Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2009
Aktenzeichen: 20 W (pat) 350/04

(BPatG: Beschluss v. 08.06.2009, Az.: 20 W (pat) 350/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in diesem Beschluss entschieden, dass der eingelegte Einspruch gegen ein Patent als unzulässig verworfen wird. Das Patent mit der Bezeichnung "Magnetische Logikeinrichtung" wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt erteilt und umfasst 20 Patentansprüche. Der Einsprechende hat argumentiert, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei und sich auf verschiedene Druckschriften berufen. Allerdings hat das Gericht festgestellt, dass der Einspruch den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und unvollständig ist. Insbesondere wurden Angaben zu bestimmten Merkmalen des Patents nicht gemacht. Daher wurde der Einspruch als unzulässig verworfen und eine Sachprüfung fand nicht statt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 08.06.2009, Az: 20 W (pat) 350/04


Tenor

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 03 K des Deutschen Patentund Markenamts hat auf die am 29. November 2002 eingereichte Patentanmeldung das Patent 102 55 857 mit der Bezeichnung "Magnetische Logikeinrichtung" erteilt. Die Patenterteilung ist am 15. Juli 2004 im Patentblatt veröffentlicht worden. Das Patent umfasst insgesamt 20 Patentansprüche.

Die erteilten, unabhängigen Patentansprüche 1, 12, 14 und 18 lauten:

"1. Verfahren zum Betrieb einer magnetischen Logikeinrichtung (10), bei dem durch mindestens eine logische Operation aus Eingangsgrößen (IA, IB) mit einer Operatorfunktion F der magnetischen Logikeinrichtung (10) mindestens eine Ausgangsgröße O = F (IA, IB) gebildet wird, wobei die Logikeinrichtung (10) vor der Operation mit einem bestimmten Operator-Steuersignal (SET) auf einen Startzustand zur Ausführung der Operatorfunktion F eingestellt wird, wobei das Operator-Steuersignal aus einer Gruppe von Steuersignalen ausgewählt wird, mit denen verschiedene nichtflüchtige Startzustände gezielt einstellbar sind, die jeweils für verschiedene logische Funktionen charakteristisch sind, dadurch gekennzeichnet, dass die magnetische Logikeinrichtung (10) mindestens ein magnetisches Element (11) mit mindestens zwei magnetischen Stellelementen (12, 13) enthält, die mit dem Operator-Steuersignal (SET) zur Ausführung der Operatorfunktion F eingestellt werden."

"12. Verfahren zum Betrieb einer magnetischen Logikschaltung (30), die eine Vielzahl von Logikeinrichtungen (10) umfasst, mit denen gleichzeitig oder aufeinander folgend eine Vielzahl logischer Operationen gemäß einem Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche ausgeführt werden,"

"14. Logikeinrichtung (10) mit mindestens einem magnetischen Element (11), mindestens zwei Eingängen (14, 15) und mindestens einem Ausgang (16), wobei die Logikeinrichtung (10) zur Ausführung mindestens einer logischen Operation vorgesehen ist, bei der aus Eingangsgrößen (IA, IB) mit einer Operatorfunktion F mindestens eine Ausgangsgröße O = F (IA, IB) gebildet wird, wobei das magnetische Element (11) mit einer Steuerschaltung (20) verbunden ist, die zur Bereitstellung eines Operator-Steuersignals, das aus einer Gruppe von Steuersignalen ausgewählt ist, mit denen verschiedene nichtflüchtige, für verschiedene logische Funktionen charakteristische Startzustände der Logikeinrichtung (10) einstellbar sind, und zur Einstellung der Logikeinrichtung (10) auf einen dem Operator-Steuersignal entsprechenden Startzustand eingerichtet ist, dadurch gekennzeichnet, dass das mindestens eine magnetische[s] Element (11) mindestens zwei magnetische Stellelemente (12, 13) enthält, die mit dem Operator-Steuersignal (SET) zur Ausführung der Operatorfunktion F einstellbar sind."

"18. Logikschaltung (30), die eine Vielzahl von Logikeinrichtungen (10) nach einem der vorhergehenden Ansprüche 14 bis 17 aufweist."

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 11, 13, 15 bis 17, 19 und 20 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2004, der beim Deutschen Patentund Markenamt am 12. Oktober 2004 eingegangen ist, Einspruch mit der Begründung erhoben, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG.

Die Einsprechende stützt ihren Einspruch auf die Druckschriften D1 BLACK, Jr., William C.; DAS, Bodhisattva: Programmable logic using giantmagnetoresistance and spindependent tunneling devices (invited). In: Journal of Applied Physics, Band 87, Nummer 9, 1. Mai 2000, Seiten 6674 -6679;

D2 DE 100 53 206 C1;

D3 DE 101 13 787 C1;

D4 DE 101 44 395 C1;

D5 US 5,629,549 A;

D6 SHEN, Jun: Logic Devices and Circuits Based on Giant Magnetoresistance. In: IEEE Transactions on Magnetics, Band 33, Nummer 6, November 1997, Seiten 4492 -4497;

D7 RANMUTHU, I. W. [u. a.]: Magnetoresistive Elements -an alternative to floating gate technology. In: 35th Midwest symposium on circuits and systems, 1992, Seiten 134 -136;

D8 HASSOUN, Marwan M. [u. a.]: Field Programmable Logic Gates Using GMR Devices. In: IEEE Transactions on Magnetics, Band 33, Nummer 5, September 1997, Seiten 3307 -3309;

D9 DE 198 53 447 A1.

Die Einsprechende meint, dass - sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 identisch aufden Stand der Technik gemäß der Druckschrift D2 lesenließe,

- die im Patentanspruch 1 angegebenen Verfahrensschritteexplizit in der Druckschrift D5 beschrieben seien,

- dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 eine Unterscheidbarkeit gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften D6 und D1 fehlen würde,

- es für den Fachmann auf der Hand liegen würde, die im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmaleaus der FPGA-Technologie mit magnetoresistiven Elementen zu kombinieren.

Sie vertritt weiter die Auffassung, dass die Ausbildung von Arrays aus mehreren Logikeinrichtungen zu einer magnetischen Logikschaltung, wie im Anspruch 12 beansprucht, in den Druckschriften D1, D6 und D7 explizit angesprochen sei.

Bezüglich des Gegenstands des Patentanspruchs 14 argumentiert die Einsprechende, dass eine Unterscheidbarkeit gegenüber dem aus der Druckschrift D2 bekannten Stand der Technik nicht erkennbar sei und die aus der Druckschrift D5 bekannte Logikeinrichtung auf den Wortlaut des Anspruchs lesbar sei.

Weiter meint die Einsprechende, dass aus der Druckschrift D6 hervorgehen würde, eine Schaltung gemäß Patentanspruch 18 mit magnetoresistiven Elementen aufzubauen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 102 55 857 zu widerrufen. Die Patentinhaberin ist dem Einspruch entgegengetreten und hat zuletzt beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen;

hilfsweise:

das Patent 102 55 857 auf der Grundlage folgender Unterlagenvom 14. Mai 2009 beschränkt aufrechtzuerhalten:

Hilfsantrag 1: Ansprüche 1 bis 11; Hilfsantrag 2: Ansprüche 1' bis 11'; jeweils zusammen mit geänderten Seiten der Beschreibung 4 und 5 und restliche Beschreibung und Zeichnungen Figuren 1 bis 8 gemäß Patentschrift. In der mündlichen Verhandlung machte die Patentinhaberin geltend, dass sich die Unzulässigkeit des Einspruchs daraus ergeben würde, dass der Einspruch sich nicht mit der Gesamtlehre des Patents auseinandersetzen würde, insbesonderenicht zu allen Merkmalen der angegriffenen Patentansprüche Stellung nehmen würde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Einspruch erweist sich als unzulässig.

1. a) Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, sind bis zum Ablauf der Einspruchsfrist "im Einzelnen" anzugeben, § 59 Abs. 1 PatG. Die Begründung des Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen Umstände darin so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (BGHZ 100, 242 -Streichgarn [unter II.2.c]; BGHZ 102, 53 -Alkyldiarylphosphin [unter II.2]; BGH, Beschluss vom 26. Mai 1988 -X ZB 10/87, BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung [unter II.1]). Dasselbe gilt im Rahmen der hier anzuwendenden Regelung des § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung bezogen auf den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts. Der Einspruch muss sich dabei mit der gesamten unter Schutz gestellten Erfindung befassen und nicht nur mit einem Teilaspekt, der isoliert für sich nicht unter Schutz gestellt ist (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1987 -X ZB 28/86, GRUR 1988, 364 -Epoxidationsverfahren [unter IV.2.b]). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung muss zumindest bezüglich eines der angegriffenen unabhängigen Patentansprüche erfüllt sein.

b) Den genannten Anforderungen an die Substantiierungspflicht genügt der Einspruch nicht.

Zwar trägt die Einsprechende unter Bezugnahme auf verschiedene Druckschriften vor, dass ein Teil der patentgemäßen Merkmale bekannt sei. Der Einspruch lässt jedoch völlig außer Acht, dass patentgemäß das Operator-Steuersignal aus einer Gruppe von Steuersignalen ausgewählt wird,

"mit denen verschiedene nichtflüchtige Startzustände gezielt einstellbar sind, die jeweils für verschiedene logische Funktionen charakteristisch sind" (Patentansprüche 1, 12), beziehungsweise eine Steuerschaltung vorgesehen ist, die der Bereitstellung eines Operator-Steuersignals dient, das aus einer Gruppe von Steuersignalen ausgewählt ist,

"mit denen verschiedene nichtflüchtige, für verschiedene logische Funktionen charakteristische Startzustände der Logikeinrichtung (10) einstellbar sind" (Patentansprüche 14, 18).

Dem gesamten Einspruchsschriftsatz ist bezüglich der Einstellung nichtflüchtiger Startzustände der Logikschaltung nichts zu entnehmen.

Auch den Ausführungen der Einsprechenden zum Sachanspruch 14, insbesondere der Angabe, dass aus der Druckschrift D2 "eine Logikeinrichtung (hier: Logikschaltung) mit einem magnetoresistiven Element mit zwei Stellelementen (hier: GMR-Element) mit zwei ferromagnetischen Schichten" bekannt sei (vgl. Einspruchsschriftsatz, Blatt 14 der Akte, unter 5), kann -entgegen der von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung -nichts in Hinblick auf die nichtflüchtigen Startzustände der Logikschaltung entnommen werden. Die Einsprechende hat beispielsweise nicht angegeben, ob und gegebenenfalls welcher Zusammenhang zwischen dem aus der Druckschrift D2 bekannten "magnetoresistiven Element mit zwei Stellelementen (hier: GMR-Element) mit zwei ferromagnetischen Schichten" und der möglichen Nichtflüchtigkeit der an einem solchen Element einstellbaren Startzustände besteht, sondern es vielmehr dem Patentinhaber und dem Senat überlassen, diesen Zusammenhang herzustellen.

Damit sind die Angaben der Tatsachen "im einzelnen" unvollständig.

c) Auf nähere Darlegungen zum genannten Merkmal konnte vorliegend auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden. Zwar ist höchstrichterlich anerkannt, dass in besonders liegenden Einzelfällen die Angabe von Patentoder Auslegeschriften nur nach ihrer Nummer oder von Schrifttum nur nach seinen Fundstellen zur Begründung eines auf mangelnde Patentfähigkeit gestützten Einspruchs genügen kann (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1972 -X ZB 6/71, GRUR 1972, 592 -Sortiergerät [unter III.1.b]). Eine nähere Darlegung kann jedoch nur dann für entbehrlich erachtet werden, wenn sich der Zusammenhang aus einer kurzen Textstelle für den sachkundigen Leser von selbst ergibt und sich als Beleg für den behaupteten Einspruchsgrund "geradezu aufdränge" und "ins Auge falle". Nur in solchen besonders liegenden Fällen gibt die bloße Nennung der Vorveröffentlichung eine ausreichende Grundlage für eine abschließende Stellungnahme durch die Patentinhaberin und für eine abschließende Beurteilung durch den Senat. Es kann sich daher nur um besonders klar und einfach liegende Fälle handeln.

Davon kann bei den hier gegebenen Verhältnissen keine Rede sein. Die in allen Ansprüchen explizit oder durch Bezugnahme angegebene gezielte Einstellung nichtflüchtiger Startzustände der Logikeinrichtung ist in der Druckschrift D2 nicht unmittelbar angesprochen. Allein aus der Angabe in der Druckschrift D2, dass GMR-Elemente verwendet werden, die anspruchsgemäßen nichtflüchtigen Startzustände abzuleiten, übersteigt nach Überzeugung des Senat das Maß dessen, was von einem Fachmann bei der Lektüre der Druckschrift D2 zu erwarten ist. Die ergänzenden Ausführungen der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung müssen, soweit die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs berührt ist, unberücksichtigt bleiben, da sie nach Ablauf der Einspruchsfrist erfolgten.

2. Nach alledem war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Für eine Sachprüfung ist unter diesen Umständen kein Raum.

Dr. Mayer Werner Gottstein Kleinschmidt Pr






BPatG:
Beschluss v. 08.06.2009
Az: 20 W (pat) 350/04


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