Landgericht Dortmund:
Urteil vom 19. Juni 2006
Aktenzeichen: 16 O 61/06

(LG Dortmund: Urteil v. 19.06.2006, Az.: 16 O 61/06)

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, für den Fall, dass dieses nicht beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft,

zu unterlassen,

1.

mit dem Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" zu werben.

2.

Mit dem Begriff "Wirtschaftsjurist", sei es allein stehend oder in Kombination mit anderen Begriffen, zu werben, wenn der Begriff nicht unmittelbar mit Zusätzen versehen ist, die die berufliche Qualifikation ("Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH)")angeben.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, zu Gunsten der Klägerin an die Rechtsanwälte T, L-Allee, E 515,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 49 % und der Beklagte 51 % der Kosten.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin bildet als Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Y den Zusammenschluss aller in diesem Bezirk zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie der Rechtsanwaltsgesellschaften. Zu dem Bezirk der Klägerin gehört u. a. auch der Landgerichtsbezirk E und damit auch der Bezirk des Amtsgerichts L2.

Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Fachholschulabsolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht. In diesem Studiengang werden juristische und wirtschaftswissenschaftliche Ausbildungsinhalte miteinander kombiniert. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums verleiht die Fachhochschule den Titel "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)". Diplom-Wirtschaftsjuristen sind keine Volljuristen und dürfen keine Rechtsberatung erteilen. Der Beklagte hat zusätzlich die Qualifikation "Betriebswirt (Wi.-Dipl. VwA)" erworben. Der Beklagte hat in L2 eine Kanzlei eröffnet, in der er seine Dienste anbietet. Außer ihm sind keine weiteren Wirtschaftsjuristen oder Betriebswirte in der Kanzlei tätig. Die Klägerin hat einen Briefbogen des Beklagten, auf dem sich das Datum L2, 24.02.2005 befindet, zum Anlass genommen, den Beklagten abzumahnen und ihn aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Briefbogen ist vom Beklagten mit einem Briefkopf versehen, der mit

"Wirtschaftsjuristenkanzlei", L3 & Kollegen"

sowie in der Unterzeile

"Wirtschaftsjuristen Betriebswirte"

überschrieben ist. Die weitere Aufteilung folgt der für Rechtsanwaltskanzleien typischen Anordnung, bei der im Anschluss an die Kopfzeile die Berufsträger auf der rechten Seite des Briefbogens aufgeführt sind. Hier ist neben Namen und Adresse des Beklagten auch seine berufliche Qualifikation "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)" und "Betriebswirt (Wi-Dipl. VwA)" angegeben.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Verwendung dieses Briefkopfes verstoße gegen §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG, da der Beklagte hiermit im Hinblick auf die tatsächliche Größe der Kanzlei irreführend und damit unlauter werbe. Zudem würden die Begriffe "Wirtschaftsjuristenkanzlei" und "Wirtschaftsjuristen" den Eindruck erwecken, die Kanzlei biete Rechtsberatung an, obschon der Beklagte hierzu nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht berechtigt sei und eine entsprechende Beratung somit rechtsmäßig auch nicht durchführen könne. Es sei daher davon auszugehen, dass der durchschnittlich informierte, verständige und situativ adäquat aufmerksame Verbraucher die kombinierte Bezeichnung "Wirtschaftsjuristenkanzlei" als Hinweis auf anwaltliche Dienstleistungen verstehe, zumal der eng an den Begriff des Wirtschaftsanwalts angelehnt sei und durch die Verwendung des Begriffs Kanzlei noch unterstützt werde.

Neben ihrem Unterlassungsanspruch verfolgt die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch (Gebührenrest). Dazu führt die Klägerin aus, die Höhe der für die außergerichtliche Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr von 1.137,00 € netto ergebe sich aus Nr. 2004 VV RVG nach einem Gegenstandswert in Höhe von 30.000,00 €. Entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs. (4) VV RVG sei nur die Hälfte der Geschäftsgebühr in Höhe von 568,60 € netto auf die Verfahrensgebühr des vorliegenden Rechtsstreits mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden

Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, für den Fall, dass dieses nicht beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft,

es zu unterlassen,

a)

mit der Pluralform "Betriebswirt" oder "Wirtschaftsjurist" zu

werben, so lange die Kanzlei nicht aus mehr als einem

Berufsträger besteht und/oder.

b)

mit dem Zusatz "& Kollegen" hinter seinem Namen zu werben, so lange die Kanzlei nicht aus mehr als zwei Berufsträger besteht und/oder

c)

aa)

mit dem Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" in Groß- und Kleinschreibung und mit und ohne grafisch hervorgehobene Anfangsbuchstaben W, J, K zu werben,

bb)

hilfsweise mit dem Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" zu werben, soweit nicht gleichzeitig deutlich darauf hingewiesen wird, dass keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erfolgt oder der Umfang der Tätigkeit deutlich und abschließend beschrieben wird und/oder

d)

mit dem Begriff "Wirtschaftsjurist" - sei es allein stehend oder in Kombination mit anderen Begriffen - zu werben, wenn der Begriff nicht unmittelbar mit Zusätzen versehen ist, die die berufliche Qualifikation ("Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)") angeben.

2. Die Klägerin beantragt weiter, den Beklagten zu verurteilen,

zu Gunsten der Klägerin an die Rechtsanwälte T, L-Allee, E 682,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet den Briefbogen zu verwenden, welchen die Klägerin zum Anlass der Abmahnung genommen hat (Blatt 13 d. A./Anlage K 1). Der Beklagte verwende seit 2006 ausschließlich den Briefkopf, welcher aus der Anlage B 1 ersichtlich sei (Blatt 35 d. A.). Dieser sei überschrieben mit Wirtschaftsjuristenkanzlei L3. Die Unterzeile laute Wirtschaftsjurist und Betriebswirt.

Der Beklagte verwende also nicht die Pluralform von Betriebswirt und Wirtschaftsjurist und werbe auch nicht mehr mit dem Zusatz & Kollegen hinter seinem Namen. Auch bei der Verwendung des Begriffes Wirtschaftsjuristenkanzlei werde eindeutig nicht die Pluralform des Begriffes Wirtschaftsjurist verwendet. Die Verwendung der korrekten grammatikalischen Genitivform könne dem Beklagten nicht verboten werden. Auch sei der Begriff Kanzlei keineswegs nur Anwälten und Steuerberatern vorbehalten. Des weiteren dürfe bei einem durchschnittlichen Verbraucher davon ausgegangen werden, dass dieser den Begriff Jurist nicht mit anwaltlicher Dienstleistung gleichsetze.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich daraus, dass schon nach dem bisherigen Recht neben den privatrechtlich verfassten Berufsorganisationen die in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Kammern der freien Berufe zu den Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gezählt wurden. Dass diese nunmehr grundsätzlich klagebefugt sind, ist durch die Ergänzung "oder selbständiger beruflicher Interessen" in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klargestellt.

Die Rechtsanwaltskammer kann wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Verstößen auch geltend machen, da ihre Mitglieder (Rechtsanwälte) Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt anbieten (§ 8 Abs. 2 UWG). Die Kanzlei L3 ist zwar keine Anwaltskanzlei. Der Beklagte ist eigenem Bekunden nach jedoch unter anderem im Bereich der Nachlasspflegschaft tätig. Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine durch das Rechtsberatungsgesetz den Anwälten vorbehaltene Tätigkeit (vgl. Artikel 1 § 3 Nr. 6 RberG), jedoch gehört die Nachlasspflegschaft ebenso wie die Testamentsvollstreckung zu den typischen anwaltlichen Dienstleistungen, so dass von einem entsprechenden Wettbewerbsverhältnis auszugehen ist.

In der Sache selbst ist die Klage allerdings nur zum Teil begründet. Eine Irreführung über die Größe liegt nicht vor. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass er seit 2006 ausschließlich den Briefkopf (Anlage B 1) verwendet, der weder die Pluralform von Betriebswirt oder Wirtschaftsjurist noch den Zusatz & Kollegen enthält. Mangels dahingehenden Vortrags muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der Beklagte seinen Briefbogen verändert hat, bevor er am 03.02.2006 durch die Klägervertreter abgemahnt worden ist. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch geht deshalb ins Leere und eine Wiederholungsgefahr kann nicht mehr angenommen werden. Der Beklagte hat vielmehr aus eigener Veranlassung seinen Briefkopf verändert, so dass künftige Verstöße nicht mehr zu erwarten sind. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist deshalb nicht mehr erforderlich und kann deshalb von der Klägerin auch nicht verlangt werden. Die Unterlassungsanträge zu 1. a) und 1. b) waren demgemäß abzuweisen.

Anders verhält es sich mit den Anträgen zu 1. c) und d) der Klägerin. Hier verstößt der Beklagte gegen §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG, in dem er irreführende Angaben über die Art der angebotenen Dienstleistungen macht. Mit dem im Briefkopf verwendeten Begriffen "Wirtschaftsjuristenkanzlei" und "Wirtschaftsjurist" wird der Eindruck erweckt, die Kanzlei biete Rechtsberatung an, obschon der Beklagte hierzu nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht berechtigt ist und eine entsprechende Beratung somit rechtsmäßig auch nicht durchführen kann. Der Begriff Wirtschaftsjurist hat sich in den breiten Teilen der Bevölkerung auch nicht als Hinweis auf eine gesonderte Fachhochschulausbildung durchgesetzt. Deshalb ist auch im Allgemeinen nicht bekannt, dass die Diplom-Wirtschaftsjuristen keine dem Rechtsberatungsgesetz unterfallende Beratung anbieten und erbringen dürfen. Verstärkend kommt hinzu, dass der Begriff des Wirtschaftsjuristen eng an den Begriff des Wirtschaftsanwalts angelehnt ist und auch die zweite Begriffskomponete Kanzlei den irreführenden Eindruck des Wortes Wirtschaftsjuristen noch verstärkt.

Dem Beklagten ist es deshalb verwehrt, mit dem Begriff der Wirtschaftsjuristenkanzlei zu werben. Auch der Begriff Wirtschaftsjurist ist für sich irreführend. Um eine solche Irreführung auszuschließen, muss der Beklagte vielmehr seine Qualifikation als "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)" genau benennen. Nur auf diese Weise kann durch den Kopfbogen des Beklagten bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein Irrtum ausgeschlossen werden. Ohne diesen Zusatz wird der Briefbogen von einem erheblichen Teil der Verkehrskreise als Hinweis auf anwaltliche Dienstleistungen verstanden werden. Dabei ist insbesondere auf den Gesamteindruck abzustellen, welcher durch alle Elemente zusammen eine Irreführung verursacht. Darauf zielt die Oberzeile mit dem Begriff Wirtschaftsjuristenkanzlei in seiner Gesamtheit ab, wobei die Wortkombination Justiz und Kanzlei auf rechtsberatende Dienstleistungen hinweist. Dies gilt ebenso für die Unterzeile des Briefkopfes, als dort die Berufsbezeichnung Wirtschaftsjurist verwendet wird, obwohl es diese Berufsbezeichnung nicht gibt. Der Beklagte ist vielmehr, wie sich aus der Seitenzeile ergibt, Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH). Durch das Weglassen des Begriffs Diplom und der Ausbildungsstätte (Fachhochschule) in der Ober- und Unterzeile des Briefkopfes ergibt sich der irreführende Charakter des Briefkopfes insgesamt. Der Beklagte verstößt mithin gegen eine Übung, wie sie sich auch bei anderen freien Berufen durchgesetzt hat, als auch auf den Praxisschildern von Medizinern beispielsweise die Herkunft der Doktorgrade durch erklärende Zusätze erläutert werden.

Der Beklagte hätte die Irreführung auch ohne weiteres dadurch ausschließen können, dass er in der ersten Kopfzeile den Begriff Diplom-Wirtschaftsjuristenkanzlei verwendet hätte und in der Unterzeile seine genaue Qualifikation mit Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) angegeben hätte. Dass er dies nicht getan hat, führt zu einer Irreführung über die Art seiner angebotenen Dienstleistungen und damit zu einem Wettbewerbsverstoß gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG.

Wegen des Kostenerstattungsanspruchs (Antrag zu 2.) geht die Kammer davon aus, dass eine berechtigte außergerichtliche Tätigkeit nur nach einem Gegenstandswert in Höhe von 15.000,00 € gerechtfertigt war, weil die Abmahnung im Übrigen, wie sich aus der Klageabweisung ergibt, nicht berechtigt gewesen ist. Dies ergibt bei einem Gebührensatz von 0,75 eine Nettogeschäftsgebühr von 424,50 € und unter Hinzusetzung der Pauschale einen Betrag von 444,50 €, mithin einen Bruttobetrag von 515,62 €, welcher auszuurteilen war. Wegen des Mehrbetrages war der Zahlungsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 19.06.2006
Az: 16 O 61/06


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