Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 30. August 2010
Aktenzeichen: 31 Wx 024/10, 31 Wx 24/10

(OLG München: Beschluss v. 30.08.2010, Az.: 31 Wx 024/10, 31 Wx 24/10)

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag vom 18.3.2009 auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung von Zahlungen der beteiligten Aktiengesellschaft für eigene und fremde Rechtsanwalts- und Gerichtskosten im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten zwischen der Antragstellerin einerseits und der Gesellschaft sowie (teils ehemaligen) Aktionären andererseits. In der Hauptversammlung vom 15.7.2008 war ein entsprechender Antrag abgelehnt worden. Die Antragstellerin, eine niederländische Beteiligungsgesellschaft, hält rund 27 % der auf den Namen lautenden, vinkulierten Stückaktien.

Zwischen der Antragstellerin und der Gesellschaft sowie anderen Aktionären waren ab Ende September 2005 Rechtsstreite anhängig im Zusammenhang mit einer Kontrollwechselklausel (€Zweite Zusatzvereinbarung€), die als Sanktion für einen Verstoß die entschädigungslose Einziehung der Aktien vorsah. Nachdem für den 12.10.2005 eine außerordentliche Hauptversammlung zur Beschlussfassung über die Einziehung der Aktien der Antragsstellerin einberufen worden war, leitete diese drei gerichtliche Verfahren ein:

a) Beim Landgericht München II beantragte sie am 29.9.2005 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft und acht Aktionäre mit dem Ziel, den Aktionären der Antragsgegnerin die Ausübung ihrer Stimmrechte auf der Hauptversammlung am 12.10.2005 und der Antragsgegnerin die Ausführung eines etwaigen gefassten Beschlusses zu untersagen. Diesen Antrag nahm sie mit Schriftsatz vom 12.10.2005 zurück und beantragte, den im Antrag mit rund 9 Mio. € bezifferten Streitwert auf 500.000 € festzusetzen. Mit Beschluss vom 6.10.2006 wurden ihr die Kosten dieses Verfahrens auferlegt.

b) Beim Landgericht München I stellte die Antragstellerin am 5.10.2005 einen gleichlautenden Antrag. Am 6.10.2005 wurde antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, die nach Widerspruch mit Urteil vom 16.3.2006 hinsichtlich der Gesellschaft aufgehoben und hinsichtlich der Aktionäre aufrechterhalten wurde. Mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 13.9.2006 wurde die einstweilige Verfügung insgesamt aufgehoben und der Antrag zurückgewiesen. Die Gerichtskosten erster Instanz wurden von der Landesjustizkasse anteilig von jedem einzelnen Beklagten eingefordert. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.1.2007 wurden die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf rund 151.000 € zuzüglich Zinsen festgesetzt.

c) Mit Schriftsatz vom 27.9.2005 erhob die Antragstellerin beim Landgericht München II Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der €Zweiten Zusatzvereinbarung€ gegen die Gesellschaft sowie 18 (teils ehemalige) Aktionäre, der durch Urteil des Landgerichts München II vom 19.10.2006 teilweise stattgegeben wurde. Der Berufung der Antragstellerin wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts München vom 18.10.2007 teilweise stattgegeben. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin wurde inzwischen durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.9.2009 zurückgewiesen (AG 2009, 870). In erster und zweiter Instanz wurden die Kosten gegeneinander aufgehoben. Die Landesjustizkasse forderte am 29.1.2007 die Gesellschaft zur Zahlung von 114.000 € auf, was der Hälfte der gesamten Gerichtskosten aus dem Streitwert von rund 40 Mio. € entsprach. Die Gesellschaft bezahlte diesen Betrag, ebenso den mit Beschluss vom 22.1.2007 zugunsten der Antragstellerin festgesetzten Betrag (Gerichtskostenausgleich) von rund 71.000 € an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Nach Herabsetzung des Streitwerts auf 30 Mio. € erstattete die Landesjustizkasse Ende März 2007 der Gesellschaft zuviel gezahlte Gerichtskosten in Höhe von 87.450 €, so dass die Gesellschaft noch mit rund 97.900 € belastet war. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1.2.2008 wurde der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4 Mio. € festgesetzt und die Beschwerde der Gesellschaft gegen die Festsetzung des Landgerichts zurückgewiesen.

Ihren Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern begründete die Antragstellerin im Wesentlichen damit, dass der Vorstand Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von zumindest mehreren Hunderttausend Euro aus der Gesellschaftskasse beglichen habe, die von den mitverklagten Aktionäre hätten getragen werden müssen. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung sei jedenfalls ein Zinsnachteil von 4.218 € entstanden, da die Gesellschaft von Beginn des Verfahrens am 5.10.2005 bis zur Erstattung aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 9.1.2007, mithin über 15 Monate, die Anwaltskosten bezahlt habe. Hinsichtlich der Gerichtskosten des Feststellungsverfahrens sei der Gesellschaft bei einem Zinssatz von 5 % ein Zinsschaden von 7.221, 27 € entstanden, selbst wenn es die behaupteten Erstattungszahlungen gegeben habe, was erst durch die Sonderprüfung zu klären sei. Alle Anwaltskosten seien von der Gesellschaft bezahlt worden, die Höhe sei von der Sonderprüfung zu klären. Wie sich den Prüfungsberichten zu den Jahresabschlüssen entnehmen lasse, seien 2005, 2006 und 2007 bei der Antragsgegnerin insgesamt Rechtsanwaltshonorare in Höhe von rund 1,3 Mio. Euro angefallen. So seien im Jahresabschluss 2005 Aufwendungen für Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 67.000 € gegenüber 8.000 € im Vorjahr enthalten; der Anstieg in Höhe von 59.000 € lasse sich nur durch die 2005 von der Antragstellerin eingeleiteten Gerichtsverfahren erklären. Zum Jahresabschluss 2006 werde im Prüfungsbericht zu €sonstiger Betriebsaufwand€ ausgeführt, der Mehraufwand bestehe im Wesentlichen aus Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 577.000 €, die hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit eines Aktionärs angefallen seien. In der Hauptversammlung vom 17.7.2007 habe der Vorstand auf Frage der Antragstellerin sinngemäß erklärt, die Antragsgegnerin habe bisher alle Kosten der anhängigen Rechtsstreitigkeiten gezahlt; bereits bezahlte Kosten und Rückstellungen für künftige Kosten beliefen sich auf rund 600.000 €; über die Umlegung der Kosten auf die anderen Beklagten werden nach dem Ende der Rechtsstreite entschieden. Im Jahresabschluss 2007 seien zwar Rechts- und Beratungskosten nicht genannt, jedoch betrage der €sonstige Betriebsaufwand€ 1.725.000 €, wovon nach Abzug der ausdrücklich aufgeführten Teilbeträge für andere Bereiche ein Betrag von 713.000 € verbleibe. Insgesamt seien daher in den Jahren 2005 bis 2007 offenbar Rechtsanwaltshonorare in Höhe von 1.349.000 € im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren angefallen. Die Zahlung der Prozesskosten für die Aktionäre verstoße gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr und sei nach § 266 StGB als Untreue strafbar. Der Einziehungsversuch des Vorstands sei, wie gerichtlich festgestellt, sittenwidrig gewesen.

Die Gesellschaft wandte dagegen ein, dass im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.1.2007 keine Anwaltskosten in Rechnung gestellt worden seien. Im Feststellungsverfahren seien 18/19 der Gerichtskosten nebst 4 % Zinsen von den mitverklagten Aktionären im April/Mai 2008 an die Gesellschaft bezahlt worden. Die Rechtsanwaltskosten für dieses Verfahren seien ausschließlich den Aktionären in Rechnung gestellt und von diesen bezahlt worden. Von den anwaltlichen Vertretern der Gesellschaft seien entsprechend der Honorarvereinbarung im Zeitraum 2005 € 2007 drei Rechnungen (31.12.2005, 30.4.2006, 30.9.2006) über insgesamt 244.197,13 € gestellt und von der Gesellschaft bezahlt worden. Darin seien alle außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeiten für die Gesellschaft in diesem Zeitraum enthalten gewesen, auch allgemeiner Beratungsaufwand etwa zur Vorbereitung der Hauptversammlung. Zwei weitere Rechnungen vom 31.1.2006 (über 37.695,19 €) und vom 30.9.2007 (über 132.992,09 €) seien von der Gesellschaft nicht beglichen worden. Nach dem Streitwertbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 1.2.2008 habe sich für die erste Instanz eine Gebühr in Höhe von 489.984,88 € ergeben, die ausschließlich anteilig den mitverklagten Aktionären in Rechnung gestellt und von diesen bezahlt worden sei. Für die zweite Instanz sei keine Rechnung gestellt worden. Soweit in den von der Gesellschaft bezahlten Rechnungen vom 31.12.2005, 30.4.2006 und 30.9.2006 Aufwand für die nach dem RVG abzurechnenden Gerichtsverfahren enthalten gewesen sei, seien diese gutgeschrieben und € soweit bezahlt - zurückerstattet worden.

Das Landgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 21.1.2010 zurück. Hinsichtlich des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München I habe die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, dass sie lediglich den auf sie entfallenen Anteil der Gerichtskosten in Höhe von 443,40 € bezahlt habe. Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten in diesem Verfahren seien für Zahlungen der Gesellschaft zugunsten der mitbeklagten Aktionäre keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Demgegenüber habe die Antragsgegnerin vorgetragen, dass die Kostenfestsetzung erstmals durch Beschluss vom 15.1.2007 nach Beendigung des Verfahrens und vollständigem Obsiegen erfolgt sei. Im Feststellungsverfahren habe die Gesellschaft die Rechnung der Landesjustizkasse und die Forderung aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2.1.2007 bezahlt. Für diese Beträge habe sie als Gesamtschuldnerin gehaftet und mit der Zahlung eine eigene Schuld erfüllt. Dass nicht unmittelbar nach der Zahlung Ausgleichsansprüche gegenüber den übrigen gesamtschuldnerisch haftenden Aktionären geltend gemacht worden seien, könne nicht als Unredlichkeit angesehen werden, da Unklarheiten im Hinblick auf die Höhe des endgültigen Streitwertes bestanden hätten. Über die Streitwertbeschwerde der Gesellschaft sei erst mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1.2.2008 entschieden worden. Im ersten Halbjahr 2008 hätten die Aktionäre die Gerichtskosten einschließlich Zinsen beglichen. Zu den Rechtsanwaltskosten des Feststellungsverfahrens, deren Höhe die Antragstellerin aus den Prüfberichten der Jahresabschlüsse mit rund 1,3 Mio. Euro ableite, habe die Antragsgegnerin vorgetragen, dass ihre Verfahrensbevollmächtigten lediglich drei Rechnungen in Höhe von insgesamt rund 244.000 € gestellt hätten, die auch bezahlt worden seien, während Beträge aus zwei weiteren Rechnungen vom 31.12.2006 und 30.9.2007 nicht mehr bezahlt worden seien. Das sei durch die von der Antragsgegnerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung des kaufmännischen Leiters D.T. glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin weitere Zahlungen seitens der Gesellschaft an ihre Verfahrensbevollmächtigten behaupte, handle es sich nicht um ausreichende Tatsachen, sondern um bloße Vermutungen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, es fehle nach wie vor eine umfassende Offenlegung des maßgeblichen Sachverhalts. Sie gehe weiter davon aus, dass die Gesellschaft mit Gerichtskosten im Feststellungsverfahren belastet worden sei. Es bestünden zumindest Indizien, dass ursprünglich ein Regress gegen die Aktionäre nicht beabsichtigt gewesen sei. Dokumentation und bilanzielle Erfassung der Regressansprüche seien nicht erfolgt. Auch habe der zuständige Strafsenat im von ihr angestrengten Klageerzwingungsverfahren in seiner Verfügung vom 4.3.2010 die Auffassung vertreten, die Verbuchung des entstandenen Aufwands ohne gleichzeitige Verbuchung des entsprechenden Erstattungsanspruchs spreche entscheidend für die Annahme, dass die Kostenübernahme seitens der Gesellschaft von vorneherein endgültig beabsichtigt gewesen sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 142 Abs. 5 Satz 2, Abs. 8 AktG a.F. i. V. m. § 22 FGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat es zu Recht abgelehnt, Sonderprüfer zu bestellen zur Prüfung der Zahlungen der Gesellschaft für Rechtsanwalts- und Gerichtskosten im Zusammenhang mit den 2005 eingeleiteten Rechtsstreitigkeiten mit der Antragstellerin.

111. Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern ist das Vorliegen von Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind (§ 142 Abs. 2 Satz 1 AktG). Erforderlich ist zunächst, dass die Antragsteller Tatsachen vortragen, aus denen sich, wenn auch nur mittelbar, diese Verdachtsgründe ergeben. Unsubstantiierte Behauptungen, bloße Verdächtigungen oder Vermutungen reichen nicht aus. Die Antragsteller brauchen die von ihnen behaupteten Indiztatsachen zunächst bei Antragstellung weder zu beweisen noch glaubhaft zu machen. Dem Antrag kann aber nur stattgegeben werden, wenn das Gericht nach Anhörung der Gesellschaft und des Aufsichtsrats zu der Überzeugung gelangt, dass hinreichende Tatsachen vorliegen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung begründen. Gegebenenfalls kann das Gericht dazu ergänzende Ermittlungen anstellen. Wird der Vortrag der Antragsteller widerlegt, so ist der Antrag abzuweisen. Ob jedoch tatsächlich Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes bzw. der Satzung vorgekommen sind, ist im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der Sonderprüfung ebenso wenig zu beurteilen wie die Frage, welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben können. Andernfalls würde nämlich dem Ergebnis der Sonderprüfung vorgegriffen (vgl. OLG München AG 2008, 33/35; GroßKommAktG/Bezzenberger 4. Aufl. § 142 Rn. 62). Aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich ein hinreichender Tatverdacht für eine Unredlichkeit oder erhebliche Pflichtverletzung ergeben, d. h. diese müssen denklogisch wahrscheinlich und nicht bloß nur möglich sein (MünchKommAktG/Schröer 2. Aufl. § 142 Rn. 69; Schmidt/Lutter/Spindler § 142 Rn. 55). An die Überzeugung des Gerichts zum Vorliegen der Tatsachen sind hohe Anforderungen zu stellen (OLG Stuttgart NZG 2010, 864/865; BT-Drs. 15/5092 S. 18).

2. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gesellschaft kein hinreichender Tatverdacht dafür vorliegt, dass bei der Geschäftsführung im Zusammenhang mit der Zahlung der Verfahrenskosten Unredlichkeiten oder grobe Pflichtverletzungen vorgekommen sind. Soweit die Antragstellerin überhaupt hinreichende Tatsachen zur Begründung ihres Verdachts vorgetragen hat, die Gesellschaft habe an Stelle ihrer Streitgenossen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten getragen, hat das Landgericht diese zu Recht als widerlegt angesehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen auszuführen:

a) Was das beim Landgericht München I geführte Verfahren der einstweiligen Verfügung angeht, sind schon keine konkreten Anhaltspunkte für eine Kostenübernahme der Gesellschaft zugunsten der mitverklagten acht Aktionäre vorgetragen, wie das Landgericht richtig hervorgehoben hat. Die Gerichtskosten wurden von der Landesjustizkasse anteilig bei jedem der Streitgenossen angefordert, was auch die Antragstellerin nicht bestreitet. Mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 13.9.2006 wurden die außergerichtlichen Kosten der Beklagten der Antragstellerin auferlegt und aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 7.1.2007 von dieser beglichen, was sie ebenfalls nicht in Abrede stellt. Ihre Behauptung, die Gesellschaft habe in diesem Verfahren Anwaltskosten auch für ihre Streitgenossen bezahlt und deshalb bis zur Erstattung durch die Antragstellerin einen Zinsschaden in Höhe von rund 4.200 € erlitten (ausgehend von monatlichen Abrechnungen und einem Zinssatz von 5 %), wird durch keine konkreten Anhaltspunkte belegt. Soweit die Antragstellerin es als €sehr verwunderlich€ ansieht, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin über die Rechtsanwaltskosten im einstweiligen Verfügungsverfahren erst nach dessen Abschluss abgerechnet haben, ersetzt diese Meinungsäußerung keinen Tatsachenvortrag. Aus dem Umstand, dass die Rechnungen der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 31.12.2005, 30.4.2006 und 30.9.2006 über insgesamt rund 244.000,00 € €für sämtliche außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeiten€ ausgestellt wurden, ergibt sich nicht, dass darin entgegen dem ausdrücklichen Sachvortrag der Gesellschaft, die im hier anhängigen Verfahren von denselben Rechtsanwälten vertreten wird wie in den Zivilprozessen mit der Antragstellerin, auch Kosten für das Verfahren der einstweiligen Verfügung umfasst waren.

14b) Hinsichtlich der Gerichtskosten des Feststellungsverfahrens hat das Landgericht zu Recht die Behauptung der Antragstellerin als widerlegt angesehen, die Gesellschaft habe auf Dauer mehr als einen Anteil von 1/19 getragen. Die Gesellschaft hat erläutert und durch Vorlage von Kopien der Kontoauszüge und der Korrespondenz im Einzelnen belegt (Anlagenkonvolut AG 15), dass im April/Mai 2008 insgesamt 18/19 der verauslagten Kosten zuzüglich 4 % Zinsen von den übrigen Streitgenossen an sie zurückbezahlt worden sind. Die Antragstellerin bemängelt insoweit erfolglos, es fehle €eine umfassende Offenlegung des maßgeblichen Sachverhalts€, so dass sie nach wie vor davon ausgehe, dass die Gesellschaft €mit Gerichtskosten belastet€ sei. Wie oben ausgeführt, kann einem Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern nur stattgegeben werden, wenn das Gericht nach Anhörung der Gesellschaft und des Aufsichtsrats zu der Überzeugung gelangt, dass hinreichende Tatsachen vorliegen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung begründen. Das ist bezüglich der Gerichtskosten des Feststellungsverfahrens nach Vorlage der Belege über die von den mitverklagten Aktionären an die Gesellschaft geleisteten Zahlungen nicht mehr der Fall. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus eine €umfassende Offenlegung€ des Sachverhalts für erforderlich hält, reicht das nicht aus, um die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern zu rechtfertigen. Der Senat geht wie das Landgericht davon aus, dass die Gesellschaft letztlich mit 1/19 der Gerichtskosten belastet geblieben ist, mithin dem Anteil, der nach § 426 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz BGB auf sie entfällt. Für eine diesen Anteil übersteigende andauernde Belastung fehlt jeder Anhalt. Ob nach § 426 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BGB eine andere, die Gesellschaft in höherem Umfang belastende Aufteilung vorzunehmen gewesen wäre € wie die Antragsgegnerin meint - bedarf deshalb keiner Entscheidung. Dasselbe gilt für den Zinsschaden, denn für die von der Gesellschaft erzielbaren Anlagezinsen ergibt sich nichts aus dem von der Antragstellerin herangezogenen Drei-Monats-Euribor.

c) Die Rechtsanwaltskosten des Feststellungsverfahrens, die von den anwaltlichen Vertretern nach dem RVG mit knapp 500.000 € berechnet wurden, wurden nach dem durch die entsprechenden Rechnungen (Anlagenkonvolut A 19) belegten Sachvortrag der Gesellschaft ausschließlich von den übrigen Streitgenossen getragen. Ein etwaiger Zinsverlust, den die Antragstellerin mit mindestens 16.500 € errechnet, ist mehr als ausgeglichen durch die Freistellung der Gesellschaft von dem auf sie entfallenden Anteil, der schon bei 1/19 rund 25.700 € beträgt. Bereits das widerlegt den Verdacht der Antragstellerin, die Gesellschaft habe die außergerichtlichen Kosten ihrer Streitgenossen in diesem Verfahren getragen, den die Antragstellerin aus den in den Jahresabschlüssen enthaltenen Aufwand für Rechts- und Beratungskosten herleitet.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin konnte das Landgericht auch die eidesstattliche Versicherung des kaufmännischen Leiters der Gesellschaft in seine Würdigung einbeziehen, wonach die Gesellschaft an ihre Prozessbevollmächtigten für deren gesamte, auch außergerichtliche Tätigkeit im fraglichen Zeitraum nicht mehr als rund 244.000 € bezahlt habe. Die eidesstattliche Versicherung ist ein im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Mittel der Glaubhaftmachung zulässiges Beweismittel. Glaubhaftmachung ist eine Art der Beweisführung, durch die dem Gericht nicht die volle Überzeugung, sondern lediglich die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines zu beweisenden Sachverhalts vermittelt werden muss. Der mindere Gewissheitsgrad einer Glaubhaftmachung muss bei der Beweiswürdigung jedoch beachtet werden, wenn der Beweis für die Richtigkeit bestimmter Tatsachen durch Strengbeweismittel als erbracht angesehen werden kann und durch eine eidesstattliche Versicherung der Gegenbeweis geführt werden soll (Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rn. 71; BayObLG NZM 2000, 245 zu dem durch öffentliche Urkunde geführten vollen Beweis der wirksamen Zustellung; OLG Köln OLGZ 1981, 444 zum Vollbeweis durch notarielle Urkunde). Das ist hier nicht der Fall, denn die Antragstellerin hat nicht den Strengbeweis dafür erbracht, dass die von ihr aus den Prüfberichten zu den Jahresabschlüssen entnommenen Rechts- und Beratungskosten in dem von ihr behaupteten Umfang an die Prozessbevollmächtigten der Gesellschaft bezahlt worden sind. Das Landgericht konnte die eidesstattliche Versicherung als geeignet ansehen, den Vortrag der Antragsgegnerin zu stützen und den von der Antragstellerin dargelegten, nur mittelbar auf Tatsachen € nämlich die in den Prüfberichten genannten Rechts- und Beratungskosten € gegründeten Verdacht der Übernahme fremder Kosten durch die Gesellschaft zu entkräften.

d) Die von der Antragstellerin aufgeführten möglichen Versäumnisse bei der Behandlung der Regressforderung gegen die übrigen Streitgenossen führen zu keiner anderen Beurteilung. Wie der Senat bereits entschieden hat, stellen die von der Gesellschaft als Gesamtschuldnerin geleisteten Zahlungen an Gläubiger keine Einlagenrückgewähr im Sinne des § 57 Abs. 1 AktG dar (vgl. Beschluss vom 2.7.2009, 31 Wx 24/09, AG 2009, 745; zustimmend Theusinger/Rosa EWiR 2010, 101). Es kann dahinstehen, ob der Vorstand gehalten gewesen wäre, die auf die übrigen Streitgenossen entfallenden Anteile nicht erst nach über einem Jahr einzufordern. Darin kann jedenfalls keine grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung gesehen werden, nachdem eine Gefährdung der Regressansprüche nicht ersichtlich und die Gesellschaft mit umfangreichen liquiden Mitteln ausgestattet war. Zudem erscheint es angesichts der Unsicherheiten hinsichtlich des Streitwerts und der endgültigen Höhe der Kosten keineswegs abwegig, zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand vor einer Einforderung der Kostenanteile eine rechtskräftige Festsetzung des Streitwerts abzuwarten, die für das fragliche Verfahren mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1.2.2008 erfolgt ist. Offen bleiben kann auch, ob eine eindeutige Dokumentation und ein ausdrücklicher Vorbehalt von Regressforderungen gegenüber den Aktionären erforderlich gewesen wären. Die nach § 142 Abs. 1 Satz 2 AktG notwendige Wahrscheinlichkeit für ein unredliches oder grob pflichtwidriges Verhalten des Vorstands lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungspflicht insoweit grob verletzt hätte. Der Frage, wann die einzelnen Aktionäre jeweils von der Verauslagung der Kosten durch die Gesellschaft erfahren haben, kommt deshalb keine entscheidende Bedeutung zu.

e) Für die Mutmaßung der Antragstellerin, die - tatsächlich erfolgte - Rückforderung insbesondere der im Januar 2007 bezahlten Gerichtskosten sei von den Organen der Gesellschaft ursprünglich nicht beabsichtigt gewesen, fehlen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, hatte der Vorstand bereits in der Hauptversammlung vom 17.7.2007 auf ihre Frage angekündigt, nach Abschluss des Verfahrens die auf die übrigen Streitgenossen entfallenden Kosten einzufordern. Mit Schreiben vom 14.1.2008 an die Antragstellerin (Anlage Ast 34) teilten Aufsichtsrat und Vorstand mit, die noch nicht endgültig bestimmbaren Prozesskosten aus den erwähnten gerichtlichen Verfahren würden einschließlich etwaiger Finanzierungsaufwendungen in vollem Umfang von den beklagten Aktionären getragen, soweit nicht die Gesellschaft selbst Beklagte sei. Das spricht auch gegen die Annahme der Antragstellerin, die Einforderung sei nur unter dem Druck des Ermittlungsverfahrens erfolgt, das aufgrund ihrer Strafanzeige vom 24.1.2008 gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtrats eingeleitet worden war. Die unterbliebene Aktivierung der Regressforderungen zwingt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu dem Schluss, dass kein Wille zur Durchsetzung der Ausgleichsansprüche bestanden habe. Zwar sind Rückgriffsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner grundsätzlich zu aktivieren (vgl. Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. § 246 HGB Rn. 419f.). Ob eine bilanzielle Abbildung der Erstattungsansprüche bereits durch die Verminderung der Rückstellungen zutreffend erfolgt ist, wie die Gesellschaft meint, kann dahinstehen. Auch eine möglicherweise unterbliebene oder fehlerhafte bilanzielle Erfassung lässt hier unter Berücksichtigung der gesamten Umstände € insbesondere der Ausführungen in der Hauptversammlung vom 17.7.2007 und im Schreiben an die Antragstellerin vom 14.1.2008 - nicht den Schluss zu, eine Geltendmachung der Ausgleichsforderung sei nicht beabsichtigt gewesen. Die unterlassene Buchung einer Forderung kann weder mit einem Verzicht auf eine bestehende Forderung noch mit der Absicht des Erlasses gleichgesetzt werden.

3. Unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgetragenen Indiztatsachen einerseits und des belegten bzw. glaubhaft gemachten Sachvortrags der Gesellschaft andererseits gelangt der Senat ebenso wie das Landgericht nicht zu der Überzeugung, dass hinreichende Tatsachen vorliegen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung begründen. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern sind deshalb nicht gegeben. Ob der mit dem Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) befasste Strafsenat im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft aufgrund des ihm unterbreiteten Sachverhalts einen hinreichenden Tatverdacht für eine Untreue (§ 266 StGB) sieht, ist im vorliegenden Verfahren ohne Belang.

Nachdem es bereits an hinreichenden Verdachtsgründen für ein unredliches oder grob pflichtwidriges Verhalten fehlt, kann offen bleiben, ob die Anordnung einer Sonderprüfung hier unverhältnismäßig wäre, weil deren Kosten und negativen Auswirkungen für die Gesellschaft nicht in angemessenem Verhältnis zu dem durch das Fehlverhalten ausgelösten Schaden stünden (vgl. BT-Drucks. 15/5092, S. 18; OLG Düsseldorf ZIP 2010, 28/30).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 30 Abs. 1 KostO.






OLG München:
Beschluss v. 30.08.2010
Az: 31 Wx 024/10, 31 Wx 24/10


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