Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juni 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 173/04

(BPatG: Beschluss v. 09.06.2006, Az.: 25 W (pat) 173/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 20. April 2001 angemeldete Marke AgenDixist am 5. Februar 2002 für

"Dienstleistungen auf dem Gebiet der Entwicklung, Anwendung und Vermarktung analytischer und molekularbiologischer Verfahren, nämlich Nachweis erworbener und vererbter genetischer Merkmale im Bereich der Human- und Veterinärmedizin zu diagnostischen und wissenschaftlichen Zwecken, Aufreinigung, Erzeugung und Lagerung von natürlichen und synthetischen Biopolymeren, Entwicklung von Diagnostikmitteln für Laboruntersuchungen im Bereich der Human- und Veterinärmedizin zu diagnostischen und wissenschaftlichen Zwecken"

unter der Nummer 301 25 529 in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 8. März 2002.

Die Inhaberin der am 17. Juli 1998 für die Waren und Dienstleistungen

"Biochemische Erzeugnisse und Präparate; Pharmazeutische Erzeugnisse und Präparate; Zellreihen zur Forschung und Entwicklung, für klinische, diagnostische und therapeutische Zwecke und für Herstellungszwecke; Embryos von Tieren für Laborzwecke; Forschung und Entwicklung sowie Beratung bei der Entwicklung von pharmazeutischen, biologischen und biotechnologischen Erzeugnissen"

eingetragenen Gemeinschaftsmarke 411 967 ABGENIX hat dagegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen vom 6. August 2003 und vom 28. September 2004, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.

Ausgehend von einer engen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen und unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein beachtlicher Abstand der Marken erforderlich, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern. Dieser werde eingehalten. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei dem aufgrund der vorliegenden Waren bzw. Dienstleistungen angesprochenen Verkehr um Fachleute handele, die den vorliegenden Marken mit größerer Aufmerksamkeit begegneten. Es könne dahinstehen, ob die angesprochenen Fachverkehrskreise die von der Inhaberin der angegriffenen Marke geltend gemachten Begriffsanklänge erkennten, da ausreichende Abweichungen der Marken vorlägen. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit sei nicht zu besorgen. Die Zeichen unterschieden sich durch ihr Umrissbild deutlich voneinander. Im Rahmen der Prüfung der schriftbildlichen Ähnlichkeit dürfe die Binnengroßschreibung der angegriffenen Marke nicht vernachlässigt werden. Ebenso reichten in klanglicher Hinsicht die Abweichungen aus. Auch bei Zugrundelegung einer deutschen Aussprache bestünden durch die unterschiedliche Silbentrennung in "agendix" bzw. "abgenix" erhebliche Abweichungen. Der Anfangsvokal "a" der angegriffenen Marke, dem zwei dreibuchstabige lange Silben folgten, werde als erste Silbe deutlich und langgezogen ausgesprochen. Insbesondere der Vokal "e" trete mit dem nachfolgenden Konsonanten "n" in der zweiten Silbe langgesprochen und deutlich hervor. Dagegen werde der Klang der Widerspruchsmarke durch zwei zweibuchstabige Silben, der eine dreibuchstabige Silbe folge, bestimmt. Die Vokale klängen in den ersten zwei Silben, im Vergleich zu der angegriffnen Marke, sehr kurz an.

Hiergegen hat die Widersprechende am 5. November 2004 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. September 2004 aufzuheben und die Marke "AgenDix" zu löschen.

Die Waren und Dienstleistungen der sich gegenüberstehenden Marken seien zum Teil identisch bzw. lägen im engeren Ähnlichkeitsbereich. Es sei daher ein strenger Maßstab an den Abstand der Marken anzulegen, den die angegriffene Marke nicht einhalte. Die Marken seien insbesondere klanglich sehr ähnlich. Im Erinnerungsbild träten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale stärker hervor als die Unterschiede. Dabei komme Übereinstimmungen in der Vokalfolge eine besondere Bedeutung zu, den geringfügigen Unterschieden in den Konsonanten dagegen nur eine untergeordnete Bedeutung. So habe der BGH eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die klangliche Ähnlichkeit der Marken "Makalu" und "Manaslu" bejaht und das BPatG zwischen "ETHOCYN" und "Entoxin". Entsprechend sei auch im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Vokalfolge und entgegen der Ansicht der Markenstelle auch der Klangrhythmus seien identisch, da beide Zeichen aus drei Silben bestünden und die Betonung jeweils auf der zweiten Silbe liege. Die beiden Wortmarken, die jeweils aus sieben Buchstaben bestünden, unterschieden sich lediglich in den Konsonanten "b" bzw. "d", während die übrigen Wortbestandteile "a", "gen" und "ix" identisch seien. Der dem Wortanfang "a" folgende Konsonant "b" der Widerspruchsmarke "ABGENIX" gehe im Gesamteindruck zudem völlig unter. Trotz der unterschiedlichen Silbentrennung in "agendix" bzw. "abgenix" werde der deutsche Durchschnittsverbraucher die beiden Marken ähnlich aussprechen. Die unterschiedliche Silbentrennung der Marken allein hindere die klangliche Verwechslungsgefahr vorliegend nicht. Schriftbildlich bestehe ebenfalls eine Verwechslungsgefahr, da beide Marken dieselbe Wortlänge aufwiesen, aus sieben Buchstaben bestünden, mit dem identischen Buchstaben "a" begännen und die Endung "ix" gemeinsam hätten. Außerdem enthielten sie jeweils einen Konsonanten mit Oberlänge ("d" bzw. "b"). Aufgrund der Tatsache, dass bei beiden Marken sechs von sieben Buchstaben identisch und die Buchstaben "d" bzw. "b" schriftbildlich sehr ähnlich seien, werde sich der Durchschnittsverbraucher nicht mehr erinnern, an welcher Stelle sich der Konsonant mit seiner Oberlänge befinde. Im Hinblick auf den zu fordernden strengen Maßstab an die Unterscheidbarkeit der Marken vermöge auch der als Majuskel ausgestaltete Buchstabe "d" der angegriffenen Marke im Hinblick auf das Gesamtbild keinen ausreichenden Abstand zu vermitteln.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keinen Antrag gestellt und sich in der Sache zur Beschwerde nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Da Benutzungsfragen nicht angesprochen sind, ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr vom jeweiligen Registerstand auszugehen.

Danach können sich die Marken bei identischen Dienstleistungen begegnen, da die Dienstleistungen der Klasse 42 der Widerspruchsmarke (Forschung und Entwicklung sowie Beratung bei der Entwicklung von pharmazeutischen, biologischen und biotechnologischen Erzeugnissen) zum Teil auch die Dienstleistungen der angegriffenen Marke umfassen, insbesondere die "Dienstleistungen auf dem Gebiet der Entwicklung analytischer und molekularbiologischer Verfahren, nämlich Nachweis erworbener und vererbter genetischer Merkmale im Bereich der Human- und Veterinärmedizin zu diagnostischen und wissenschaftlichen Zwecken, Entwicklung von Diagnostikmitteln für Laboruntersuchungen im Bereich der Human- und Veterinärmedizin zu diagnostischen und wissenschaftlichen Zwecken".

Die Marken können sich lediglich beim Fachverkehr begegnen, da sich die Dienstleistungen der angegriffenen Marke ausschließlich an den Fachverkehr richten. Weitgehend richten sich auch die Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke lediglich an den Fachverkehr, nämlich hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen "Zellreihen zur Forschung und Entwicklung, für klinische, diagnostische und therapeutische Zwecke und für Herstellungszwecke; Embryos von Tieren für Laborzwecke. Forschung und Entwicklung sowie Beratung bei der Entwicklung von pharmazeutischen, biologischen und biotechnologischen Erzeugnissen", also insbesondere in dem Bereich, in dem eine Identität bzw. eine große Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen in Betracht kommen kann. Soweit sich Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke auch an Laien richten können (Biochemische Erzeugnisse und Präparate; Pharmazeutische Erzeugnisse und Präparate) und insoweit nur auf Seiten der angegriffenen Marke der Fachverkehr eingeschaltet ist, weisen sie zu diesen Dienstleistungen zumindest einen erheblichen Abstand auf.

Mangels anderer Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

Die Zeichen weisen hinreichende Unterschiede auf, um eine Verwechslungsgefahr selbst bei identischen Dienstleistungen zu verhindern.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, bei der auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 113), kommt es maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 111). Im Bereich der identischen oder sehr ähnlichen Dienstleistungen sind dies hier ausschließlich Fachleute. Diese sind erfahrungsgemäß auf ihrem Fachgebiet gut unterrichtet (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 112), so dass sie Unterschiede leichter wahrnehmen. Soweit die Widerspruchsmarke für weiter entfernt stehende Waren geschützt ist, ist zudem davon auszugehen, dass auch Laien allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, mit größerer Aufmerksamkeit begegnen als vielen anderen Waren des täglichen Gebrauchs.

Unter diesen Umständen kommen sich die Zeichen klanglich nicht so nahe, dass mit einer Verwechslungsgefahr zu rechnen wäre, denn auch soweit wegen der Identität sich gegenüberstehender Dienstleistungen ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich ist, ist zu berücksichtigen, dass es hier um spezielle Dienstleistungen handelt, die an den Fachverkehr gerichtet sind.

Die Zeichen stimmen zwar in Silbenzahl und Vokalfolge überein und enthalten beide die Buchstaben "a","g","e","n","i" und "x". Der Gesamtklang eines Wortes stellt jedoch nicht nur die bloße Summe einzelner Lautmerkmale dar, sondern bildet ein mit den Mitteln der Sprache nur schwer ausdrückbares Klanggefüge sich gegenseitig beeinflussender und teilweise miteinander verschmolzener Laute, die in ihrer Verbindung trotz beachtlicher formaler Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten oftmals ein insgesamt anders klingendes Ganzes ergeben (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 128). Die unterschiedliche Einfügung des Buchstabens "b" in der ersten Silbe der Widerspruchsmarke und des Buchstabens "D" in der dritten Silbe der angegriffenen Marke führen im vorliegenden Falle dazu, dass die Silbengliederung deutlich verschieden ist und die Zeichen keine einzige Silbe gemeinsam haben ("agendix" gegenüber "abgenix"). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von den zitierten Fallgestaltungen mit jeweils zumindest einer identischen Silbe "ma" (möglicherweise auch noch "lu") bzw. "t(h)o" in den von der Widersprechenden erwähnten Fällen mit den Wörtern "Makalu"/"Manaslu" bzw. "Ethocyn"/"entoxin". Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass der Laut "b" im Gesamtklangbild der Widerspruchsmarke völlig untergeht; vielmehr führt er zu einer anderen Silbengliederung und verstärkt das unterschiedliche Klangbild. Auch der Betonungsrhythmus ist trotz gleicher Silbenzahl für einen erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise verschieden, da die Großschreibung in der Silbe "Dix" viele veranlassen wird, diese Silbe nicht als bloße unbetonte Endung auszusprechen, sondern so, dass auf dieser Silbe zuminderst auch eine Betonung liegt.

Ebenso liegt keine schriftbildliche Ähnlichkeit vor, die zu Verwechslungen Anlass geben könnte. Auch hier ist zu beachten, dass hinsichtlich der identischen oder sich nahe stehenden Dienstleistungen der Fachverkehr angesprochen ist. Bei der insoweit maßgeblichen visuellen Wahrnehmung ist zudem zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 143). Die Einfügung der zusätzlichen Buchstaben "D" bei der angegriffenen Marke und "b" bei der Widerspruchsmarke an zudem unterschiedlicher Wortstelle bleiben daher für den angesprochenen Verkehr nicht unbemerkt. Doch selbst wenn man die Zeichen nur flüchtig betrachten würde, fiele die unterschiedliche Verteilung der Oberlängen, insbesondere die des Buchstabens "D" sofort auf.

Eine begriffliche Ähnlichkeit liegt ebenfalls nicht vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Anmelderin - wie vor der Markenstelle vorgetragen - ihr Zeichen "Agen-Dix" von der Angabe "Applied genetic Diagnostics" ableitet, die Widerspruchsmarke dagegen von der Abkürzung "AB" für "Antibody" und "gen" für "generate" und dadurch begrifflich unterschiedliche Andeutungen vorliegen. Ungeachtet dessen gibt die vorliegende Markenbildung keinen Anlass, aufgrund eines Bedeutungsgehalts der Marken eine Verwechslungsgefahr anzunehmen.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 09.06.2006
Az: 25 W (pat) 173/04


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