Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 9. November 2001
Aktenzeichen: 6 U 83/01

(OLG Köln: Urteil v. 09.11.2001, Az.: 6 U 83/01)

Tenor

A) Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläge-rin wird das am 1.3.2001 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 146/00 - teilweise abgeändert und - nachdem das Klageverfahren zweitinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt wor-den ist - hinsichtlich der Widerklage und der Nebenentscheidungen wie folgt neu gefasst:

I.)

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Feilhalten und Vertrieb ihres konservierenden Reinigungs- und Poliersteines wie auf der zweiten Innenseite des nachstehend wiedergegebenen Prospektes zu behaupten,

1.

die reinigenden Bestandteile seien "biologisch vollständig abbaubar"

und/oder

2.

das Produkt sei "100 %...säurefrei".

pp.

II.)

Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen

B)

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

C)

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 43 % und die Be-klagte zu 57 % zu tragen.

D)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

E)

Die Beschwer der Parteien wird auf je 50.000 DM festgesetzt.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und, soweit sie die teilweise Abweisung der Widerklage zum Gegenstand hat, zum Teil auch in der Sache begründet. Soweit sie ursprünglich die Verurteilung der Beklagten auf die Klage zum Gegenstand hatte,

ist lediglich noch gem. § 91 a ZPO über die Kosten zu entscheiden, nachdem die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Klage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Kosten sind der Beklagten aufzuerlegen.

Hinsichtlich der ebenfalls zulässigen unselbständigen Anschlussberufung der Klägerin ist nur noch über die Kosten zu entscheiden. Soweit die Anschlussberufung die Klage betraf, ist sie von der Erledigungserklärung erfasst und hat die Beklagte die Kosten zu tragen. Im übrigen hat die Klägerin die Anschlussberufung zurückgenommen, weswegen die Kosten gem. 269 Abs.3, 523 ZPO ihr zur Last fallen.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, soweit sie die Werbeaussage betrifft, das Produkt der Klägerin sei "100 % ... säurefrei". Diesbezüglich hat das Landgericht zu Unrecht die Widerklage abgewiesen.

Diese Angabe der Klägerin ist gem. § 3 UWG irreführend, weil deren Produkt - was unstreitig ist - Stearinsäure enthält. Dabei handelt es sich um eine Fettsäure. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin hierzu auf die Ausführungen des Sachverständigen J. in dessen als Anlage K 8 vorgelegtem Gutachten vom 18.12.2000. Dieser hat allerdings ausgeführt, eine Zubereitung gelte nach allgemeiner chemischer Auffassung als säurefrei, wenn mindestens ein pH-Wert von 7 eingehalten werde, weil im alkalischen Bereich dann alle Säureanteile neutralisiert seien. Trotzdem noch vorhandene undissoziierte Säuren, hier speziell Fettsäuren, würden dann allgemein üblicher Auffassung folgend nicht als Widerspruch zur Säurefreiheit angesehen. Der Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Darstellung zu bezweifeln. Sie vermag indes die beanstandete Aussage nicht zu rechtfertigen. Die Aussage "100 % ... säurefrei" erweckt den Eindruck, dass das Produkt überhaupt keine Säure, also auch nicht eine solche enthält, die neutralisiert ist. Der Verbraucher erwartet, dass das Produkt keine chemischen Bestandteile aufweist, die die Eigenschaft von Säuren haben. Er erwartet ebenfalls, dass es keine Bestandteile enthält, die sich zwar aufgrund der Verarbeitung und insbesondere hinreichender Neutralisierung im Endzustand des Produktes nicht mehr als Säuren darstellen, die aber im Ausgangszustand Säuren sind bzw. waren. Dabei kommt es aus der maßgeblichen Sicht der Verbraucher, die zu beurteilen die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Lage sind, nicht auf die wissenschaftliche Bezeichnung von neutralisierten Säuren mit einem pH Wert von mindestens 7, sondern allein darauf an, ob das Produkt überhaupt einen Bestandteil enthält, der als Säure zu bezeichnen ist. Vor diesem Hintergrund stellt es eine Irreführung dar, das Produkt als "100 % ... säurefrei" zu bezeichnen.

Diese Irreführung ist auch von wettbewerblicher Relevanz, was angesichts der allgemeinen Zurückhaltung gerade der von der Klägerin angesprochenen umweltbewussten Verkehrskreise gegenüber "scharfen" Reinigungsmitteln keiner näheren Begründung bedarf.

Keinen Erfolg hat die Berufung der Beklagten demgegenüber bezüglich der Aussage: "Ausgezeichnet für Hobby, Sport und Camping".

Diesbezüglich ist die Entscheidung des Landgerichts zutreffend. Insbesondere bei der gebotenen Berücksichtigung der nunmehr in den Urteilstenor aufgenommenen konkreten Verletzungsform des als Anlage K 2 vorgelegten Prospektes steht für den durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher fest, dass die Klägerin mit der Aussage "Ausgezeichnet für: ..." durch die anschließende Aufzählung ausschließlich zum Ausdruck bringen will, für welche Verwendungsformen der von ihr vertriebene "MEM-Stein" (und zwar eben ausgezeichnet) geeignet sei. Demgegenüber wird die Aussage nicht von einem erheblichen Teil des Verkehrs dahin verstanden, das Produkt habe eine Auszeichnung für die Verwendung bei Hobby, Sport, Camping etc. erhalten. Anhaltspunkte hierfür trägt auch die Beklagte nicht vor. Die Begründung ihrer Berufung beschränkt sich hierzu auf die Rechtsauffassung, die Kammer habe nicht ohne weiteres annehmen dürfen, kein irgendwie beachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs verstehe den Begriff in der von ihr dargestellten Weise. Das trifft indes nicht zu.

Bezüglich der Klage ist nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung nur noch gem. § 91 a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Die Kosten sind der Beklagten aufzuerlegen, weil diese bei streitigem Fortgang des Verfahrens antragsgemäß zu verurteilen gewesen wäre und es billigem Ermessen im Sinne des § 91 a ZPO entspricht, die Kosten der voraussichtlich unterlegenen Partei aufzuerlegen.

Der Klageantrag war ausschließlich auf das Verbot der gesamten Zeitungsanzeige als solcher gerichtet. Einzelne darin enthaltene Werbeaussagen für sich genommen sollte das Verbot ausdrücklich nicht erfassen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Klageantrags und hat die Klägerin auch mehrfach (z.B. auf Seite 5 unten der Klageschrift) ausdrücklich bestätigt. Auf Grund dieser Fassung setzte der Klageantrag lediglich voraus, dass die Anzeige wegen eines der in Betracht kommenden Gesichtspunkte wettbewerbswidrig war.

Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Anzeige ist zumindest wegen der Angabe des Dienstsiegels "Deutsches Patentamt" gem. § 3 UWG irreführend. Der Verkehr erwartet aufgrund dieses Siegels die Existenz eines - tatsächlich indes nicht vorhandenen - Patents und nicht einer Marke. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird der Verbraucher auch nicht durch das Emblem der OMPI und den Text "intern. eingetragenes Warenzeichen Nr. ..." hinreichend aufgeklärt. Der Verbraucher, der diesen Text überhaupt liest, wird im Gegenteil annehmen, dass es für das Produkt nicht nur ein Patent, sondern eben auch eine Eintragung als Zeichen bzw. Marke gebe.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 91 a Abs.1, 269 Abs.3, 523 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Parteien entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Anwendung von § 25 Abs.2 S.2 GKG wie folgt neu festgesetzt:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig wie folgt festgesetzt:

bis zur übereinstimmenden Teilerledigungserklärung und teilweisen Rücknahme der Anschlussberufung der Klägerin im Verhandlungstermin vom 26.10.01 auf einen Gesamtstreitwert von nunmehr 250.000,-- DM, der sich wie folgt zusammensetzt:

Berufung der Beklagten:

Anschlussberufung der Klägerin: antragsgemäße Verurteilung zur Klage 10.000 DM Abweisung der Widerklage soweit verurteilt _50.000 DM Gesamtstreitwert 250.000 DM

anschließend:

weitere Verurteilung zur Widerklage (2 x 50.000 DM =) 100.000 DM

Der Streitwert ist gem. §§ 12 Abs.1 GKG, 3 ZPO ausgehend von den ursprünglichen Wertangaben der Parteien festzusetzen. Die Klägerin hatte für die Klage ursprünglich unwidersprochen 100.000,-- DM angesetzt, den Streitwert der Widerklage hatte die Beklagte ebenso unwidersprochen mit insgesamt 150.000,-- DM angegeben. Die vorstehende Quotelung des Streitwertes der Klage im Berufungsverfahren beruht auf dem Umstand, dass das Landgericht diese teilweise abgewiesen hat.






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Urteil v. 09.11.2001
Az: 6 U 83/01


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