Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 5. Februar 2003
Aktenzeichen: I-6 W 3/03

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 05.02.2003, Az.: I-6 W 3/03)

Tenor

Auf das Rechtsmittel der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Mai 2002 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2002 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des vor dem Landgericht Düsseldorf am 4. Februar 2002 geschlos-senen Vergleichs sind von der Beklagten an Kosten 720,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2002 an die Klägerin zu erstatten. Der dieser Kostenfestsetzung zugrundeliegende Titel ist vollstreckbar.

Das Rechtsmittel der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: bis 300,00 €.

Gründe

I.

Das mit Schriftsatz vom 14. Juni 2002 eingelegte Rechtsmittel der Beklagten ist noch nicht erledigt. Mit diesem rügt die Beklagte nicht nur die fehlende Berücksichtigung von Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld in Höhe von insgesamt 81,49 € im Rahmen der Kostentrennung gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO, sondern auch eine rechnerisch falsche Ermittlung des gesamten Erstattungsanspruchs der Klägerin, was bereits auf der Grundlage der vom Landgericht sachlich berücksichtigten Kosten zu einer Summe von 774,71 € statt der ausgesprochenen 1.040,46 € führen soll. Der landgerichtliche Beschluss vom 5. September 2002, der in der Sache eine Teilabhilfe-Entscheidung darstellt, setzt sich nur mit dem erstgenannten Angriff auseinander.

Auch das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig. Zwar mag zweifelhaft sein, ob gegen eine Entscheidung eines Rechtspflegers nach § 319 Abs. 1 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren die sofortige Beschwerde oder lediglich die befristete Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG als Rechtsbehelf eröffnet ist, letzteres mit der Folge, dass hierüber das Landgericht abschließend zu befinden hätte. Hierauf kommt es aber vorliegend nicht an. Denn die Klägerin greift den Beschluss vom 5. September 2002 nicht mit der Begründung an, die Voraussetzungen des § 319 Abs. 1 ZPO hätten nicht vorgelegen; vielmehr wendet sie sich gegen diese Entscheidung in derselben Weise, als wäre deren Inhalt von Anfang an als Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen. Dieses Verständnis ist auch umso mehr gerechtfertigt, als jener Beschluss - wie schon angesprochen - in der Sache eine Teilabhilfe auf das Rechtsmittel der Beklagten gegen den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Mai 2002 darstellt. Bei einer derartigen Lage muss der Klägerin das gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss statthafte Rechtsmittel unabhängig davon zur Verfügung stehen, ob der Rechtspfleger die Teilabhilfe auf § 319 ZPO gestützt hat oder nicht.

II.

In der Sache hat nur das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg.

1.

Der Erstattungsanspruch der Klägerin beträgt insgesamt 720,39 € und errechnet sich aus zu erstattenden Gerichtskosten von 385,50 € sowie zu erstattenden außergerichtlichen Kosten von 334,89 €. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Mai 2002 hat das Landgericht nicht die Teilergebnisse von zu erstattenden gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, sondern zum Teilergebnis betreffend die außergerichtlichen Kosten eine innerhalb des Rechenwerks zu diesem Teilbereich auftretende Zwischensumme addiert und ist hierdurch fälschlich auf einen Gesamtbetrag von über 1.000,00 € gelangt.

2.

Auf der Grundlage der zwischen den Parteien nicht umstrittenen einzelnen rechnerischen Ansätze erweist sich die in der Rechtsmittelschrift der Beklagten dargestellte Berechnung als zutreffend. Denn zu den der Klägerin zur Last fallenden Säumniskosten der Beklagten gehören auch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld betreffend den Termin vom 28. Juni 2001 in Höhe von insgesamt 81,49 €.

a)

Zu den Fragen, die mit dem Problem verbunden sind, die Zuziehung welchen Rechtsanwaltes durch eine Partei als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder - hier - Rechtsverteidigung als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO anzusehen ist, hat sich der Bundesgerichtshof nunmehr mit Beschlüssen vom 16. Oktober 2002 (in Sachen VIII ZB 30/02, juris-Nr. KORE305142002) und 12. Dezember 2002 (in Sachen I ZB 29/02, juris-Nr. KORE312032003) geäußert. Danach ist bei der Prüfung, ob sich eine bestimmte Maßnahme als notwendig im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift erweist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen wäre, stehe in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit Fug darüber gestritten werden könne, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten seien oder nicht. Diesem Ansatz folgt das Gericht. Auf dieser Grundlage sind namentlich drei Fallgruppen zu bilden. Die erste zeichnet sich dadurch aus, dass ein Beklagter im eigenen Gerichtsstand verklagt wird, mit seiner Vertretung jedoch einen auswärtigen Anwalt beauftragt, der zwar (infolge der Neuregelung des

§ 78 Abs. 1 ZPO) vor dem Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist. Die zweite Gruppe betrifft die Fälle, in denen eine Partei bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, mit ihrer Vertretung jedoch einen am Wohn- oder Geschäftsort oder in dessen Nähe ansässigen Anwalt beauftragt. Die dritte Fallgruppe schließlich umfasst die Fälle, in denen eine Partei bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird und mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt beauftragt, der an einem dritten Ort - also weder am Wohn- oder Geschäftsort der Partei noch im Bezirk des Prozessgerichts - ansässig ist.

Hier ist die zweite der geschilderten Fallgruppen gegeben, denn die Beklagte ist infolge der Gerichtsstand-Vereinbarung in § 9 Abs. 3 Satz 2 der Verträge vom 31. Januar und 8. Mai 2000 bei dem für sie auswärtigen Landgericht Düsseldorf verklagt worden und hat mit ihrer Vertretung einen Anwalt beauftragt, der in der ihrem Geschäftssitz nächstliegenden Großstadt ansässig ist; dabei ist der räumliche Bezug noch derart eng, dass von einem in der Nähe des Geschäftsortes ansässigen Anwalt ausgegangen werden kann.

b)

Für Fälle der zweiten Gruppe ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, die sich das Gericht auch insofern zu eigen macht, von folgenden Grundsätzen auszugehen. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines nicht am Prozessgericht zugelassenen und dort auch nicht wohnenden Rechtsanwaltes für Reisen zum Prozessgericht beurteilt sich nicht nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Der Wortlaut dieser Norm steht einer unmittelbaren, das Fehlen einer Regelungslücke einer entsprechenden Anwendung entgegen. Vielmehr ist § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO heranzuziehen. Die Beurteilung der danach entscheidenden Frage, ob aufgewendete Anwaltskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Danach ist die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall als Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzusehen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann eingreifen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies kommt unter anderem in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat.

Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht feststellbar. Es ist bereits für eine eigene Rechtsabteilung bei der Beklagten nichts ersichtlich. Auch in der Aufzählung von Abteilungen bei der Beklagten im Schriftsatz der Klägerin vom 3. Oktober 2001, S. 3, ist eine solche nicht erwähnt. Darüber hinaus fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass bei Prozessbeginn aus Sicht der Beklagten ein Mandantengespräch für die Prozessführung sicher oder auch nur wahrscheinlich nicht erforderlich sein werde. Der dem Dienstvertragsrecht entnommene Streitstoff war komplex, die schon in der Klageerwiderung dargestellte Verteidigung der Beklagten in Hauptangriff und Hilfsaufrechnung gestaffelt. Ein nicht unerhebliches Indiz für die Schwierigkeit der Prozessführung ist es auch, dass die Klägerin, bei der es sich ja gleichermaßen um ein gewerbliches Unternehmen handelt, mehrfach eine Fristverlängerung mit der Begründung erbat, zur Fertigung des Schriftsatzes sei eine umfangreiche Besprechung mit der Partei erforderlich (Schriftsätze vom 14. und 26. Februar sowie 13. und 27. September 2001). Es tritt hinzu, dass der Inhalt des Streites auf Seiten beider Parteien eine vertrauliche Handhabung und unmittelbare Gespräche der Anwälte mit den Unternehmensleitungen, nicht hingegen telekommunikative Kontakte mit Mitarbeitern, nahelegte.

Angesichts dessen hat es bei der beschriebenen Regel sein Bewenden, nach der hier die Zuziehung des Anwalts der Beklagten eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverteidigung darstellte und damit im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO notwendig war, womit sich zugleich die Auslagen gemäß § 28 BRAGO als erstattungsfähig erweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz; 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht im Hinblick auf die zwischenzeitlich vorliegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes nicht.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes berücksichtigt den Umstand, dass die Parteien ausweislich ihrer Schriftsätze vom 14. und 24. Juni 2002 nicht über den im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Mai 2002 aufgetretenen Berechnungsfehler, sondern allein über die Erstattungsfähigkeit der 81,49 € streiten. Bei dieser Lage erscheint es nicht angemessen, den Beschwerdewert mit der vollen Differenz zwischen 1.040,46 € und 720,39 € anzusetzen.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 05.02.2003
Az: I-6 W 3/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4ece924ff361/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_5-Februar-2003_Az_I-6-W-3-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share