Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 1. Januar 1997
Aktenzeichen: 6 U 78/96

(OLG Köln: Urteil v. 01.01.1997, Az.: 6 U 78/96)

1. Ein Unterlassungsantrag, der im Kontext mit der Beschreibung bestimmter Wettbewerbshandlungen auf ein Verbot zielt, ,in sonstiger Form auf Preisvorteile hinzuweisen, läßt sich unter Berücksichtigung der Klagebegründung als zulässiges Begehren der Unterlassung einer lediglich konkret als Einheit angegriffenen Wettbewerbshandlung interpretieren. 2. Der Erlaß eines von einer IHK erstrittenen UnterlassungsAnerkenntnisurteils läßt grundsätzlich die wettbewerbsrechtliche Wiederholungsgefahr hinsichtlich des beanstandeten Verstoßes auch Drittgläubigern gegenüber entfallen und führt zur Erledigung des von diesem gegen den Schuldner wegen des nämlichen Wettbewerbverstoßes rechtshängig gemachten Rechtsstreits.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. März 1996 verkündete Anerkenntnisurteil und Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 121/95 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die mit diesem Urteil verbundene Beschwer der Beklagten wird auf DM 9. OOO,OO festgesetzt.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten

ist zwar insgesamt zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen

Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die mit der Berufung

allein angefochtene Feststellung getroffen, daß sich der

Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, soweit der Kläger die

Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen hat,

"...und/oder in sonstiger Form auf

Preisvorteile hinzuweisen, insbesondere anzukündigen:

'Wer jetzt nicht spart, lernt's

nie!'

und/oder

'Höchste Sparzeit!,'

wie in den als Anlagen K 1 und K 3

überreichten Werbe-

mitteln geschehen

und/oder

einen wie vorstehend wiedergegeben

angekündigten Verkauf durchzuführen."

Denn die ursprüngliche Klage war in diesem Umfang nicht nur

zulässig und begründet, sondern ist durch ein erst nach

Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis sodann auch gegenstandslos

geworden (vgl. für viele: BGHZ 83, 13; 1O6, 366 ff.;

Zöller-Vollkommer, ZPO, 2O. Auflage, Rdnr. 3 und 43 f. zu § 91 a,

m. w. N.).

1.

Die Klage im hier interessierenden Umfang war zulässig.

a)

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung zunächst die aus § 13

Abs. 2 Nr. 2 UWG herzuleitende Prozeßführungsbefugnis des klagenden

Vereins in Abrede gestellt hat, hat sie dies ausdrücklich fallen

gelassen (vgl. Schriftsatz vom 15. November 1996 dort Seite 2). Es

bestehen im übrigen auch keine Bedenken gegen die

Prozeßführungsbefugnis des Klägers, der in der Berufungserwiderung

ausreichend dargelegt hat, daß ihm nicht nur in erheblicher Anzahl

Gewerbetreibende im Aachener Wirtschaftsraum angehören, die Waren

gleicher oder verwandter Art wie die Beklagte vertreiben, sondern

der danach auch in ausreichendem Maße sachlich, personell und

finanziell ausgestattet ist, um das Wettbewerbsverhalten zu

beobachten und etwaige Wettbewerbsverstöße zu verfolgen.

b)

Die Zulässigkeit der Klage im hier betroffenen Bereich des

Unterlassungsbegehrens begegnete weiter auch im Hinblick auf die an

diesen Antrag zu stellenden Bestimmungsheitsanforderungen des § 253

Abs. 2 Nr. 2 ZPO keinen Bedenken.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, der

klagende Verein verfolge hiermit ein über die Unterlassung der

konkreten Werbeaussagen laut Anlagen K 1 und K 3 hinausreichendes

Verbot der Werbung mit Preisvorteilen, überzeugt das nicht. Soweit

Unterlassung gefordert war "... eine Geburtsparty mit Superhits"

anzukündigen und/oder in sonstiger Form auf Preisvorteile

hinzuweisen, insbesondere anzukündigen wer jetzt nicht spart,

lernt's nie ! und/oder höchste Sparzeit !" legt diese Formulierung

nur scheinbar die Annahme nahe, daß - wie die Beklagte dies geltend

macht - neben der ersten Werbeaussage "Geburtsparty mit Superhits!"

allgemein auch der Hinweis auf "Preisvorteile in sonstiger Form"

verboten werden sollte, für den wiederum die beiden weiteren

Werbeaussagen nur beispielhaft aufgeführt wären. Danach begegnete

der Antrag in der Tat durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken, weil

weder der Umfang, noch die Art des auf einem solchen Antrag

beruhenen Verbots in eine für die Festlegung der materiellen

Rechtskraft und des vollstreckungsfähigen Inhalts ausreichenden

Weise bestimmt und bestimmbar wären. Unter Berücksichtigung des für

die Auslegung des in Rede stehenden Unterlassungsantrags

heranzuziehenden Sachvortrags des Klägers in der Klageschrift (vgl.

Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Auflage, Kapitel 51

Rdnr. 1O m. w. N.) wird jedoch zweifelsfrei klar, daß der Kläger

sich mit dem verfahrensbetroffenen Unterlassungsbegehren insgesamt

- nur - gegen die Werbung für den als unzulässig angegriffenen

Sonderverkauf wendet, wie sie konkret stattgefunden hat, nämlich

mittels der in den Antrag auch aufgenommenen, in den Anlagen K 1

und K 3 vorgenommenen Werbeaussagen. Denn der Kläger wendet sich in

der zur Begründung seines Antrags eingereichten Klageschrift gegen

die aus Anlaß ihres fünfjährigen Bestehens in Herzogenrath von der

Beklagen veröffentlichte "Anzeigenstrecke" (Bl. 3 d.A.) und führt

weiter aus, daß mit "dieser Werbung" und "Durchführung der damit

beworbenen Verkaufsveranstaltung" (Unterstreichungen durch den

Senat) gegen § 7 Abs. 1 UWG verstoßen werde (Bl. 4 d. A.).

Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger über das Verbot der

vorbezeichneten konkreten Werbung (und der Durchführung der solcher

Art beworbenen Verkaufsveranstaltung) hinaus auch ein allgemeines

Verbot der Werbung mit Preisvorteilen in sonstiger Form unter

Bezugnahme auf einen Zeitraum des Bestehens des Unternehmens der

Beklagten, bei dem es sich nicht um einen solchen von 25 Jahren

oder ein Vielfaches hiervon handelt, bezweckt, lassen sich dem

klägerischen Sachvortrag sowie dem Sachverhalt im übrigen nicht

entnehmen. Mit dem Landgericht ist daher davon auszugehen, daß der

Kläger von Anfang an "nur" die Untersagung der konkreten Aussagen,

wie sie in den ebenfalls in den Antrag aufgenommenen Werbemitteln

laut Anlagen K 1 und K 3 vorgenommenen wurden, erstrebte, und nicht

etwa ein darüber hinausreichendes Verbot der Werbung mit

Preisvorteilen in sonstiger Form. Im hier zu beurteilenden Umfang

war die Klage folglich von Anfang an zulässig.

2.

Sie war weiter auch begründet. Denn dem klagenden Verein stand

gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte der

insoweit geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Die Beklagte hatte mit der aus Anlaß ihres fünfjährigen

Bestehens in H. stattgefundenen Werbe- und Verkaufsaktion eine

unzulässige Verkaufsveranstaltung außerhalb ihres regelmäßigen

Geschäftsbetriebes angekündigt und durchgeführt, die der

Beschleunigung ihres Warenabsatzes dienen sollte und die den

Eindruck besonders günstiger Verkaufsvorteile, nämlich besonders

günstiger, nur für einen begrenzten Zeitraum in Aussicht gestellter

Preise, hervor- rief. Daß diese Sonderveranstaltung auch nicht nach

§ 7 Abs.2 oder Abs. 3 UWG erlaubt war, liegt auf der Hand und wird

von der Beklagten selbst auch nicht eingewandt.

3.

Die im hier betroffenen Teil somit ursprünglich zulässige und

begründete Klage ist schließlich auch durch ein nach

Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis, nämlich aufgrund der

Verkündung des in dem Verfahren 42 O 97/95 (LG Aachen)

rechtskräftig gewordenen Unterlassungsurteils gegenstandslos

geworden.

Die Frage, ob der Erlaß eines in einem anderen Verfahren von

einem anderen Gläubiger über den nämlichen Verstoß erwirkten, mit

Ordnungsmittelandrohungen versehenen rechtskräftigen

Unterlassungsurteils die Wiederholungsgefahr beseitigt, wird zwar

kontrovers beantwortet:

Während ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums den

Wegfall der für den Unterlassungsanspruch materiell

vorauszusetzenden Wiederholungsgefahr bei Erlaß einer derartigen

Entscheidung im Regelfall bejaht (vgl. KG WRP 1993, 22-24; OLG

Karlsruhe 1991, 619-621 und WRP 1986, 563/564; Hanseatisches OLG

Hamburg, GRUR 1984, 889-89O; Großkommentar/Köhler, vor § 13 UWG B

Rdnr. 74 a.E.; Köhler-Piper, UWG, vor § 13 UWG Rdnr. 4), vertreten

andere Stimmen demgegenüber den Standpunkt, daß einem

rechtskräftigen Unterlassungsurteil grundsätzlich die Wirkung der

Beseitigung der Wiederholungsgefahr abzusprechen ist und nur in

Ausnahmefällen, dann nämlich, wenn der Unterlassungstitel die

Gewähr dafür bietet, daß der Schuldner ebenso wie bei einer

freiwillig abgegebenen strafbewehrten

Unterlassungsverpflichtgungserklärung ernsthaft seiner

Unterlassungspflicht nachkommt, Anlaß zu einer abweichenden

Beurteilung bestehen kann (vgl. OLG Hamm GRUR 1991, 7O6-7O7;

Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18. Auflage, Rdnr. 288,

Einleitung UWG; Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6.

Auflage, Kapitel 7 Rdnr. 15 f.; so wohl auch BGH GRUR 196O,

379/381). Der letztgenannten Meinung, wonach der Erlaß eines

rechtskräftigen gerichtlichen Unterlassungstitels die

Wiederholungsgefahr im Regelfall nicht beseitigt, jedoch die

Umstände des konkreten Einzelfalls Ausnahmen gebieten können, ist

zwar der Vorzug zu geben. Denn anders als bei einer gegenüber einem

Drittgläubiger abgegebenen strafbewehrten

Unterlassungsverpflichtungserklärung fehlt dem zu Gunsten eines

Drittgläubigers erlassenen streitigen Unterlassungstitel das für

den Wegfall der Wiederholungsgefahr maßgebliche Element der

freiwilligen Unterwerfung unter das Unterlassungsbegehren, die

wiederum die Erwartung rechtfertigt, daß der Unterlassungsschuldner

künftig von der Wiederholung des Verstoßes absehen wird. Das

streitige Urteil ergeht vielmehr zwangsweise gegen den Verletzer

und bietet daher regelmäßig nicht wie die Willensentscheidung der

Unterwerfung die Gewähr, daß ein Wiederholungswille nicht (mehr)

besteht (vgl. Teplitzky, a. a. O., Kapitel 7 Rdnr.15).

Letztlich kann es im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt

bleiben, welcher der beiden vorbezeichneten Meinungen die größere

Óberzeugungskraft beizumessen ist. Denn beide Meinungen, die sich

lediglich bei der Gewichtung des Regel- Ausnahmeverhältnisses

unterscheiden, führen hier in der Sache zum selben Ergebnis. Auch

nach der letztgenannten Meinung, wonach im Regelfall der Erlaß

eines Unterlassungstitels in einem anderen Verfahren die

Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, liegen im gegebenen Fall die

eine Ausnahme zulassenden Voraussetzungen, nämlich Umstände vor,

die den Schluß auf einen ernsthaften Unterlassungswillen der

Beklagten rechtfertigen. Die Beklagte hat ihre

Unterlassungsverpflichtung in dem Parallelverfahren 42 O 97/95 (LG

Aachen) entsprechend dem auf die konkrete Verletzungsform

zugeschnittenen Begehren der dortigen Gläubigerin, der Industrie-

und Handelskammer zu Aachen, anerkannt. Darüber hinaus hat sie in

jenem Verfahren deutlich gemacht, daß ihre Ausführungen, soweit sie

gegen den von der IHK Aachen geltend gemachten

Unterlassungsanspruch gerichtet waren, ausschließlich der

Rechtsverteidigung dienen sollten (vgl. Blatt 14, 62 der Akte 42 O

97/95 LG Aachen). Darin kommt zum Ausdruck, daß die Beklagte sich -

wie bei einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung -

"freiwillig" dem Unterlassungsbegehren gebeugt und ernsthaft den

Willen hat, künftig von Verstößen Abstand zu nehmen. Nach der

Person der Titelgläubigerin in jenem Verfahren besteht dabei auch

die Gewähr, daß die Einhaltung der titulierten

Unterlassungsverpflichtung überwacht wird und die Beklagte als

Unterlassungschuldnerin bei einem Verstoß mit sie treffenden

empfindlichen Ordnungsmitteln rechnen muß und rechnet, selbst wenn

die im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß § 89O ZPO verhängten

Ordnungsmittel - anders als bei der Geltendmachung einer

Vertragsstrafe - nicht der Titelgläubigerin selbst zufließen (vgl.

hierzu: KG WRP 1993, 22/25).

Ist somit im gegebenen Fall mit der Verkündung des

rechtskräftigen gewordenen Unterlassungsurteils in dem Verfahren 42

O 97/95 (LG Aachen) die Wiederholungsgefahr betreffend das hier

interessierende Unterlassungsbegehren beseitigt worden, ist damit

zugleich ein dieses ursprünglich zulässige und begründete

Unterlassungsbegehren nachträglich in vollem Umfang gegenstandslos

machendes, mithin erledigendes Ereignis eingetreten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre

Rechtsgrundlage in den § 7O8 Nr. 1O, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientierte

sich am Wert des Unterliegens der Beklagten im

Berufungsverfahren.






OLG Köln:
Urteil v. 01.01.1997
Az: 6 U 78/96


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