Landgericht Bonn:
Urteil vom 22. Juni 2006
Aktenzeichen: 14 O 50/06

(LG Bonn: Urteil v. 22.06.2006, Az.: 14 O 50/06)

Tenor

Die einstweilige Verfügung durch Beschluss vom 10.04.2006 - 14 O 50/06 LG Bonn - wird bestätigt.

Die (weiteren) Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin

Tatbestand

Die Antragstellerin ist Inhaberin von verschiedenen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungen in der Bundesrepublik Deutschland, u. a. für das Pflanzenschutzmittel "U". Die Antragsgegnerin betreibt Handel mit landwirtschaftlichen Grundstoffen, u. a. mit einer eingetragenen Marke "S". Zwischen den Parteien waren und/oder sind verschiedene Rechtsstreitigkeiten darüber anhängig, u. a. mit dem wesentlichen Inhalt, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, Pflanzenschutzmittel in den Verkehr zu bringen, die in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht zugelassen sind.

Die Antragsgegnerin informierte ihre "Geschäftspartner" mit einem Rundschreiben, datiert mit dem 10.03.06, über die "Cross Compliance" bei EU-Importen. Der Tenor des Schreibens war - unter Bezugnahme auf eine E-Mail ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 10.03.2006 -, dass ein "importiertes Produkt, dass mit einem in Deutschland zugelassenen Produkt chemisch übereinstimmt, (...) auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dessen, was man unter Cross Compliance versteht, genauso legal handel- und anwendbar wie ein deutsches Markenprodukt" sei; wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage A 1 verwiesen.

Die Antragstellerin hat sich gegen dieses Schreiben gewandt, weil es die Rechtslage falsch darstelle und weil es die erforderlichen Pflichtangaben gemäß §§ 37a HGB, 35a GmbHG nicht enthalte.

Die Kammer hat - nach Abänderung des zunächst gestellten Antrags durch die Antragstellerin - mit Beschluss vom 10.04.2006 der Antragsgegnerin u. a. untersagt,

bei Wettbewerbshandlungen

1.

im Zusammenhang mit Einfuhr und/oder Inverkehrbringen, d.h. dem Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedem Abgeben an andere, von Pflanzenschutzmitteln die nachfolgende Erklärung wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten:

"Ein importiertes Produkt, dass mit einem in Deutschland zugelassenen Produkt chemisch übereinstimmt, ist auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dessen, was man unter Cross Compliance versteht, genauso legal handel- und anwendbar wie ein deutsches Markenprodukt."

ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass eine Einfuhr und/oder ein Inverkehrbringen und/oder eine Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland voraussetzt, dass das importierte Produkt über eine eigene Zulassung in einem EU/EWR-Staat verfügt.

und/oder

2.

auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, nicht die gemäß §§ 37 a HGB, 35 a GmbHGesetz erforderlichen Angaben zu machen:

- Rechtsform,

- Sitz der Gesellschaft,

- Registergericht des Sitzes der Gesellschaft,

- Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist,

- alle Geschäftsführer, gegebenenfalls den Aufsichtsratsvorsitzenden, mit dem

Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen,

- Firma,

- Ort der Handelsniederlassung,

wobei Bestellscheine als Geschäftsbriefe gelten.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung durch Beschluss der Kammer vom 10.04.2006 - 14 O 50/06 - zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bonn vom 10.04.2006, Az. 14 O 50/06, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung und begründet dieses ausführlich, dass Pflanzenschutzmittel, die aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik eingeführt würden und mit in der Bundesrepublik zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch seien, keiner erneuten Zulassung bedürften und in der Bundesrepublik Deutschland frei verkehrsfähig seien. Sie behauptet dazu, sie beziehe ihre Pflanzenschutzmittel ausschließlich aus dem europäischen Wirtschaftsraum; wegen des weiteren Vortrags hierzu wird auf Seiten 3 ff. der Widerspruchsschrift vom 17.05.2006 (Bl. 101 ff. d. A.) verwiesen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die §§ 37a HGB, 35a GmbHG seien reine Marktzutrittsregelungen und daher nicht geeignet einen Wettbewerbsverstoß zu begründen. Sie behauptet, sie habe das Schreiben ausschließlich an solche Adressen per Fax geschickt, die bereits in laufenden Geschäftsbeziehungen zu ihr ständen bzw. "in den Verteiler aufgenommen wurden und insoweit regelmäßig Schreiben" erhielten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer durch Beschluss vom 10.04.2006 ist zu bestätigen (§ 925 ZPO), denn der Beschluss ist rechtmäßig. Die Antragstellerin hat gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1; 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 11 PflSchG, 37a HGB, 35a GmbHG einen Anspruch auf die Unterlassungen, wie sie in der einstweiligen Verfügung angeordnet worden sind.

I.

Der Anspruch auf Unterlassung gemäß Ziffer I. 1. des angegriffenen Beschlusses folgt aus einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG. Die Werbung in dem Schreiben mit dem Datum des 10.03.2006 ist irreführend, weil in ihr falsche Angaben über die Zwecktauglichkeit, also die Verwendungsmöglichkeiten, der von der Antragsgegnerin vertriebenen Produkte enthalten sind. In dem Schreiben wird, wie stets, von der Antragsgegnerin, behauptet, ein importiertes Produkt, das mit einem in Deutschland zugelassenen Produkt chemisch übereinstimmt, sei genauso handel- und anwendbar wie ein deutsches Markenprodukt - auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dessen, was man unter Cross Compliance versteht. Diese Behauptung (oder in juristischer Diktion: Rechtsauffassung) ist falsch. Die Kammer vertritt auch nach erneuter Beratung die Auffassung, dass es mit geltendem deutschen Recht und dem Schutzzweck des Pflanzenschutzgesetzes nicht zu vereinbaren ist, wenn ein Pflanzenschutzmittel mit der Behauptung der Identität mit einem zugelassenen Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht werden durfte. Mangels Überprüfung und prophylaktischer Überprüfungsmöglichkeit durch die zuständige Behörde wäre dann einem Missbrauch und den daraus folgenden gesundheitlichen Gefahren für die Bevölkerung, erst recht: ökologischen Gefahren, Tür und Tor geöffnet.

Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie vom BVL zugelassen sind. Grundsätzlich handelt derjenige, der ein Pflanzenschutzmittel ohne eigene Zulassung in den Verkehr bringt, rechtswidrig i. S. v. § 11 Abs. 1 PflSchG, wenn nicht die Zulassung aus einem anderen Grund entbehrlich ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (WRP 2003, 268 f. - Zulassungs-Nr. III -) dann der Fall, wenn zwischen dem importierten nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel und einem im Inland zugelassenen Mittel Identität besteht. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in seinem Urteil vom 29.04.2004 (BVerwG 3 C 38.03, Seite7) im Anschluss an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes ein Zulassungserfordernis als eine unverhältnismäßige Einfuhrbeschränkung an, wenn es der Zulassung zur Erreichung der in Artikel 30 Satz 1 EG genannten Schutzgüter (u.a. Gesundheit und Leben von Menschen, Tieren oder Pflanzen) nicht bedarf. Bei einem Parallelimport bedürfe es dann keiner eigenen Zulassung, die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage lägen nicht vor. Das Pflanzenschutzmittel "N", das Gegenstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts war, war in Deutschland nicht zugelassen, jedoch in Italien, somit im EU-Ausland (Seite 6 unten UA). Entsprechendes gilt für das Pflanzenschutzmittel, das Gegenstand der Rechtssache C-100/96 in der Entscheidung des EuGH vom 11.03.1999 geworden ist (Tz 31), während der EuGH in Teilziffern 41 ff. unmissverständlich feststellt, dass die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels aus einem Drittland - ohne dass das Mittel "über eine gemäß der Richtlinie erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügt" - das Genehmigungserfordernis im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG weiterhin gegeben ist. Auch im Urteil des EuGH vom 01.04.2004 in der Rechtssache C-112/02 geht aus Teilziffern 15, 16, 21 zweifelsfrei hervor, dass der Gerichtshof über ein bereits zugelassenes Arzneimittel urteilt. Dementsprechend sind die vorgenannten höchstrichterlichen Entscheidungen um einen EU-Parallelimport - im Unterschied zu Drittlandimporten aus einem Nicht-EU-Staat. Das ist ohne Weiteres nachvollziehbar, weil der Grundsatz des freien Warenverkehrs gemäß Art. 28 EG auf die EU-Mitgliedsstaaten beschränkt ist.

Entsprechend hat das OLG Frankfurt (MD 2005, 1329, 1332) die Entscheidung des EuGH verstanden: Die Fallgestaltung sei wesentlich dadurch gekennzeichnet gewesen, dass das auf seine Identität mit der im Inland zugelassenen Formulierung zu prüfende Pflanzenschutzmittel im Ausland bereits zugelassen worden war. Damit sei das in Rede stehende Mittel jedenfalls bereits einer Prüfung auf seine Unbedenklichkeit hin unterzogen worden. Mit der Identitätsprüfung sei die zuständige Zulassungsbehörde und damit eine Instanz befasst gewesen, die aus eigener Sachkunde die Auswirkungen zu beurteilen in der Lage gewesen sei (vgl. a. OLG Köln, Urteil vom 27.04.2005, 6 U 179/04, u. a. Seiten 5 f., der Antragsgegnerin als Partei bekannt).

Der Sinn der Werbung der Antragsgegnerin ist, ihren Kunden darzulegen, dass das von ihr vertriebene Mittel ohne eigenständige Zulassung, auch unter Berücksichtigung der Pflanzenschutzrichtlinie 91/414/EWG vom 15.07.1991 "legal handel- und anwendbar sei". Die Antragsgegnerin hat hierzu ausgeführt, sie beziehe "die von ihr in den Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittel ausschließlich aus anderen Mitgliedstaaten der EU" (Seite 12 der Widerspruchsschrift vom 17.05.2006 = Bl. 110 d. A.). Sie unterstellt damit und bei ihrer rechtlichen Argumentation, auch in der dem Werbeschreiben mit dem Datum des 10.03.2006 anliegenden Stellungnahme ihrer Verfahrensbevollmächtigten, dass die von ihr vertriebenen Produkte in einem Mitgliedstaat nicht zugelassen und von keiner zuständigen Behörde auf ihre behauptete Identität mit einem in Deutschland zugelassenen Produkt untersucht worden sind. Damit behauptet sie, dass eine ungeprüfte Verkehrsfähigkeit mit § 11 Abs. 1 S. 1 PflSchG i. V. m. Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG - in der Auslegung der o. g. Gerichte vereinbar ist. Würde die Auffassung der Antragsgegnerin zutreffen, könnte sie mit der bloßen Identitätsbehauptung Produkte als Pflanzenschutzmittel auf den Markt bringen ohne Überprüfung, dass die in der EU vorauszusetzenden Standards eingehalten worden sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.11.2005, 6 U 141/05, der Antragsgegnerin als Partei bekannt). Die Kammer verbleibt auch nach Erwägung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Rechtsauffassung und deren Begründung dabei, dass entscheidend allein ist, dass das Pflanzenschutzmittel im EU-Wirtschaftsraum auf die Identität mit dem zugelassenen Mittel untersucht worden ist. Diese Auffassung steht auch in Übereinstimmung mit derjenigen des OLG Frankfurt (a. a. O., 1333):

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass ohne im EU-Raum erteilte Zulassung nicht von einer gewissen "Vermutung der Unbedenklichkeit" ausgegangen werden könne und auch Zulassungsunterlagen nicht vorhanden seien, anhand derer die Identitätsprüfung vorgenommen werden könnte. Ein Zivilgericht sei - im Gegensatz zur zuständigen Zulassungsbehörde - aus eigener Sachkunde regelmäßig nicht in der Lage, diejenigen technischen und naturwissenschaftlichen Zweifelsfragen zu beurteilen, die sich bei der Anwendung des "erweiterten" Identitätsbegriffs nach der vom EuGH geprägten Formel stellen können. Dieses Defizit könne, besonders im Eilverfahren, auch durch die Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe in der Regel nicht befriedigend ausgeglichen werden, sodass sich der Vertreiber eines im Inland nicht - gesondert - zugelassenen Pflanzenschutzmittels, dessen Identität mit einer bereits zugelassenen Formulierung von der Zulassungsbehörde noch nicht überprüft worden sei, grundsätzlich nicht auf die Zulassung des zugelassenen Mittels berufen könne.

Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt eine Ausnahme für die Fälle annimmt, dass die Zusammensetzung des Importmittels in jeder Hinsicht - auch hinsichtlich der vorgesehenen Beistoffe und deren Gehalt - mit derjenigen Formulierung übereinstimmt, die Gegenstand der erteilten Zulassung ist, vermag die Kammer dem in Ansehung des benannten Urteils des EuGH nur zu folgen, wenn die Identität als unstreitig zu gelten hat.

Nur in dieser Auslegung von § 11 Abs. 1 S. 1 PflSchG ist das Ziel des Gesetzes unter Berücksichtigung des Zieles der Richtlinien des Rates 91/414/EWG eingehalten. In der Präambel dieser Richtlinie heißt es u. a.:

Diese Pflanzenschutzmittel haben nicht nur nützliche Auswirkungen auf die Pflanzenerzeugung Sie bringen auch Risiken und Gefahren für den Menschen, die Tiere und die Umwelt mit sich, insbesondere dann, wenn sie ungeprüft und ohne amtliche Zulassung in den Verkehr gebracht und unsachgemäß angewandt werden.

...

Diese Vorschriften sollten vorsehen, dass Pflanzenschutzmittel nur in Verkehr gebracht bzw. angewandt werden dürfen, wenn sie amtlich zugelassen worden sind und dass sie unter Berücksichtigung der Grundsätze der guten Pflanzenschutzpraxis und des integrierten Pflanzenschutzes sachgemäß angewandt werden.

Die Zulassungsbestimmungen müssen ein hohes Schutzniveau gewährleisten, damit insbesondere die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verhindert wird, die nicht ausreichend auf ihre Gesundheits-, Grundwasser- und Umweltgefährdung untersucht worden sind. Der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sind gegenüber dem Ziel der Produktionsverbesserung bei der Pflanzenerzeugung vorrangig.

...

Im Interesse des freien Verkehrs von Pflanzenerzeugnissen sowie von Pflanzenschutzmitteln sollten die von einem Mitgliedsstaat erteilte Zulassung und die hierfür durchgeführten Tests von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, es sei denn, die Voraussetzungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt einschließlich der Witterungsverhältnisse in den betreffenden Gebieten sind in dem Zusammenhang mit der Anwendung der betreffenden Pflanzenschutzmittel nicht vergleichbar...

Das formalisierte Verfahren - Zulassung oder gegenseitige Anerkennung der Zulassung (Art. 10 der Richtlinie, § 15b PflSchG) - setzt somit im Interesse des freien Verkehrs (Art. 28 EG) voraus:

die Zulassung in einem Mitgliedstaat,

die Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat,

durch die zuständige Behörde, die BVL.

Genau diesen Weg - die Feststellung der zuständigen Behörde - zeichnet der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 11.03.1999 nach in Teilziffern 33 - 37, 40 sowie in der Entscheidung vom 01.04.2004 in Teilziffern 14 ff. - ebenso das OLG Frankfurt (a. a. O.). Dementsprechend ist es nicht Aufgabe der Zivilgerichte, die Identität und dabei die fehlende Relevanz von Unterschieden der Wirk- oder Formulierungsstoffe zu überprüfen. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 01.04.2004 in Teilziffern 19 und 20 für die gleichgelagerten Fälle der Zulassung von Arzneimitteln noch einmal klargestellt, dass der Antragsteller (auf Zulassung des zweiten Arzneimittels) nachzuweisen hat, dass das zu importierende Arzneimittel sich schon von dem zugelassenen Arzneimittel in Bezug auf die Beurteilung seiner Sicherheit und Wirksamkeit nicht erheblich unterscheidet und zur Beurteilung die zuständigen Behörden berufen sind. Unter Berufung auf die Bestimmungen der Art. 3, 5, 6 - 12 und 87 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG hat der BGH (GRUR 2005, 778, 780) ausgeführt, dass ein Arzneimittel nur dann in den Verkehr gebracht und beworben werden darf, wenn die zuständige Behörde eine entsprechende Genehmigung bzw. Zulassung erteilt hat. Diese Formulierung entspricht derjenigen des § 11 Abs. 1 PflSchG. Die Kammer nimmt die hier vom BGH (a. a. O.) gezogene Rechtsfolge in Bezug, dass verbleibende Zweifel, ob das Fertigarzneimittel (hier: Pflanzenschutzmittel) zulassungspflichtig ist, zu Lasten desjenigen gehen, der sich auf die Zulassungsfreiheit beruft.

Die vorgenannte Auslegung der einschlägigen Vorschriften und Entscheidungen steht in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers, wie er im Zweiten Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 22. Juni 2006 (BGBl. Teil I, 1342) zum Ausdruck kommt. § 11 Abs. 1 S. 3 lautet in der neuen Fassung:

Ein Pflanzenschutzmittel, dass in keinem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder keinem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach den Anforderungen der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15.07.1991...zugelassen worden ist, gilt auch dann als nicht zugelassen, wenn es mit einem in Deutschland zugelassenen Mittel übereinstimmt.

Dazu heißt es im Besonderen Teil der Begründung u. a.:

Bei diesen Mitteln handelt es sich in der Regel um sogenannte Generika, d. h. Nachbauten zugelassener Pflanzenschutzmittel. Da die Zulassungsinhaber von Pflanzenschutzmitteln die genaue Formulierung ihrer Produkte geheimhalten, können Angaben über die Zusammensetzung nur durch chemische Analyse gewonnen werden. Der chemischen Analyse sind jedoch Grenzen gesetzt. Auch ist ein hundertprozentiger Nachbau aus technischen Gründen praktisch nicht möglich....Auch haben diese Mittel in keinem Mitgliedsstaat der EU ein vollständiges Zulassungsverfahren nach Maßgabe der Richtlinie 91/414/EWG durchlaufen. In diesem Fall hat daher die nationale Zulassungsbehörde keine Möglichkeit, auf die Zulassungsunterlagen eines anderen Mitgliedsstaats zurückzugreifen, um Angaben über die chemische Zusammensetzung zu überprüfen. Es fehlt ihr damit auch die Möglichkeit, die Auswirkungen von möglichen Abweichungen sicher zu beurteilen. Eine solche Sicherheit wäre aber erforderlich, um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten. Nur dann kann nach der Rechtsprechung des EuGH von den Erfordernissen des Zulassungsverfahrens der Richtlinie 91/414/EWG abgewichen werden. Der EuGH hat in seinem Urteil C 100/96 festgestellt, dass Zulassungen in einem Drittstaat für einen Parallelimport nicht ausreichen, da sie nicht den gleichen Standard gewährleisten. Dies muss erst recht für Mittel gelten, die überhaupt kein Zulassungsverfahren durchlaufen haben.

Im Allgemeinen Teil der Begründung heißt es u. a.:

Außerdem ist zu beachten, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln einheitlich für das ganze Bundesgebiet durch eine Bundesbehörde erfolgt und letztlich nur diese Behörde über das erforderliche Wissen verfügt, um bei einem parallelimportierten Pflanzenschutzmittel die Vergleichbarkeit feststellen zu können....

II.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch des § 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 37a HGB, 35a GmbHG.

a)

Nach den beiden letztgenannten Vorschriften müssen die im Beschluss im Einzelnen aufgeführten Angaben auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, enthalten sein. Die Vorschriften wollen die Informationen des Rechtsverkehrs über die GmbH erleichtern und verbessern und den Geschäftspartnern die Einholung registerrechtlicher Informationen ermöglichen. Daher stellen diese Vorschriften eine Marktverhaltungsregelung im Interesse der Marktteilnehmer dar (Köhler in Baumbach/Hefermehl, 23. Auflage, Rn 11.164 zu § 4 UWG).

b)

Der Verstoß der Antragsgegnerin ist geeignet, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beschränken.

Es ist ein elementarer Grundsatz wettbewerblichen Anstands, dass der Wettbewerbsteilnehmer sich offen zu seiner Identität bekennt und diese nicht verbirgt, damit sein Geschäftspartner erforderlichenfalls etwaige zivilrechtliche Ansprüche durchsetzen kann (OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 42 m. w. N.). Gegen dieses Gebot der Transparenz und des Verbots der Tarnung, das auch in den Regelungen der §§ 312c BGB und 6 TDG u. a. aufgegriffen ist, hat die Antragsgegnerin verstoßen, indem sie auf ihrem Werbeschreiben nur unter "S" auftritt. Aufgrund dieser Angaben ist eine hinreichende Möglichkeit zur Identifizierung des handelnden Unternehmens nicht möglich. Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat Mitte 2005 die Firma der S Nederland B.V. gegründet. Die Antragsgegnerin hat diesem Unternehmen eine Lizenz an der Marke "S" eingeräumt und die Domain www.......com auf sie übertragen. Das Unternehmen niederländischen Rechts betreibt solche Werbung, die der Antragsgegnerin durch die Kammer untersagt worden sind (14 O 133/05 SH II = 6 W 35/06 OLG Köln) und wirbt - in deutscher Sprache, ebenfalls ohne Angaben i. S. v. §§ 37a HGB, 35a GmbHG - für Produkte von S (14 O 130/05 SH II). Die Adressaten des Werbeschreibens haben somit keine Möglichkeit zu erkennen, ob sie in Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) mit der Antragsgegnerin oder mit dem niederländischen Unternehmen treten - hier gegebenenfalls relevant wegen der Haftung wegen falscher Angaben im Schreiben vom 10.03.2006.

Die Identifizierung der Antragsgegnerin wird auch nicht dadurch ermöglicht, dass das Rundschreiben ausschließlich an solche Adressaten gegangen ist, mit denen die Antragsgegnerin in laufender Geschäftsbeziehung steht "bzw. in den Verteiler aufgenommen" hat. Zum Einen können im "Verteiler" auch Verbraucher aufgenommen worden sein, denen gegenüber die Antragsgegnerin gemäß § 312c BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 - 3 InfoVO auch vorvertragliche Informationen schuldet; zum Anderen ist durch die Gründung der niederländischen Gesellschaft und deren werbende Auftritte seit Ende 2005 jedenfalls denjenigen, die letztere kennen, nicht erkennbar, wer gerade unter "S" handelt. Dass es den Mitbewerbern der Antragsgegnerin so ergeht, ist gerichtsbekannt.

c)

Der Verstoß der Antragsgegnerin gegen das Transparenzgebot führt zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen gegenüber solchen Mitbewerbern, die ihre Identität offen legen. Dadurch, dass die Antragsgegnerin die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche erschwert und dadurch Anspruchsteller von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abhalten kann, vermag sie sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. OLG Düsseldorf a. a. O.).

III.

Der Verfügungsgrund ergibt sich aus § 12 Abs. 2 UWG.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 ZPO; eine Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ist nicht geboten.

V.

Der Streitwert wird festgesetzt wie im Beschluss vom 10.04.2006.






LG Bonn:
Urteil v. 22.06.2006
Az: 14 O 50/06


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