Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. Januar 2009
Aktenzeichen: I-4 U 159/08

(OLG Hamm: Urteil v. 13.01.2009, Az.: I-4 U 159/08)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 5. August 2008 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld teilweise abge­ändert.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Art und in welchem Umfang sie insbesondere auf ihrer Internetseite www.tintenmarkt.de mit der Aussage geworben hat, das Unternehmen X GmbH beschäftige eine Anzahl von über 30 Mitarbeitern, obwohl diese Aussage nicht den Tatsachen entsprach.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorbezeichnete Handlung entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 1) (im Folgenden auch: die Beklagte), deren geschäftsführender Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist, konkurrieren im Interver­sandhandel mit Druckerzubehör (die Klägerin unter der Adresse druckerzubehör.de, die Beklagte insbesondere unter der Adresse tintenmarkt.de). Jedenfalls am 28.04.2008 enthielt der Internetauftritt der Beklagten in der Rubrik "Über uns" eine weitere Rubrik mit dem Titel "Die Menschen", in der unter der Überschrift "Die Mit­arbeiter im Tintenmarkt" unter anderem folgende Aussage stand:

So beschäftigen wir mittlerweile über 30 Mitarbeiter.

Diese Aussage war unzutreffend; tatsächlich lag die Zahl der Mitarbeiter der Beklagten unter 20.

Die Klägerin mahnte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28. April 2008 ab und gab den Gegenstandswert mit 25.000,00 € an. Sie setzte der Beklagten zu 1) eine Frist bis zum 5. Mai 2008 10.00 Uhr.

Die Beklagten gaben am 5. Mai 2008 eine abgeänderte Unterlassungs- und Ver­pflichtungserklärung ab, die um 16.21 Uhr bei der Klägerin einging. Die Klägerin nahm die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung an und verfolgt mit der Klage die Ansprüche weiter, zu deren Erfüllung sich die Beklagten nach ihrem Schreiben vom 5. Mai 2008 nicht bereitgefunden hatten.

Die Klägerin, die in der fehlerhaften Angabe der Beklagten zur Anzahl der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) eine relevante Irreführung gesehen hat, hat beantragt,

I. festzustellen,

1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Weise und in welchem Umfang sie, insbesondere auf ihrer Internetseite www.tintenmarkt.de, mit der Aussage geworben hat, das Unternehmen X GmbH beschäftige eine Anzahl von über 30 Mitarbeitern, obwohl diese Aussage nicht den Tatsachen ent­sprach, und welcher Umsatz in dieser Zeit erwirtschaftet wurde;

2. dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend in Ziffer I. 1) bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch ent­stehen wird;

II.

die Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) zu verurteilen, als Gesamt­schuldner an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.034,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben eine relevante Irreführung in Abrede gestellt. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass die beanstandeten Angaben keine plakative Werbeaussage auf einer Hauptseite des Internetauftritts der Beklagten gewesen seien; vielmehr sei die Aussage lediglich einer erfahrungsgemäß nur von wenigen Besuchern des Web­shops aufgerufenen Seite zu entnehmen gewesen. Zum anderen sei die Zahl der Beschäftigten eines im Internetversandhandels tätigen Betriebes, bei dem der Bestellvorgang weitgehend anonym ablaufe, für den Kunden ohne Relevanz (anders als die Anzahl der Artikel und die Vielfalt des Warenangebots).

Das Landgericht hat durch Urteil vom 5. August 2008 die Klage als unbegründet ab­gewiesen. Die Täuschung habe keine wettbewerbsrechtliche Relevanz. Beim Inter­netversandhandel komme der Anzahl der Mitarbeiter von vornherein ‑ anders als der Größe des Warenangebots ‑ nur eine eingeschränkte Bedeutung für das Unterneh­men zu. Der Interessent begegne typischerweise keinem einzigen Mitarbeiter. Wich­tiger als die Zahl der Mitarbeiter sei für das Publikum neben der Größe des Waren­angebotes eine effiziente Organisationsstruktur, die eine zügige und verlässliche Belieferung ermögliche. Die effiziente Struktur sei aber von der Zahl der Mitarbeiter nur begrenzt abhängig. Demgemäß komme der Mitarbeiterzahl in dieser Konstella­tion nur eine eingeschränkte Aussagekraft zu, so dass die wettbewerbliche Relevanz von vornherein gering sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie zunächst ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat. Jedoch hat sie hin­sichtlich der Auskunft keine Feststellung mehr, sondern Leistung beantragt.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre Rechtsansicht zur Relevanz der Irreführung mit näheren Angaben. Sie hält die Antragsänderung für zulässig, weil das Land­gericht ihrer Meinung nach verpflichtet gewesen sei, auf sachgerechte Antragstellung hinzuwirken. Der ursprüngliche Antrag sei auf ein Schreibversehen zurückzuführen.

In der Sache meint die Klägerin, dass ein Schadenseintritt wahrscheinlich sei und ihr deshalb ein Schadensersatzanspruch zustehe. Dann könne sie auch Auskunft über den Umsatz und den Umfang der Nutzung der irreführenden Werbung verlangen. Ohne diese Auskünfte sei sie nicht in der Lage, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin ihre Berufung inso­weit zurückgenommen, als sie mit dieser Berufung ihren Anspruch auf Umsatzaus­kunft und Erstattung der Abmahnkosten weiterverfolgt hat.

Die Klägerin hat sodann noch beantragt:

1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Bielefeld vom 05.08.2008, Az.: 15 O 97/08, werden die Berufungsbeklagte zu 1.) ver­urteilt, der Berufungsklägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Art und in welchem Umfang sie, insbesondere auf ihrer Internetseite www.tintenmarkt.de, mit der Aussage geworben hat, das Unternehmen X GmbH beschäftige eine Anzahl von über 30 Mit­arbeitern, obwohl diese Aussage nicht den Tatsachen entsprach.

2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Bielefeld vom 05.08.2008, Az.: 15 O 97/08, wird festgestellt, dass die Berufungs­beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Berufungsklägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und willigen in die Klageänderung nicht ein.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist begründet, soweit sie ihr Klagebegehren erster Instanz nach der erfolgten teilweisen Rücknahme der Berufung noch weiterverfolgt.

Die Klage ist zulässig. Die Umstellung hinsichtlich des Auskunftsbegehrens von der Feststellung auf die Leistung ist nach § 533 ZPO sachdienlich, so dass es auf die fehlende Einwilligung der Beklagten nicht ankommt.

Das Klagebegehren, soweit es mit der Berufung noch weiterverfolgt wird, nämlich der Auskunftsanspruch hinsichtlich des Umfangs der beanstandeten Werbung und der Schadensersatzanspruch sind begründet.

Nach § 9 UWG ist den Mitbewerbern zum Schadensersatz verpflichtet, wer dem § 3 fahrlässig zuwiderhandelt. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist da­mit zunächst ein Wettbewerbsverstoß der Beklagten. Dabei ist hier nur allein auf das alte Recht abzustellen, weil es nur um die Ersatzpflicht aus einem in der Vergangen­heit liegenden Wettbewerbsverstoß geht.

Auch die Beklagten stellen nicht in Abrede, dass die beworbene Mitarbeiterzahl falsch und damit irreführend i.S.d. § 5 Abs. 2 Ziff. 3 UWG ist.

Zu Unrecht hat das Landgericht mit den Beklagten aber die Relevanz dieser Irrefüh­rung für die Kaufentscheidung des Kunden verneint (vgl. dazu Fezer/Peifer UWG § 5 Rz. 240).

Das Landgericht greift dabei in seiner Argumentation zu kurz. Es mag zwar sein, dass für die zügige Abwicklung von Internetaufträgen die Zahl der Mitarbeiter nicht entscheidend sein mag. Die Werbung mit der Zahl der Mitarbeiter stellt aber auch eine Image-Werbung dar (Fezer/Peifer a.a.O. Rz. 375). Sie besagt allgemein etwas über die Größe des Unternehmens. Denn die Mitarbeiter müssen ja aus dem Umsatz des Unternehmens bezahlt werden. Von daher lässt die Anzahl der Mit­arbeiter auch einen Schluss auf die Umsatzgröße zu. Je größer die Zahl der Mit­arbeiter ist, um so mehr spricht dies dafür, dass es sich um ein florierendes Unter­nehmen handelt, das auf den Kunden eine nicht unerhebliche Anziehungskraft ausübt.

Für die aus diesem Wettbewerbsverstoß folgende Schadensersatzpflicht sind auch beide Beklagten passivlegitimiert. Denn der Beklagte zu 2) ist als verantwortlicher Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ebenfalls als Täter haftbar.

Die falsche Angabe hinsichtlich der Mitarbeiterzahl beruht auch zumindest auf Fahr­lässigkeit.

Die für den Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht erforderliche Scha­denswahrscheinlichkeit ist ebenfalls hier gegeben. Angesichts der Möglichkeit der Verbraucher, im Internet den Anbieter leicht wechseln zu können, kann es durchaus sein, dass Kunden wegen der vermeintlich hohen Zahl der Mitarbeiter der Beklagten von der Klägerin zur Beklagten abgewandert sind.

Zur Vorbereitung dieses Schadensersatzanspruches steht der Klägerin auch ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zu. Um die Auswirkungen der irreführenden Werbung abschätzen zu können, ist die Klägerin dabei auf die Kenntnis darüber angewiesen, in welchem Umfang die Beklagte mit der falschen Mitarbeiterzahl geworben hat. Dieser Werbeumfang kann ein wichtiges Indiz dafür sein, inwieweit ein Umsatzrückgang der Klägerin bzw. eine ausgebliebene Umsatzsteigerung auf diese irreführende Werbung zurückzuführen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 13.01.2009
Az: I-4 U 159/08


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