Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. März 2009
Aktenzeichen: 23 W (pat) 335/05

(BPatG: Beschluss v. 10.03.2009, Az.: 23 W (pat) 335/05)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das Patent 100 06 505 wurde am 15. Februar 2000 mit der Bezeichnung "Leistungshalbleiter-Modul aus einer Vielzahl von parallel zueinander geschalteten IGBT-Chips" beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldet und von der Prüfungsstelle für Klasse H01L mit Beschluss vom 1. September 2004 erteilt. Die Patenterteilung wurde am 24. Februar 2005 veröffentlicht.

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2005, per Telefax am selben Tag beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen, hat die Einsprechende gegen das Patent Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, da sein Gegenstand gegenüber der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschrift D1 DE29823619U1 weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe.

Die Patentinhaberinnen haben dem widersprochen.

In der mündlichen Verhandlung stellt die Einsprechende den Antragdas Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberinnen zu 1 und 2 stellen den Antrag, das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) und hilfsweise mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2009, und anzupassende Beschreibung und anzupassende Zeichnungen (Hilfsantrag 1), Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2009 und anzupassende Beschreibung und anzupassende Zeichnungen (Hilfsantrag 2).

Der erteilte und mit dem Hauptantrag verteidigte Anspruch 1 lautet:

"Leistungshalbleiter-Modul aus einer Vielzahl von parallel zueinander geschalteten IGBT-Chips (2, 3), die jeweils eine Emitter-Leiterbahn (4), eine Basis-Leiterbahn (5) und eine Kollektor-Leiterbahn (1) wenigstens teilweise gemeinsam miteinander haben, wobei in mindestens eine der Leiterbahnen (4, 5, 1) ein Schlitz

(12)

eingebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitz

(12)

verzweigt ist."

Im geltenden Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist der kennzeichnende Teil dahingehend umformuliert, dass in der Emitter-Leiterbahn mehrere verzweigt gestaltete Schlitze vorgesehen sind. Der kennzeichnende Teil dieses Anspruchs lautet somit:

" ... , dadurch gekennzeichnet, dass in der Emitter-Leiterbahn mehrere Schlitze (12) vorgesehen sind, die verzweigt gestaltet sind."

Der kennzeichnende Teil des geltenden Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 lehrt demgegenüber, in der Emitter-Leiterbahn zwei Schlitze vorzusehen, die verzweigt und ausgehend von zwei gegenüberliegenden Seiten der Emitter-Leiterbahn symmetrisch zueinander gestaltet sind. Der kennzeichende Teil dieses Anspruchs lautet:

" ... , dadurch gekennzeichnet, dass in der Emitter-Leiterbahn zwei Schlitze (12) vorgesehen sind, die verzweigt und ausgehend von zwei gegenüberliegenden Seiten der Emitter-Leiterbahn symmetrisch zueinander gestaltet sind."

Bezüglich der jeweiligen Unteransprüche nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 wird ebenso wie hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf das Streitpatent bzw. den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 maßgeblichen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn -wie im vorliegenden Fall -die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist zwar zum 1.

Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder an das Patentamt zurückverlagert wurde. Dennoch bleibt das Bundespatentgericht für die durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren auch nach dem 30. Juni 2006 zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der in allen gerichtlichen Verfahren geltende Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit bestehen bleibt.

Diese Rechtsauffassung zur fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatentgerichts wurde durch den Bundesgerichtshof bestätigt , vgl. BGH GRUR 2009, 184, Leitsatz -"Ventilsteuerung" m. w. N.

2.

Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese vom Patentamt und Patentgericht in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 56 und 160.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die Einsprechende hat die Tatsachen, die den von ihr behaupteten Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit belegen sollen, entsprechend § 59 Abs 1 Satz 4 PatG im Einzelnen angegeben, indem sie die im erteilten Patentanspruch 1 gegebene Lehre in einen konkreten Bezug zu dem Stand der Technik gemäß den von ihr genannten Druckschriften gesetzt hat.

3.

Das Patent betrifft ein Leistungshalbleiter-Modul aus einer Vielzahl von parallel zueinander geschalteten IGBT (Isolated Gate Bipolar Transistor) -Chips.

Module mit parallel geschalteten IGBT-Chips werden zur Steuerung und zum Anund Abschalten hoher Ströme verwendet. Dabei wird der Strom zwischen Emitter und Kollektor des jeweiligen Transistors durch die Ansteuerung der Gate-Elektrode einund ausgeschaltet und gesteuert. Die Parallelschaltung mehrerer IGBT -Chips in einem solchen Modul erlaubt es, hohe Werte für die Stromtragfähigkeit zu erreichen.

In einem solchen Modul bilden die parallel geschalteten Halbleiterbauelemente und deren periphere Beschaltung ein zu Schwingungen anregbares System aus Kapazitäten und Induktivitäten. Die steile Schaltflanke beim Abschalten des Stroms, d. h. der hohe Wert für die Stromänderung di/dt bewirkt, dass in den parasitären Induktivitäten der Schaltung eine entsprechende Induktionsspannung induziert wird, die ihrerseits zu einer entsprechenden Umund Aufladung der Kapazitäten, insbesondere der der parallel geschalteten Halbleiterbauelemente führt, in deren Volumen unmittelbar nach dem Abschaltvorgang noch eine hohe Zahl von freien Ladungsträgern vorhanden ist. Die anschließende Entladung der Kapazitäten führt zum erneuten Induzieren einer Spannung in den Induktivitäten, die wiederum eine Aufladung der Kapazitäten nach sich zieht. Im Ergebnis überlagern sich dem Abklingschweif des Abschaltstroms hochfrequente Schwingungen im Bereich von mehreren hundert Megahertz.

Diese Schwingungen werden als hochfrequentes elektromagnetisches Störsignal in die Umgebung abgestrahlt, das Fehler bei der Ansteuerung der IGBT's verursachen kann. Zudem können die Ladungsverschiebungen und Kapazitätsänderungen in den IGBT's der Parallelschaltung zur Aufsteuerung der Gates einzelner IGBT's der Parallelschaltung führen, so dass es zu einer inhomogenen Stromverteilung und damit zu einer Überlastung einzelner IGBT-Chips sowie zu einem Hinund Herkommutieren des Stroms zwischen den parallel geschalteten IGBT's des Moduls kommen kann.

Dem Streitpatent liegt somit als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen Leistungshalbleiter-Modul aus einer Vielzahl von parallel zueinander geschalteten IGBT-Chips zu schaffen, bei dem ein partielles Hinund Herkommutieren des Laststromes zwischen parallel geschalteten IGBT-Chips vermieden wird, um so den Mechanismus der Mitkopplung zu unterdrücken, eine Gefährdung einzelner IGBT-Chips wegen Überbelastung zu vermeiden und EMV-Verträglichkeit des Moduls zu gewährleisten, vgl. das Streitpatent, Abschnitt [0012].

Gemäß dem mit dem Hauptantrag verteidigten erteilten Anspruch 1 wird diese Aufgabe durch ein Leistungshalbleiter-Modul aus einer Vielzahl von parallel zueinander geschalteten IGBT-Chips gelöst, die jeweils eine Emitter-Leiterbahn, eine Basis-Leiterbahn und eine Kollektor-Leiterbahn wenigstens teilweise gemeinsam miteinander haben, wobei in mindestens eine der Leiterbahnen ein Schlitz eingebracht ist, der verzweigt ist.

Durch die Verzweigung der Leiterbahnen wird eine Streuinduktivität in eine den parallel geschalteten IGBT's jeweils gemeinsame Leiterbahn eingebaut, womit die Induktivität so verändert wird, dass das Anregen der genannten Schwingungen verhindert bzw. verringert wird, vgl. in der Streitpatentschrift die Abschnitte [0025], [0029] und [0030].

Gemäß dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sind hierzu mehrere verzweigte Schlitze in der Emitter-Leiterbahn vorgesehen.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lehrt, zwei Schlitze in der Emitter-Leiterbahn vorzusehen, die verzweigt und ausgehend von zwei gegenüberliegenden Seiten der Emitter-Leiterbahn symmetrisch zueinander gestaltet sind.

4. Der Einspruch führt zum Widerruf des Patents. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweisen sich die Leistungshalbleiter-Module nach den Ansprüchen 1 nach Hauptund nach Hilfsantrag 1 als nicht patentfähig. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 erweist sich nach dem weiteren Ergebnis der mündlichen Verhandlung hingegen als nicht zulässig, da die in ihm beanspruchte Lehre in dem Patent nicht als erfindungswesentlich offenbart ist.

Die Prüfung der Zulässigkeit der Ansprüche nach dem Hauptund dem Hilfsantrag 1 kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121, II.1. -"Elastische Bandage".

Als Fachmann ist hier ein mit der Entwicklung von Leistungshalbleiter-Modulen befasster Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, jeweils mit Hochschulabschluss, anzusehen, der über einige Jahre Berufserfahrung auf diesem Gebiet und entsprechende praktische und theoretische Kenntnisse über die Auslegung solcher Module verfügt.

5. Die Druckschrift D1 offenbart in Übereinstimmung mit der im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag und der im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gegebenen Lehre ein Leistungshalbleiter-Modul aus einer Mehrzahl von parallel zueinander geschalteten IGBT-Chips (parallel geschaltete IGBT-Chips 7 / S. 7, Zeile 4 i. V. m. Fig. 2, Fig. 3a-3e; Auf einer Isolierkeramik sind (...) fünf Leistungshalbleiterbauelemente in Form ihrer Chips parallel auf engstem Raum löttechnisch positioniert / S. 7, Abs. 4 i. V. m. Fig. 5), die eine Emitterleiterbahn (Emitteranschluss 9 der Kupferfläche / S. 7, Abs. 1, Zeile 2 i. V. m. Fig. 2 und Fig. 3a-3e; Teilfläche für die Kontaktierung der Emitteranschlüsse 9 / S. 7, Abs. 4, Zeilen 3 und 4 i. V. m. Fig. 5), eine Kollektorleiterbahn (Kupferfläche des Kollektorgebietes 6 / S. 7, Zeile 7 i. V. m. Fig. 2 und Fig. 3a-3e; Teilfläche für die Kontaktierung der Kollektoranschlüsse 6 / S. 7, Abs. 4, zweiter Satz i. V. m. Fig. 5) und eine Basisleiterbahn (oberes Kupferfeld 8) aufweisen.

Dabei haben die parallel geschalteten Chips (7) wenigstens einen Teil dieser Bahnen miteinander gemeinsam (Auf dem mittleren Feld (6) sind zwei IGBT-Chips (...) gelötet, dabei stellt die Lötverbindung gleichzeitig die Kollektorkontaktierung für die äußeren Anschlüsse dar. Die Emitterkontakte der Chips werden mittels Bonddrähte mit dem unten dargestellten Kupferfeld (9) verbunden / S. 5, 2. Abs.

i. V. m. Fig. 2, Fig. 3a-3e und Fig. 5).

In weiterer Übereinstimmung mit der im Oberbegriff der Ansprüche 1 nach Hauptund nach Hilfsantrag 1 gegebenen Lehre offenbart die Druckschrift D1, dass in mindestens eine dieser Leiterbahnen Schlitze eingebracht sind, durch die die Stromwege für die Kollektoroder Emitterströme auf der entsprechenden Leiterbahn verlängert und damit die parasitären Induktivitäten der Leiterbahnen so vergrößert werden, dass eine Schwingungsfreiheit der Anordnung mit den parallel geschalteten IGBT-Chips erreicht wird (Leistungshalbleiterschaltungsanordnung mit Halbleiterbauelementen in Form von IGBT-Leistungsschaltern mit Parallelschaltung (...), dadurch gekennzeichnet, dass die Schwingungsfreiheit der Aufbauten aller parallel geschalteten Chips der IGBT-Leistungsschalter durch (...) Vergrößerung der parasitären Induktivitäten in Form (einer) Verlängerung der Stromwege für die Kollektoroder Emitterströme auf den Kupferflächen der Aufbauseite (...) hergestellt wird, wobei die Verlängerung der Stromwege der Emitterströme in der für die Emitteranschlüsse vorgesehenen Kupferfläche (...) durch isolierende Stege zwischen den emitterseitigen Verbindungsstellen auf der Kupferfläche von jeweils zwei benachbart gebondeten Chips (...) vorgenommen wird / Patentansprüche 1 und 5 i. V. m. Fig. 3c).

Bei der im vorangehend zitierten Patentanspruch 1 der Druckschrift D1 genannten Schwingungsfreiheit geht es wie beim Leistungshalbleitermodul nach dem Streitpatent darum, die in der Abschaltphase der parallel geschalteten IGBT's des Leistungshalbleitermoduls auftretenden, durch die Wechselwirkung von parasitären Kapazitäten und Induktivitäten verursachten Schwingungen in der sogenannten Tailstromphase im 500-bis 600-MHz-Bereich durch gezielte Veränderung der parasitären Induktivitäten zu verhindern, vgl. in der Druckschrift D1 S. 2, vorle. und le. Abs., S. 3, Abs. 1 und vorle. und le. Abs. sowie S. 4, le. Abs. bis S. 5, Abs. 1.

Unter den hierzu gemäß der Lehre des Patentanspruchs 1 der Druckschrift D1 in der Emitterbzw. Kollektor-Leiterbahn vorgesehenen, der Verlängerung der Stromwege dienenden "isolierenden Stegen" sind dabei nicht nur die in Fig. 3c und 3d als Ausführungsbeispiel gezeigten gerade verlaufenden Schlitze zu verstehen. In der Erläuterung der beiden in diesen Figuren gezeigten Ausführungsbeispiele vermittelt die Druckschrift D1 dem Fachmann nämlich hinsichtlich der Ausgestaltung der Emitterund Kollektor-Leiterbahnen die allgemeine Lehre, zur Verlängerung des Stromweges die Leiterbahn des Emitteranschlusses zu "zergliedern" bzw. die Kupferfläche des Kollektorgebietes "aufzugliedern" (Gleichzeitig ist hier eine wegverlängernde Zergliederung des äußeren Emitteranschlusses des Kupferfläche (9) (...) vorgenommen worden, wodurch die parasitäre Induktivität zwischen den parallel geschalteten IGBT-Chips (7) vergrößert wird /

S. 7, Abs. 1, zweiter Satz; In ähnlicher Weise kann (...) durch eine Aufgliederung der Kupferfläche des Kollektorgebietes (6) eine Vergrößerung der Kollektorinduktivität vorgenommen werden / S. 7, Abs. 2, erster Satz). Dabei versteht der Fachmann unter einer "zergliederten" bzw. "aufgegliederten" Fläche insbesondere eine unregelmäßig zerteilte, also eine mit verzweigten Schlitzen versehene Fläche, mit der eine besonders große Verlängerung des Stromweges auf kleiner Fläche erreicht wird.

Damit entnimmt der Fachmann der Druckschrift D1 ein Leistungshalbleiter-Modul gemäß der Lehre des Anspruchs 1 nach Hauptantrag. Das Leistungsmodul nach dem erteilten Anspruch 1 ist somit nicht neu.

Mit diesem Anspruch hat das Patent damit keinen Bestand.

6. Auch das Leistungsmodul nach dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist nicht neu.

Gemäß dem oben bereits zitierten Patentanspruch 5 und dem ebenfalls bereits zitierten Text auf S. 7, Abs. 1 der Druckschrift D1 sind zur Verlängerung der Stromwege in der Emitterleiterbahn (mehrere) "isolierende Stege" vorgesehen, die die Kupferfläche des Emitteranschlusses "zergliedern". Damit entnimmt der Fachmann der Druckschrift D1 auch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gegebene Lehre, in der Emitter-Leiterbahn mehrere verzweigt gestaltete Schlitze vorzusehen.

Auch mit diesem Anspruch hat das Patent somit keinen Bestand.

7. Die im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 gegebene Lehre, in der Emitter-Leiterbahn zwei Schlitze vorzusehen, die ausgehend von zwei gegenüberliegenden Seiten der Emitter-Leiterbahn symmetrisch zueinander gestaltet sind, ist in der Patentschrift nicht als erfindungswesentlich offenbart.

Die Patentinhaberin hat zur Offenbarung des entsprechenden Teilmerkmals auf die Fig. 3 der Patentschrift verwiesen. Diese zeigt, dass die Emitter-Leiterbahn von mehreren verzweigten Schlitzen durchzogen ist, von denen zwei im unteren Teil der Leiterbahn vorgesehene, mit dem Bezugszeichen "12" versehene Schlitze als symmetrisch zueinander gestaltet angesehen werden können.

Im zugehörigen Beschreibungstext in der Patentschrift ist eine derartige spezielle Ausbildung der Schlitze jedoch mit keinem Wort erwähnt, denn in den Erläuterungen zur Fig. 3 im Abschnitt [0028] heißt es lediglich: "Die Schlitze selbst sind nun erfindungsgemäß verzweigt. Fig. 3 zeigt eine Draufsicht auf einen solchen Leistungshalbleiter-Modul mit einer Leiterbahn für einen Emitterbereich 4, in welcher sich verzweigte Schlitze 12 befinden." Dieser Textstelle zufolge kommt es bei der Erfindung somit lediglich darauf an, dass die Schlitze verzweigt sind. Dass darüber hinaus auch eine symmetrische Gestaltung der Schlitze von Bedeutung sein soll, kann der Fachmann jedoch weder der Beschreibung zur Fig. 3 entnehmen noch ergibt sich dies für ihn aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift, zumal die im oberen Teil der in der Figur dargestellten Leiterbahn vorgesehenen Schlitze unsymmetrisch ausgebildet sind.

Der Fachmann hatte somit bei der Lektüre der Patentschrift keinerlei Anlass, der in der Figur gezeigten Gestaltung der unteren Schlitze über deren Ausgestaltung als verzweigte Schlitze hinaus eine besondere Beachtung zu schenken. Damit ist die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 gegebene Lehre für den Fachmann in der Patentschrift nicht als erfindungswesentlich offenbart bzw. entnehmbar, vgl. Schulte PatG, 8. Aufl., § 34, Rdn. 316, 317, 322 und 325.

Auch mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 hat das Patent somit keinen Bestand.

8.

Die Unteransprüche nach dem Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 und 2 fallen wegen der Antragsbindung mit dem jeweiligen Patentanspruch 1, vgl. BGH GRUR 2007, 862, Leitsatz, 863, Tz 18 -"Informationsübermittlungsverfahren II".

9.

Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.

Dr. Tauchert Dr. Hock Brandt Maile Me






BPatG:
Beschluss v. 10.03.2009
Az: 23 W (pat) 335/05


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