Verwaltungsgericht Arnsberg:
Urteil vom 15. August 2012
Aktenzeichen: 2 K 591/11

(VG Arnsberg: Urteil v. 15.08.2012, Az.: 2 K 591/11)

Tenor

Der Bescheid des Präsidenten I.

vom 22. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides

vom 27. Januar 2011 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht (OLG) I. . Er wendet sich mit seiner Klage gegen die vom beklagten Land verlangte Ablieferung eines Teils der Vergütungen, die er im Jahr 2009 für rechtmäßig ausgeübte Nebentätigkeiten erzielt hat.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 legte der Kläger dem Präsidenten des OLG I. eine Aufstellung der ihm im Jahr 2009 zugeflossenen Nebentätigkeitsvergütungen vor. Hierin heißt es u.a.

" I. Lehrauftrag Uni Münster ...

II. Referent

RAK Koblenz / DAI 5 Std. 1.100

RAK I. 3 x 5 Std. 3.300

RAK Frankfurt 3 x 5 Std. 3.200

...

III. Schiedsgericht ...

IV. Autor ...

Gesamt: ..."

Mit Schreiben vom 8. März 2010 wies der Präsident des OLG I. den Kläger darauf hin, dass er die Referententätigkeit für die Rechtsanwaltskammern I. , G. und L. als Nebentätigkeiten "im öffentlichen Dienst" ansehe. Nach

§ 13 Absatz 2 NtV sei die Vergütung für eine solche Tätigkeit an den Dienstherrn abzuführen, soweit sie die Höchstgrenze von 6.000 Euro übersteige.

Dieser Rechtsansicht trat der Kläger mit mehreren Schreiben entgegen. Er führte im Wesentlichen aus: Die Seminare in G. seien von der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft, das Seminar in L. vom Deutschen Anwaltsinstitut e.V. - also in allen Fällen von einer juristischen Person des Privatrechts - veranstaltet und vergütet worden. Die Rechtsanwaltskammer (RAK) I. sei keine der Aufsicht des Landes unterstehende Körperschaft i.S.d. § 1

Absatz 1 NtV. Daher bestehe in keinem Falle eine Abführungspflicht nach § 13 NtV.

Die gegenteilige Ansicht der Justizverwaltung lasse sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang bringen. Danach sei eine Ablieferungspflicht nur zu rechtfertigen, wenn sie dem Zweck diene, eine Doppelbesoldung aus öffentlichen Mitteln auszuschließen. Eine Doppelbesoldung komme in seinem - des Klägers - Fall jedoch nicht in Betracht, weil sich die Anwaltskammern und die ihnen nachgeordneten Institute ausschließlich aus privaten Mitteln, vor allem den Beiträgen der Kammermitglieder, finanzierten. Abgesehen hiervon würde eine Ablieferungspflicht selbst dann, wenn man den Tatbestand des § 13 Absatz 2 NtV für gegeben erachten würde, wegen der Sonderregelung in § 14 Absatz 1 Nr. 1 NtV ausscheiden.

Nachdem der Präsident des OLG I. dem Justizministerium NRW berichtet hatte und das Ministerium mit Erlass vom 31. Mai 2010 erklärt hatte, dass es die Rechtsansicht des unmittelbaren Dienstvorgesetzten teile, forderte der Präsident des OLG I. den Kläger mit Bescheid vom 22. Juli 2010 auf, von den Vergütungen, die er für die Vortragstätigkeiten beim Deutschen Anwaltsinstitut e.V., bei der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft sowie bei der RAK I. im Jahr 2009 erzielt hatte (insgesamt 7.600 Euro), einen Teilbetrag von 1.600 Euro an das Land NRW abzuführen. Die RAK I. sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und falle damit unmittelbar unter § 3 Absatz 1 NtV. Beim Deutschen Anwaltsinstitut e.V. und der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft handele es sich um Einrichtungen, die von den jeweiligen Anwaltskammern - und damit vom öffentlichen Dienst - getragen würden; die Nebentätigkeiten bei diesen Einrichtungen würden von § 3 Absatz 2 Nr. 3 NtV tatbestandlich erfasst. Die Tatsache, dass die Rechtsanwaltskammern sich nicht aus öffentlichen Mitteln, sondern (ganz überwiegend) aus den von den Kammermitgliedern erhobenen Beiträgen finanzierten, sei unerheblich.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Präsident des OLG I. mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2011 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Er bezieht sich auf sein vorprozessuales Vorbringen und führt ergänzend aus:

Der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig, weil § 13 Absatz 2 NtV tatbestandlich nicht eingreife. Die gegenteilige Rechtsansicht des beklagten Landes, die ausschließlich auf die Eigenschaft der Rechtsanwaltskammern als öffentlichrechtliche Körperschaft abstelle, führe zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Den Anwaltskammern fehle die - für die Begründung der Abführungspflicht erforderliche - Dienstherrnfähigkeit; außerdem stammten ihre Finanzierungsmittel nicht - auch nicht mittelbar - aus öffentlichen Haushalten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 25. November 1980 - 2 BvL 7/76 u.a. - hervorgehoben, dass § 75 LBG NRW a.F. nicht als Grundlage dafür dienen könne, jegliche Tätigkeiten dem öffentlichen Dienst gleichzustellen; hierfür bedürfe es eines inneren, über die Organisationsform hinaus gehenden Zusammenhangs zum öffentlichen Dienst an sich. Dieser Zusammenhang könne in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nur bei den dem öffentlichen Dienst gleichstehenden Einrichtungen i.S.d. § 3 Absatz 2 NtV anerkannt werden, und zwar unter der Einschränkung, dass sich deren Kapital unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 v.H. in öffentlicher Hand befinde oder sie fortlaufend in dieser Höhe aus öffentlichen Mitteln unterhalten würden. Bei Rechtsanwaltskammern und den von ihnen getragenen privaten Fortbildungseinrichtungen sei dieses Erfordernis eindeutig nicht gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Präsidenten des OLG I. vom 22. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2003

- 2 C 17.01 und 2 C 47.01 - und führt im Wesentlichen aus: Der Verordnungsgeber habe das Merkmal "öffentlicher Dienst" in § 3 NtV bewusst sehr weit gefasst. Für die Zuordnung der Rechtsanwaltskammern zum öffentlichen Dienst komme es allein auf die Organisationsstruktur an; unerheblich sei, dass es sich um berufsständische Einrichtungen handele, die sich (ganz überwiegend) aus den Beiträgen ihrer Mitglieder und nicht aus allgemeinen Steuermitteln finanzierten. Auch die Einschaltung von privatrechtlichen Einrichtungen als Mittler - hier des Deutschen Anwaltsinstituts e.V. und der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft - schließe nicht aus, dass es sich um öffentlichen Dienst handele. Eine solche Rechtsanwendung stehe mit höherrangigem Recht in Einklang. Die für Kirchen und öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften sowie deren Verbände geltende Einschränkung in § 3 Absatz 1 Halbsatz 2 NtV könne der Kläger bezüglich seiner Nebentätigkeit nicht in Anspruch nehmen. Die Privilegierung der Kirchen ergebe sich aus der ihnen durch das Grundgesetz eingeräumten besonderen Stellung; sie seien nicht Teil der Staatsverwaltung, auch nicht im weitesten Sinne "staatsmittelbare" Organisationen oder Verwaltungseinrichtungen. Gerade diese Voraussetzungen würden jedoch von den Rechtsanwaltskammern, dem Deutschen Anwaltsinstituts e.V. und der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft erfüllt.

Die Beigeladene teilt die Auffassung des Klägers, dass eine Pflicht zur teilweisen Abführung der im Streit stehenden Vergütungen nicht bestehe. Sie betont, dass es sich bei der Fortbildungstätigkeit der Rechtsanwaltskammern nicht um eine staatlich übertragene Verwaltungsaufgabe, sondern um eine Dienstleistung handele, die die Anwaltskammern im Interesse einer qualifizierten Fortbildung ihrer Mitglieder anbiete. Die Kammern finanzierten ihre Kernaufgaben ausschließlich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Bei den Fortbildungsveranstaltungen komme hinzu, dass die Kosten, insbesondere die hier in Rede stehenden Referentenhonorare, durch die Beiträge der Fortbildungsteilnehmer gedeckt würden. Der Rechtsgedanke einer "doppelten Alimentation" durch die öffentliche Hand sei von vornherein nicht einschlägig. Zudem führe die vom Beklagten vorgenommene Anwendung des Nebentätigkeitsrechts zu einer rechtspolitisch unerwünschten Beeinflussung des Fortbildungsmarktes. Wären die bei den Rechtsanwaltskammern und deren nachgeordneten Einrichtungen tätigen Richter gezwungen, das ihnen zustehende Honorar teilweise an den Dienstherrn abzuführen, so wäre zu erwarten, dass sie ihr Engagement zu den gewerblichen Anbietern, deren Honorare vollständig abführungsfrei seien, verlagern würden. Der damit verbundene Ausfall von Referenten aus der Richterschaft würde zu einem erheblichen Qualitätsverlust in der Fortbildung der Rechtsanwälte und Notare führen.

Der Kammervorsitzende hat einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten ihren Vortrag weiter vertieft haben; auf mündliche Verhandlung vor der Kammer haben sie verzichtet (§ 101 Absatz 2 VwGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Absatz 1 VwGO) zulässig und begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Der Präsident des OLG I. hat den angefochtenen Verwaltungsakt auf § 13 Absatz 2 Satz 1 NtV i.V.m. § 4 Absatz 1 Satz 1 LRiG gestützt. Danach hat ein Richter, der Vergütungen für eine oder mehrere Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst erhalten hat, diese insoweit an seinen Dienstherrn abzuführen, als sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten zusammengerechnet die Höchstgrenze von 6.000 Euro übersteigen.

Die vorbezeichnete Ermächtigungsgrundlage greift tatbestandlich nicht ein. Die streitgegenständlichen Vorträge, die der Kläger im Jahr 2009 gehalten hat, stellen keine Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst dar. Die hierfür erzielte Vergütung ist nicht - auch nicht teilweise - an den Dienstherrn abzuführen.

Ausweislich des Klammerzusatzes in § 13 Absatz 2 Satz 1 NtV richtet sich die Zuordnung einer Nebentätigkeit zum öffentlichen Dienst unmittelbar nach § 3 NtV. Dort werden Tätigkeiten im öffentlichen Dienst im eigentlichen Sinne (Absatz 1) von solchen ihm kraft besonderer Bestimmung gleichgestellten Tätigkeiten (Absatz 2) unterschieden.

1. Die Vortragstätigkeit des Klägers bei der RAK I. ist keine im Dienst einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgeübte Tätigkeit nach § 3 Absatz 1 Satz 1 NtV.

Zwar ist die Rechtsanwaltskammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 62 Absatz 1 BRAO); die Tätigkeit, die sie in Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben entfaltet, stellt jedoch keinen "öffentlichen Dienst" dar. Öffentlicher Dienst im Sinne dieser Vorschrift ist nur bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts denkbar, die Dienstherrneigenschaft besitzen. Die Dienstherrnfähigkeit impliziert die Befugnis, Träger von öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen i.S.d. Art. 33 Absatz 4 GG zu sein. Für den Bereich des Beamtenrechts definiert § 2 BeamtStG die Dienstherrneigenschaft als Recht, Beamtinnen und Beamte zu haben. Die RAK I. hat dieses Recht nicht; sie hat die Eigenschaft eines Dienstherrn weder durch ein Landesgesetz oder aufgrund eines Landesgesetzes noch auf andere Weise erworben (vgl. § 2 Nr. 2 BeamtStG).

Die fehlende Dienstherrneigenschaft steht - ungeachtet dessen, dass dieses Erfordernis im Wortlaut des § 3 Absatz 1 NtV keinen Niederschlag gefunden hat - einer Zuordnung der RAK I. zum öffentlichen Dienst entgegen. Dass sie eine öffentlichrechtliche Organisationsform (Körperschaft) hat, rechtfertigt nicht, sie bereits deshalb dem öffentlichen Dienst zuzurechnen.

Dies ergibt sich zum einen aus dem traditionellen Verständnis des Begriffs "öffentlicher Dienst". Parallel zu der historischen Entwicklung der Amtsverhältnisse (ursprünglich nur Beamte und Richter, später auch Angestellte und Arbeiter) war öffentlicher Dienst begrifflich stets nur bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts denkbar, die Dienstherrneigenschaft hatten.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.11.1980 - 2 BvL 7/76 u.a. -, BVerfGE

55, 207 = NJW 1981, 971 = ZBR 1981, 96 = DÖD 1981, 28 = DVBl 1981, 450; BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 39.09 -, BVerwGE 139, 357 = NVwZ-RR 2011, 773.

Dafür, dass im Rahmen des nordrheinwestfälischen Nebentätigkeitsrechts eine andere Begrifflichkeit gilt, besteht kein Anhalt, im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht hat in der vorzitierten Entscheidung vom 25. November 1980 anhand der rechtsgeschichtlichen Entwicklung und unter Berücksichtigung der rechtssystematischen Zusammenhänge hervorgehoben, dass zum öffentlichen Dienst nur solche Rechtssubjekte gehören, die Dienstherrneigenschaft haben und aus öffentlichen Kassen finanziert werden.

Zentrales Element der verfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 25. November 1980 ist die Feststellung, dass § 75 LBG NRW a.F. verfassungskonform ist. Diese (bis Ende März 2009 gültige) Vorschrift lautet:

§ 75

Die zur Ausführung der §§ 67 bis 74 notwendigen Vorschriften über die Nebentätigkeit der Beamten erlässt die Landesregierung durch Rechtsverordnung. In ihr kann insbesondere bestimmt werden,

1 welche Tätigkeiten als öffentlicher Dienst im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind oder ihm gleichstehen,

2 ob und inwieweit der Beamte für eine im öffentlichen Dienst ausgeübte oder auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten übernommene Nebentätigkeit eine Vergütung erhält oder eine erhaltene Vergütung abzuführen hat,

3 ...

Welche rechtlichen Vorgaben sich aus dieser Ermächtigungsnorm für den Verordnungsgeber in Bezug auf die Ablieferungspflicht für Vergütungen aus Nebentätigkeiten innerhalb bzw. außerhalb des öffentlichen Dienstes ergeben, hat das Bundesverfassungsgericht ausführlich dargestellt. Hierzu heißt es in den Entscheidungsgründen u.a.:

"Was unter öffentlichem Dienst im Sinne des landesgesetzlich geregelten Nebentätigkeitsrechts zu verstehen ist - mithin auch im Sinne der gesetzlichen Ermächtigung -, erschließt sich letztendlich aus der ratio der entsprechenden Gesetzesvorschriften und den Rechtszusammenhängen, in die das Nebentätigkeitsrecht eingebettet ist (vgl. auch hierzu BVerfGE 15, 46 (61f); 38, 326 (338); 48, 64 (84)). Dies hat jede Auslegung der in Frage stehenden Ermächtigungsnorm zu berücksichtigen.

...

a) Das deutsche Beamtenrecht hat seit langem die Ausübung von Nebentätigkeiten durch Beamte Beschränkungen unterworfen. Schon § 16 des Reichsbeamtengesetzes in seiner ursprünglichen Fassung vom 31. März 1873 (RGBl S 61) und der neuen Fassung vom 18. Mai 1907 (RGBl S 245) bestimmte, daß kein Reichsbeamter ohne vorherige Genehmigung ein Nebenamt oder eine Nebenbeschäftigung, mit welcher eine fortlaufende Remuneration verbunden war, übernehmen durfte. Auch die Ablieferungspflicht für erhaltene Nebentätigkeitsvergütungen ist bereits 1927 festgelegt worden (vgl § 15 Abs 2 des Besoldungsgesetzes des Reichs vom 16. Dezember 1927 (RGBl I S 349)). Die geschichtliche Entwicklung, die im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Genehmigungsvorbehalt für Nebentätigkeiten gegen Vergütung gesehen werden muß, zeigt, daß im Laufe der Zeit verschiedene Gesichtspunkte zusammen den Weg zu einer rechtlichen Lösung bestimmten, die dann zu der in der Nebentätigkeitsverordnung von 1937 enthaltenen Regelung führte und letztlich auch in die Beamtengesetze des Bundes und der Länder einging. Immer stand hierbei das Interesse an der Wahrung der maßgebenden beamtenrechtlichen Strukturprinzipien, an der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Berufsbeamtentums im Mittelpunkt. So sollten die Nebentätigkeiten möglichst eingeschränkt werden, um eine Beeinträchtigung der Grundpflicht des Bediensteten zum Einsatz seiner ganzen Arbeitskraft für den Dienstherrn auszuschließen oder so gering als möglich zu halten. Dazu sollte der Genehmigungsvorbehalt und die Möglichkeit der Begrenzung der Vergütungen aus Nebentätigkeiten beitragen, u.a. ausgehend von der Erwägung, daß ein Beamter oder Richter im Nebentätigkeitsbereich in der Regel nur die Leistungen und Aufwendungen an Arbeitszeit und Arbeitskraft erbringen wird, die dem ihm tatsächlich zuflie-ßenden Entgelt entsprechen. Andererseits sollte jedoch auch auf die besondere Leistungskraft und Erfahrung eines Beamten im Bereich des öffentlichen Dienstes außerhalb seines Amtes zum Nutzen des Dienstherrn, des Staates, zurückgegriffen werden können. Darüber hinaus galt es, im Interesse sparsamer Haushaltsführung dem überkommenen Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen, der, wie die versorgungsrechtlichen Ruhensregelungen zeigen, einer Doppelbesoldung aus öffentlichen, staatlichen Mitteln entgegenstand und auch im tragenden Prinzip der beamtenrechtlichen Alimentierung Ausdruck fand.

All diese Gedanken hat der Landesgesetzgeber in seine Landesbeamtengesetze 1954 und 1966 eingebracht...

b) Welche Richtlinien nach diesen Vorgaben des Landesgesetzgebers der Verordnungsgeber bei der Umschreibung des Begriffs des öffentlichen Dienstes im Nebentätigkeitsrecht zu befolgen hatte, läßt sich nach alledem hinreichend deutlich feststellen:

aa) Als wesentliches Kriterium zur Bestimmung des Begriffs des öffentlichen Dienstes im allgemeinen kann die öffentlichrechtliche Rechtsform des Dienstherrn, die öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Dienstverhältnisses, d.h. der Charakter der dieses beherrschenden Normen oder die öffentlichrechtliche Natur der dienstlichen Tätigkeit (Hervorhebung durch die Kammer)angesehen werden (vgl. BVerfGE 15, 46 (61f)). Demnach ist öffentlicher Dienst nur bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts denkbar; nur sie haben die "Dienstherrneigenschaft" (Hervorhebung durch die Kammer) ... Daher war öffentlicher Dienst seit jeher eine Tätigkeit im Dienst des Reichs oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und der Verbände von solchen (Brandt, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl, 1942, § 14 Anm 2). Unstreitig zählen heute hierzu eine Tätigkeit im Dienste des Bundes, der Länder, der Gemeinden (Gemeindeverbände) sowie der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Insoweit konnte dem Verordnungsgeber die Ausfüllung der landesgesetzlichen Ermächtigungsnorm keinerlei Schwierigkeiten bereiten.

...bestimmt § 168 LBG (1966), daß Versorgungsbezüge nur bis zu einer gewissen Höchstgrenze gewährt werden, wenn ein Versorgungsberechtigter aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst ein Einkommen bezieht. Ausdrücklich definiert hier das Gesetz, daß "Verwendung im öffentlichen Dienst" jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen ist; ausgenommen hiervon ist nach dem Gesetzeswortlaut aber die Beschäftigung bei Kirchen und öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften oder ihren Verbänden (§ 168 Abs 5 Satz 1). Diese landesrechtliche Regelung entspricht der des Bundes in § 158 BBG aF. Beide zeigen, daß dem Landesgesetzgeber und Bundesgesetzgeber daran gelegen war, dem kumulativen Bezug von Versorgungsleistungen und Dienstbezügen aus den der öffentlichen Hand zuzuordnenden Kassen, zu denen die Haushalte der Religionsgesellschaften nicht zählen, im Blick auf die bereits dargelegten Grundsätze des Beamtenrechts und die besondere Rechtsstellung des Bediensteten und zugleich Versorgungsberechtigten Grenzen zu setzen. Für den insoweit vergleichbaren Regelungsbereich im Nebentätigkeitsrecht der Beamten und Richter kann nichts anderes gelten. Auch hier ging es dem Gesetzgeber, wie die Ermächtigungsnorm selbst ausweist, darum, im Blick auf den Grundsatz der Einheit des öffentlichen Dienstes und die die Alimentierung der Familie des Amtsinhabers rechtfertigende Pflicht des Bediensteten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, eine Doppelbesoldung aus Mitteln der öffentlichen Hand in Grenzen zu halten. Daß daneben auch das Interesse des Dienstherrn an einer Einschränkung der Nebentätigkeit stand, steht dem angestellten Vergleich nicht entgegen (Hervorhebung durch die Kammer).

...

Der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen hat den Verordnungsgeber augenscheinlich ermächtigt, den Begriff des öffentlichen Dienstes weit zu fassen. Hätte er selbst eine einschränkende Regelung im Auge gehabt, so hätte es im Blick auf die bisherigen Vorschriften und die zwischenzeitliche Rechtsentwicklung im Nebentätigkeitsbereich auf Bundesebene, erst recht aber nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 1965 (BVerwGE 22,1), das die in § 158 Abs 5 BBG aF verwendeten Worte "im Dienst ... "nur auf Abhängigkeitsverhältnisse bezog, mehr als nahegelegen, auf diese neuen, andersartigen Vorstellungen hinzuweisen. Gerade dies ist jedoch nicht geschehen. Das Schweigen des Gesetzgebers steht insoweit durchaus in Einklang mit den überkommenen, bereits dargelegten Zwecken der in Frage stehenden Regelungen. Für diese - Vermeidung der Überhandnahme von Nebenbeschäftigungen zum Nachteil des Hauptamtes und der Doppelzahlungen aus öffentlichen Haushalten - (Hervorhebung durch die Kammer) ist es unerheblich, aufgrund welcher Rechtsbeziehung die Nebentätigkeit geleistet wird und welches Rechtsverhältnis der Vergütung im einzelnen zugrunde liegt.

...

Dem Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift ist ... zu entnehmen, daß der Wille des Gesetzgebers der Tendenz nach auf eine Begrenzung von Vergütungen für solche Nebentätigkeiten gerichtet ist. Denn anders als bei Nebentätigkeiten des Beamten im privaten Bereich, die nur Einschränkungen nach Maßgabe des gesetzlich normierten Genehmigungsvorbehalts des Dienstherrn unterliegen, soll der Verordnungsgeber hier festlegen können, ob der Beamte überhaupt eine Vergütung erhält, daß er sie nur bis zu einer bestimmten Höhe erhält und daß er eine erhaltene Vergütung ganz oder teilweise abzuliefern hat.

Welchen Zweck, welches "Programm" der Gesetzgeber mit der an den Verordnungsgeber gerichteten Ermächtigung verfolgte, macht der bloße Wortlaut der Vorschrift allerdings nicht deutlich. Dennoch kann von einer hinreichenden Bestimmtheit der Norm ausgegangen werden. Diese wird auch insoweit genügend konkretisiert durch die bei der Auslegung gebotene Berücksichtigung der bereits aufgezeigten historischen Entwicklung des beamtenrechtlichen Nebentätigkeitsrechts, der hier insoweit bedeutsamen Rechtszusammenhänge, des Regelungsinhalts der Nebentätigkeitsverordnung 1937/1953 und der die Institution des Berufsbeamtentums prägenden hergebrachten Grundsätze (vgl BVerfGE 7, 282 (291); 8, 274 (307); 10, 20 (51); 19, 17 (39); 19, 354 (362); 24, 1 (15)).

aa) Von wesentlicher Bedeutung für eine solche Auslegung, die zugleich dem im Gesetz als Ganzem zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers Rechnung trägt, ist der seit jeher das Beamtenrecht und Richterrecht bestimmende Grundsatz, daß sich der Bedienstete mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat ... Dies bedeutet, daß mit der Berufung in das Beamtenverhältnis oder Richterverhältnis die Pflicht des Amtsinhabers verbunden ist, sich ganz für den Dienstherrn einzusetzen und diesem - grundsätzlich auf Lebenszeit - seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (BVerfGE 21, 329 (345)). Als Korrelat steht dem die Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn gegenüber, der dem Bediensteten und seiner Familie in Form von Dienstbezügen sowie einer Altersversorgung und Hinterbliebenenversorgung nach Dienstrang, Bedeutung des Amtes und entsprechender Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren hat (BVerfGE aaO), eine Verpflichtung, die sich von ihrer Grundlage her prinzipiell nicht aufteilen läßt und dem seiner Struktur nach als umfassende Einheit zu verstehenden Dienstverhältnis entspricht. Die Regelungen über die Vergütung dienstrechtlicher Nebentätigkeit sollen sich hier anpassen und eine interessengerechte, die öffentlichen Belange wahrende Geltung der hergebrachten, tragenden Grundsätze auch im beamtenrechtlichen und richterrechtlichen Nebentätigkeitsbereich sicherstellen. Das ist der Sinn der in § 75 Satz 2 Nr 2 LBG enthaltenen Ermächtigung und danach haben sich die durch Rechtsverordnung zu treffenden Regelungen auszurichten, die die Höhe der Vergütung für Nebentätigkeiten begrenzen und eine Ablieferungspflicht begründen (Hervorhebung durch die Kammer). Daß eine uneingeschränkte Möglichkeit, Nebentätigkeiten auszuüben und dadurch in nicht limitiertem Maße neben einer ungekürzten Besoldung zusätzliche Vergütungen zu beziehen, die dienstlichen Leistungen im Hauptamt, damit die Belange des Dienstherrn und das Interesse des Staates und seiner Bürger an der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ernsthaft zu gefährden vermag, liegt auf der Hand. Ebenso offenkundig ist, daß der Gesetzgeber mit seiner Regelung des Nebentätigkeitsrechts dem entgegenwirken will. Er hat deshalb der Übernahme von Nebentätigkeiten - mag ihre Ausübung im Einzelfall auch durchaus erwünscht sein - Schranken gesetzt, die im Grundsatz nach dem Gesetzeszusammenhang auch den Inhalt der dem Verordnungsgeber überlassenen Einzelregelung mitbestimmen sollen. So bedarf der Bedienstete nach §§ 68, 70 LBG zur Übernahme einer Nebenbeschäftigung gegen Vergütung prinzipiell der Genehmigung. Diese darf allerdings nur versagt werden, wenn dienstliche Interessen beeinträchtigt würden, wenn insbesondere zu besorgen wäre, daß die Nebentätigkeit die dienstlichen Leistungen im Hauptamt, die Unparteilichkeit oder die Unbefangenheit des Bediensteten gefährdete. Insoweit anerkennen die Bestimmungen, die außerdem noch Auflagen und Befristungen ermöglichen, daß auch der Inhaber eines öffentlichen Amtes innerhalb der Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung, zu der die Vorschriften des Beamtenrechts und die Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und Richterrechts gehören, ein Recht zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hat. Der Gesetzgeber sah sich jedoch mit Recht verfassungsrechtlich nicht gehalten, die Steuerung dienstrechtlicher Nebentätigkeit nur über den Grundsatz der Genehmigungspflicht zu bewältigen. Es ist ihm im Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG unbenommen, neben der Möglichkeit einer Versagung der Genehmigung bei konkreter Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen allgemein den Anreiz zur Übernahme von Nebentätigkeiten durch entsprechende, die Nebentätigkeitsvergütungen regelnde, sie einschränkende Vorschriften zu verringern und so das gleiche Ziel, die Wahrung wichtiger öffentlicher Belange im Bereich des Beamtendienstrechts und Richterdienstrechts, nunmehr mit minderschweren Eingriffen weiterzuverfolgen (vgl BVerfGE 17, 337 (349)). ... Danach hat der Amtsinhaber für die ihm im öffentlichen Dienst insgesamt obliegende Erfüllung seiner Pflichten in Form der Dienstbezüge grundsätzlich nur einmal den Anspruch auf angemessenen Unterhalt. Ein Recht auf zusätzliche Vergütungen für einzelne Tätigkeiten im öffentlichen Dienst besteht auch unter diesem Blickwinkel nur in bestimmten Grenzen. Es ergibt sich aus der Eigenart des Alimentationsanspruchs, daß die öffentliche Hand sich hinsichtlich ihrer Alimentationspflicht zwar nicht dadurch entlasten kann, daß sie den Beamten oder Richter auf Einkünfte verweist, die er von privater Seite erhält (vgl BVerfGE 21, 329 (347)), daß sie aber ihrer Alimentationspflicht auch dann genügt, wenn die Alimentierung statt aus der Kasse des jeweiligen "Dienstherrn" aus einer anderen Kasse der öffentlichen Hand kommt. Insoweit gewinnt hier auch der Grundsatz sparsamer Haushaltsführung Gewicht, wonach Doppelbelastungen der öffentlichen Hand möglichst zu vermeiden sind (Hervorhebung durch die Kammer). Gerade diesem Gedanken entsprechen auch seit je die versorgungsrechtlichen Ruhensregelungen und Anrechnungsregelungen, die sogar dem Versorgungsempfänger, der seine freigewordene Arbeitskraft in einer neuen Beschäftigung einsetzt, der Kürzung (Ruhen) seiner Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlich bestimmten Anrechnung - die verfassungsrechtliche "Angemessenheit" der verbleibenden Alimentation vorausgesetzt - unterwirft (vgl § 158 BBG aF, § 168 LBG (1966), § 53 BeamtVG). Die teilweise Übereinstimmung der Rechtsnormen des Nebentätigkeitsbereichs und des Versorgungsrechts in der Vergangenheit hat also letztlich in der Ähnlichkeit des jeweiligen Regelungsinteresses ihren Grund. Der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber konnten daher mit Recht davon ausgehen, daß auch die gesetzlichen Regelungen des Beamtenversorgungsrechts in ihrer historischen Verwurzelung mit den tragenden Strukturprinzipien des öffentlichen Dienstrechts wichtige Anhaltspunkte für die weitere Ausgestaltung des Nebentätigkeitsrechts im Sinne der gesetzlichen Ermächtigung geben würden (Hervorhebung durch die Kammer).

Diesen Feststellungen und Wertungen tritt die Kammer nach eigener Prüfung vollinhaltlich bei. Ihnen kommt - trotz der mittlerweile eingetretenen Rechtsänderungen - uneingeschränkte Geltung für den vorliegenden Streitfall zu. Zwar ist die vom Bundesverfassungsgericht überprüfte Ermächtigungsnorm (§ 75 LBG a.F.) mittlerweile durch § 57 LBG in der ab 1. April 2009 gültigen Fassung abgelöst worden; die hier interessierenden Bestimmungen (§ 57 Satz 2 Nr. 1 erster Halbsatz und Nr. 5 LBG n.F.) stehen jedoch nicht nur in derselben Regelungstradition, sondern entsprechen auch wortgleich den Vorgängervorschriften, so dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ohne jede Einschränkung auch für die Auslegung und Anwendung der aktuellen §§ 3, 12 NtV gelten.

Nach alledem ist festzuhalten, dass die Auslegung des § 3 Absatz 1 NtV durch den rechtshistorisch begründeten Aspekt der Einheit der öffentlichen Kassen, den Zweck, Doppelalimentierungen zu vermeiden, und das ebenfalls historisch verwurzelte Verständnis, dass öffentlicher Dienst begrifflich das Vorhandensein von Dienstherrneigenschaft und öffentlichrechtlichen Bediensteten voraussetzt, bestimmt wird.

Diese Merkmale treffen auf die RAK I. nicht zu.

Allerdings hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinen

Urteilen vom 3.7.2003 - 2 C 47.02 -, ZBR 2004, 53, und

- 2 C 17.02 -, juris,

eine gegenteilige Auffassung vertreten und entschieden, dass es für die Zuordnung einer Nebentätigkeit zum öffentlichen Dienst ausreiche, wenn der Empfänger der von dem Beamten erbrachten Leistung eine juristische Person des öffentlichen Rechts ohne Dienstherrneigenschaft sei (in den entschiedenen Fällen handelte es sich um eine Steuerberaterkammer). Diesem rechtlichen Ansatz vermag das Gericht - ungeachtet dessen, dass das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung der 1. Kammer des 2. Senats einen ähnlichen Rechtsstandpunkt eingenommen hat -,

Vgl. Nichtannahmebeschluss vom 16.1.2007 - 2 BvR 1188/05 -,

DÖD 2007, 228 = NVwZ 2007, 571 = ZBR 2007, 255,

jedoch nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass die Entscheidungen für den vorliegenden Streitfall nur eingeschränkt aussagekräftig sind, weil sie nicht zum nordrheinwestfälischen, sondern zum rheinlandpfälzischen Beamtenrecht ergangen sind, ist ihre Begründung auch deshalb nicht überzeugend, weil sie den verfassungsrechtlichen Hintergrund vernachlässigen, vor dem die Ablieferungspflicht von Einnahmen aus Nebentätigkeiten zu sehen ist: Art. 2 Absatz 1 GG und Art. 12 Absatz 1 GG gewährleisten das Recht des Beamten, seine Arbeitskraft außerhalb des öffentlichen Dienstes entgeltlich zu verwerten. Der Beamte darf derartige Nebentätigkeiten gegen Entgelt ausüben, wenn und soweit öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 31.3. 2011 - 2 C 12.09 -, NVwZ-RR

2011, 739 = NWVBl 2011, 380, vom 24.11.2005 - 2 C 32.04 -, BVerwGE 124, 347, und vom 6.12.1989 - 6 C 52.87 -, BVerwGE

84, 194.

In diese verfassungsrechtliche Gewährleistung wird eingegriffen, wenn Körperschaften, die zwar eine öffentlichrechtliche Organisationsform haben, aber weder über Dienstherrneigenschaft verfügen noch aus öffentlichen Kassen finanziert werden, durch eine entsprechende Ausgestaltung des Nebentätigkeitsrechts dem "öffentlichen Dienst" zugeordnet werden. Dadurch wird quasi "durch die Hintertür" die rechtliche Grundlage für eine Pflicht zur Ablieferung von Vergütungen geschaffen, die nicht - auch nicht teilweise - aus öffentlichen Kassen stammen. Eine solche Maßnahme ist mit Art. 2 Absatz 1 und Art. 12 Absatz 1 GG nicht zu vereinbaren; zudem verstößt sie als Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem auch gegen Art. 3 Absatz 1 GG.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.3.2011 - 2 C 12.09 -, a.a.O. .

Nach alledem sind die vom Kläger im Jahr 2009 für Referententätigkeiten bei der RAK I. erzielten Einnahmen i.H.v. 3.300 Euro nicht von der Ablieferungspflicht nach § 13 Absatz 2 NtV betroffen.

2. Die weiteren, im selben Kalenderjahr erzielten Einnahmen aus Vortragstätigkeiten (beim Deutschen Anwaltsinstitut e.V. und der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft) belaufen sich auf einen Gesamtbetrag, der unter der Höchstgrenze von 6.000 Euro (§ 13 Absatz 2, Absatz 1 NtV) bleibt; daher sind sie ebenfalls ablieferungsfrei. Dies führt dazu, dass der angefochtene Bescheid in vollem Umfang aufzuheben ist.

Bei dieser Rechtslage kommt es für die Entscheidung über die Klage nicht (mehr) auf die von den Beteiligten kontrovers beurteilte Frage an, ob die Referententätigkeiten des Klägers für das Deutsche Anwaltsinstitut e.V. und die Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft gemäß § 3 Absatz 2 NtV einer Nebentä-tigkeit im öffentlichen Dienst gleichstehen. Wäre die Frage entscheidungserheblich gewesen, hätte die Kammer sie aller Voraussicht nach verneint und sich dabei vor allem auf den Gesichtspunkt bezogen, dass die (privatrechtlich organisierten) Leistungsempfänger weder von einer Stelle des öffentlichen Dienstes getragen noch aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1, 162 Absatz 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich dadurch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Kammer lässt die Berufung gemäß §§ 124a Absatz 1 Satz 1, 124 Absatz 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird auf 1.600 Euro (vgl. § 52 Absatz 3 GKG) festgesetzt.






VG Arnsberg:
Urteil v. 15.08.2012
Az: 2 K 591/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4fcb6c23d970/VG-Arnsberg_Urteil_vom_15-August-2012_Az_2-K-591-11




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