Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 24. September 1998
Aktenzeichen: 4 U 152/98

(OLG Hamm: Urteil v. 24.09.1998, Az.: 4 U 152/98)

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 8. Mai 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bie-lefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Antragsteller ist behördlich zugelassener Buchmacher für Pferdewetten in C. Die Antragsgegnerin zu 1. ist ein Sportwettunternehmen. Sie wurde auf der Grundlage der Verordnung vom 25.01.1990 über die Gründung und Tätigkeit von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in der DDR vom Rat des Bezirks H, Mitglied des Rates für Finanzen und Preise, am 04.05.1990 genehmigt. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt H vom 14.09.1990 erhielt sie die Gewerbeerlaubnis. Die Antragsgenerinnen zu 2. und 3. sind private Fernsehunternehmen.

Der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin zu 1. veranstalte öffentlich Sportwetten aller Art, wie für Fußballspiele, Eishockey, Handball, Tennis, Boxen, Formel 1, Motorrad, Ski-Alpin, Skispringen, Golf- und Pferdewetten, wobei sie Einzelwetten, Kombiwetten, Langzeitwetten und Spezialwette anbiete. Eine Teilnahme an den Wettspielen der Antragsgegnerin zu 1. sei von jedem Ort der Bundesrepublik aus möglich. Insbesondere biete sie im Internet die Zusendung von Wettunterlagen an jede beliebige Person weltweit an.

Zur Bewerbung ihrer Sportwetten bediene sich die Antragsgegnerin zu 1. der Internetseiten der Antragsgegnerinnen zu 2. und 3.

Der Antragsteller ist der Ansicht, daß die Antragsgegnerin zu 1. unzulässig ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB veranstalte. Die Gewerbeerlaubnis der Stadt H entfalte allenfalls Wirkung auf dem Gebiet der neuen Bundesländer. Keinesfalls aber ersetze sie die nach dem Sportwettengesetz in Nordrhein-Westfalen erforderliche Genehmigung. Die Bewerbung solcher verbotener Sportwetten brauche er unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht hinzunehmen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 8. Mai 1998 das Verfügungsbegehren des Antragstellers auf Untersagung der beanstandeten Werbung als unbegründet zurückgewiesen.

Wegen des Inhaltes des Urteils im einzelnen wird auf

Bl. 191 ff. d.A. verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages beantragt der Antragsteller,

in Abänderung des angefochtenen Urteils im Wege der einstweiligen Verfügung wie folgt zu erkennen:

1.

Der Antragsgegnerin zu 1. wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, festzusetzender Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin, für den Abschluß von Sportwetten, bei denen sich nach dem zugrundeliegenden Spielplan die Gewinnausschüttung an den Ergebnissen von Sportveranstaltungen orientiert, die nach Abschluß des Spielvertrages stattfinden, zu werben, soweit nicht eine zuständige Behörde der nicht genannten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland der Antragsgegnerin zu 1. eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten auf ihrem Gebiet erteilt hat.

2.

Den Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 500.000,00 DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, festzusetzender Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin, für die Antragsgegnerin zu 1. für den Abschluß von Sportwetten, bei denen sich nach dem zugrundeliegenden Spielplan die Gewinnausschüttung an den Ergebnissen von Sportveranstaltungen orientiert, die nach Abschluß des Spielvertrages stattfinden, zu werben, soweit nicht eine zuständige Behörde eines der nicht aufgeführten Bundesländer der Antragsgegnerin zu 1. eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten in ihrem Bundesland erteilt hat.

Die Antragsgegner beantragen,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages sind die Antragsgegner der Ansicht, daß zwischen den Parteien bereits kein Wettbewerbsverhältnis bestehe, weil es an einer Überschneidung der Wettangebote fehle. Denn der Antragsteller veranstalte ausschließlich Pferdewetten, während die Antragsgegnerin zu 1. zwar Sportwetten aller Art anbiete, allerdings keine Pferdewetten.

In der Sache deckten die erteilten Erlaubnisse der Stadt H das Wettangebot der Antragsgegnerin zu 1. ab. Damit dürften die Antragsgegner für den Abschluß von Sportwetten durch die Antragsgegnerin zu 1. auch im gesamten Bundesgebiet werben. Sei nämlich die staatliche Genehmigung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde erteilt, so seien die aufgrund einer genehmigten Lotterie abgeschlossenen Verträge gem. § 763 S. 1 BGB in der ganzen Bundesrepublik Deutschland verbindlich. Abgesehen davon habe sich die Antragsgegnerin zu 1. durch ihr Verhalten auch generell keinen Vorsprung durch Rechtsbruch verschafft, was aber Voraussetzung für einen Verbotsanspruch des Antragstellers sei. Denn es würden keine gesetzlichen Wettvorschriften gegenüber anderen gesetzestreuen Mitbewerbern mißachtet.

Wegen des Inhalts der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Antragstellers ist unbegründet.

Zugunsten des Antragstellers ist zwar davon auszugehen, daß für das Verbotsbegehren ein Verfügungsgrund gegeben ist. Denn die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG kann nicht als widerlegt angesehen werden. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers hat dieser erst nach dem 1. April 1998 von der beanstandeten Werbung erfahren. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat muß zugunsten des Antragstellers ebenfalls davon ausgegangen werden, daß die im vorliegenden Verfahren überreichten Unterlagen über die Antragsgegnerin zu 1. zunächst nicht dem Antragsteller, sondern dessen späteren Verfahrenbevollmächtigten zugegangen sind, und zwar noch bevor er vom Antragsteller mandatiert worden ist.

Es fehlt vorliegend auch dann nicht an der Klagebefugnis des Antragstellers nach § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG, wenn die Antragsgegnerin zu 1. selbst keine Pferdewetten anbieten sollte. Für diese Klagebefugnis ist Voraussetzung, daß die Parteien gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Von einem solchen für die Klagebefugnis ausreichenden abstrakten Wettbewerbsverhältnis ist hier auszugehen. Denn der Sportwettenmarkt kann nicht in die einzelnen Sportarten unterteilt werden. Die verschiedenen Sportwetten sind vielmehr als austauschbar anzusehen, so daß sie als gewerbliche Leistungen gleicher Art im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG gewertet werden müssen. Die Möglichkeit einer beiderseitigen Absatzbehinderung darf zwar nicht bloß theoretisch denkbar sein. Es reicht aber aus, wenn sie praktisch wahrscheinlich und wirtschaftlich nicht gänzlich unbedeutend ist (Köhler/Piper, UWG, § 13 Rdnr. 12 am Ende m.w.N.). Das ist bei einer gewissen Fluktuation unter den Wettern der Fall. Solche marktmäßigen Berührungspunkte reichen für die Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG aber aus.

Es fehlt aber am Verfügungsanspruch. Der Antragsteller kann sich für sein Verbotsbegehren, mit dem er eine Bewerbung der Wettangebote der Antragsgegnerin zu 1. außerhalb der neuen Bundesländer unterbinden will, nur auf § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch stützen. Dabei kann der Rechtsbruch der Antragsgegnerin zu 1. hier nur darin bestehen, daß sie ihr Wettunternehmen ohne die dafür erforderlichen Genehmigungen betreibt.

Die Antragsgegnerin stützt sich in diesem Zusammenhang auf die ihr von der Stadt H erteilten Genehmigungen. Ob diese Genehmigungen ausreichen, um das Wettunternehmen der Antragsgegnerin zu 1. als erlaubt ansehen zu können, kann hier aber dahingestellt bleiben. Unerheblich ist ebenfalls, ob dann, wenn von der Wirksamkeit der Genehmigungen auszugehen ist, diese sich dann auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstrecken. Diese öffentlichrechtlich zu beurteilenden Fragen nach Bestandskraft und Reichweite erteilter Wetterlaubnisse spielen im Rahmen der hier allein zu entscheidenden Frage nach der Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbung für die angebotenen Sportwetten nicht die ausschlaggebende Rolle.

Denn ein Verstoß gegen öffentlichrechtliche Erlaubnisvorschriften beinhaltet nur dann zugleich auch ohne weiteres einen Wettbewerbsverstoß, wenn diese Erlaubnisvorschriften, die den Zugang zu bestimmten Berufen oder Tätigkeiten regeln, dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen (Köhler/Piper, UWG, § 1 Rz. 323, 332 f.).

Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Denn die Sportwetten, die die Antragsgegnerin zu 1. hier anbietet, sind nicht generell verboten. Bei Glücksspielen, die von vornherein keiner Erlaubnis fähig sind, mag der Schutz der Bevölkerung vor der Ausnutzung der Spielleidenschaft dergestalt absolut sein, daß die Veranstaltung solcher Glücksspiele und damit zugleich auch deren Bewerbung ohne weiteres auch wettbewerbswidrig sind.

Wenn Sportwetten aber unter bloßen Genehmigungsvorbehalt gestellt werden, geht es nicht mehr in erster Linie darum, die Spielleidenschaft zu zügeln. Denn die Spielleidenschaft wird durch genehmigte Sportwetten in gleicher Weise gefördert wie durch ungenehmigte. Im Vordergrund steht vielmehr die Kontrollmöglichkeit des Staates. Es soll verhindert werden, daß Wettveranstaltungen ungeregelt ins Kraut schießen und der Wettbetrieb ins Zwielicht gerät. Wenn sich die Spielleidenschaft schon nicht unterbinden läßt, so soll der Spielbetrieb doch von Staats wegen unter Kontrolle gehalten werden.

Solche bloßen Kontrollzwecke reichen aber in der Regel nicht aus, um die besondere Werthaltigkeit einer Erlaubnisnorm zu begründen. So ist etwa auch im Handwerksrecht anerkannt, daß es sich bei den Zulassungsregeln für Handwerksberufe lediglich um wertneutrale Ordnungsvorschriften handelt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage, § 1 UWG Rz. 632). Daß die Zulassungsregeln für Sportwetten höher anzusiedeln sind, erscheint wenig plausibel.

Handelt es sich aber bei diesen Zulassungsregeln um wertneutrale Ordnungsvorschriften, reicht der bloße Verstoß gegen die Zulassungsregeln als solcher nicht aus, um damit zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG zu begründen (BGH GRUR 1973, 146 - Flughafen-Zubringerdienst; OLG Köln MDR 1994, 790; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rz. 649; Handbuch des Wettbewerbsrechts/Jakobs/Hasselblatt, § 47 Rz. 31). Denn § 1 UWG schützt den einzelnen Wettbewerber nicht vor unliebsamer Konkurrenz. Erforderlich ist vielmehr, daß der Konkurrent gerade durch die Nichtbeachtung der Zulassungsregel einen Vorteil im Wettbewerb gegenüber den Mitbewerbern erzielt, die sich an die Zulassungsregel und die damit verbundenen Erschwernisse halten. Verhält sich der neu hinzukommende Mitbewerber, abgesehen von der Nichtbeachtung der Zulassungsregel, so wie die anderen Mitbewerber auch, dann beachtet er also im übrigen die Regelungen des lauteren Wettbewerbs, dann begründet allein die Mißachtung der Zulassungsregel noch keinen Wettbewerbsverstoß. Die Mitbewerber können sich nicht als Gewerbepolizei aufspielen. Die Überwachung nur des bloßen gesetzeskonformen Marktzutritts obliegt allein den zuständigen Behörden.

Der gesetzwidrig verschaffte Wettbewerbszutritt verdichtet sich erst dann zu einem im Rahmen des § 1 UWG relevanten wettbewerbswidrigen Wettbewerbsvorteil, wenn er das Wettbewerbsverhalten im Vergleich zu Mitbewerbern nicht nur erst ermöglicht, sondern auch erleichtert und begünstigt.

Solche für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes erforderlichen Wettbewerbsvorteile der Antragsgegnerin zu 1. durch eine möglicherweise unzureichende öffentlichrechtliche Erlaubnis für ihr Wettunternehmen sind aber nicht ersichtlich. Die Wettbewerbssituation der Antragsgegnerin zu 1. unterscheidet sich auch nach dem Vortrag des Antragstellers nicht von der anderer Wettunternehmen.

Auch nach entsprechender Erörterung im Senatstermin hat der Antragsteller nicht darlegen können, welchen Wettbewerbsvorteil sich die Antragstellerin zu 1. dadurch verschafft hat, daß sie sich nicht um die nach Ansicht des Antragstellers erforderlichen Erlaubnisse für ihr Wettunternehmen bemüht hat. Die Höhe der Kosten für die Ausgestaltung und Durchführung des Wettunternehmens nebst der Bewerbung seiner Leistungen ist unabhängig davon, ob wegen der Genehmigung nachgesucht worden ist oder nicht. auch im übrigen ist nicht ersichtlich, daß die Antragstellerin zu 1. durch eine fehlende Genehmigung in der Ausgestaltung ihrer Wettangebote freier gestellt ist, als solche Unternehmen, die ordnungsgemäß wegen einer Erlaubnis nachgesucht haben.

Mangels eines glaubhaft gemachten Wettbewerbsverstoßes der Antragsgegnerin zu 1. scheidet ein Verfügungsanspruch gegenüber den Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. von vornherein aus, da sie lediglich als Teilnehmerinnen eines Wettbewerbsverstoßes der Antragsgegnerin zu 1. in Anspruch genommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 24.09.1998
Az: 4 U 152/98


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