Landgericht Heidelberg:
Urteil vom 14. Juni 2005
Aktenzeichen: 11 0 34/04 KfH

(LG Heidelberg: Urteil v. 14.06.2005, Az.: 11 0 34/04 KfH)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Heidelberg hat entschieden, dass die Werbung der Beklagten für ihre Riegel "Atro Blasenkraft Plus" und "Atro Prostata Vit" irreführend ist. Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Wahrung der gewerblichen Interessen, hatte geklagt, da die Wirkungsangaben in der Werbung nicht wissenschaftlich hinreichend gesichert waren. Die Beklagte behauptete, dass die genannten Inhaltsstoffe der Riegel positive gesundheitsfördernde Wirkungen auf Blase, Harnbereich und Prostata haben. Das Gericht bestätigte, dass die Wirkungsangaben nicht den wissenschaftlichen Anforderungen genügten. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger hatte festgestellt, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis für die behaupteten Wirkungen gab. Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass die Bezeichnung der Riegel ("Atro Blasenkraft Plus" und "Atro Prostata Vit") keine bestimmten Wirkungen suggerierte und daher nicht irreführend war. Das Gericht entschied, dass die Beklagte zukünftig die beanstandeten Werbeaussagen unterlassen muss. Die Kosten des Verfahrens wurden zu 80% von der Beklagten und zu 20% vom Kläger getragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Heidelberg: Urteil v. 14.06.2005, Az: 11 0 34/04 KfH


Tenor

I. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft,oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer untersagt, im geschäftlichen Verkehr1. für das Mittel Atro Blasenkraft Plus-Riegel zu werben:1.1. Nutzen Sie die wertvollen Wirkstoffe des Weidenröschens zur Unterstützung Ihrer Blase,1.2 ...zur Förderung des Harn- und Blasenbereichs...,1.3. e Wirkstoffe des Weidenröschens können Regulierung und Gesunderhaltung der Blasenfunktion fördern.,1.4 Der mexikanische Feigenkaktus ... und Kürbiskerne ... sind als Vitalsubstanzen zur Kräftigung und Pflege des Harnbereichs bekannt.,2. für das Mittel Atro Prostata Vit-Riegel zu werben:2.1 Nutzen Sie die Nährstoffe der Sägepalme für die Gesundheit Ihrer Prostata.,2.2 Eine gesunde Prostata in normaler Größe beeinflusst die Harntätigkeit nicht. Damit dies so bleibt, dazu kann gezielte Förderung des gesamten Blasen-Prostata-Bereichs durch Vitalsubstanzen ein wertvoller Beitrag sein. Atro Prostata Vit wurde als einzigartige Kombination ausgewählter pflanzlicher Inhaltsstoffe gezielt zur Nährstoffunterstützung von Blase und Prostata entwickelt.,2.3 Die nordamerikanische Sägepalme ist bekannt als wohltuende und kräftigende Vitalstoffunterstützung für die Prostata Drüse. Feigenkaktus und Kürbiskerne werden als Vitalsubstanzen geschätzt, weil sie den Harnbereich kräftigen und pflegen können. II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.III. Die Beklagte trägt 80 %, der Kläger trägt 20 % der Kosten des Verfahren.IV. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000 EURO, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Er ist entsprechend der Unterlassungsklageverordnung eingetragen.

Die Beklagte vertreibt sogenannte Riegel zum Verzehr, die sie Atro Blasenkraft Plus bzw. Atro Prostata Vit nennt. Diese Riegel bewirbt sie mit den im Klägerantrag wiedergegebenen Wirkungsangaben, wobei die Wirkungen jeweils den enthaltenen Extrakten aus Weidenröschen, Feigenkaktus, Kürbiskernen bzw. Sägepalme zugeschrieben werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass den in den Riegeln enthaltenen Zutaten keine pharmakologische Wirkung zukommt. Bei den Riegeln handelt es sich um Nahrungsergänzungsmittel

Der Kläger, behauptet, die in der Werbung dargestellten, aus dem Klägerantrag im einzelnen ersichtlichen Wirkungsaussagen der Beklagten für die beiden Riegel seien unzutreffend. In Ermangelung einer geeigneten Zubereitung oder Dosierung stärke das Mittel Atro Blasenkraft Plus ebensowenig die Blase wie das Mittel Atro Prostata Vit spezifisch die Gesundheit der Prostata erhalte oder fördere.

Die ihnen zu Werbezwecken beigelegten ernährungsphysiologischen Wirkungen kämen den Riegeln nicht zu. Daher seien sowohl die Angaben als auch die Produktbezeichnungen zur Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet und deshalb gemäß dem lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbot § 17 Absatz 1 Nr. 5 a LMBG zu unerlassen.

Der Kläger beantragt zu :

Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft,

oder

einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr

1. für das Mittel Atro Blasenkraft Plus-Riegel zu werben:

1.1 mit der Bezeichnung Atro Blasenkraft Plus,

1.2 Nutzen Sie die wertvollen Wirkstoffe des Weidenröschens zur Unterstützung Ihrer Blase,

1.3 ...zur Förderung des Harn- und Blasenbereichs...,

1.4 Die Wirkstoffe des Weidenröschens können Regulierung und Gesunderhaltung der Blasenfunktion fördern.,

1.5 Der mexikanische Feigenkaktus ... und Kürbiskerne ... sind als Vitalsubstanzen zur Kräftigung und Pflege des Harnbereichs bekannt.,

2. für das Mittel Atro Prostata Vit-Riegel zu werben:

2.1. mit der Bezeichnung Atro Prostata Vit,

2.2 Nutzen Sie die Nährstoffe der Sägepalme für die Gesundheit Ihrer Prostata.,

2.3 Eine gesunde Prostata in normaler Größe beeinflusst die Harntätigkeit nicht. Damit dies so bleibt, dazu kann gezielte Förderung des gesamten Blasen-Prostata-Bereichs durch Vitalsubstanzen ein wertvoller Beitrag sein. Atro Prostata Vit wurde als einzigartige Kombination ausgewählter pflanzlicher Inhaltsstoffe gezielt zur Nährstoffunterstützung von Blase und Prostata entwickelt.,

2.4. Die nordamerikanische Sägepalme ist bekannt als wohltuende und kräftigende Vitalstoffunterstützung für die Prostata Drüse. Feigenkaktus und Kürbiskerne werden als Vitalsubstanzen geschätzt, weil sie den Harnbereich kräftigen und pflegen können. Ein ergänzender Vitaminkomplex mit 10 Vitaminen fördert zusätzlich den Stoffwechsel..

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die einzelnen streitbefangenen Werbeaussagen gingen nicht über den allgemeinen Hinweis hinaus, dass bestimmte Stoffe gesund seien und der Verzehr der Gesunderhaltung der einzeln bezeichneten Organe diene. Der ernährungsphysiologische Nutzen der genannten Stoffe zur Gesunderhaltung werde heute in der Wissenschaft allgemein bejaht. Ernsthafte Gegenstimmen gebe es nicht, und zwar weder im Hinblick auf Feigenkaktus, Kürbiskerne, Sägepalme noch auf Weidenröschen. Der maßgebliche Verbraucher könne auf Grund der streitbefangenen Werbung lediglich davon ausgehen, dass die beiden Verzehrriegel auf Grund der Zutaten einen Beitrag zu einer sachgerechten Nährstoffversorgung von Prostata und Blase im Rahmen der gewöhnlichen Ernährung darstellen. Dies sei zutreffend, weil die ausgelobten Zutaten Nährstoffe enthielten, die einen derartigen Ernährungsbeitrag leisten könnten. Nach heutigen ernährungsphysiologischen Erkenntnissen bestehe kein Zweifel daran, dass eine an Vitaminen, Ballaststoffen und Phytoöstrogenen reiche Kost wichtig zur Funktions- und Gesunderhaltung von Prostata und Blase sei. Alle heute bekannten Ernährungsempfehlungen würden daher eine derartige Kost mit Blick auf die optimale Nährstoffversorgung von Prostata und Blase präferieren. In der Ernährungswissenschaft bestehe Einigkeit über die Ursachen der positiven Ernährungsfolgen der streitrelevanten Stoffe. Sie führe die positiven Effekte einer an Vitaminen, Ballaststoffen und Phytoöstrogenen reichen Kost insbesondere auf die Vitamine C, D, A und die Phytosterone und Phytosterine zurück. Die streitbefallenen Verzehrriegel seien reich an den vorgenannten Vitaminen sowie an Phytosteronen und Phytosterinen. Dass diesen die positiven ernährungsphysiologischen Folgen zukommen, entspreche einhelliger Auffassung in Wissenschaft und Praxis.

Zur Bestätigung ihrer Auffassung hat die Beklagte eine Reihe von Literaturbelegen und ein Privatgutachten vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. Liss. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 31.01.2005 AS 191 ff Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3, 5, 8 III Nr.2 UWG i.V.m. 17 I Nr. 5a bzw. 18 LMBG.

1. Es ist nicht im Streit, dass die angegriffenen Aussagen eine Wettbewerbshandlung sind. Die Erheblichkeitsschwelle nach § 3 UWG ist erreicht, da die betreffende Werbung für die Riegel von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und für die Interessen des geschützten Adressatenkreis ist.

2. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 5 a des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) liegen vor. Danach ist es verboten, für Lebensmittel mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere vor, wenn Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. § 18 LMBG schließlich verbietet im Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen.

I. Bei den vom Beklagten zum Verkauf angebotenen Riegeln handelt es sich nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien, der sich die Kammer anschließt, um Lebensmittel in Sinne des § 1 Abs. 1 LMBG.

II. Die in der Verpackungsbeschreibung enthaltenen und im Klägerantrag 1. 2. - 5 und 2. 2 - 4 beanstandeten Angaben - zu Antrag 1.1 und 2.1 siehe unten - beschreiben Wirkungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG.

Es handelt sich nicht lediglich um allgemeine, unspezifische Hinweise in der Werbung, die nicht geeignet wären, den Verbraucher irgendwie zu beeinflussen. Denn der Verbraucher wird besonders nachhaltig von Werbemaßnahmen angesprochen, die an die menschliche Gesundheit anknüpfen, da diese allgemein als hohes Gut und erstrebenswerter Zustand gilt. Gerade das verbreitete Bewusstsein, ungesund zu leben, führt zum Bestreben, vermeintliche oder tatsächliche Defizite anderweitig auszugleichen und so letztlich das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Das macht anfällig für Versprechungen und unsachliche Beeinflussung.

Wenn die Gesundheit in der Werbung ins Spiel gebracht wird, sind deshalb besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussage zu stellen (BGH 47, 259 - Gesunder Genuß, Zipfel/ Radke, § 17 Rnr. 286 LMBG).

III. Die beanstandeten, oben genannten Aussagen schreiben den Riegeln spezifische gesund-heitsfördernde Wirkungen auf den Blasen- und Harnbereich bzw. auf die Prostata zu, die ihre Ursache in den Wirkstoffen bzw. Vitalsubstanzen bzw. Nährstoffen bzw. Vitalsubstanzen der aufgeführten Pflanzen haben sollen. Dadurch wird beim durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Verbraucher der Eindruck erweckt, er nehme etwas zu sich, das in der Lage sei, positiv auf seine Blase bzw. Prostata einzuwirken bzw. nachteiligen Veränderungen vorzubeugen, zumal er aufgefordert wird, diesen wertvollen , wohltuenden und kräftigenden Beitrag zur Unterstützung , zur Förderung , zur Kräftigung und Pflege zu nutzen.

IV. Die Bezeichnung (Klägerantrag 1.1) Atro Blasenkraft Plus dagegen ist so allgemein und unspezifisch, dass der angesprochene Verbraucher aus dieser Bezeichnung nicht konkret entnehmen kann, was der Riegel bewirken soll. Blasenkraft deutet zwar auf eine die Harnblase stärkende Wirkung, doch kann damit gemeint sein, das Mittel helfe gegen Blasenschwäche, als auch, es fördere die Harnausscheidung, als auch, es vergrößere die Kapazität der Blase. Was gemeint ist, erschließt sich erst aus der weiteren Beschreibung. Blasenkraft ist damit keine Wirkungsaussage im Sinne der Vorschrift.

Demgegenüber versprechen die Aussagen zu 1.2 Nutzen Sie die wertvollen Wirkstoffe des Weidenröschens zur Unterstützung Ihrer Blase, zu 1.3 ...zur Förderung des Harn- und Blasenbereichs..., zu 1.4 Die Wirkstoffe des Weidenröschens können Regulierung und Gesunderhaltung der Blasenfunktion fördern. und zu 1.5 Der mexikanische Feigenkaktus ... und Kürbiskerne ... sind als Vitalsubstanzen zur Kräftigung und Pflege des Harnbereichs bekannt. eine vorbeugende Wirkung gegen Beeinträchtigungen der Blasenfunktion und eine Verbesserung des allgemeinen Zustands im Harnbereich.

V. Für die Bezeichnung (Klägerantrag 2.1) Atro Prostata Vit gilt ähnliches. Auch ihr kann der Verbraucher nicht konkret entnehmen, was der Riegel bewirkt - abgesehen von einer Assoziation von Vit zu fit. Das ginge aber über die allgemeine Anpreisung einer Gesundheitsförderung nicht hinaus.

Die Angabe zu 2.2 Nutzen Sie die Nährstoffe der Sägepalme für die Gesundheit Ihrer Prostata. und die Angabe zu 2.3 Eine gesunde Prostata in normaler Größe beeinflusst die Harntätigkeit nicht. Damit dies so bleibt, dazu kann gezielte Förderung des gesamten Blasen-Prostata-Bereichs durch Vitalsubstanzen ein wertvoller Beitrag sein. Atro Prostata Vit wurde als einzigartige Kombination ausgewählter pflanzlicher Inhaltsstoffe gezielt zur Nährstoffunterstützung von Blase und Prostata entwickelt., spiegeln hingegen eine spezifische Wirksamkeit der angeführten Substanzen auf die Prostata und den Harnbereich vor. Behauptet wird eine Wirksamkeit zur Erhaltung der Prostata in ihrer normalen Größe, in gesundem Zustand. Die Verbindung dieser Begriffe mit der Aussage, damit dies so bleibt, beschreibt eine Vorbeugung gegen Prostatavergrößerungen und unterfällt damit § 18 LMBG..

Schließlich verspricht die Aussage zu 2.4 Die nordamerikanische Sägepalme ist bekannt als wohltuende und kräftigende Vitalstoffunterstützung für die Prostata Drüse. Feigenkaktus und Kürbiskerne werden als Vitalsubstanzen geschätzt, weil sie den Harnbereich kräftigen und pflegen können. eine kräftigende Wirkung des Mittels auf die Prostata und den Harnbereich.

Der Nachsatz Ein ergänzender Vitaminkomplex mit 10 Vitaminen fördert zusätzlich den Stoffwechsel. bezieht sich auf den Stoffwechsel allgemein und enthält - auch im Zusammenhang des Kontextes - keine spezifische Wirkungsaussage zu Prostata, Blasen- und Harnbereich.

VI. Die angeführten Wirkungsaussagen zu Blase, Prostata und Harnbereich sind irreführend im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG.

Die Angaben legen den Riegeln positive Wirkungen auf den Blasen- und Harnbereich und auf die Prostata des Menschen bei, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Das führt zwangsläufig zu einer Irreführung des Verbrauchers, der davon ausgehen darf, dass die ausgelobte Wirkung nicht wissenschaftlich bestritten ist (Zipfel / Rathke, § 17 LMBG Rnr. 286a).

Den Nachweis hinreichend gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis hat die Beklagte nicht führen können. Es entspricht zwar ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß bei der Frage einer irreführenden Werbung grundsätzlich den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der Werbebehauptung trifft (BGH, Urt. v. 17.10.1984 - I ZR 187/82, GRUR 1985, 140, 142 = WRP 1985, 72 - Größtes Teppichhaus der Welt m.w.N.).

Gegenüber der substantiierten Behauptung des Klägers, der als irreführend angegriffenen gesundheitsbezogenen Werbung fehle die wissenschaftliche Grundlage, ist es aber Sache des Beklagten, die wissenschaftliche Absicherung der umstrittenen Werbeaussage zu beweisen (BGH, Urt. v. 7.3.1991, - GRUR 1991, 848 = NJW RR 91, 1391 - Rheumalind II).

In Fällen, in denen der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen, übernimmt er mit seiner bestimmten Aussage zugleich die Verantwortung für ihre Richtigkeit, die er im Streitfall dann auch beweisen muß (BGH, Urt. v. 28.2.1958 - I ZR 185/56, GRUR 1958, 485, 486 = WRP 1958, 237 - Odol; Urt. v. 22.1.1965 - Ib ZR 109/63, GRUR 1965, 368, 373 = WRP 1965, 148 - Cafe C; BGH, Urt. v. 23. Oktober 1970 - I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = WRP 1971, 26 - Tampax; BGH, Urt. v. 7.3.1991, - GRUR 1991, 848 = NJW RR 91, 1391 - Rheumalind II, Baumbach/ Hefermehl, UWG § 3 Rnr. 120).

Nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG muß ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verzehr des Lebensmittels und der behaupteten Wirkung nachgewiesen werden, der wissenschaftlichen Anforderungen genügt und fachlich allgemein anerkannt wird. Die Erkenntnisse einzelner Wissenschaftler, die noch keine breite Anerkennung gefunden haben, reichen nicht aus. Maßgebend ist die als herrschend anzusehende, gefestigte Auffassung der Fachwelt (Zipfel / Rathke, § 17 Rnr. 287 LMBG, BGH LRE 4, 267).

VII. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Liss kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis für die behaupteten Wirkungen der Bestandteile der Riegel im Zusammenhang mit Blase und Prostata gebe. Dies habe die Sichtung der Standardwerke der Ernährungswissenschaft und der Rückgriff auf die medizinische/ pharmazeutische Fachliteratur ergeben. Lediglich die Wirkung von ihnen zugeordneten - seitens der Beklagten hervorgehobenen - Inhaltsstoffen werde besprochen, aber nicht in dem Sinne einer Funktionserhaltung oder Funktionsstärkung von Prostata und Blase. Letzterer Begriff tauche in der gesichteten Literatur gar nicht auf, gehöre damit nicht zum gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis. Sofern es ernsthafte Gegenstimmen gebe, wäre es unwahrscheinlich, dass es Stimmen von gleichem Gewicht wie die Stimmen der Ernährungswissenschaftler aus den gesichteten Standardwerken wären.

Der Sachverständige wendet sich weiter den einzelnen Bestandteilen und den Inhaltsstoffen Phytosterine und Phytoöstrogenen zu und legt dar, dass die hervorgehobenen Bestandteile der Riegel ( Weidenröschen, Feigenkaktus, Kürbiskernen und Sägepalme) nicht erwähnt und die Inhaltsstoffe zwar genannt und mit positiven Effekten verbunden werden, jedoch nicht im Zusammenhang mit Prostata und Blase. Auch würden die genannten Früchte bzw. Pflanzen nicht als Quelle der bezeichneten Phytochemicals  genannt, sondern nur allgemein davon gesprochen, dass diese in Obst, Getreide, Gemüse, teilweise namentlich aufgeführt, vorkommen. Schließlich prüft der Sachverständige, ob den Bestandteilen der Riegel eine pharmakologische Wirkung zukommt. Dies wird nach der Schrifttumslage teilweise und mit Einschränkungen, auf die es vorliegend nicht ankommt, da arzneiliche Wirkungen von der Beklagten nicht beansprucht werden, bejaht, jedenfalls auf der Grundlage der sogenannten Volksmedizin. Die ihnen zugeschriebenen ernährungsphysiologischen Wirkungen aber verneint der Sachverständige, da die in den Riegeln enthaltenen Mengen im Vergleich zu der arzneilichen Dosierung so extrem niedrig liegen, dass ein positiver Effekt nicht zu erwarten sei.

Nach diesem Gutachten ist der hinreichende wissenschaftliche Nachweis nicht geführt.

konkret auf Blase und Prostata zukommt, wird aus den Unterlagen nicht deutlich.

Einen hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis können auch die von der Beklagten vorgelegten Quellen und Privatgutachten nicht erbringen. Sie beschäftigen sich teilweise mit der Prävention des Prostatakarzinoms (in B1), eine Wirkung, die die Beklagte wohl wegen § 18 LMBG nicht für die Riegel in Anspruch nimmt, und stellen teilweise Internetauszüge dar. Das genügt den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Diskussion nicht, weil jedermann Beiträge in das Netz stellen kann, deren Qualität nicht geprüft oder diskutiert wird. Die Gutachten Prof. Dr. Altwein stützen sich auf eine Untersuchung zur Feigenkaktusblüte, zwei zum Weidenröschen, vier zu Kürbiskernen,-samen ( davon 2 mit einer speziellen Kürbissorte aus der Steiermark, deren Verwendung die Beklagte nicht behauptet). Das genügt für eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung nicht. Lediglich zur Sägepalmenfrucht werden ca. 50 Veröffentlichungen erwähnt, die eine moderate Besserung der BPH-bedingten ( = durch gutartiges Prostatakarzinom bedingte) Beschwerden zeigten. Diese Ausführungen beziehen sich damit lediglich auf die arzneiliche Wirkung dieses Bestandteils. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse in ernährungsphysiologischer Hinsicht dazu in der konkreten Zusammensetzung und Dosierung der Riegel vorliegen, ergibt sich daraus nicht.

Selbst wenn es sie gäbe, wäre das Endergebnis nur die Feststellung, dass die Wirkung umstritten und damit wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert ist.

Dem Gutachten folgt das Gericht nach eigener Prüfung. Es ist nachvollziehbar, logisch und überzeugend. Erkenntnisse oder wissenschaftliche Belege für die beanspruchten Wirkungen lassen sich in der Ernährungswissenschaft nicht finden. Die vom Sachverständige gezogene Schlussfolgerung, die Nichtbeachtung der von der Beklagten angeführten Stimmen in den einschlägigen Standartwerken lasse darauf schließen, dass die den Mitteln zugeschriebenen Wirkungen in der Fachliteratur so wenig anerkannt sind, dass sie der Erwähnung nicht wert sind, mag übertrieben sein. Einer allgemeinen Überzeugung in der Wissenschaft entsprechen sie jedenfalls bei dieser Quellenlage nicht.

Aus Vorstehendem folgt, dass den Unterlassungsanträgen 1. 2- 5 und 2.2 -4 stattzugeben war, letzterer mit Ausnahme des letzten Satzes zum Vitaminkomplex. Insoweit erhebt der Kläger auch keine konkreten Beanstandungen. In den Anträgen 1.1 und 2.1 war die Klage ebenfalls abzuweisen. Die allgemeine Interessenabwägung ergibt insoweit nicht anderes. Der Sinn und Zweck des neuen UWG ist auch der Abschied von dem früheren teilweise übertrieben strengen deutschen Irreführungsbegriff. Maßgeblich ist nur noch, ob die Rationalität des Verbrauchers bei der Kaufentscheidung durch die betreffende Werbung ausgeschaltet wird oder nicht.

Können aus einer Bezeichnung keine bestimmten Wirkungen abgeleitet werden, so mag sich der Verbraucher anhand der weiteren Angaben informieren, ob das Produkt seinen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht. Sind diese weiteren Angaben irreführend, so ist seinen Interessen und denen der Mitwettbewerber mit deren Verbot hinreichend Rechnung getragen. Unterläßt er eine naheliegende und einfache, ohne nennenswerten Aufwand mögliche Informationsgewinnung, so ist eine dadurch hervorgerufene denkbare Fehlvorstellung nicht schutzwürdig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Vorschrift sperrt gegebenenfalls § 708 Nr. 11 ZPO






LG Heidelberg:
Urteil v. 14.06.2005
Az: 11 0 34/04 KfH


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/519b6fc63015/LG-Heidelberg_Urteil_vom_14-Juni-2005_Az_11-0-34-04-KfH




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