Finanzgericht Köln:
Urteil vom 7. Juli 2010
Aktenzeichen: 2 K 3986/08

(FG Köln: Urteil v. 07.07.2010, Az.: 2 K 3986/08)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vergabe der Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß ist.

Die Klägerin ist minderjährig. Sie wurde am 00.00.0000 geboren. Ihr wurde vom Beklagten unter der Bezeichnung "Persönliche Identifikationsnummer" die steuerliche Identifikationsnummer ... zugeteilt. Diese Nummer wurde ihr mit Schreiben vom ... 2008 mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin 9 Monate alt. In dem Schreiben heißt es u.a. wörtlich: " … Sie wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig. Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit steuerlich nicht geführt werden. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer gegenüber Finanzbehörden immer an. … Beim Bundeszentralamt sind unter Ihrer Identifikationsnummer - nach den Angaben der für Sie im Regelfall zuständigen Meldebehörde - folgende Daten gespeichert: Familienname: A; Vornamen: B; Geschlecht: ...; vollständige Adresse: D Str. ..., F; Geburtstag und -ort: 00.00.0000 F".

Insgesamt sieht die Mitteilung - je nach Gegebenheiten - folgende Eintragungen vor: 1) Titel, Familienname; 2) Ehename; 3) Lebenspartnerschaft; 4) Geburtsname; 5) Vornamen; 6) Geschlecht; 7) vollständige Adresse; 8) Geburtstag und -ort; 9) Geburtsstaat (bei Geburt im Ausland).

Eine Rechtsmittelbelehrung ist dem Schreiben nicht beigefügt.

Daraufhin erhob die Klägerin Klage.

Die Klägerin trägt vor, dass die Vergabe der Steueridentifikationsnummer aufgrund von § 139b AO rechtswidrig sei und sie, die Klägerin, in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze.

Informationelle Selbstbestimmung sei das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Jedem Bürger werde damit grundsätzlich das Recht garantiert, über die Preisgabe und die Verwendung seiner persönlichen Daten selbst entscheiden zu können.

§ 139b AO greife in diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition ein, da er die Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung von persönlichen Daten ermögliche. Gespeichert würden vom Bundeszentralamt für Steuern die in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Daten. Ferner würden die Finanzbehörden und andere (nicht-) öffentliche Stellen zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer ermächtigt.

Dieser Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sei aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Soweit es um die Ermächtigung zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer durch andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen nach § 139b Abs. 2 AO gehe, mangele es an der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.

Das Bestimmtheitsgebot verlange, dass der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden müssten.

Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssten in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, 1 BvR 1550/07, Rn. 94).

Insbesondere eine wirksame Zweckbindung für die Verwendung der Steueridentifikationsnummer fehle in der Ermächtigungsgrundlage. Der unbestimmte Begriff der "andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen" aus § 139b Abs. 2 Satz 2 AO werde nicht näher definiert und sei auch einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich. In Anbetracht der Vielzahl von Steuergesetzen und den darüber hinaus bestehenden Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen Finanz- und Sozialbehörden sowie Dritten sei für den Bürger nicht überschaubar, welchen Stellen der Zugriff auf die Steueridentifikationsnummer gestattet sei.

Nicht hinreichend bestimmt sei auch § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO. Danach erfolge die Speicherung, um Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- oder zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen seien, an die zuständigen Stellen weiterleiten zu können. Diese Regelung mache nicht eingrenzend klar, um welche Gesetze es sich handele.

Entsprechendes gelte für § 139b Abs. 4 Nr. 5 AO, der die Datenspeicherung zum Zwecke der Erfüllung der den Finanzbehörden durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgaben vorsehe. Dieser Zweck sei zu unbestimmt. Der Bürger müsse wissen, welche Aufgaben gemeint seien. Es bestehe zudem die Gefahr, dass im Nachgang zur Einführung der Identifikationsnummer neue Gesetze geschaffen würden, die den Finanzbehörden Aufgaben auferlegen würden, zu deren Erfüllung sie auf die Identifikationsnummer zugreifen müssten. Durch diese "dynamische" Verweisung würden die Eingriffsbefugnisse des Staates - vom Bürger unbemerkt - erweitert.

Nach § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO würden öffentliche und nicht öffentliche Stellen ihre Daten mit Hilfe der Steuernummer ordnen und für den Zugriff erschließen dürfen, soweit dies für die Übermittlung an die Finanzbehörden erforderlich sei. Dies sei durch keinen Speicherungszweck in § 139b Abs. 4 AO gedeckt, es sei denn man verstehe Nr. 4 entsprechend.

Darüber hinaus verstoße § 139b AO gegen das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit).

Die neue zentrale Steuernummer sei nicht erforderlich. Es gebe nämlich ein gleich wirksameres, milderes Mittel: die jetzige Steuernummer. Das jetzige System mit den Steuernummern der Bundesländer gebe es schon seit 80 Jahren - und es sei erfolgreich. Wenn man etwas hätte verbessern wollen, hätte die Zusammenarbeit der Bundesländer besser abgestimmt werden können, um eine größere Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Dies wäre ein gleich geeignetes, milderes Mittel gewesen. Ein weiteres gleich geeignetes, milderes Mittel bestünde darin, dass die Meldebehörden ihre Mitteilungen an die Finanzämter geschickt hätten und diese dann die Bürger zwecks Überprüfung der Korrektheit der Daten angeschrieben hätten. Auch so wäre ein Datenabgleich möglich gewesen.

Der Hinweis auf internationale Standards als Zweck der Einführung der Steueridentifikationsnummer sei unzutreffend. Es gebe noch viele Länder, die keine Steueridentifikationsnummern hätten. Andere Länder, wie z.B. die Ukraine und Armenien, hätten aufgrund von Verfassungsklagen ihrer Bürger ihre Gesetze ändern und Ausnahmen zu den Steueridentifikationsnummern zulassen müssen.

Zudem seien die in § 139 Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO getroffenen Datenspeicherungszwecke nicht erforderlich, da die mit ihnen verfolgten Ziele der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit bereits dadurch erreicht werden könnten, dass ein einheitliches Ordnungsmerkmal zu den Zwecken von Nr. 1 bis 3 des § 139b Abs. 4 AO eingeführt werde. Der breit gefassten Verwendungsmöglichkeiten der Identifikationsnummer in Nr. 4 und 5 bedürfe es zur Erreichung dieser Ziele daneben nicht.

Die Regelung sei auch nicht angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Abwägung zwischen dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung und dem gesetzgeberischen Anliegen auf Durchsetzung von Steuergleichheit falle zu Lasten des Letzteren aus. Durch die durch § 139b AO ermöglichte weitere Sammlung, Koordinierung und Vernetzung der Daten mittels der Steueridentifikationsnummer sowie einer gesetzlichen Öffnung für weitere Datenverwendungsmöglichkeiten erfolge nicht nur ein Schritt zum "gläsernen Steuerzahler", sondern es würden nahezu alle finanziellen Transaktionen mittels der Steuernummer für den Staat zugänglich gemacht. Die neue Nummer werde dem Bürger künftig wie eine Personenkennzahl von der Geburt bis 20 Jahre nach dem Tod "anhaften". Über sie würden die Daten nach § 139b Abs. 3 AO abrufbar sein, die in die Nähe der Erstellung eines Persönlichkeitsprofil reichen würden. Dies sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Durch die zentrale Steueridentifikationsnummer werde jeder in der Bundesrepublik Deutschland lebende Mensch eindeutig identifizierbar. Dies sei bei den bis dahin vergebenen Steuernummern nicht der Fall. Dies führe zu "einer Art" Personenkennzeichennummer.

Es bestünde auch eine große Missbrauchsgefahr.

Die geplante zentrale Steuerdatei, in der die Steuernummern gesammelt würden, sei unsicherer als die vielen dezentralen Daten der Bundesländer. Es würde nur ein "Hacker-Angriff" auf den zentralen Server oder ein Einbruch ausreichen, damit "Kriminelle" sensible Daten von Millionen von Bürgern entwenden könnten.

Neben der Privatwirtschaft könne aber auch der Staat die Daten der Bürger missbrauchen. Der Bürger könne nicht feststellen, welche Behörde wann seine Steuerdaten anfordere und erhalte, da die Befugnisnorm zu unkonkret sei und er keine Kontrollrechte habe. Selbst in einem Rechtsstaat sei ein Missbrauch nie auszuschließen.

Aber auch ohne staatlichen Missbrauch seien die Daten der Bürger nicht sicher. Die bestehende Gefahr zeige sich an dem Beispiel Großbritannien Anfang des Jahres 2008. Dort seien die Steuerdaten der Bürger zentral gespeichert. Und dort seien zwei CD´s mit den Namen, Adressen, Kontonummern und Steuerdaten von 25 Mio. Bürgern "verschwunden".

Noch schlimmer sei es, wenn der Beklagte selber Fehler mache und die Namen und Anschriften der Bürger verwechsle. So seien in Stade hunderte von deutschen Bürgern als Russen, Usbeken und Ukrainer erfasst worden. Minderjährige seien als verheiratet oder mit falschen Namen aufgenommen worden. Da der Bürger keine Möglichkeit habe, seine Daten zu kontrollieren, wären die Folgen nicht zu überschauen. Wenn es z.B. für sie, die Klägerin, "auf einmal" zu einer fehlerhaften Eintragung käme und der Fehler von ihr nicht oder zu spät aufgedeckt würde, habe sie keine Möglichkeit, eventuell bereits erfolgte Datenaustausche mit anderen Behörden rückgängig zu machen. Sie würde gar nicht wissen, wer diese falschen Daten von ihr hätte und wie und bei wem sie diese Fehler rügen könnte.

In ihrem Fall spreche gegen die Verhältnismäßigkeit zudem augenfällig, dass sie als 2 1/ 2 Jahre altes, minderjähriges Kind noch für Jahre nicht über steuerpflichtiges Einkommen verfügen werde. Es mangele an der Erforderlichkeit der Steueridentifikationsnummer.

Es liege auch ein Verstoß gegen die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG vor.

Die Entwicklung würde dazu führen, dass Behörden Personen nicht mehr nach ihren Namen suchen werden, sondern nur nach der Steueridentifikationsnummer. Da es mehrere Personen mit einem Namen geben könne, aber die Steueridentifikationsnummer unverwechselbar sein solle, würden die Behörden auf der Grundlage der Nummer suchen. Der Mensch werde dann zur "Ware", mit einer Nummer abgestellt, wie Waren.

Zudem sei ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG gegeben.

In der Bibel sei festgelegt, dass Gott den Menschen einen Namen gebe und keine Nummern. Auch sei dem Menschen die Annahme nur einer Nummer untersagt (vgl. Offenbarung des Johannes, Kapitel 13, 16-18; 14, 9-11; 15, 2; 16, 2; 19, 20; 20, 4; 22, 19). Der Mensch als Gottes Geschöpf solle nicht wie eine Ware katalogisierbar sein (vgl. Offenbarung des Johannes, Kapitel 18, 11, 13). Durch die Nummer werde seine Individualität als Gotteskind ausgelöscht. Er verliere sein ewiges Leben. Dabei sei es eine Verpflichtung aller Staatsgewalt, gerade in Verantwortung vor Gott dem Frieden zu dienen (Präambel des Grundgesetzes).

Hilfsweise würde sie, die Klägerin, begehren, ihr eine Befreiung von der Steueridentifikationsnummer zu erteilen. Selbst wenn die Gründe für die Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß wären, müsse dem Bürger jedoch - wie bei jedem Eingriff - in besonderen Fällen eine Ausnahme- bzw. Befreiungsmöglichkeit bleiben. Bei ihr bestünde eine besondere Notlage aufgrund der Verletzung ihrer Glaubens- und Religionsfreiheit.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die Steueridentifikationsnummer nach § 139 a Abs. 1 AO sowie die dazu nach § 139 b Abs. 3 AO und - soweit vorhanden - nach anderen Vorschriften bei ihm gespeicherten Daten zu löschen, hilfsweise, der Klägerin eine Befreiung von der Steueridentifikationsnummer zu erteilen, soweit dies gesetzlich oder verfassungsrechtlich möglich ist, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte trägt vor, dass kein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vorliege, da § 139b AO den verfassungsrechtlichen Anforderungen für Eingriffe in das Grundrecht genüge.

Durch die Ermächtigung zur Erhebung, Speicherung und Verwendung der in § 139b Abs. 3 AO genannten persönlichen Daten greife § 139 b AO zwar in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch werde dieses Recht nicht schrankenlos gewährt, so dass Einschränkungen möglich seien. Hierzu bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspreche und verhältnismäßig sei. § 139b AO entspreche diesen Anforderungen.

§ 139b Abs. 2 AO sei durch den Gesetzgeber hinreichend bestimmt gefasst worden. Insbesondere die Zweckbindung sei gegeben. Bei der Steueridentifikationsnummer unterlägen sowohl die vergebene Nummer selbst als auch die Daten, die bei ihm, dem Beklagten, zu dieser Nummer gespeichert würden, einer strikten Zweckbestimmung. Die Erhebung und Verwendung der Nummer durch die Finanzbehörden dürfe nur dann erfolgen, wenn sie der gleich- und gesetzmäßigen Besteuerung des Bürgers diene (vgl. BT-Drucks. 15/1945, Seite 16; Wiese, in: Beermann/Gosch, § 139b AO, Rn. 9). Eine Verwendung des Identifikationsmerkmals für andere als steuerliche Zwecke sei ausschließlich auf der Grundlage einer ausdrücklichen spezialgesetzlichen Regelung des Bundes erlaubt. In Abgrenzung zum Bundesdatenschutzgesetz, nach dem eine Zweckänderung unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne zusätzliche gesetzliche Regelung zulässig sei (vgl. § 14 Abs. 2 BDSG), habe der Gesetzgeber durch den Gesetzesvorbehalt im Rahmen des § 139 b Abs. 2 AO strenge Anforderungen an eine mögliche Zweckänderung gestellt. Denn immanenter Bestandteil dieser gesetzlichen Öffnungsklausel sei, dass diese spezialgesetzliche Regelung ihrerseits wieder den Anforderungen des Grundgesetzes (insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung) entspreche.

Unschädlich sei im Hinblick auf die Wahrung des Bestimmheitsgebotes, dass in § 139 b Abs. 2 AO von "andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen" die Rede sei. Denn das Bestimmtheitsgebot verbiete nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, sofern sie sich hinreichend konkretisieren ließen und die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Norm ermächtigten staatlichen Stellen nicht gefährdet seien. Insoweit seien auch die "öffentlichen bzw. nicht öffentlichen Stellen" hinreichend bestimmt, da sich diese durch einen Rückgriff auf das Bundesdatenschutzgesetz ohne Schwierigkeiten bestimmen ließen. Die Begriffe "öffentliche" und "nicht öffentliche Stellen" seien in § 2 BDSG definiert.

Auch § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO sei vom Gesetzgeber hinreichend konkretisiert worden. § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO bezwecke nicht eine Erweiterung der Verwendung der Identifikationsnummer, sondern - im Gegenteil - eine Einschränkung des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO. Ein Ordnen nach der Steueridentifikationsnummer sowie die Erschließung der Identifikationsnummer für den Zugriff durch die Finanzverwaltung sei nur unter den zusätzlichen Anforderungen des § 139 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO möglich. Die Voraussetzungen des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO müssten aber stets kumulativ vorliegen, da das Ordnen bzw. die Erschließung der Identifikationsnummer für die Datenübermittlung zugleich ein Verwenden bzw. Beschaffen der Identifikationsnummer darstelle.

Auch § 139b Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO sei hinreichend bestimmt. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen sei dabei unschädlich. Denn der Verwendungsanlass und der Verwendungsgegenstand seien hinreichend umschrieben, indem die Verwendung bzw. Erhebung der Identifikationsnummer auf die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Finanzverwaltung beschränkt sei. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen führe dabei auch nicht zu einer beliebigen Erweiterbarkeit der Verwendung der Steueridentifikationsnummer. Denn der Gesetzgeber sei lediglich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung frei, eine Zweckänderung herbeizuführen.

§ 139b AO verstoße auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Übermaßverbot). Die Norm diene der gleichmäßigen und gesetzmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern (vgl. Art. 3 GG, § 85 AO). Darüber hinaus werde durch die Einführung einer Steueridentifikationsnummer ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geleistet und zugleich würden Arbeitsabläufe innerhalb der Finanzverwaltung effizienter und kostengünstiger gestaltet (BT-Drucks. 15/1945, Seite 16). Ferner werde mit der Einführung der Steueridentifikationsnummer eine Angleichung an den internationalen Standard bezweckt (vgl. BT-Drucks. 15/1798, Seite 15). Hierbei handele es sich um legitime Zwecke.

Die Erhebung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer sei auch geeignet dieses Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern zu erreichen. Zur Gewährleistung der Gleichheit im "Belastungserfolg" müsse nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, Rn. 106 ff.) das Deklarationsprinzip durch das Verifikationsprinzip ergänzt werden. Wesentliche Voraussetzung für ein effektives Kontrollsystem sei die eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen. Hierfür sei die Steueridentifikationsnummer geeignet, denn sie sei eindeutig, beständig und unveränderlich.

Die Erhebung und Vergabe der Steueridentifikationsnummer sei auch erforderlich, um diese Gesetzeszwecke zu erreichen. Ein ebenso wirksames, aber den Betroffenen weniger belastendes Mittel, um im Rahmen des Steuerverfahrens eine einwandfreie Identifizierung des Steuerpflichtigen erreichen zu können, sei nicht ersichtlich. Eine erfolgreiche Verwertung steuererheblicher Informationen setze eine eindeutige Identifizierung von Steuersubjekten voraus. Diesem Erfordernis sei insbesondere durch das föderale, länderseparate Steuernummernsystem, in welchem die Steuernummern zudem nicht dauerhaft vergeben würden, nicht ausreichend Rechnung getragen worden.

Die Erhebung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer im Rahmen des § 139b AO wahre auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung von Besteuerungsgrundlagen sei Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung. Die Einführung der Identifikationsnummer führe zu mehr Lastengleichheit bei den Steuerpflichtigen, denn mit der Einführung der Identifikationsnummer werde es der Finanzverwaltung möglich sein, Kontrollmitteilungen und andere steuererhebliche Informationen zügig, irrtumsfrei und ohne Reibungsverluste dem richtigen Steuersubjekt zuzuordnen. Ferner sei die Verwendung der Steueridentifikationsnummer durch § 139 b AO auch auf das notwendige Maß beschränkt. Denn bei der Steueridentifikationsnummer würden sowohl die Nummer selbst als auch die Daten, die beim Bundeszentralamt für Steuern gespeichert würden, einer strikten besonderen Zweckbindung unterliegen. Andere Stellen als Finanzbehörden dürften die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für die Datenermittlung zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich sei oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung ausdrücklich erlaube oder anordne. Auf die gespeicherten Daten dürften nur Finanzbehörden im Rahmen der gesetzlich geregelten Zwecke zugreifen. Andere öffentliche oder nichtöffentliche Stellen hätten keinen Zugriff auf diese Daten. Insbesondere werde auch der Gefahr, dass durch die Einführung der Steueridentifikationsnummer Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten, durch verschiedene Maßnahmen entgegengewirkt. So sei die Identifikationsnummer als sog. "nicht sprechende Nummer" konzipiert, die keine Rückschlüsse auf die zu dem Betroffenen gespeicherten Daten zulasse. Ferner dürften die Daten nur von den Finanzbehörden für die gesetzlich zugelassenen Zwecke verwandt werden. Schließlich habe der Gesetzgeber die zweckwidrige Verwendung der Nummer durch nicht öffentliche Stellen nach § 383a AO mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 € bedroht.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

A. Die Voraussetzungen der Zulässigkeit sind erfüllt.

I. Der Finanzrechtsweg ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet. Der Streitfall betrifft insbesondere eine öffentlichrechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten. Abgabenangelegenheiten sind nach § 33 Abs. 2 FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten.

Im Streitfall begehrt die Klägerin die Löschung der Steueridentifikationsnummer und der hierunter beim Beklagten gespeicherten Daten. Rechtsgrundlage hierfür ist ein öffentlichrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch. Die Löschung der Steueridentifikationsnummer und der hierunter gespeicherten Daten weist dabei die gleiche Rechtsnatur auf wie deren Vergabe. Die Vergabe der Steueridentifikationsnummer und Speicherung von Daten hierunter ist eine abgabenrechtliche Angelegenheit, da sie in der Abgabenordnung - in § 139b AO - geregelt ist.

II. Die Leistungsklage ist statthaft. Die Leistungsklage i.S.d. § 40 Abs. 1 FGO ist nicht auf den Erlass oder die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, sondern auf eine abgelehnte oder unterlassene andere oder sonstige Leistung gerichtet, die in einem Tun, Dulden oder Unterlassen bestehen kann (Tipke, in Tipke/Kruse, § 40 FGO, Tz. 17).

Die Klägerin begehrt die Löschung der Steueridentifikationsnummer und der hierunter beim Beklagten gespeicherten Daten. Damit begehrt sie ein schlichtes Verwaltungshandeln. Bei der Löschung handelt es sich insbesondere nicht um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes.

Die Vergabe und die Mitteilung der Steueridentifikationsnummer stellen keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 Satz 1 AO dar, sondern schlichtes Verwaltungshandeln (so i.E. auch Schmitz, in Schwarz, § 139a AO, Rn. 3a; Brandis, in Tipke/Kruse, § 139a AO, Tz. 3; Rätke, in Klein, § 139a AO, Rn. 6; a.A. Wiese, in Beermann/Gosch, § 139a AO, Rn. 14). Es mangelt an dem für einen Verwaltungsakt erforderlichen Regelungscharakter. Eine Regelung setzt voraus, dass eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird (BFH-Beschluss vom 19. Juli 2005, VI B 4/05, BFH/NV 2005, 1755). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Vergabe der Steueridentifikationsnummer hat lediglich innerorganisatorischen Charakter. Sie ist mit der Vergabe der Steuernummer und Umsatzsteueridentifikationsnummer, die ebenfalls (nur) schlichtes Verwaltungshandeln darstellt (zur Steuernummer: Schmitz, in Schwarz, AO, Vor §§ 139a-139d, Rn. 10), vergleichbar. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Steueridentifikationsnummer im Gegensatz zur Steuernummer und Umsatzsteuernummer lebenslange Geltung hat. Denn hierdurch wird der Charakter der Identifikationsnummer als innerorganisatorische Maßnahme nicht verändert.

III. Am Vorliegen der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen keine Bedenken. Insbesondere sind die Durchführung eines Vorverfahrens und die Wahrung einer Klagefrist vom Gesetz nicht vorgesehen.

IV. Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht an der Minderjährigkeit der Klägerin, da sie von ihrer Mutter als ihrem gesetzlichen Vertreter gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB ordnungsgemäß vertreten wurde.

1. Die 2007 geborene, minderjährige Klägerin ist nach § 104 Nr. 1 BGB nicht geschäftsfähig. Damit kann sie nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO im vorliegenden Verfahren keine wirksamen Verfahrenshandlungen vornehmen. Es bedarf deshalb der Vertretung der Klägerin durch ihre Eltern bzw. ihre allein sorgeberechtigte Mutter.

2. Es ist kein Prozesspfleger nach § 57 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO zu bestellen. Hiernach hat das Prozessgericht nur dann einen Vertreter für eine nicht prozessfähige Person zu bestellen, wenn die nicht prozessfähige Person verklagt werden soll. Nach Wortlaut und Zweck erschöpft sich die Vorschrift des § 57 ZPO darin, dem Kläger einen prozessfähigen Gegner gegenüberzustellen, damit er seinen Anspruch geltend machen kann (BFH-Beschluss vom 12. Juli 1999, IX S 8/99, BFH/NV 1999, 1631). Deshalb ist die Vorschrift nicht anzuwenden, wenn, wie im Streitfall, ein nicht prozessfähiger Kläger - hier: Klägerin - klagen will.

V. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Laufe des Klageverfahrens ihr Klagebegehren von einem Feststellungs- in ein Leistungsbegehren geändert hat. Es handelt sich hierbei um eine Klageänderung nach § 67 Abs. 1 FGO. Die Klageänderung ist u.a. zulässig, wenn - wie im Streitfall - die übrigen Beteiligten - hier: der Beklagte - eingewilligt hat.

B. Die Klage ist indes unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Löschung der Steueridentifikationsnummer und der hierunter beim Beklagten gespeicherten Daten. Die Voraussetzungen eines öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs, der einzigen in Betracht kommenden Rechtsgrundlage, sind nicht erfüllt.

I. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung der unmittelbaren Folgen der Vollziehung des Verwaltungsaktes bzw. des Verwaltungshandelns gerichtet (vgl. BFH-Beschluss vom 18. November 2003 VII B 277/03, BFH/NV 2004, 288; BVerwG-Urteil vom 19. Juli 1984, 3 C 81/82, BVerwGE 69, 366). Dieser setzt voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen wird (BFH- Beschluss vom 18. November 2003, VII B 277/03, a.a.O.).

Im Streitfall mangelt es an einem rechtswidrigen Zustand. Die Steueridentifikationsnummer wurde auf der Grundlage des § 139a AO zugeteilt und die darunter erfolgte Speicherung der Daten basiert auf § 139b AO, dessen Voraussetzungen gewahrt sind.

Die Klägerin fällt insbesondere auch in den Anwendungsbereich des § 139a Abs. 1 AO, der alle Steuerpflichtigen erfasst. Steuerpflichtiger im Sinne der §§ 139a ff. AO ist gemäß § 139a Abs. 2 AO jeder, der - wie die Klägerin - nach einem Steuergesetz steuerpflichtig ist. Die Steuerpflicht der Klägerin ergibt sich trotz ihrer Minderjährigkeit und Erwerbslosigkeit aus § 1 Abs. 1 EStG.

Laut Mitteilungsschreiben des Beklagten vom 7. Oktober 2008 wurden auch nur solche Daten gespeichert, die in § 139b Abs. 3 AO vorgesehen sind: der Familienname, der Vorname, das Geschlecht, die Adresse, der Geburtstag und -ort.

Dass in dem Mitteilungsschreiben auch eine Position zur Speicherung vorgesehen ist, die von § 139b Abs. 3 AO nicht gedeckt sein könnte - die Lebenspartnerschaft - ist im Streitfall unerheblich, da hierzu jedenfalls keine Eintragung erfolgt ist.

II. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs auch nicht deshalb erfüllt, weil §§ 139a, 139b AO gegen Grundrechte verstoßen würde. Der Senat hat diesbezüglich zwar erhebliche Zweifel. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Anwendung des Gesetzes. Er kann die Sache auch nicht dem Bundesverfassungsgericht im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegen. Denn die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Norm voraus (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Oktober 2009, 2 BvL 3/08 u.a., ZBR 2010, 165; vom 13. Mai 2009, 1 BvL 7/08, MMR 2009, 606; vom 8. September 2008, 2 BvL 6/03, HFR 2009, 72). Damit ist die volle Überzeugung gemeint. Soweit (lediglich) erhebliche Zweifel an der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes bestehen, ist die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG unzulässig und die Norm anzuwenden.

1. Die Regelungen zur Steueridentifikationsnummer wurden durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) vom 15. Dezember 2003 (BStBl I 2003, 710) als 3. Unterabschnitt des 1. Abschnitts des 4. Teils der AO in die Abgabenordnung eingefügt. Dabei sieht § 139 a Abs. 1 AO vor, dass der Beklagte, das Bundeszentralamt für Steuern, jedem Steuerpflichtigen zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung in Besteuerungsverfahren ein einheitliches und dauerhaftes Merkmal (Identifikationsmerkmal) zuteilt, das bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden anzugeben ist. Dabei erhalten natürliche Personen eine Identifikationsnummer nach § 139 b AO, die sog. Steueridentifikationsnummer. In § 139 b AO sind Art und Umfang der Verwendung der Identifikationsmerkmale sowie die beim Bundeszentralamt für Steuern zu speichernden Daten geregelt. § 139 d AO enthält ergänzend hierzu die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung.

Der Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilung der Steueridentifikationsnummer ist in Art. 97 § 5 EGAO geregelt, wonach das BMF diesen Zeitpunkt durch Rechtsverordnung bestimmt.

Die §§ 139 a - 139 d AO werden auch durch § 383a AO ergänzt, der die Sanktionierung zweckwidriger Verwendungen des Identifikationsmerkmals vorsieht.

2. Für den Senat steht nicht zur vollen Überzeugung fest, dass die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer nach § 139a Abs. 1 AO und die Speicherung von Daten hierunter nach § 139b AO nicht mit der Verfassung im Einklang steht, wenngleich er ganz erhebliche Zweifel hieran hat.

Insoweit kommt insbesondere eine Verletzung des durch Art. 2 Abs 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht. Dabei ist von ganz besonderer Bedeutung, dass durch die Steueridentifikationsnummer alle Steuerpflichtigen i.S.d. § 139a Abs. 2 AO, also letztlich alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bürger, zentral durch den Staat erfasst werden und dass hierdurch die Möglichkeit geschaffen wird, durch entsprechende Erweiterungen der unter der Steueridentifikationsnummer zu speichernden Daten bzw. durch die Vernetzung verschiedener Datenpools, die auf der Steueridentifikationsnummer basieren könnten, einen großen zentralen Datenbestand zu schaffen, so dass sich in Zukunft möglicherweise auch die Gefahr der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ergeben könnte.

a. Schutzbereich

Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere der des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, ist tangiert.

aa. Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar.

bb. Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus in seinem sog. Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 (1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1) abgeleitet, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit bereits unter den seinerzeit modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraussetzt (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 149). Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 149).

Denn im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen der Wert und die Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt. Ihrem Schutz dient - neben speziellen Freiheitsverbürgungen - das in Art. 2 Abs 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gerade auch im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen der menschlichen Persönlichkeit Bedeutung gewinnen kann (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 146). Das Persönlichkeitsrecht umfasst auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 146).

Individuelle Selbstbestimmung setzt - auch unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitungstechnologien - voraus, dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 148). Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 148).

cc. Auch schon im sog. Mikrozensus-Urteil vom 16. Juli 1969 (1 BvL 19/63, BVerfGE 27, 1, Rn. 20) hatte das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass es der menschlichen Würde widerspreche, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen. Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist (BVerfG-Entscheidung vom 16. Juli 1969, 1 BvL 19/63, a.a.O., Rn. 20).

Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse seiner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein "Innenraum" verbleiben muss, in dem er "sich selbst besitzt" und "in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt" (BVerfG-Entscheidung vom 16. Juli 1969, 1 BvL 19/63, BVerfGE 27, 1, Rn. 21). In diesen Bereich kann der Staat unter Umständen bereits durch eine - wenn auch bewertungsneutrale - Einsichtnahme eingreifen, die die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme zu hemmen vermag (BVerfG-Entscheidung vom 16. Juli 1969, 1 BvL 19/63, a.a.O., Rn. 21).

dd. Durch die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer und die Speicherung von Daten hierunter ist der Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung der Klägerin betroffen. Denn hierdurch ist ihre Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu bestimmen, tangiert.

b. Eingriff

Der Schutzbereich ist nicht nur tangiert, in ihn wird auch eingegriffen. Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.

Der Eingriff ist in mehrerlei Hinsicht gegeben.

aa. So wird in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schon allein durch die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer eingegriffen. Durch die der Klägerin zugeordnete Steueridentifikationsnummer wird ein Datum geschaffen, über dessen Verwendung die Klägerin nicht bestimmen kann. Auch könnte hierdurch eine erste Voraussetzung für die Möglichkeit der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen geschaffen sein, da dem Staat hierdurch erstmalig ein Instrumentarium zur Verfügung steht, mit dem er zentral Daten aller Steuerpflichtigen i.S.d. § 139a Abs. 2 AO, also sämtlicher Bürger in Deutschland, speichern könnte.

bb. Auch die Speicherung der Daten nach § 139 b Abs. 3 AO unter der Steueridentifikationsnummer - insbesondere solcher, die über den Namen hinausgehen, da die Nummer zu ihrem Verständnis immer einem Namen zugeordnet sein muss - greift in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein. Denn hierdurch ist es der Klägerin nicht mehr möglich, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung dieser ihrer persönlichen Daten zu bestimmen.

cc. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit der Zuspeicherung weiterer Daten. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber durch den Erlass des § 39 e EStG sogar schon Gebrauch gemacht, auch wenn die entsprechende Speicherung der Daten nach § 39 e Abs. 2 EStG bislang noch nicht umgesetzt wurde. Hieran wird deutlich, dass Erweiterungsmöglichkeiten bestehen und der Gesetzgeber hiervon auch Gebrauch macht.

dd. Darüber hinaus wird in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Möglichkeit der Weitergabe der Steueridentifikationsnummer eingegriffen, denn auch insoweit entzieht sich die Verwendung der Steueridentifikationsnummer als Datum der Verfügungskompetenz der Klägerin.

ee. Schließlich wird in das Recht auch durch die Möglichkeit der Bildung weiterer Datenpools unter der Steueridentifikationsnummer bei anderen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen eingegriffen. Auch hierbei handelt es sich nicht (mehr) um eine bloße Gefahr. So melden bereits z.B. die Versicherungsunternehmen und die Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 10 Abs. 2a Satz 4 EStG dem Rentenversicherungsträger die Beiträge ihrer Versicherten unter Angabe der Vertrags- oder Versicherungsdaten und der Identifikationsnummer nach § 139b AO. Darüber hinaus ordnet § 22a EStG an, dass die Rentenversicherungsträger bei den jährlichen Rentenbezugsmitteilungen an die Deutsche Rentenversicherung Bund die jeweilige Steueridentifikationsnummer anzugeben haben.

c. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

Der Senat hat erhebliche Zweifel daran, dass der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Die Zweifel reichen indes für eine volle Überzeugung von der mangelnden Rechtfertigung und damit für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht aus.

aa. Rechtsgrundlage des Eingriffs (Ermächtigungsgrundlage)

Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer und deren Nutzung insbesondere zur Datenspeicherung findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 139 a, 139b AO.

bb. Einschränkbarkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist grundsätzlich einschränkbar.

Es ist zwar nicht aufgrund eines Gesetzesvorbehaltes in Art. 2 Abs. 1 GG einschränkbar. Bei Fehlen eines Gesetzesvorbehalts ist der Grundrechtsschutz jedoch durch Verfassungsgüter und Grundrechte Dritter als so genannte verfassungsimmanente Schranken eingeschränkt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist also nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über "seine" Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 150). Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Grundgesetz hat, wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach hervorgehoben ist, die Spannung Individuum - Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden (vgl. BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 150; vom 1. März 1979, 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, 290 Rn. 179; Beschluss vom 18. Januar 1981, 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 Rn. 26). Grundsätzlich muss daher der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen.

cc. Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs

Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin durch § 139b i.V.m. § 139a AO ist in formellrechtlicher Hinsicht verfassungsgemäß. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers ergibt sich aus Art. 108 Abs. 5 Satz 1 GG und das Gesetzgebungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

In materiellrechtlicher Hinsicht hat der Senat bedeutende Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Regelung. Allerdings reichen diese Zweifel nicht für die volle Überzeugungsbildung bezüglich einer Verfassungswidrigkeit der Regelung aus, die für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG jedoch erforderlich wäre. Folglich hat der Senat die §§ 139a, 139b AO trotz seiner Bedenken anzuwenden.

(1) Rechtfertigungsgrundsätze für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Bei der Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die Befugnis zur informationellen Selbstbestimmung - bereits aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1983 - unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes bedarf (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 147). Sie ist vor allem deshalb gefährdet, weil bei Entscheidungsprozessen nicht mehr wie früher auf manuell zusammengetragene Karteien und Akten zurückgegriffen werden muss, vielmehr mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person (personenbezogene Daten, vgl. § 2 Abs 1 BDSG) technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar sind (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 147). Sie können darüber hinaus - vor allem beim Aufbau integrierter Informationssysteme - mit anderen Datensammlungen zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden, ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren kann. Damit haben sich in einer bis dahin unbekannten Weise die Möglichkeiten einer Einsichtnahme und Einflussnahme erweitert, welche auf das Verhalten des Einzelnen schon durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme einzuwirken vermögen (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 147).

Die Beschränkungen bedürfen nach Art. 2 Abs. 1 GG einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 151; Beschluss vom 22. Juni 1977, 1 BvR 799/76, BVerfGE 45, 400 Rn. 81). Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz folgt bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 151; vom 15. Dezember 1965, 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342 Rn. 17). Angesichts der Gefährdungen durch die Nutzung der automatischen Datenverarbeitung hat der Gesetzgeber mehr als früher auch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 151).

(2) Schranken-Schranken

In dem Bewusstsein um die Gefahren, die von einer zentralen Speicherung von Daten aller Bürger in Deutschland ausgehen und der diesbezüglichen besonderen Schutzwürdigkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich für den Senat gleichwohl nicht zur vollen Überzeugung, dass der Eingriff in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und aus dem Bestimmtheitsgebot als sog. "Schranken-Schranken" materiellrechtlich gerechtfertigt ist.

(a) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein; der mit ihr verbundene Eingriff darf seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Bürger hinzunehmenden Einbußen stehen (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 175; BVerfG-Urteil vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272, Rn. 204).

Dabei ist die Vergabe der Steueridentifikationsnummer mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht schlechthin unvereinbar. Der Gesetzgeber kann mit einer solchen Regelung legitime Zwecke verfolgen, für deren Erreichung eine solche Speicherung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet und erforderlich ist. Einer solchen Speicherung fehlt es auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht von vornherein an einer Rechtfertigungsfähigkeit. Bei einer Ausgestaltung, die dem besonderen Gewicht des hierin liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung trägt, also adäquat gesetzlich ausgestaltet ist, unterfällt die Steueridentifikationsnummer nicht schon als solche dem strikten Verbot eines Personenkennzeichens.

(aa) Zweck

Der Zweck der Zuteilung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer insbesondere zur Datenspeicherung nach §§ 139a, 139b AO besteht im Wesentlichen in der gleichmäßigen Besteuerung, die durch einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug sichergestellt sein muss, und in der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens.

Insoweit nimmt auch der Gesetzgeber (Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/1945, Seite 15 f.) zur Begründung der Einführung der steuerlichen Identifikationsnummer auf das Zinsurteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239) Bezug, wonach der Gesetzgeber sicherzustellen hat, dass alle Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Daraus ergibt sich, dass die Finanzbehörden aufgrund ihrer gesetzlichen Befugnisse in der Lage sein müssen, die Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Diese allein reichen hierfür im Wesentlichen zwar aus, konnten aber bislang nicht optimal ausgeschöpft werden. Die Finanzbehörden müssen auch organisatorisch und technisch fähig sein, die zulässigen Überprüfungen effizient vorzunehmen. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit der Finanzbehörden erforderlich. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen. Die bisherige Zuweisung einer Steuernummer, die nicht dauerhaft vergeben wird und daher auch nicht eindeutig ist, ist für behördenübergreifende Zwecke kaum geeignet. Denn dabei kann zum Beispiel eine minimale Abweichung bei der Schreibweise eines Namens eine eindeutige Identifikation unmöglich machen. Steuerpflichtige können auf diese Weise bewusst eine falsche Identität vortäuschen und so steuerliche Leistungen oder Vergünstigungen zu Unrecht erlangen. Hier kann nach der Gesetzesbegründung (Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/1945, Seite 15 f.) - angesichts des föderalen Aufbaus der Steuerverwaltung in Deutschland - nur die Einführung eines einheitlichen Identifikationsmerkmals für das Besteuerungsverfahren Abhilfe schaffen.

Der Gesetzgeber hebt darüber hinaus hervor, dass durch die Einführung der steuerlichen Identifikationsnummer ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens - insbesondere im Hinblick auf die ebenfalls mit diesem Gesetzesentwurf beabsichtigte Modernisierung des Lohnsteuerverfahrens - geleistet wird (Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/1945, Seite 15 f.). Die Vergabe weiterer Steuernummern, z. B. für verschiedene Steuerarten oder in Fällen des Wechsels des Wohn- oder Betriebssitzes, wird in Zukunft entbehrlich. Das Identifikationsmerkmal erlaubt darüber hinaus die Zuordnung der neuen elektronischen Lohnsteuerbescheinigung und wird u. a. auch die Funktion der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer umfassen. Dies baut Bürokratie ab und erhöht die Transparenz des Besteuerungsverfahrens (Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/1945, Seite 15 f.). Darüber hinaus erfolgt hierdurch eine Anpassung an internationale Standards (BT-Drucks. 15/1798, Seite 15).

(bb) Eignung

Die Steueridentifikationsnummer dürfte nach Auffassung des Senats dazu geeignet sein, den Vollzug der Steuergesetze besser zu gewährleisten und damit zu einer gleichmäßige(re)n Besteuerung zu führen.

Zweifel bestehen für den Senat jedoch insoweit, als der Zweck der gleichmäßigen Besteuerung durch die eindeutige und zentrale Erfassung aller potentiellen Steuerpflichtigen - als "Unterzweck" - erstrebt wird. Deshalb wurde für den persönlichen Anwendungsbereich der Steueridentifikationsnummer auch eine Spezialdefinition des Steuerpflichtigen in das Gesetz eingefügt, die den Kreis der Steuerpflichtigen gegenüber dem gemäß der Legaldefinition des § 33 Abs. 1 AO deutlich erweitert. So ist Steuerpflichtiger im Sinne der §§ 139a ff. gemäß § 139a Abs. 2 AO jeder, der nach einem Steuergesetz steuerpflichtig ist. Damit werden letztlich alle Bürger in Deutschland erfasst. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG sind alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Die Zweifel beruhen darauf, dass es nicht möglich ist, alle in Deutschland potentiell Steuerpflichtigen zu erfassen, so dass der Unterzweck und damit auch der Zweck insoweit nicht erreicht werden könnte. So wird beispielsweise beschränkt Steuerpflichtigen keine Steueridentifikationsnummer zugeteilt, obwohl auch diese zur Erreichung des Zwecks erfasst werden müssten. Letztlich wäre zu erwägen, ob bei konsequenter Umsetzung des Ziels der gleichmäßigen Besteuerung durch die Erfassung aller potentiell Steuerpflichtigen die Steueridentifikationsnummer auch über die Staatsgrenze hinaus zuzuteilen wäre und dass dieses Ziel nicht erreichbar wäre. Allerdings ist dem Gesetzgeber diesbezüglich zugute zu halten, dass dies faktisch nicht möglich wäre. Er hat indes den Personenkreis, dessen Erfassung möglich ist, erfasst.

(cc) Erforderlichkeit

Große Bedenken hat der Senat allerdings an der Voraussetzung der Erforderlichkeit, wenngleich er nicht zu der vollen Überzeugung gelangt, dass die Erforderlichkeit nicht gegeben ist.

(aaa) Die Erforderlichkeit setzt voraus, dass das Ziel nicht durch eine weniger belastende Maßnahme gleichermaßen wirksam erreicht werden könnte (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. Juli 2010, 2 BvR 759/10, abrufbar über Juris; vom 11. Juni 2010, 1 BvR 915/10, abrufbar über Juris; vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272).

Der Senat sieht in diesem Zusammenhang ein Problem in der mangelnden Anlassbezogenheit der Zuteilung der Steueridentifikationsnummer und der hierunter erfolgenden Datenspeicherung, die am Beispiel der minderjährigen Klägerin, die noch keinen Besteuerungstatbestand erfüllt, besonders deutlich wird. Es ist zu erwägen, ob es zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung tatsächlich erforderlich ist, die Steueridentifikationsnummer "flächendeckend" zuzuteilen und "flächendeckend" zentral hierunter Daten zu speichern, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen schon einen Besteuerungstatbestand erfüllt haben.

(bbb) Die Daten nach § 139 b Abs. 3 AO werden für alle "Steuerpflichtigen" i.S.d. § 139a Abs. 2 AO gespeichert, unabhängig davon, ob ein Besteuerungstatbestand besteht oder ob es dazu kommen wird. Diesbezüglich kommt es in gewisser Weise zu einer "Vorratsdatenspeicherung". Eine Vorratsdatenspeicherung ist nicht grundsätzlich zulässig (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 155). An ihre Erforderlichkeit sind hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272, Rn. 227). Insoweit bestehen vorliegend Bedenken.

Es könnte fraglich sein, ob die anlasslose Speicherung der Daten die Gleichmäßigkeit der Besteuerung tatsächlich verbessert. Denn die anlasslose Vergabe der Steueridentifikationsnummer als solcher führt nicht dazu, dass dem Finanzamt neue Besteuerungsfälle bekannt werden oder dass es entsprechende Ermittlungen einleitet (z.B. jeden steuerlich bei ihm noch nicht in Erscheinung getretenen "Steuerpflichtigen" zur Mitteilung auffordert, ob steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden).

(ccc) Zwar ist die Speicherung der Daten nach dem Katalog des § 139 b Abs. 3 AO grundsätzlich unbedenklich, auch wenn sie anlasslos erfolgt. Denn es handelt sich hierbei um Daten, die bislang auch schon bei den Meldeämtern gespeichert sind. Jedoch ergibt sich im Hinblick auf deren Speicherung unter der Steueridentifikationsnummer die Besonderheit, dass diese Daten nunmehr zentral beim Bundeszentralamt für Steuern und nicht mehr dezentral bei den Meldeämtern gespeichert sind.

Im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung, insbesondere der Frage der Verfassungsgemäßheit des § 113a TKG, hat das BVerfG zugunsten dieses Gesetzes ausgeführt, für die adäquate gesetzliche Ausgestaltung der Norm u.a. maßgeblich ist, dass die vorgesehene Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht direkt durch den Staat, sondern durch eine Verpflichtung der privaten Diensteanbieter verwirklicht wird (BVerfG-Urteil vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272 Rn. 214). Für das Bundesverfassungsgericht war dabei von Bedeutung, dass die Daten damit bei der Speicherung selbst noch nicht zusammengeführt werden, sondern auf viele Einzelunternehmen verteilt bleiben und dem Staat unmittelbar als Gesamtheit nicht zur Verfügung stehen; der Abruf der Daten seitens staatlicher Stellen erfolgt erst in einem zweiten Schritt und nunmehr anlassbezogen nach rechtlich näher festgelegten Kriterien (BVerfG-Urteil vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., a.a.O., Rn. 214, vgl. auch Rn. 218).

Es erscheint fraglich, ob vor diesem Hintergrund die Erforderlichkeit der zentralen Datenspeicherung zu verneinen ist, zumindest soweit sie anlasslos erfolgt.

(ddd) Im Rahmen der Erforderlichkeit als Voraussetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist jedoch zu beachten, dass dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer grundrechtseinschränkenden Regelung eine Einschätzungsprärogative zusteht (BVerfG-Beschluss vom 3. September 2009, 1 BvR 2384/08, NVwZ 2010, 313 Rn. 44). Nur wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen jedoch weniger belasten, ist die Erforderlichkeit zu verneinen (BVerfG-Beschluss vom 3. September 2009, 1 BvR 2384/08, a.a.O. Rn. 44).

Angesichts dessen spricht zugunsten der Erforderlichkeit der anlasslosen Erfassung sämtlicher "potentieller" Steuerpflichtigen i.S.d. § 139a Abs. 2 AO, dass der Gesetzgeber das Problem erkannt hat. In der Gesetzesbegründung hebt er ausdrücklich hervor, dass zu den Steuerpflichtigen i.S.d. § 139a Abs. 2 AO zum Beispiel auch minderjährige natürliche Personen gehören, die kein oder nur ein so geringes Einkommen erzielen, dass sie keine Steuern schulden, aber gleichwohl nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtig sind (Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/1945, Seite 16). Der Gesetzgeber betont, dass ohne Einbeziehung derartiger Personen der Zweck des Identifikationsmerkmals nicht zu erreichen wäre (Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, a.a.O., S. 16). Hierbei handelt es sich mangels weiterreichender Begründung zwar um eine Behauptung. Jedoch vermag der Senat nicht auszuschließen, dass es tatsächlich Gründe für die Erfassung auch der bislang steuerlich nicht in Erscheinung getretenen Personen gibt, z.B. zur zeitnäheren Auswertung steuererheblichen Informationen ohne Ermittlungsaufwand bezüglich bis dahin noch nicht in Erscheinung getretener Personen (so Schmitz, in Schwarz, § 139a AO Rn. 5; Wiese, in Beermann/Gosch, § 139a AO Rn. 16) oder zum Zwecke einer Negativabgrenzung bei der Ermittlung eines gesuchten Steuerpflichtigen. Jedenfalls aber scheint die Einschätzung des Gesetzgebers noch von seiner Einschätzungsprärogative umfasst zu werden.

(eee) Vor diesem Hintergrund hat der Senat zwar Zweifel an der Erforderlichkeit der Regelung der §§ 139a, 139b AO, ist jedoch nicht davon überzeugt, dass diese Voraussetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die anlasslose Erfassung aller natürlicher im Inland ansässigen Personen nicht erfüllt ist.

(dd) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

Auch vom Fehlen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne als der abschließenden Voraussetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist der Senat nicht voll überzeugt, wenngleich er diesbezüglich erhebliche Zweifel hat.

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne setzt unter entsprechender Abwägung voraus, dass das Allgemeinwohlinteresse an einer gleichmäßigen Besteuerung bzw. die Verpflichtung des Staates zum gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze im Interesse des Allgemeinwohls das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt.

(aaa) Abwägungsgrundsätze

Zur Bestimmung der Tragweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gegen Eingriffe hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil (vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 152) hervorgehoben, dass dabei nicht allein auf die Art der Daten abgestellt werden kann. Entscheidend ist ihre Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit. Diese hängen einerseits von dem Zweck, dem die Erhebung dient, und andererseits von den der Informationstechnologie eigenen Verarbeitungsmöglichkeiten und Verknüpfungsmöglichkeiten ab. Dadurch kann ein für sich gesehen belangloses Datum einen neuen Stellenwert bekommen; insoweit gibt es unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein "belangloses" Datum mehr (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O., Rn. 152).

Inwieweit Informationen sensibel sind, kann hiernach nicht allein davon abhängen, ob sie intime Vorgänge betreffen. Vielmehr bedarf es zur Feststellung der persönlichkeitsrechtlichen Bedeutung eines Datums der Kenntnis seines Verwendungszusammenhangs: Erst wenn Klarheit darüber besteht, zu welchem Zweck Angaben verlangt werden und welche Verknüpfungsmöglichkeiten und Verwendungsmöglichkeiten bestehen, lässt sich die Frage einer zulässigen Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beantworten (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 153).

(bbb) Abwägung

Bei der Abwägung des Gemeinwohlinteresses an einer gleichmäßigen Besteuerung und des Interesses des Einzelnen, der Klägerin, an der Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist der Senat nicht voll davon überzeugt, dass das Recht der Klägerin an ihrer informationellen Selbstbestimmung überwiegt und dass die Beschränkung dieses Rechts durch §§ 139a, 139b AO deshalb nicht verhältnismäßig im engeren Sinne wäre. Allerdings bestehen insoweit erhebliche Zweifel.

(α) Zugunsten des Gemeinwohlinteresses an einer gleichmäßigen Besteuerung ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um ein verfassungsrechtlich gesichertes Interesse handelt, zu dessen rechtlicher und tatsächlicher Wahrung der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Zinsurteil (vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239) entschieden, dass der Gleichheitssatz für das Steuerrecht verlangt, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.

Angesichts dessen muss der Gesetzgeber Maßnahmen treffen, um nicht nur ein materiellrechtlich gerechtes Steuersystem zu schaffen, sondern auch dessen gleichmäßigen Vollzug zu sichern. Angesichts des föderalen Systems bestanden insoweit insbesondere angesichts der nicht immer gegebenen eindeutigen Identifizierbarkeit von Steuerpflichtigen insbesondere über die einzelnen Bundesländergrenzen hinaus Unzulänglichkeiten. So war schon allein der behördenübergreifende Informationsaustausch ineffizient, z.B. weil Steuerpflichtige oder Informationen nicht zutreffend zugeordnet werden konnten. Dieses "Defizit" wird durch die Einführung der einheitlichen steuerlichen Identifikationsnummer beseitigt.

Dabei ist im Hinblick auf die Abwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch von Bedeutung, dass der Gesetzgeber in § 139b Abs. 5 Satz 1 AO eine strikte Zweckbindung vorgesehen hat, indem hiernach die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten nur für die in § 139b Abs. 4 AO genannten (Besteuerungs-)Zwecke verwendet werden dürfen. Ob dies die Verwendung der Steueridentifikationsnummer hinreichend beschränkt, vermag an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

(β) Dementsprechend soll § 139b AO i.V.m. § 139a AO nach allgemeiner Meinung - die jedoch aus wenigen Stimmen besteht, die sich überhaupt zu der Problematik geäußert haben - auch (zweifellos) verfassungsgemäß sein (s. Schmitz, in Schwarz, vor §§ 139a-139d AO, Rn. 19; Wiese, in Beermann/Gosch, § 139a AO Rn. 6; Rätke, in Klein, § 139b AO Rn. 1; Brandis, in Tipke/Kruse, § 139a Tz. 1). Das besondere Allgemeininteresse an einer gleichmäßigen Besteuerung rechtfertigt hiernach - ohne weiteres - die mit der Einführung der steuerlichen Identifikationsnummer und deren Verwendung verbundene Beschränkung des Rechts des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung.

Auch der Gesetzgeber hat die verfassungsrechtliche Problematik im Zusammenhang mit der Steueridentifikationsnummer gesehen und das Gesetz durch Änderungen des Entwurfs hierauf abgestimmt. So sah etwa ein früherer Entwurf zur Einführung eines "Identifikationsmerkmals" vor, dass die Datenerhebung durch Rechtsverordnung zu regeln sei (s. BT-Drucks. 15/119, Seite 15). Hiervon wurde Abstand genommen und stattdessen in § 139b Abs. 3 AO ein Katalog der unter der Steueridentifikationsnummer zu speichernden Daten vom Gesetzgeber selber festgelegt.

(γ) Gleichwohl hat der Senat erhebliche Bedenken daran, dass das Allgemeininteresse an der gleichmäßigen Besteuerung tatsächlich als derart schwerwiegend einzustufen ist, dass es die die Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen, der Klägerin, durch die Einführung der Steueridentifikationsnummer nach den Regelungen der §§ 139a, 139b AO zu rechtfertigen vermag.

(αα) Dabei ist die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer nicht schon grundsätzlich und von vornherein unverhältnismäßig im engeren Sinne und damit verfassungswidrig. Dies wäre nur der Fall, wenn es sich hierbei eindeutig um ein Personenkennzeichen handeln würde. Dies trifft jedoch auf die Steueridentifikationsnummer nicht zu.

Ein Personenkennzeichen ist ein einheitliches, für alle Register und Dateien geltendes Kennzeichen (vgl. BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1 Rn. 185). Hierdurch können Daten aus verschiedenen Registern und Dateien genutzt werden. Denn ein solches Kennzeichen ermöglicht es, Daten, bezogen auf bestimmte Personen oder Institutionen, zusammenzuführen. Eine unbeschränkte Verknüpfung erhobener Daten mit den bei den Verwaltungsbehörden vorhandenen, zum Teil sehr sensiblen Datenbeständen oder gar die Erschließung eines derartigen Datenverbundes durch ein einheitliches Personenkennzeichen oder sonstiges Ordnungsmerkmal ist jedoch nach dem Volkszählungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts unzulässig (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 171). Denn dies würde zu einer umfassenden Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger führen (vgl. BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., a.a.O. Rn. 171 und 185). Ein Personenkennzeichen wäre der erste Schritt in diese - unzulässige - Richtung.

Die Steueridentifikationsnummer stellt indes kein echtes Personenkennzeichen dar. Denn sie wird nur zu Besteuerungszwecken genutzt und es werden nur bestimmte Daten zum Zwecke der Besteuerung darunter gespeichert (vgl. Wiese, in Beermann/Gosch, § 139a AO Rn. 9; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks.15/5974, Seite 3). Gleichwohl ist nach Auffassung des Senats nicht zu verkennen, dass zum Zwecke der Besteuerung - vorbehaltlich der Schaffung entsprechender Rechtsgrundlagen - sehr weitreichende Daten gespeichert werden könnten, da das Steuerrecht in nahezu alle Lebensbereiche hineinreicht. Gegen die Eigenschaft der Steueridentifikationsnummer als Personenkennzeichen spricht jedoch auch, dass die Steueridentifikationsnummer keine "sprechende" Nummer darstellt, also keine Rückschlüsse auf die Person des Steuerpflichtigen zulässt (vgl. Schmitz, in Schwarz, § 139a AO Rn. 2; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks.15/5974, Seite 3).

Dass in dem Mitteilungsschreiben des Beklagten von einer "persönlichen Identifikationsnummer" die Rede ist, ändert hieran nichts, denn die Identifikationsnummer wurde unmissverständlich auf der Grundlage der §§ 139a ff. AO als steuerliche Identifikationsnummer zugeteilt.

(ββ) Ungeachtet dessen hat der Senat jedoch Bedenken daran, ob die Schwere des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Regelung der §§ 139a, 139b AO durch das Gemeinschaftsinteresse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufgewogen wird, wenngleich er diesbezüglich keine volle Überzeugung gewinnen konnte.

So begründet die Schaffung der steuerlichen Identifikationsnummer die Gefahr der Bildung eines "großen" zentralen Datenpools durch den Staat.

Dabei erscheint bereits die Zentralität der Speicherung in diesem Zusammenhang verfassungsrechtlich fraglich. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Vorratsdatenspeicherungs-Urteil (vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272, Rn. 214, 218) es, wie bereits dargelegt, für die Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung nach §§ 113a, 113b TKG u.a. als maßgeblich angesehen, dass die Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht direkt durch den Staat, sondern durch eine Verpflichtung der privaten Diensteanbieter verwirklicht wird. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei darauf abgestellt, dass die Daten bei der Speicherung selbst noch nicht zusammengeführt werden und dem Staat unmittelbar als Gesamtheit noch nicht zur Verfügung stehen, sondern von diesem erst in einem zweiten Schritt anlassbezogen nach rechtlich näher festgelegten Kriterien abgerufen werden können.

Diesbezüglich greift auch nicht der Schutz des Steuergeheimnisses nach § 30 AO. Denn das Steuergeheimnis schützt den Betroffenen nicht vor dem Staat.

(γγ) Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber durch die Einführung neuer Rechtsgrundlagen die Speicherung weiterer steuererheblicher Daten unter der Steueridentifikationsnummer veranlasst. Besonders problematisch erscheint dabei, dass das Steuerrecht in fast alle Lebensbereiche hineinreicht, so dass der Umfang der steuerlich erheblichen Daten, die durch entsprechende Rechtsgrundlagen gespeichert werden könnten, nicht unbedeutend wäre. Diese Gefahr hat sich z.T. auch schon realisiert. So hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 39e EStG eine Rechtsgrundlage zur Speicherung weiterer Daten unter der Steueridentifikationsnummer geschaffen. Diese Norm sieht vor, dass der Beklagte, das Bundeszentralamt für Steuern, für jeden Steuerpflichtigen zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitgeber u.a. speichert: die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie Datum des Eintritts und Austritts; den melderechtlichen Familienstand und bei Verheirateten die Identifikationsnummer des Ehegatten; die Kinder mit ihrer Identifikationsnummer und soweit bekannt die Rechtsstellung und Zuordnung der Kinder zu den Eltern sowie die Identifikationsnummer des anderen Elternteils (§ 39e Abs. 2 Satz 1 EStG).

In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Volkszählungsurteil, wonach ein Personenkennzeichen oder ein Ordnungsmerkmal unzulässig ist, gerade weil bzw. wenn es die Erschließung und Zusammenführung von Daten, bezogen auf bestimmte Personen, und damit eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit ermöglicht (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn.171), erscheint dem Senat der mit der Steueridentifikationsnummer verbundene Eingriff trotz der damit verfolgten gleichmäßigen Besteuerung bedenklich. Denn mit der Steueridentifikationsnummer wird ein Instrumentarium geschaffen, mit dem alle Steuerpflichtigen i.S.d. § 139a Abs. 2 AO und damit sämtliche Bürger Deutschlands eindeutig und dauerhaft zentral erfasst werden. Der Staat erhält hierdurch die technische Möglichkeit, in einer zentralen Datenbank verschiedenste Daten zu seinen Bürgern zu speichern. Diese erscheinen zwar gegenwärtig unter Zugrundelegung des Katalogs des § 139b Abs. 3 AO zunächst harmlos. Jedoch ist es dem Gesetzgeber unbenommen - wie am Beispiel der Einführung des § 39e EStG auch schon gezeigt wurde -, in Zukunft den Umfang der unter der Steueridentifikationsnummer zu speichernden Daten zu erweitern. Selbst wenn der Gesetzgeber dabei stets nur den Zweck der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verfolgen würde, könnten möglicherweise umfangreiche Daten gespeichert werden, da das Steuerrecht fast allumfassend ist.

Allerdings ist der Senat nicht voll davon überzeugt, dass §§ 139a, 139b AO im Zusammenwirken mit anderen Vorschriften darauf zielen oder hinauslaufen, eine allgemein umfassende Datensammlung zur weitestmöglichen Rekonstruierbarkeit jedweder Aktivitäten der Bürger zu schaffen. Außerdem ist sich der Senat bewusst, dass es sich hierbei um Erwägungen handelt, die durchaus auch erst im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung der jeweiligen Regelungen zum Tragen kommen könnten, die den Umfang der unter der Steueridentifikationsnummer zu speichernden Daten erweitern. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass mit der Einführung der Steueridentifikationsnummer der erste, möglicherweise entscheidende, Schritt in eine solche vermeintliche Richtung unternommen wurde.

(δδ) Darüber hinaus wird durch die Einführung der Steueridentifikationsnummer auch die Gefahr einer umfassenden Datenvernetzung, einer Datenverknüpfung, geschaffen, die angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil (vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn.171) wegen der damit möglicherweise verbundenen umfassenden Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zulässig ist.

So dürfen nach § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO andere öffentliche und nicht öffentliche Stellen die Identifikationsnummer erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Hiervon wird z.B. bereits auf der Grundlage des § 10 Abs. 2a Satz 4 EStG Gebrauch gemacht. So melden hiernach z.B. die Versicherungsunternehmen und die Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung die Beiträge ihrer Versicherten unter Angabe der Vertrags- oder Versicherungsdaten und der Identifikationsnummer nach § 139b AO dem Rentenversicherungsträger. Nach § 22a Abs. 1 EStG teilen die Rentenversicherungsträger hingegen der Deutschen Rentenversicherung Bund u.a. die jährlichen Rentenbezüge unter der jeweiligen Steueridentifikationsnummer mit.

Und diese Datenpools könnten mitunter auch Rückschlüsse auf Tatsachen zulassen, die keinen unmittelbaren steuerlichen Bezug haben. So können z.B. aus der Höhe des Krankenversicherungsbeitrags Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers oder gar dessen Ehefrau oder dessen Kinder gezogen werden (vgl. die Bedenken des Bundesrates im Zusammenhang mit der Schaffung der ELSTAM-Datenbank Anfang 2010, BT-Drucks. 16/12674, Seite 16).

Zwar hat der Gesetzgeber die Bildung weiterer Datenpools unter der Steueridentifikationsnummer mit der Regelung des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO auf ein Minimum beschränkt, indem er bestimmt hat, dass die anderen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen ihre Daten nur insoweit nach der Identifikationsnummer ordnen oder für den Zugriff erschließen dürfen, als dies für regelmäßige Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist. Jedoch ändert dies nichts daran, dass - wenn auch auf ein bestimmtes Minimum beschränkt - weitere nach Steueridentifikationsnummern geordnete Datenpools entstehen, die möglicherweise miteinander vernetzt werden könnten.

Dabei erscheint auch fraglich, ob die Beachtung der Regelung des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO hinreichend gesichert ist. So sehen § 383a AO und § 355 StGB zwar für die zweckwidrige Verwendung der Steueridentifikationsnummer bzw. die Verletzung des Steuergeheimnisses Sanktionen vor. Dies könnte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Mikrozensus-Urteil (vom 16. Juli 1969, 1 BvL 19/63, BverfGE 27, 1, Rn. 23) insoweit ausreichen, denn dort wurde die Anonymität der Daten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts u.a. durch das Verbot zur Veröffentlichung von Einzelangaben sowie dadurch (hinreichend) gewährleistet, dass der Auskunftsberechtigte unter Strafandrohung zur Geheimhaltung der Angaben verpflichtet war. Ob aber insbesondere § 383a AO, der lediglich einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darstellt, diesbezüglich ein effizientes Mittel bietet, könnte zweifelhaft sein.

Hinzu kommt, dass § 139 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO bei Erlaubnis oder Anordnung durch entsprechende Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer auch für andere als steuerliche Zwecke ermöglicht, so dass auch nicht steuererhebliche Daten unter der Steueridentifikationsnummer gespeichert werden könnten; die Zwecksperre nach § 139 b Abs. 5 Satz 1 AO greift diesbezüglich nicht, da sie nur die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten betrifft.

(εε) Schließlich ist bei der Abwägung zwischen dem Allgemeinwohlinteresse an der gleichmäßigen Besteuerung und dem Interesse des Einzelnen an seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen, dass der Betroffene nicht unbedingt Kenntnis davon erhält, welche Daten unter seiner Steueridentifikationsnummer gespeichert werden, insbesondere weil die Verwendungs- und Einsatzmöglichkeiten der Steueridentifikationsnummer durch Rechtsvorschriften erweitert werden können, die der Betroffene nicht unbedingt zur Kenntnis nimmt, so dass eine "schleichende" vom Betroffenen unbemerkte Datenmehrung unter seiner Steueridentifikationsnummer erfolgen könnte.

Nach dem Vorratsdatenspeicherungsurteil des Bundesverfassungsgerichts kann aber die durch den Betroffenen unmittelbar nicht bemerkte Speicherung von Daten und deren Verwendung geeignet sein, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann (vgl. BVerfG-Urteil vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272, Rn. 212).

(ccc) Trotz der zuvor dargelegten Zweifel gelangt der Senat bei Abwägung zwischen dem Gewicht des in der Datenspeicherung und Datenverwendung liegenden Eingriffs und der Bedeutung einer effektiven und gerechten Besteuerung nicht zu der vollen Überzeugung, dass der Eingriff unverhältnismäßig im engen Sinne und damit auch insgesamt unverhältnismäßig wäre. Denn immerhin ist der Staat zur Gewährleistung der rechtlichen und faktischen Besteuerungsgleichheit verfassungsrechtlich verpflichtet. Hierbei hat er insbesondere auch die Nachteile des Föderalismus auszugleichen. Außerdem ist der Senat nicht voll davon überzeugt, dass §§ 139a, 139b AO im Zusammenwirken mit anderen Vorschriften tatsächlich darauf zielen oder hinauslaufen, eine allgemein umfassende Datensammlung zur weitestmöglichen Rekonstruierbarkeit jedweder Aktivitäten der Bürger zu Besteuerungszwecken zu schaffen.

(b) Bestimmtheitsgrundsatz

Soweit die Klägerin die Verfassungswidrigkeit des § 139b AO auf dessen vermeintliche Unbestimmtheit stützt, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen.

(aa) Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes

Hinreichend bestimmt ist ein Gesetz, wenn sein Zweck aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich wird (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 174). Bei Datenerhebungen zu Verwaltungsvollzugszwecken ist eine enge und konkrete Zweckbindung der weitergeleiteten Daten unerlässlich (vgl. BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 197). Der Bürger muss aus der gesetzlichen Regelung klar erkennen können, für welche konkreten Zwecke des Verwaltungsvollzugs seine personenbezogenen Daten bestimmt und erforderlich sind und dass ihre Verwendung auf diesen Zweck begrenzt bleibt (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 197). Dabei hat das BVerfG jüngst in seinem Vorratsdatenspeicherungsurteil unter Berufung auf seine ständige Rechtsprechung hervorgehoben, dass Anlass, Zweck und Umfang des jeweiligen Eingriffs sowie die entsprechenden Eingriffsschwellen durch den Gesetzgeber bereichsspezifisch, präzise und normenklar zu regeln sind (vgl. BVerfG-Urteil vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272, Rn. 226 m.w.N.). Seinen Grund hat dies in dem unaufhebbaren verfassungsrechtlichen Zusammenhang von Datenspeicherung und Verwendungszweck, wie es gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht: Daten dürfen von vornherein nur zu bestimmten, bereichsspezifischen, präzise und normenklar festgelegten Zwecken gespeichert werden, so dass bereits bei der Speicherung hinreichend gewährleistet ist, dass die Daten nur für solche Zwecke verwendet werden, die das Gewicht der Datenspeicherung rechtfertigen (BVerfG-Urteil vom 2. März 2010, 1 BvR 256/08 u.a., BGBl I 2010, 272, Rn. 266).

(bb) Zweckbestimmung und Zweckbindung

Diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber entsprochen, indem er die gespeicherten Daten in § 139b Abs. 4 AO einer klaren Zweckbestimmung zugewiesen hat. Im Ergebnis dient die Datenspeicherung danach der eindeutigen Identifikation des Steuerpflichtigen in Besteuerungsverfahren.

Zweifel hat der Senat lediglich insoweit als die strikte Zweckbindung nach § 139b Abs. 5 Satz 1 AO nur die gespeicherten Daten i.S.d. § 139b Abs. 3 AO erfasst, nicht jedoch auch die aufgrund anderer Regelungen zugespeicherten Daten. Indes reichen diese Zweifel nicht für eine volle Überzeugungsbildung von einem Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus. Denn diese Zweifel könnten sich auch erst hinsichtlich der entsprechenden anderen Rechtsgrundlagen auswirken, die die Zuspeicherung der Daten ermöglichen.

(cc) Unbestimmte Rechtsbegriffe

Soweit in § 139b AO unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, ist dies unschädlich. Denn dadurch wird nicht das Gebot der Normklarheit verletzt. Dieser Grundsatz fordert zwar, dass die von einer gesetzlichen Regelung Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten vermögen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1977, 1 BvR 799/76, BVerfGE 45, 400 Rn. 81). Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift nimmt ihr jedoch noch nicht die Bestimmtheit, die das Rechtsstaatsprinzip von einem Gesetz fordert (BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1977, 1 BvR 799/76, a.a.O., Rn. 81). Im Streitfall ist eine hinreichend deutliche Umschreibung dieser Begriffe im Wege der Auslegung möglich. Z.T. handelt es sich auch um Begriffe, die wie die "anderen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen" in Abs. 2 Satz 2 dem Bundesdatenschutzgesetz entnommen wurden (s. § 2 BDSG).

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer nach §§ 139a, 139b AO nicht das Recht auf Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG verletzt. Diesbezüglich mangelt es an einem Eingriff. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin wird ihr hierdurch nicht ihr christlicher Name abgesprochen. Ihr christlicher Name bleibt ihr erhalten und wird auch wie bisher verwendet. Die Steueridentifikationsnummer stellt lediglich ein behördeninternes Ordnungsmerkmal dar, keinesfalls ersetzt es jedoch den Namen. Dies zeigt sich auch daran, dass z.B. Steuerbescheide auch in Zukunft an Personen unter ihrem Namen zugestellt werden und nicht unter ihrer Steueridentifikationsnummer. Die Steueridentifikationsnummer wird sich auf dem Bescheid lediglich als behördeninternes Ordnungsmerkmal wiederfinden, so wie bislang die Steuernummer.

C. Auch der Hilfsantrag der Klägerin ist unbegründet. Ihr kann keine Befreiung von der Steueridentifikationsnummer erteilt werden, da es diesbezüglich an einer Rechtsgrundlage mangelt. Nach Auffassung des Senats ist § 139a AO, der den persönlichen Anwendungsbereiches der Zuteilung der Identifikationsnummer ausnahmslos auf alle Steuerpflichtigen i.S.d. § 139a Abs. 2 AO erstreckt, auch nicht mangels einer solchen Ausnahmeregelung verfassungswidrig. Denn dem Senat erscheint eine solche Ausnahme nicht von Verfassungs wegen geboten, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG, da dieses nicht verletzt ist.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

E. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.






FG Köln:
Urteil v. 07.07.2010
Az: 2 K 3986/08


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