16 GKG auf den Jahresbetrag für gerechtfertigt gehalten (vgl. etwa OLG Schleswig KostRsp zu § 16 GKG, Nr. 75; LG Berlin WuM 2000, S. 313; Schneider/ Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rdn. 3069a, 3023).

Der Senat schliesst sich der letztgenannten Auffassung an.

Das Abstellen auf die Mängelbeseitigungskosten erscheint im Regelfall nicht gerechtfertigt. Diese Aufwendungen kennzeichnen zunächst das Interesse des Verpächters an der Nichtvornahme der begehrten Massnahmen, nicht dagegen das Interesse des Mieters an ihrer Vornahme. Dem lässt sich insbesondere nicht überzeugend entgegen halten, dass die Mängelbeseitigungskosten im Falle der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO auch für den Pächter Bedeutung erlangten. Denn der Pächter ist im Falle des Mängelbeseitigungsverlangens gerade nicht den Weg über § 538 Abs. 2 BGB gegangen und hat damit gezeigt, dass es ihm primär auf ein Tätigwerden des Verpächters ankommt. Ist sein Interesse aber hierauf gerichtet, so erscheint ein Abstellen auf die Kosten der bei der Erhebung der Klage noch nicht gewollten Ersatzvornahme nicht gerechtfertigt. Gegen die Bewertung nach der Höhe der Mängelbeseitigungskosten sprechen überdies diejenigen Fälle, in denen eine nur geringfügige Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit nur unter Aufwendung unverhältnismässig hoher Kosten beseitigt werden könnte. Des weiteren besteht über die Kosten der Mängelbeseitigung in der Regel zwischen den Parteien Streit, so dass in solchen Fällen der für die Streitwertbemessung grundsätzlich erforderliche klare und einfache Maßstab fehlt.

Es erscheint dem Senat deshalb angemessen, den Streitwert nach den Grundsätzen der Mietminderung zu bewerten. Denn zum einen wird dadurch ein Maßstab herangezogen, der sich an dem Interesse des Pächters und nicht an demjenigen des Verpächters orientiert. Zum anderen entspricht der Grad der Mietminderung wertmäßig der Beeinträchtigung des Pächterinteresses an der vertragsgemäßen Gebrauchsüberlassung. Gerade auf die Beseitigung dieser Beeinträchtigung ist aber die Mängelbeseitigungsklage gerichtet, so dass es angemessen erscheint, hierfür auch einen entsprechenden Streitwert zu bestimmen.

Nach der Auffassung des Senates ist es allerdings nicht gerechtfertigt, in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO auf den bis zu dreieinhalbfachen Jahresbetrag abzustellen. Zum einen erstrebt der Pächter keine wiederkehrenden Leistungen, sondern ein einmaliges Tätigwerden in Form der Herstellung der vertragsgemäßen Tauglichkeit der Pachtsache. Zum anderen berücksichtigt die Festsetzung eines mehr als einjährigen Betrages nicht hinreichend die in § 16 Abs. 1 GKG vorgenommene Wertung. Aus dieser Regelung ist abzuleiten, dass das Interesse an der Gesamtheit der pachtvertraglichen Beziehungen der Parteien mit nicht mehr als einem Jahrespachtzins zu bewerten ist. Es wurde dann aber zu einem wertungsmäßigen Ungleichgewicht führen, wenn der Streitwert für die nur als Teilaspekt anzusehende Frage der Mängelbeseitigung an einen längeren Zeitraum anknüpfen und dadurch überproportionales Gewicht gewinnen würde. Durch die Anlegung einer Wertgrenze entsprechend dem Rechtsgedanken des § 16 GKG wird dagegen das Wertverhältnis von Mängelbeseitigung und Gesamtpachtverhältnis besser berücksichtigt.

Bei der Bestimmung der monatlichen Mietminderung kommt es sodann nicht auf den Betrag an, der objektiv gerechtfertigt ist. Denn auch der Umfang der berechtigten Mietminderung ist in der Regel zwischen den Parteien streitig. Sein Feststellung würde zu einem für die Streitwertfestsetzung unverhältnismäßigen Aufwand führen und dem Gebot einfacher und klarer Maßstäbe zuwiderlaufen. Es kommt vielmehr darauf an, welche Mietminderung der Kläger ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt, anderenfalls, welche Mietminderung auf der Basis seiner Tatsachenbehauptungen gerechtfertigt erscheint. Sein Begehren bestimmt demnach wie auch sonst etwa bei Zahlungsklagen - den Grad des Interesses und damit den Streitwert.

Im vorliegenden Fall führt das dazu, dass ein Streitwert i.H.v. 163.806,96 DM angemessen erscheint. Er basiert darauf, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage ein monatlicher Pachtzins i.H.v. 13.650,58 DM geschuldet war und die Widerkläger sich wegen der vollständigen Nichtzahlung der Pacht auf die dem Mängelbeseitigungsbegehren zugrundeliegenden Mängel berufen, also eine Minderung auf Null vorgenommen haben. Der zwölffache Monatsbetrag ergibt den erkanten Streitwert für die Widerklage.

Eine Kostenentscheidung ist gem. § 25 Abs.4 GKG nicht veranlasst.






OLG Hamm:
Beschluss v. 15.08.2000
Az: 7 W 9/00


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