Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 7. Januar 2008
Aktenzeichen: 10 Ta 775/07

(LAG Hamm: Beschluss v. 07.01.2008, Az.: 10 Ta 775/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in der Entscheidung vom 7. Januar 2008 (Aktenzeichen 10 Ta 775/07) den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 12.11.2007 teilweise abgeändert. Dabei ging es um die Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit in einem Beschlussverfahren, das der Betriebsrat gegen die Arbeitgeberin eingeleitet hatte.

Im Ausgangsverfahren hatte der Betriebsrat den Fortbestand seines Mandats nach einem Betriebsübergang auf die Arbeitgeberin angefochten. Der Betriebsrat forderte in dem Verfahren die Feststellung, dass sein Mandat auch nach dem Betriebsübergang weiterhin besteht und die Unterlassung von Behinderungen seiner Tätigkeit.

Das Arbeitsgericht Münster hatte den Gegenstandswert für das Verfahren auf 4.000 Euro festgesetzt. Dagegen legten die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats Beschwerde ein. Sie waren der Meinung, dass der Wert insgesamt auf 10.000 Euro festgesetzt werden müsse.

Das Landesarbeitsgericht Hamm gab der Beschwerde statt und setzte den Gegenstandswert auf 10.000 Euro fest. Dabei orientierte es sich an der Rechtsprechung zur Bewertung von Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG und berücksichtigte die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder. Für den Feststellungsantrag des Betriebsrats wurde ein Wert von 6.000 Euro angenommen, für den Unterlassungsantrag ein Wert von 4.000 Euro.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist kostenfrei.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LAG Hamm: Beschluss v. 07.01.2008, Az: 10 Ta 775/07


Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 12.11.2007 - 2 BV 28/07 - teilweise abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf

10.000,00 € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf Fortbestand seines Mandats in Anspruch genommen, nachdem die M1 Handelsgesellschaft mbH & Co. OHG den Betrieb des Baumarktes E1 mit Wirkung zum 01.09.2007 auf die Arbeitgeberin übertragen hatte. Im Baumarkt E1 war ein einköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Unter anderem unter Hinweis auf einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG a. F. vom 10.09.1999 hatte die Arbeitgeberin den Fortbestand des Betriebsrats in Abrede gestellt.

Mit dem am 26.09.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat daraufhin folgende Anträge angekündigt:

"1. Es wird festgestellt, dass das Mandat des Betriebsrats auch nach dem Übergang des Betriebes des Baumarktes E1, W1 Str. 12, 12345 E1, auf die Arbeitgeberin per 01.09.2007 fortbesteht,

2. der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, den Betriebsrat in der Ausübung seiner Tätigkeit dadurch zu behindern, dass gegenüber den Arbeitnehmern des Baumarktes E1 behauptet wird, der Betriebsrat bestehe nicht mehr."

Nach Rücknahme der Anträge im Ausgangsverfahren hat das Arbeitsgericht auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats durch Beschluss vom 12.11.2007 den Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss vom 12.11.2007 wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit der am 16.11.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sind der Auffassung, dass der Gegenstandswert insgesamt mit 10.000,00 € bemessen werden müsse. Der Feststellungsantrag, mit dem der Fortbestand des Mandats des Betriebsrats über den 01.09.2007 hinaus begehrt werde, sei vergleichbar mit Verfahren über die Anfechtung einer Betriebsratswahl, in denen es ebenso um die Legitimation und den Fortbestand des Betriebsrats als Gremium gehe. Der Unterlassungsantrag sei mit dem einfachen Hilfswert von 4.000,00 € anzusetzen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 10.000,00 € festzusetzen. Der Feststellungsantrag war mit 6.000,00 €, der Unterlassungsantrag mit 4.000,00 € zu bemessen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (früher: § 8 Abs. 2 BRAGO) stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist ebenso wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber immer erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 – NZA-RR 2005, 435; GK/Wenzel, ArbGG, § 121 Rz. 194, 441 ff.).

Zutreffend gehen die Beteiligten wie auch das Arbeitsgericht für den vorliegenden Fall davon aus, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nicht vermögensrechtlicher Natur (Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 445). Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat den Fortbestand seines Mandats über den 01.09.2007 hinaus in Folge eines Betriebsübergangs geltend gemacht. Insoweit handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für die grundsätzlich der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts konnte aber der Feststellungsantrag einschließlich des Unterlassungsantrags nicht mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von 4.000,00 € bemessen werden. Der Gegenstandswert für den Feststellungsantrag beträgt vielmehr in Anlehnung an die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts zur Festsetzung des Gegenstandswerts in Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG 6.000,00 €.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebs bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, Beschluss vom 17.12.1991 – NZA 1992, 327; LAG Thüringen, Beschluss vom 13.11.1998 – AuR 1999, 146; LAG Köln, Beschluss vom 10.10.2002 – NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.2003 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm, Beschluss vom 09.03.2001 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 – NZA-RR 2005, 435; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 461, 464). Ein Wahlanfechtungsverfahren, das die Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrats zum Gegenstand hätte, würde hiernach mit einem Gegenstandswert von 6.000,00 € bewertet.

Für den Feststellungsantrag im Ausgangsverfahren, der den Fortbestand des Mandats des Betriebsrats über den 01.09.2007 hinaus zum Gegenstand hatte, kann nichts anderes gelten. Dass das vorliegende Verfahren nicht direkt im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl eingeleitet worden ist, erscheint für die Wertfestsetzung unerheblich (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 17.12.1996 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 37). Sachgerecht auch für das vorliegende Verfahren ist es, bei der Wertfestsetzung an die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer anzuknüpfen. Dies sind im vorliegenden Fall ca. 16 Beschäftigte. Insoweit erscheint es angemessen, auch bei der Wertfestsetzung für den Feststellungsantrag von den für Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG entwickelten Grundsätzen auszugehen. Auch im vorliegenden Verfahren erscheint der Rückgriff auf die Stufen des § 9 BetrVG angemessen, weil sich in diesen Stufen und der dort jeweils festgelegten Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats die Bedeutung der Angelegenheit widerspiegelt (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 17.12.1996 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 37; LAG Bremen, Beschluss vom 12.05.1999 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 43). Angesichts der Größe des Baumarktes E1 und des dort gewählten Betriebsrat kann nicht vom einfachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ausgegangen werden.

Zu dem Wert für den Feststellungsantrag von 6.000,00 € war für den vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsantrag der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von 4.000,00 € hinzuzurechnen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin betrafen der Feststellungsantrag und der Unterlassungsantrag nicht denselben Streitgegenstand. Während der Betriebsrat mit dem Feststellungsantrag den Fortbestand seines Mandats über den 01.09.2007 hinaus geltend gemacht hat, hat er mit dem Antrag zu 2) die Unterlassung der Behinderung seiner Betriebsratstätigkeit (§ 78 BetrVG) geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Zwischen den Anträgen besteht keine wirtschaftliche Identität.

III.

Nach § 1 Satz 2 GKG waren Kosten nicht zu erheben (KV 8614 GKG), da der Beschwerde stattgegeben worden ist.

Schierbaum /N.






LAG Hamm:
Beschluss v. 07.01.2008
Az: 10 Ta 775/07


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