Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 24. Juni 2008
Aktenzeichen: 4 U 43/08

(OLG Hamm: Urteil v. 24.06.2008, Az.: 4 U 43/08)

Tenor

Die Beklagte zu verurteilen:

1. dem Kläger Auskunft zu erteilen über die am 29.06.2007 in Deutschland generierten Werbeerlöse des TV-Senders X2 und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;

2. ihm Auskunft zu erteilen über die in Deutschland im Juni 2007 an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) generierten Werbeerlöse und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen; und

3. ihm Auskunft zu erteilen über die entsprechenden Vergleichszahlen aus dem Monat Juni der Jahre 2005 und 2006.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger befand sich am 05.06.2003 gemeinsam mit Herrn N an Bord eines Sportflugzeuges und dokumentierte von dort aus mit seiner Kamera dessen tödlichen Fallschirmabsturz. Die Beklagte erwarb dieses Video von der X3 AG & Co. KG und sendete es am 29.06.2007 über den von ihr betriebenen Nachrichtensender. Der Kläger nahm die Beklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage unter Hinweis darauf, Urheber des von der Bildzeitung in der Ausgabe 149/26 vom 29.06.2007 so bezeichneten "N-Todes-Video" zu sein, auf Unterlassung der Veröffentlichung des Filmes in Anspruch. Mit Schreiben vom 21.08.2007 forderte er von ihr überdies die Erteilung der hier fraglichen Auskünfte.

Der Kläger nimmt die Beklagte nunmehr gerichtlich auf Auskunft über die durch die Ausstrahlung des Filmes am 29.06.2007 generierten Werbeerlöse in Anspruch. Er hat die Auffassung vertreten, allein durch Erteilung von Auskünften über die Anzahl und die Zeitpunkte der am 29.06.2007 erfolgten Sendungen des Videomaterials sowie über die an diesem Tage in Deutschland generierten Werbeerlöse des TV-Senders X2 sei es ihm möglich, die ihm durch § 97 UrhG eröffnete Wahlmöglichkeit zwischen den drei einzelnen Berechnungsarten seines Schadens (konkrete Schadensberechnung einschließlich des entgangenen Gewinns, entgangene Lizenzgebühr, Herausgabe des Verletzergewinns) effektiv auszuüben und die für ihn günstigste Berechnungsart zu wählen. Die Beklagte habe sich der klägerischen Laufbilder bedient, um ihren Pflichten aus den mit ihren Werbekunden abgeschlossenen TV-Werbeverträgen nachzukommen. Die Sendung des klägerischen Videomaterials sei zumindest teilweise für die am 29.06.2007 generierten Werbeerlöse kausal geworden.

Nach Auskunftserteilung in der Klageerwiderung über die Anzahl der Ausstrahlungen und die Sendezeiten (Schriftsatz vom 24.10.2007, Bl. 32 d.A.) haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages zu 1) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat alsdann beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. ihm Auskunft zu erteilen über die am 29.06.2007 in Deutschland generierten Werbeerlöse des TV-Senders X2 und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;

2. ihm Auskunft zu erteilen über die in Deutschland im Juni 2007 an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) generierten Werbeerlöse und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;

3. ihm Auskunft zu erteilen über die entsprechenden Vergleichszahlen aus dem Monat Juni der Jahre 2005 und 2006.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, zur Erteilung der vom Kläger begehrten Auskünfte mangels einer Kausalverknüpfung der am 29.06.2007 von ihr erwirtschafteten Werbeerlöse und der behaupteten Rechtsverletzung durch die Ausstrahlung von Bildmaterial des Klägers in ihren Nachrichtensendungen nicht verpflichtet zu sein, da die Werbeschaltungen für die ausgestrahlten Nachrichtensendungen ohne Kenntnis von deren künftigen tagesaktuellen Inhalten regelmäßig bereits Monate vor dem eigentlichen Sendetermin von den Werbekunden gebucht würden. Bezogen auf die mit der Klageerwiderung erteilten Auskünfte habe sie im Übrigen keinen Anlass zur Klage gegeben, da der Kläger seine Urheberschaft vorprozessual nicht hinreichend belegt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe aus § 97 UrhG kein Auskunftsanspruch hinsichtlich der von der Beklagten am 29.06.2007 erzielten Werbeerlöse zu. Die Ausstrahlung des sog. "N-Videos" am 29.06.2007 sei für die von der Beklagten an diesem Tag erzielten Werbeerlöse nicht kausal geworden. Der Kläger wolle mit seinem Auskunftsverlangen die Grundlage für seine Entscheidung darüber, welchen Anspruch (entgangenen Gewinn, Lizenzanalogie oder Abschöpfung des Verletzergewinns) er gegenüber der Beklagten verfolgen wolle, schaffen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Auskunft über die erzielten Werbeerlöse sei allerdings, dass es tatsächlich kausal auf der Verletzung der Urheberrechte des Klägers beruhende Gewinne der Beklagten gebe. Dies sei nicht der Fall. Für den erforderlichen Kausalzusammenhang reiche nicht aus, dass die Werbekunden der Beklagten generell ein bestimmtes redaktionelles Umfeld mit einer bestimmten Publikumswirksamkeit erwarteten. Vielmehr müssten sich die Werbeerlöse der Beklagten gerade auf die Veröffentlichung des sog. "N-Videos" zurückführen lassen. Demgegenüber sei unstreitig, dass die Werbeschaltungen für die ausgestrahlten Nachrichtensendungen der Beklagten ohne Kenntnis von deren künftigen tagesaktuellen Inhalten regelmäßig bereits Monate vor dem eigentlichen Sendetermin von den Werbekunden gebucht würden. Angesichts dessen sei ein Werbemehrerlös durch die Ausstrahlung des streitgegenständlichen Videos auszuschließen, es sei denn, die Beklagte hätte im Hinblick auf die Ausstrahlung des Videos am 29.06.2007 nachträglich von ihren Werbekunden noch einen Zuschlag zu beanspruchen, was indessen nicht einmal der Kläger behaupte. Mangels Auswirkung der Häufigkeit der Ausstrahlung des Videomaterials am 29.06.2007 auf die Werbeerlöse der Beklagten sei auch der Klageantrag zu 1) unbegründet gewesen, so dass der Kläger auch die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits zu tragen habe.

Der Kläger wendet sich hiergegen mit der von ihm eingelegten Berufung und verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge zu 2) bis 4) unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter. Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 1) begehrt er die Kostentragung der Beklagten.

Hinsichtlich der in Rede stehenden Kausalitätsfrage macht er geltend, dass die urheberrechtswidrige Veröffentlichung seiner Laufbilder entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass die unter dem 29.6.2007 erzielten Werbeerlöse wegfielen. Die nötige Kausalität liege in diesem Zusammenhang vor. Die Werbekunden erwarteten nicht nur die Bereitstellung eines werbetauglichen redaktionellen Umfeldes, sondern die Beklagte sei hierzu werkvertraglich auch verpflichtet. So sei es gerade primäres Ziel des redaktionellen Nachrichtenumfeldes der Beklagten, die Aufmerksamkeit von Werbezielgruppen zu gewinnen, um auf diesem Wege Werbekunden zu akquirieren und letztendlich Werbeerlöse zu erzielen. Die Beklagte werbe hierfür gegenüber den Werbekunden mittels einer eigens gegründeten X GmbH, der N2 GmbH, gerade mit der Aktualität und der Publikumswirksamkeit ihres Nachrichtensenders (s. Printout vom 02.04.2008, Bl. 127 d.A.). Aufgrund des Präventionscharakters der Gewinnabschöpfung dürften an das Kausalitätserfordernis keine gänzlich überspannten Anforderungen gestellt werden. Das Kausalitätserfordernis sei daher wertend zu verstehen. Maßgeblich sei allein, ob sich die Beklagte zur Erzielung ihrer TV-Werbeerlöse in unerlaubter Weise des klägerischen Immaterialgutes bedient habe. Insoweit genüge ein mittelbarer Zusammenhang. Um von seinem Wahlrecht zwischen Gewinnentgang, Lizenzanalogie und Gewinnherausgabe Gebrauch machen zu können, bedürfe es der geltend gemachten Auskünfte, weil nur so die Höhe des Schadens ermittelt werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte - wie erkannt - zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Das Landgericht habe, wie sie meint, den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung des Urheberrechts des Klägers und den erzielten Werbeerlösen zu Recht verneint. Die Werbeschaltungen seien bereits mehrere Wochen vor der Ausstrahlung des Videos gebucht worden. Die Werbeschaltungen würden anders als etwa bei einem langfristig angekündigten Spielfilm oder einer Sportübertragung nicht im Hinblick auf den Inhalt der konkreten Sendung gebucht. Von daher sei das klägerische Video zu keinem Zeitpunkt dazu verwendet worden, Werbezeiten zu vermarkten. Es sei deshalb auch keineswegs ursächlich für die durch Werbung erzielten Einkünfte. Überdies habe der Kläger auch keinen Schaden erlitten, da der Kläger das Videomaterial - insoweit unstreitig - nämlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehen gehabt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger kann von dem Beklagten wie tituliert die begehrten Auskünfte verlangen. Er hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz, weil die Beklagte durch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Videos in seine geschützten Rechtspositionen eingegriffen hat. Für die Berechnung des entstandenen Schadens ist er darauf angewiesen, Auskunft über die von der Beklagten erzielten Werbeerlöse zu erhalten. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG, soweit Herausgabe des Verletzergewinns als Anspruchsziel geltend gemacht wird. Überdies beruht er auf § 242 BGB, solange der Kläger von seinem Wahlrecht nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG noch keinen Gebrauch gemacht hat und jedenfalls auch die Berechnung des Schadens anhand einer entgangenen Lizenzgebühr möglich bleibt (vgl. BGH GRUR 1984, 287, 289 - Herstellerbegriff IV; GRUR 1999, 984, 988 - Laras Tochter). Die begehrten Auskünfte über die generierten Werbeerlöse vom 29.06.2007, über die Erlöse aus Juni 2007 und über die Vergleichszahlen aus Juni 2005 und 2006 sind als Berechnungsgrundlage für einen dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruch dabei auch nach Art und Umfang erforderlich.

I.

Die Aktivlegitimation des Klägers ist unstreitig. Seine Urheberschaft an dem fraglichen Video steht, nachdem im Unterlassungsverfahren (LG Bochum 8 O 297/07 = OLG Hamm 4 W 37/08) wie auch hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 1) übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits ausgesprochen wurde, nicht mehr im Streit. Der Kläger, der die Aufnahmen selbst angefertigt und die Rechte hieran nicht weiterlizenziert hat, ist Berechtigter hinsichtlich des hier geltend gemachten Ersatzanspruchs.

II.

Das von der Beklagten verwendete Video ist ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschützter Gegenstand nach §§ 94, 95 UrhG. Die Frage, ob auch ein Filmwerk vorliegt, kann dahingestellt bleiben, da sich die Klägerin nur auf Laufbildschutz beruft.

III.

Die Beklagte hat das Laufbild öffentlich zugänglich gemacht, nämlich im Rahmen ihrer Fernsehsendungen ausgestrahlt, und damit in das dem Kläger zustehende Recht nach §§ 94, 95 UrhG eingegriffen. Urheberrechtliche Schrankenbestimmungen oder Rechtfertigungsgründe, die das Handeln der Beklagten gestatteten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere war das Interesse der Öffentlichkeit, tagesaktuelle Nachrichten mitgeteilt zu erhalten, rund 4 Jahre nach dem Fallschirmabsturz aus 2003, vorliegend nicht mehr berührt.

IV.

Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt, weil sie sich nicht mit gehöriger Sorgfalt danach erkundigt hat, ob die Person, von der sie glaubte, Rechte herzuleiten, selbst im Besitz solcher Verwertungsrechte war. Grundsätzlich werden im Urheberrecht, ebenso wie im Wettbewerbsrecht, an die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt strenge Anforderungen gestellt (BGH GRUR 2002, 248, 252 - Spiegel CD-Rom). Der Handelnde muss alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu überprüfen (Vinck, in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2003, § 81 Rn 37). Fahrlässig ist daher bereits das Nichteinholen näherer Informationen über die Rechtekette, die Grundlage einer Lizenzberechtigung des Verletzers sein soll (Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, § 97 Rn 57). Dass die Beklagte solche Nachprüfungen konkret angestellt hat, wird nicht behauptet. Hinzu kommt vor allem, dass die Ausstrahlung am 29.06.2007 gerade auch nach der Abmahnung von diesem Tage erfolgt ist. Auch wenn in der Abmahnung noch nicht näher vorgetragen war, woraus sich das Urheberrecht des Klägers konkret abgeleitet hat, war die Beklagte, die annehmen musste, dass es sich um das Bildmaterial des Klägers handelte, nunmehr erst recht gefordert, nähere Informationen über die Rechtekette bis hin zum ursprünglichen Urheber einzuholen, zumal angesichts des langen Zeitablaufs auch kein erkennbares Eilbedürfnis für eine sofortige Ausstrahlung bestand. Bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Güter haben sich alle Beteiligten mit der allgemeinüblichen Sorgfalt über Existenz und Umfang urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse zu informieren (vgl. Schricker/Wild, § 97 Rn 53; Dreier/Schulze, § 97 Rn 57; näher hierzu vgl. Parallelsache 4 U 43/08). Dies aber hat die Beklagte verabsäumt. Sie konnte sich gerade auch unter Berücksichtigung der aufgezeigten Gesamtumstände und der bereits vorliegenden Abmahnung "gutgläubig" allein auf ihre Bezugsquelle, nämlich die X3 AG & Co. KG, nicht verlassen (die, wie sich aus dem gegen diese gerichteten Parallelverfahren gemäß dem Senatsurteil vom gleichen Tage ergibt, für die Urheberrechtsverletzung ihrerseits haftet).

V.

1.

Dem Kläger ist auch ein Schaden in Form einer Rechtseinbuße entstanden. Steht fest, dass einerseits das ohne Vergütung genutzte Leistungsergebnis einen Vermögenswert hat, der es zur Lizenzierung geeignet erscheinen lässt, und dass andererseits der Inhaber eines Ausschließungsrechts dessen Benutzung nicht ohne Gegenleistung gestattet haben würde, so indiziert dies eine der nicht geleisteten Vergütung entsprechende Vermögenseinbuße auf Seiten des Rechtsinhabers (BGH GRUR 1995, 349, 351; mit Hinweis auf BGH GRUR 1993, 899, 900 f. - Dia-Duplikate und BGHZ 57, 116, 118 - Wandsteckdose II).

2. Der genaue Umfang und die genaue Höhe der Einbuße kann vom Kläger erst durch Auskunft & #252;ber die von der Beklagten durch Werbebuchungen erzielten Werbeerträge ermittelt werden. Zu Unrecht hat das Landgericht argumentiert, die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Gewinnerzielung fehle, weil die Werbeerlöse jedenfalls keinen Gewinn aus der Nutzung der klägerischen Verwertungsrechte darstellten, da die Werbebuchungen bereits vor der konkreten Werknutzung gebucht waren.

a) Richtig ist, dass in Rechtsprechung und Literatur im Ansatz einhellig darauf hingewiesen wird, dass die Herausgabe des Verletzergewinns im Falle von Verletzungen urhebergesetzlich geschützter Befugnisse nur insoweit verlangt werden kann, als der Gewinn kausal auf der unbefugten Benutzung des geschützten Gutes beruht (vgl. BGH GRUR 1987, 37, 39 f. - Videolizenzvertrag; GRUR 2002, 532, 525 - Unikatrahmen; Dreier/Schulze § 97 Rn 67; Lütje, in: Möhring/Nicolini, § 97 Rdnr. 174; Schricker/Wild, Urheberrechtsgesetz, § 97 Rn 67; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrechtsgesetz, § 97 Rn 64; Vinck, in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 81 Rn 47). Verneint wird die Kausalität, wenn ein Gewinn auch auf anderen Umständen als der Verletzungshandlung beruht (BGH GRUR 1961, 354, 355 - Vitasulfat; Lütje, in Möhring/Nicolini, UrhG, § 97 Rn 174; Vinck, in Loewenheim, Handbuch, § 81 Rn 47). Ebenso soll es an der Kausalität fehlen, wenn die Gewinnerzielung nur zum Teil auf der Nutzung geschützter, zum Teil aber auch auf der Nutzung abhängiger Werke (BGH GRUR 1959, 379, 380 - Gasparone) oder von einem Dritten gehaltener Nutzungsbefugnisse beruht (BGH GRUR 1987, 37, 39 - Videolizenzvertrag). Die genannten Konstellationen haben allerdings - insofern anders - sämtlich den Regelfall zum Ausgangspunkt, dass ein Gewinn auf einer direkten, also typischerweise entgeltlichen Nutzung des betroffenen Schutzgutes selbst beruht. Daran fehlt es vorliegend.

b) Hieran fehlt es geradezu typischerweise in Fällen, in denen ein Erlösmodell nicht auf einer Direktvermarktung von Inhalten beruht (wie z.B. beim Pay-TV), sondern darauf, dass die Inhalte auch dem Zweck dienen, Aufmerksamkeit für eine Plattform zu erzeugen und diese Aufmerksamkeit auf kommerzielle Werbung umzulenken. In solchen Fällen, in denen die Inhalte Mittel sind, um eine indirekte Finanzierungsquelle zu erschließen, versagt die im Falle einer Direktnutzung des Werkes übliche Kausalitätsbetrachtung. Käme es auf eine solche Kausalität an, wäre der Fall der Urheberrechtsverletzung im frei empfangbaren Fernsehen oder im frei zugänglichen Teil des Internet für Zwecke der Gewinnherausgabe nicht erfassbar. Daher wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass auch mittelbar aufgrund einer unberechtigten Nutzung von Inhalten erzielte Gewinne zu berücksichtigen sind, soweit diese Gewinne gerade auf die Werbewirkung der rechtswidrigen Nutzung zurückzuführen sind (Lütje in Möhring/Nicolini, § 97 Rn 174 mit Hinweis auf BGH GRUR 1962, 509, 512 - Dia-Rähmchen II; ebenso Schricker/Wild § 97 Rn 67). Dementsprechend kann es bei mittelbarer Medienfinanzierung auch nicht darauf ankommen, wie hoch die Zahlungsbereitschaft der Werbeinteressierten für das tatsächlich benutzte Gut war. Es genügt die Ermittlung der Zahlungsbereitschaft für vergleichbare Inhalte, die aufgrund der vom Kläger erwähnten allgemeinen werkvertraglichen Verpflichtung der Beklagten zur Bereitstellung aktueller Laufbildinhalte vorhanden war.

c) Für diese Deutung spricht auch der Charakter des Gewinnherausgabeanspruchs. In Rechtsprechung und Literatur ist weitgehend unbestritten, dass § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG keinen Fall der konkreten Schadensberechnung betrifft (vgl. Dreier, Kompensation und Prävention, Tübingen 2002, S. 274). Überwiegend wird die Norm stattdessen als Ausdruck einer speziell für Immaterialgüterrechtsverletzungen aufgrund Gewohnheitsrechts anerkannten Methode der erleichterten Schadensberechnung gedeutet (BGH GRUR 1995, 349- 351 - Objektive Schadensberechnung; BGHZ 44, 372, 374 - Messmer-Tee II; BGHZ 20, 345, 353 - Paul Dahlke; ebenso die Deutung im Bürgerlichen Recht: Staudinger/Wittmann, vor §§ 677 Rn 15). Die Gerichte haben hieraus eine Vermutung dergestalt entwickelt, dass "im Regelfall" vom Verletzergewinn auf den Schaden beim Verletzten geschlossen werden könne, denn "nach der Lebenserfahrung (könne) normalerweise davon ausgegangen werden, … dass dem Verletzten entsprechende eigene Geschäfte (und daraus resultierende Gewinnmöglichkeiten) entgangen sind" (BGH GRUR 1995, 349, 351). Diese Überlegungen zeigen, dass es auf den Zeitpunkt der Werbebuchungen gerade nicht ankommt, sondern die Beklagte sich vielmehr an der tatsächlichen Nutzung des geschützten Gegenstandes festhalten lassen muss.

Dem entspricht auch der Zweck der durch die Möglichkeit zur dreifachen Schadensberechnung geschaffenen Erleichterung. Die gewohnheitsrechtliche Ergänzung der allgemeinen Bestimmungen des Schadensersatzrechts entspricht einem praktischen Bedürfnis. Es basiert auf der besonders leichten Verletzlichkeit von Immaterialgüterrechten und den typischerweise vorhandenen Nachweisschwierigkeiten auf Seiten des Verletzten (BGHZ 68, 90, 94 - Kunststoffhohlprofil). Es entspricht ferner der Billigkeitserwägung, dass niemand durch den unerlaubten Eingriff in solche Rechte besser gestellt werden soll, als er im Fall einer ordnungsgemäß nachgesuchten und erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (BGHZ 57, 116, 119 - Wandsteckdose II).

Die vorgenannte Betrachtung trägt auch der sog. Durchsetzungs- oder EG-Enforcement-Richtlinie Rechnung (Richtlinie 2004/48/EG v. 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum, EG-ABl. L 157 v. 30.4.2004, S. 45), die bis zum 29.4.2006 umzusetzen war. Sie ist (verspätet) am 11.4.2008 in das deutsche Recht umgesetzt worden. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) dieser Richtlinie sollen bei der Festsetzung des Schadensersatzes "alle in Frage kommenden Aspekte, wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers" berücksichtigt werden. Die Richtlinienfassung, die dem Grundsatz nach nicht von dem bisherigen Verständnis des § 97 Abs. 1 UrhG abweicht (von Wolff in: Wandtke/Bullinger, § 97 Rn 58) und nunmehr dort kodifiziert ist, zeigt, dass der Schadensberechnung Elemente der Schätzung anhaften, welche nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die potentiellen Vermarktungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Immaterialgüterrechten berücksichtigen.

d) Deswegen greift die Argumentation des Landgerichts zu kurz. Der Kläger wird seinen Schadensersatz erst beziffern können, wenn er den kommerziellen Wert der Nutzung des streitgegenständlichen Videos anhand der erzielten Werbeerlöse für dieses oder auch für vergleichbare Koppelungsprodukte ermessen kann. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Bezifferung eines Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns, sondern auch für die Berechnung einer angemessenen Lizenzgebühr, die der Kläger hätte verlangen können, wenn die Beklagte vorher um Erlaubnis nachgesucht hätte. Dabei ist die Beklagte mit dem Einwand, dass sie das Recht im Falle eines solchen Lizenzverlangens nicht genutzt hätte, ausgeschlossen (BGH GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie). Auch wenn der Kläger anstelle des Gewinns eine angemessene Lizenzgebühr verlangt, kommt es auf den Wert des verletzten Rechts sowie den Umfang der Verletzungshandlung an (Vinck in Loewenheim, Handbuch, § 81 Rn 45). Insbesondere der Wert des verletzten Rechts wird nämlich entscheidend durch Ausmaß und Ertrag aus der möglichen Werbenutzung bestimmt.

Die Beklagte hat durch die Ausstrahlung hier wirtschaftlich relevant eine erhöhte Aufmerksamkeit des Nachrichtenkonsumenten (durch "lebendige Live-Nachrichten", wie es auch im vorgelegten Werbekundeninfo, Bl. 132 d.A., beschrieben wird), eine höhere Publikumswirksamkeit ihres Nachrichtensenders und damit eine höhere Attraktivität für ihre Werbekunden gewonnen. Die nötige Aufmerksamkeit der Konsumenten wird auf das eigene Medium gezogen, um diese so gerade auch auf die bezahlte kommerzielle Werbung umzulenken. Zumindest mittelbar sind höhere Werbeerlöse so letztlich mit auf die Verletzung der klägerischen Ausschließlichkeitsrechte zurückzuführen, ohne dass der Kläger, der das Video ohne entgeltliche Lizensierung nicht abgegeben hätte, hieran partizipieren würde. Die Beklagte kann durch den unerlaubten Eingriff nunmehr nicht besser gestellt werden, als sie im Fall einer ordnungsgemäß nachgesuchten und erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte.

Dabei bleibt unerheblich, dass der Kläger eigentlich eine Vermarktung nicht beabsichtigt hatte. Insoweit kommt es allein auf die allgemeine Vermarktungsfähigkeit des Gutes an. Die ist hier wie bei jedem anderen Bildmaterial auch ohne weiteres gegeben.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 91 a, 709 ZPO.

Die Kosten auch hinsichtlich des übereinstimmend erledigten Klageantrags zu 1) hat nach § 91 a ZPO die Beklagte tragen. Denn diese hatte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO hat der Beklagte gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materieller Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Hier ist es zwar so, dass die Beklagte außergerichtlich noch den Nachweis der Urheberschaft des Klägers eingefordert hatte. Indes war es hier einerseits so, dass der Kläger sich bereits seit der Abmahnung vom 29.06.2007 der Urheberschaft an dem Video berühmt hatte, was ohne weiteres auch den Schluss nahe legte, dass er das Geschehen gefilmt hatte. Vor allem hatte die Beklagte keinesfalls auch signalisiert, dass sie bei weiterem Nachweis der Urheberschaft ganz oder teilweise die geforderten Auskünfte, geltend gemacht durch Schreiben vom 21.08.2007, erteilen würde. Der Kläger konnte im Vorfeld des Prozesses nicht davon ausgehen, dass entsprechend auch geleistet würde. Die Auskünfte waren nicht erteilt. Der musste mithin davon ausgehen, dass es nunmehr auf den Prozess ankommt.

Da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, war die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 24.06.2008
Az: 4 U 43/08


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