Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. August 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 338/04

(BPatG: Beschluss v. 08.08.2007, Az.: 19 W (pat) 338/04)

Tenor

Das Patent 102 29 449 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 25 nach Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2007, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Für die am 1. Juli 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung, für welche die Priorität der Patentanmeldung vom 5. Juli 2001 in Frankreich (Az.: FR 01.08960) in Anspruch genommen ist, wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 1. April 2004 veröffentlicht.

Das Patent betrifft einen Verriegelungsbeschlag eines Flügels, der zu seiner Befestigung mit versetzten inneren und äußeren Abstützmitteln versehen ist.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 30. Juni 2004, eingegangen am gleichen Tage, Einspruch mit der Begründung erhoben, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber einer von ihr erstmals ins Verfahren eingeführten Druckschrift nicht neu.

Die zur mündlichen Verhandlung ankündigungsgemäß (Schriftsatz vom 19. Juli 2007) nicht erschienene Einsprechende stellt schriftsätzlich (30. Juni 2004) den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 26 gemäß Eingabe vom 1. Dezember 2004, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Hilfsweise:

Patentansprüche 1 bis 25 nach Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2007, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Verriegelungsbeschlag eines Flügels (3) umfassend ein Gehäuse (8) zum Einführen von außen in einen Montageschlitz (1), der in einer Frontwand (2) des Flügels (3) vorgesehen ist, wobei dieser Verriegelungsbeschlag mit Mitteln zum Befestigen an der Frontwand (2) versehen ist, die Folgendes umfassen:

Außenabstützmittel (12), die so gestaltet sind, dass sie an der Außenseite (32) der Frontwand (2) anliegen, Innenabstützmittel (17), die so gestaltet sind, dass sie an der Innenseite (31) der Frontwand (2) anliegen und bewegliche Innenabstützmittel (17) umfassen, die in Bezug auf das Gehäuse (8) geführt werden und so gestaltet sind, dass sie von einer Einbauposition, in der sie in eine Position versenkt sind, in der sie die Passage des Gehäuses (8) in den Montageschlitz (1) von außen zulassen, in eine Befestigungsposition verschoben werden können, in der sie gegenüber der Innenfläche (31) der Frontwand (2) und an dieser Innenfläche (31) anliegend verlaufen, dadurch gekennzeichnet, dass die Außenabstützmittel (12) und die Innenabstützmittel (17) so gestaltet sind, dass wenigstens ein Teil der beweglichen Innenabstützmittel (17) in der Befestigungsposition gegen einen Abschnitt der Innenseite (31) der Frontwand (2) zur Anlage kommt, der sich gegenüber einem Abschnitt der Außenseite (32) der Frontwand (2) erstreckt, der vom Außenabstützmittel (12) freigelassen wird."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ergibt sich aus dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch Hinzufügung des Merkmals,

"und dass die Außenabstützmittel (12) so gestaltet sind, dass sie vollständig in Anlage an einem Abschnitt der Außenseite (32) der Frontwand (2) verlaufen und sich gegenüber einem Abschnitt der Innenseite (31) der Frontwand (2) erstrecken, die von den inneren Abstützmitteln freigelassen wird."

Den Gegenständen gemäß den beiden Patentansprüchen liegt nach den Ausführungen des Vertreters der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung das Problem zugrunde, einen Verriegelungsbeschlag anzugeben, dessen Befestigung zuverlässig ist, auch wenn nach langer und intensiver Benutzung die Einspannkräfte der Abstützmittel nachlassen sollten (vgl. auch Absatz [0010] der PS).

Die Patentinhaberin ist der Ansicht, dass die elastische Durchbiegung der Frontwand aufgrund des anspruchsgemäßen gegenseitigen Versatzes der Anlageabschnitte von Außen- und Innenabstützmitteln bewirkt wird, die auch bei einem Nachlassen der anfänglich wirksamen Einspannkräfte eine sichere Festlegung des Verriegelungsbeschlags im Montageschlitz gewährleistet.

Solches sei durch den Stand der Technik weder vorbekannt noch nahegelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Einspruch hat nur teilweise Erfolg, denn das Patent war im Umfang des Hilfsantrags beschränkt aufrecht zu erhalten.

1. Einspruchsverfahren Gemäß der eindeutigen Zuständigkeitsregelung in § 147 Abs. 3 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über den zulässigen, am 30. Juni 2006, d. h. vor der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG bereits und noch anhängigen, Einspruch bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II).

Dieser hatte aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Maschinenbau-Techniker an mit Berufserfahrungen bei der Entwicklung und dem Einsatz von Verriegelungsbeschlägen.

2. Offenbarung und Gegenstand der geltenden Patentansprüche 2.1 Patentanspruch 1 nach Hauptantrag Die an den erteilten Patentanspruch 1 angefügten Merkmale entnimmt der Fachmann insbesondere dem Abschnitt [0014] der Streitpatentschrift (übereinstimmend mit S. 5 Z. 2 bis 8 der u. U.) als zur Erfindung gehörend.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 wird dadurch nicht unzulässig verändert. Denn mit dem erteilten Hauptanspruch waren Verriegelungsbeschläge unter Schutz gestellt, bei denen die Anlagestellen der Außen- und Innenabstützmittel beliebig an der Frontwand angeordnet sein konnten, also insbesondere an jeder Anlagestelle jeweils einander gegenüberliegend von innen und außen unter klemmender Zwischenlage der Frontplatte.

Demgegenüber muss nun wenigstens ein Teil - d. h. mindestens eines, aber auch jedes - der Innenabstützmittel an einer Stelle der Frontplatte anliegen, an deren Außenseite sich kein Außenabstützmittel abstützt.

Die Unteransprüche sind gegenüber dem erteilten Patent unverändert.

2.2 Patentansprüche nach Hilfsantrag Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag fasst die Merkmale der Patentansprüche 1 und 2 nach Hauptantrag in zulässiger Weise zusammen, da der erteilte Anspruch 1 bereits auf den erteilten Hauptanspruch rückbezogen war.

Gegenstand dieses Anspruchs ist nun ein Verriegelungsbeschlag, bei dem die Außenabstützmittel - d. h. alle - nur an solchen Stellen der Frontwand anliegen dürfen, die von den Innenabstützmitteln freigelassen sind.

Eine Klemmung der Frontplatte zwischen zwei einander innen und außen direkt gegenüberliegenden Abstützmitteln, wie sie gemäß Hauptantrag als Variante in der Angabe "wenigstens ein Teil" enthalten ist, wird damit ausgeschlossen.

Die Streichung des Wortes "beweglichen (Außenabstützmittel) in Zeile 2 des Patentanspruchs 5 bzw. die Ersetzung des Wortes "im" durch "dem" im Patentanspruch 16 betreffen jeweils die Korrektur offensichtlicher, da sinnentstellender Schreibfehler (vgl. auch S. 4/18 re. Sp. Z. 4 bzw. Absatz [0017], Satz 1 der PS).

4. Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Aus der EP 0 869 241 A1 (in Verbindung mit der deutschen Übersetzung DE 698 14 968 T2, auf deren Text hier Bezug genommen wird) ist in Übereinstimmung mit dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ein Verriegelungsbeschlag eines Flügels 2 bekannt (Fig. 1 bis 3), umfassend ein Gehäuse 3 (Fig. 5) zum Einführen von außen in einen Montageschlitz 11 ([0030] der dt. Ü.), der in einer Frontwand 16 des Flügels 2 vorgesehen ist, wobei dieser Verriegelungsbeschlag mit Mitteln zum Befestigen an der Frontwand versehen ist, die Folgendes umfassen:

Außenabstützmittel 17 (den umlaufenden Rand der Außenplatte 17), die so gestaltet sind, dass sie an der Außenseite der Frontwand 16 anliegen, Innenabstützmittel 7,8, die so gestaltet sind, dass sie an der Innenseite 14,15 der Frontwand anliegen und bewegliche Innenabstützmittel 7,29 umfassen, die in Bezug auf das Gehäuse 3 geführt werden und so gestaltet sind, dass sie von einer Einbauposition, in der sie in eine Position versenkt sind, in der sie die Passage des Gehäuses in den Montageschlitz von außen zulassen (nämlich beim Durchtritt durch den Montageschlitz, vgl. [0030]), in eine Befestigungsposition verschoben werden können, in der sie gegenüber der Innenfläche 14 der Frontwand und an dieser anliegend verlaufen. - Oberbegriff -

Ferner sind auch dort bereits die Außenabstützmittel 17,25 (Fig. 2) und die Innenabstützmittel 7,8 so gestaltet, dass wenigstens ein Teil (hier: alle) der Innenabstützmittel 7,8 in der Befestigungsposition gegen einen Abschnitt der Innenseite der Frontwand zur Anlage kommt.

Denn die zweite Rampe 27 des ersten Befestigungsmittels 7 kommt in der Befestigungsposition mit dem Innenrand 14 der Schmalseite 12 in Eingriff und die zweiten Rampe 47a (Fig. 11) des zweiten Befestigungsorgans 8 mit dem Innenrand 15 (vgl. Absätze [0032] und [0040] der dt. Übersetzung).

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 unterscheidet sich vom bekannten demnach lediglich dadurch, dass wenigstens ein Teil der Innenabstützmittel gegen einen Abschnitt der Frontwand zur Anlage kommt, der sich gegenüber einem Abschnitt der Außenseite der Frontwand erstreckt, der vom Außenabstützmittel freigelassen wird.

Dieser Unterschied kann aber nicht patentbegründend sein.

Wie die Patentschrift (Absatz [0006]) zutreffend angibt, darf der bekannte Verriegelungsbeschlag nicht versehentlich in der falschen Ausrichtung eingebaut werden. Denn ein Zugriff auf das federnd gelagerte erste Befestigungsorgan ist von der Montageseite aufgrund der Abdeckung durch die Außenplatte 17 nicht möglich.

Um nun bedarfsweise einen montageseitigen Zugriff auf das erste Befestigungsorgan 7 zu bekommen, muss der Fachmann lediglich die Außenplatte 17 im linken Endbereich bereichsweise entfernenderart, dass er durch den dann im Bereich des ersten Befestigungsorgans 7 freiliegenden Montageschlitz eine Verschiebung des Befestigungsorgans entgegen der Federkraft vornehmen kann.

Mit einer solchen schlichten Veränderung der Außenplatte entsteht aber ein Gegenstand, bei dem gemäß dem vorgenannten Merkmalsunterschied wenigstens ein Teil der Innenabstützmittel - nämlich das Befestigungsorgan 7 - gegen einen Abschnitt der Frontwand 2 zur Anlage kommt, der sich gegenüber einem Abschnitt der Außenseite der Frontwand erstreckt, der vom Außenabstützmittel 17 freigelassen wird.

Eine solche Maßnahme wird der Fachmann allein aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus vornehmen. Hiervon wird er auch nicht dadurch abgehalten, dass sich die Optik des Beschlags ändert. Denn um Zugriffsmöglichkeiten zu eröffnen, kann eine durchgehende Außenplatte in keinem Fall erhalten bleiben, was der Fachmann gegeneinander abwägen und bedarfsweise allein nach technischen Gesichtspunkten (hier: die erwünschte Zugriffsmöglichkeit auf das bewegliche Befestigungsorgan) entscheiden wird.

5. Hilfsantrag 5.1 Neuheit Der Gegenstand gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist schon aus den zum Hauptantrag genannten Gründen neu.

5.2 Erfinderische Tätigkeit Der Verriegelungsbeschlag nach dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von dem aus der EP 0 869 241 A1 bekannten Verriegelungsbeschlag stellt sich zwar dem Fachmann das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem, einen Verriegelungsbeschlag anzugeben, dessen Befestigung zuverlässig ist, auch wenn nach langer und intensiver Benutzung die Einspannkräfte der Abstützmittel nachlassen, in der Praxis von selbst.

Denn bei der Weiterentwicklung bekannter Beschläge ist der Fachmann angesichts teurer Wartungs- und Reparaturkosten regelmäßig gehalten, für diese eine lange, ungestörte Gebrauchsdauer sicherzustellen.

Jedoch steht dem Fachmann hinsichtlich der gegenseitigen Befestigung zweier Bauteile eine unübersehbare Zahl von konstruktiven Standardlösungen zur Verfügung, die zu den Grundlagen der Konstruktionslehre gehören, und auf die der Fachmann auch zur Verbesserung der Befestigung des bekannten Beschlages in dem Montageschlitz einer Frontwand zurückgreifen wird.

Einen Hinweis darauf, anstelle der in der EP 0 869 241 A1 vorgesehenen Klemmung der Frontplatte zwischen innen und außen einander gegenüberliegenden Abstützmitteln einen gegenseitigen Versatz derselben derart vorzusehen, dass die Außenabstützmittel nur an Stellen angreifen, die von Innenabstützmitteln freigelassen sind, findet der Fachmann weder in dieser Druckschrift noch ergibt er sich aus seinem allgemeinen Fachwissen.

Denn das zweite Befestigungsorgan 8 bewirkt zusammen mit dem sich über dessen Längserstreckung hinausragenden rechten Ende der Außenplatte 17 eine formschlüssige Festlegung der Flügelfläche 16 in diesem Bereich, auf die der Fachmann nicht ohne weiteres verzichten wird, selbst wenn er in der Frontplatte 17 - wie zum Hauptantrag dargelegt - am gegenüberliegenden Ende den Bereich der Abstützstelle des Innenabstützmittels 7 freilegen würde.

Es bedarf deshalb einer grundlegenden Abkehr von dem auch in der EP 0 869 241 A1 vorgesehenen üblichen Prinzip der Klemmung sowie der Erkenntnis, dass die elastischen Eigenschaften der Frontplatte zur dauerhaften Festlegung des Beschlages nutzbar sind, indem die inneren und äußeren Abstützstellen in der anspruchsgemäßen Weise versetzt angeordnet sind.

Solches Tun übersteigt übliches fachmännisches Handeln; es bedarf vielmehr einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit dem Patentanspruch 1 hat das Patent auch im Umfang der geltenden Ansprüche 2 bis 25 gemäß Hilfsantrag Bestand.

Bertl Dr. Mayer Dr. Kaminski Zimmerer Be






BPatG:
Beschluss v. 08.08.2007
Az: 19 W (pat) 338/04


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