Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 26. Februar 2007
Aktenzeichen: 5 W 3/07

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 26.02.2007, Az.: 5 W 3/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der vorliegenden Gerichtsentscheidung ging es um die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer Aktiengesellschaft (AG) und die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "offensichtlich unbegründet" in § 246a II AktG. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Beschwerde zurück und entschied, dass die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Hauptversammlung nicht entgegensteht und Beschlussmängel die Eintragung der Hauptversammlungsbeschlüsse unberührt lassen. Die Nichtigkeitsgründe, die im Hauptsacheverfahren vorgetragen wurden, lagen offensichtlich nicht vor. Offensichtliche Unbegründetheit liegt vor, wenn mit hoher Sicherheit vorhergesagt werden kann, dass die Klage erfolglos sein wird. Die Notarfeststellung über die Beschlussfassung beinhaltet grundsätzlich nur die Erklärung des Versammlungsleiters und nicht dessen Berechtigung. Daher führt ein Beurkundungsmangel in Bezug auf die Berechtigung des Versammlungsleiters nicht zur Nichtigkeit. Die Antragsgegner hatten keinen wirksamen Einwand gegen die Beschlussfeststellung durch Dr. A, da er der durch die damalige Satzung bestellte Versammlungsleiter war. Die vorzeitige Abwahl des Versammlungsleiters war nicht gesetzwidrig, da keine groben und offenkundigen Pflichtwidrigkeiten vorlagen. Eine fehlerhafte Beurkundung des Beschlusses hat in der Regel keine Anfechtungsrelevanz. Die Informationspflichtverletzungen wurden nicht ausführlich behandelt, da die Antragsgegner die Fragen als irrelevant oder wahrheitsgemäß beantwortet sahen. Der Senat entschied, dass die Interessen der Klägerin, durch eine Erhöhung des genehmigten Kapitals ihre Handlungsspielräume zur Übernahme von Banken zu erweitern, die Interessen der Antragsgegner überwiegen und wies die Beschwerde ab.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 26.02.2007, Az: 5 W 3/07


1. Zur Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer AG

2. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "offensichtlich unbegründet" in § 246 a II AktG

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 125.000 € festgesetzt.

Gründe

Das Rechtsmittel der Antragsgegner ist nach § 246a Abs.3 Satz 3 AktG als sofortige Beschwerde statthaft und zulässig eingelegt worden. Die Beschwerdeschrift genügt § 569 Abs.2 ZPO, eine Begründung hierzu, die die Antragsgegner auch später nicht vorgelegt haben, ist nicht verlangt.

Die Beschwerde ist in der Sache ohne Erfolg, weil das Landgericht zu Recht festgestellt hat, dass die Erhebung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage hinsichtlich des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 1.6.2006 zu Tagesordnungspunkt 9 der Eintragung nicht entgegensteht und Beschlussmängel die Eintragungswirkung unberührt lassen.

Die hier als Gegenstand des Hauptsacheverfahrens vorgetragenen Nichtigkeitsgründe liegen offensichtlich nicht vor. Offensichtliche Unbegründetheit liegt dann vor, wenn sich mit hoher Sicherheit vorhersagen lässt, dass die Klage erfolglos bleiben wird (vgl. BT-Drucksache 15/5092 S.29; Senat 5 W 43/06 € unveröffentlicht). Dies ist gleichbedeutend mit der Unvertretbarkeit einer von der Beurteilung des Freigabegerichts abweichenden rechtlichen Auffassung (Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 318 Rz.18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die Beschlussfeststellung leidet auf der Hand liegend an keinem Mangel, der sich unter § 241 Ziff.2 AktG einordnen ließe, wie die Antragsgegner aber geltend machen. Eine Feststellung durch einen objektiv nicht berufenen Versammlungsleiter würde nicht zur Nichtigkeit wegen eines Beurkundungsmangels nach § 130 Abs.2 AktG führen. Nach dieser Bestimmung hat der Notar in seiner Niederschrift die Feststellung des Versammlungsleiters über die Beschlussfassung anzugeben. Diese Verpflichtung bezieht sich auf den Feststellungsvorgang selbst. Als öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 Abs.1 ZPO (BGH ZIP 1993, 1867) erfasst die Notarfeststellung grundsätzlich nur die Erklärung des tatsächlichen Versammlungsleiters und nicht auch dessen Berechtigung. Dass ein Beurkundungsmangel insoweit nicht vorliegt, entspricht der allgemeinen Auffassung zu sonstigen Mängeln der Feststellung des Vorsitzenden (RGZ 122, 102, 107; RGZ 142, 123, 127; Hüffer, wie oben, § 130 Rz.22; Werner in GKAktG, 4. Aufl. 1993, § 130 Rz. 116), und ist auch besonders zur Prüfung der Berechtigung des Versammlungsleiters durch den Notar in Rechtsprechung und Fachliteratur ausdrücklich geäußert worden (vgl. OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1147, 1150; Gross FS Happ, 2006, S.31, 42). Die sich bei Semler/Volhard (Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2 Aufl. 2003, § 11 Rz.27) und dem erstinstanzlichen Gericht (auch schon ZIP 2005, 1176, 1177) findende Abweichung, soweit es um die Bestellung des Versammlungsleiters geht, ist weder begründet noch belegt worden und bleibt damit ohne argumentative Kraft.

Der freizugebende Beschluss ist auch nicht nach § 241 Ziff.2 AktG iVm. § 130 Abs.2 AktG nichtig, weil etwa die Überwachung der Stimmenauszählung nicht durch den Notar persönlich erfolgt wäre. § 130 Abs.2 AktG verlangt nur eine Feststellung des Notars über Art und Ergebnis der Abstimmung. Dies ergibt sich unmissverständlich aus dem Wortlaut des § 130 Abs.2 AktG, sodass andere rechtliche Bewertungen fern liegen (vgl. auch Hüffer, wie oben, § 130 Rz.17).

Soweit die Antragsgegner schließlich eingewandt haben, es läge keine wirksame Beurkundung vor, weil die Notarurkunde erst zwischen dem 20.6.2006 und 24.6.2006 fertig gestellt worden sei, fehlt offensichtlich ein Nichtigkeitsgrund: § 130 Abs.5 AktG bezieht sich nur auf schuldhaftes Zögern des Vorstands bei der Einreichung zum Handelsregister und ist ohnehin von § 241 Ziff.2 AktG nicht erfasst.

Anfechtungsgründe sind ebenfalls offensichtlich nicht gegeben oder treten in ihrer Bedeutung hinter einem Vollzugsinteresse der Antragstellerin zurück.

Einen Satzungsverstoß gemäß § 243 Abs.1 AktG stellte die Beschlussfeststellung durch Dr. A auf der Hand liegend nicht dar, denn dieser war der durch die damalige Satzung (§ 19 Abs.1, hier Bl. 133 d.A.) bestellte Versammlungsleiter. Die dort enthaltene Konjunktion (€oder€) ist, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat (5 W 24/05), zwanglos dahin auszulegen, dass an Stelle des Vorsitzenden des Aufsichtsrats erst in zweiter Linie ein anderes Mitglied berufen ist (ebenso Gross FS Happ S.31, 33). Dr. A war durch den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts zum Aufsichtsrat bestellt worden, sodass nach § 32 FGG von ihm vorgenommene Rechtsgeschäfte wirksam sind. Im Übrigen läge, worauf das Landgericht zu Recht hinweist, mit der Aufnahme der Tätigkeit als Aufsichtsrat eine konkludente Niederlegung des Vorstandsamts vor, weil bei keinem der Beteiligten ein Wille zu einer Funktionsverknüpfung vorhanden war. Auf die Anfechtbarkeit wegen einer unwirksamen Wahl zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats kommt es nicht an, weil dieser Einwand im Hauptsacheverfahren nicht erhoben ist, wie sich unwidersprochen aus den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung ergibt. Dessen ungeachtet wurde die Wahl im Mai 2006 gemäß § 141 BGB bestätigt, wobei der nötige Bestätigungswille aus dem Aufsichtsratsprotokoll (Bl. 277 d.A.) folgt. Die aktienrechtliche Ausnahme von § 141 BGB in § 244 AktG betrifft entgegen der Ansicht der Antragsgegner nur Beschlüsse der Hauptversammlung.

Die ablehnende Entscheidung zur Abwahl des Versammlungsleiters war offenkundig nicht gesetzwidrig, wobei hier dahin stehen kann, ob eine solche Entscheidung in Durchbrechung der Satzung durch die Geschäftsordnungsautonomie der Hauptversammlung (vgl. Hüffer, wie oben, § 129 Rz.1a und 1 f) getragen sein kann. Die Ablösung des Versammlungsleiters wegen eines Vertrauensverlusts ist nur dann rechtswidrig, wenn hierbei Minderheitenrechte verletzt werden, wenn also die Mehrheit ihr obliegende Treuepflichten verletzt. Dies ist entsprechend der Regelung zur Entlastung nur bei groben und offenkundigen Pflichtwidrigkeiten der Fall, an denen es hier fehlt.

Eine fehlerhafte Beurkundung des Beschlusses, also ein der Beschlussfassung nachfolgender Gesetzesverstoß, besitzt in aller Regel nicht die zur Anfechtung nötige Relevanz (vgl. Hüffer, wie oben, § 130 Rz.10 am Ende).

Soweit Informationspflichtverletzungen geltend gemacht worden sind, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den Einzeltatbeständen und ihrer möglichen Auswirkung auf das Beschlussergebnis nicht. Denn den ihrer Darlegungslast (vgl. Hüffer, wie oben, § 243 Rz.12 mwN.) entsprechenden Vortrag der Antragstellerin, gestellte Fragen seien irrelevant für den Beschluss TOP 9 oder wahrheitsgemäß beantwortet, sind die Antragsgegner nur zu den Fragen nach dem Aktienbesitz oder Aktienvergütungsbestandteilen bei der Verwaltung und sonstigen Mitarbeitern entgegengetreten. Es kann dahin stehen, ob zu diesen Fragen eine Informationspflichtverletzung vorlag und ob diese Verletzung für die Erhöhung des genehmigten Kapitals bedeutsam sein könnte. Denn bezogen auf diesen Einzelaspekt ist keine so schwerwiegende Rechtsverletzung geltend gemacht, dass sie unter Berücksichtigung von weiteren Aufschubinteressen der Antragsgegner ein Vollzugsinteresse der Klägerin zurückdrängen würde.

Bei der Interessenabwägung sind alle durch die Klage tangierten rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen einzustellen, wobei mangels sachlichen Urteils über den Beschlussmangel der Klageerfolg zu unterstellen ist. Dabei sind alle drohenden Schäden und Nachteile auf Seiten der Gesellschaft im Fall der Nichteintragung zu berücksichtigen und gegen die Schwere der Rechtsverletzung und die denkbaren Schäden auf Seiten des klagenden Aktionärs abzuwägen (Begründung zum Regierungsentwurf in BT-Drucksache 15/5092, S.29). Bei Verletzungen des Informationsrechts kommt es wesentlich darauf an, ob die nicht gegebene Auskunft von nachvollziehbarer Relevanz für die Interessen des Aktionärs ist (Hüffer, wie oben, § 319 Rz.19).

Ein nennenswertes Aufschubinteresse haben die Antragsgegner nicht geltend gemacht. Soweit sie in der Antragserwiderung dazu Stellung beziehen (S.36-38, Bl. 240-242 d.A.), wird nur auf die Schwere der geltend gemachten Rechtsverletzungen abgestellt. Zu Auswirkungen auf wirtschaftliche Belange der Antragsgegner durch den vorweggenommenen Vollzug erklären sich die Antragsgegner nicht näher. Das Gewicht des eingewandten Gesetzesverstoßes nach § 131 Abs.1 AktG hinsichtlich des Aktienbesitzes oder der darauf bezogenen Vergütungsansprüche ist gering, der betroffene Verstoß führt allenfalls zur Anfechtbarkeit. Die Kenntnis zum Aktienbesitz und zu darauf bezogenen Ansprüchen der Verwaltungsmitglieder hat auch nur geringe Bedeutung für die Entschließung über eine Erhöhung des genehmigten Kapitals, wenn auch nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Bereitschaft zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals € unter teilweisem Bezugsrechtsausschluss - von der Innehabung eigener Aktien beeinflusst sein kann. Dem steht das Interesse der Antragstellerin gegenüber, durch eine Erhöhung des genehmigten Kapitals ihre Handlungsspielräume zur Übernahme von Banken zu erweitern. Dass solche Chancen unter Ausnutzung des bereits genehmigten Kapitals in der jüngsten Vergangenheit nicht genutzt worden sind, wie die Antragsgegner einwenden, und konkrete aktuelle Vorhaben nicht kundgetan sind, schwächt das Interesse der Antragstellerin zwar ab, führt aber nicht zu einem Vorrang der Aufschubinteressen der Antragsgegner. Dass die Interessen der Gesellschaft diejenigen der Anfechtungskläger deutlich oder erheblich überwiegen müssten, ergibt sich weder aus § 246a Abs.2 AktG noch aus der Regierungsbegründung hierzu. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren entnimmt der Senat der unangegriffenen Festsetzung des Landgerichts für die erste Instanz (§ 53 Abs.1 Satz 1 Nr.4, Satz 2 GKG iVm. § 3 ZPO). Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt eine rechtliche Grundlage (BGHZ 168, 48).






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 26.02.2007
Az: 5 W 3/07


Link zum Urteil:
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