Amtsgericht Konstanz:
Beschluss vom 11. April 2007
Aktenzeichen: UR II 30/07

(AG Konstanz: Beschluss v. 11.04.2007, Az.: UR II 30/07)

Auch bei nachträglicher Antragstellung muß der schriftliche Antrag vor der ersten Tätigkeit unterzeichnet sein. Nur so kann eindeutig geklärt werden, dass kein Mandat nach den normalen Gebührensätzen, sondern nach dem BerHG zustande kommt.

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt]

Gründe

Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe wurde zurecht abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, deren Inhalt sich das Gericht vollumfänglich zu eigen macht und die durch die Erinnerungsbegründung nicht in Frage gestellt werden, verwiesen.

In Ergänzung hierzu wird darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe bereits deshalb nicht vorliegen, weil der beauftragte Rechtsanwalt vor Beantragung der Beratungshilfe tätig wurde. Das Gericht hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die nachträgliche Gewährung von Beratungshilfe auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen grundsätzlich nur dann möglich ist, wenn die Antragstellung (nach § 7 BerHG) bereits vor dem Tätigwerden des Rechtsanwalts durch eine Unterschrift des Ratsuchenden nachgewiesen wird.

In diesem Verfahren kann keine Beratungshilfe (BerH) bewilligt werden, da der Beratungshilfeantrag nicht vor Aufnahme der Beratungstätigkeit datiert und unterzeichnet ist. Vielmehr liegen zwischen der ersten anwaltlichen Tätigkeit und der Unterzeichnung ca. 10 Monate. Selbstverständlich kann - wie sich aus § 4 Abs. 2 Satz 4 des Beratungshilfegesetzes ergibt - der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe auch nachträglich gestellt werden, wenn sich der Betroffene unmittelbar an einen Rechtsanwalt wendet. Voraussetzung ist insoweit jedoch, dass der Rechtsanwalt um die Gewährung von Beratungshilfe ersucht wurde und Beratungshilfe gewährt hat, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung ergibt: Wenn sich der Rechtssuchende wegen Beratungshilfe unmittelbar an einen Rechtsanwalt wendet ... Beratungshilfe in diesem Sinne ist nicht etwa gleich zu setzen mit jeglicher beratenden anwaltlichen Tätigkeit, sondern nach der Gesetzessystematik insbesondere wegen des Bestandteils -hilfe im Begriff Beratungshilfe als anwaltliche Tätigkeit zu den wirtschaftlichen Bedingungen des Beratungshilfegesetzes zu verstehen. Das Gericht hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass vor Tätigwerden des Anwalts eindeutig geklärt sein muss, ob Rechtsberatung auf der Grundlage der normalen Gebührensätze der BRAGO / des RVG oder aber Rechtsberatung nach dem Beratungshilfegesetz stattfinden soll, die eine Abrechnung zu den normalen Gebührensätzen ausschließt. Es kann nicht Sinn des Beratungshilfegesetzes sein, dass der Anwalt zunächst einen normalen Anwaltsvertrag zu den üblichen Gebühren schließt und erst im nachhinein, wenn sich herausstellt, dass der Mandant nicht (oder nicht mehr) zahlungsfähig / zahlungswillig ist, versucht, wenigstens einen Teil des Honorars aus Sozialhilfemitteln zu erhalten.

Nachträglich i.S.v. § 4 II S.4 BerHG meint - wie oben geschildert - nur die Einreichung des Antrags. Der nachträgliche Antrag muss jedoch vor der anwaltlichen Tätigkeit datieren und unterzeichnet sein. Dies ist allein schon aus Gründen der Überprüfbarkeit geboten, da andernfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass in den Fällen, in denen d. Bevollmächtigte die Vergütung nach Nr. 2100 ff. VV RVG aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten diese nicht erfolgreich gegen ihn geltend machen kann, ein Antrag über BerH konstruiert wird. Die BerH ist subsidiär und soll keinen Auffangtatbestand dafür bieten, wenn sich der Rechtsuchende und/oder d. Bevollmächtigte(r) erst im Laufe oder nach Abschluss des Mandats Gedanken zur Begleichung der mit dem Mandat verbundenen Kosten macht.

Wendet sich ein Rechtsuchender unmittelbar an eine(n) Bevollmächtigte(n), so haben beide zunächst zu entscheiden, ob das Mandat auf der Basis von BerH geführt werden soll oder nicht Dies setzt voraus, dass sich beide eine Meinung darüber bilden müssen, ob zum Zeitpunkt der Mandatsaufnahme die Voraussetzungen des § 1 BerHG vorliegen oder nicht. Dies setzt im Interesse klarer Rechtsbeziehungen zwischen allen Beteiligten (hierzu zählt auch die Staatskasse) weiter voraus, dass zu diesem Zeitpunkt abgeklärt wird, ob die gewünschte Tätigkeit im Rahmen der BerH stattfindet, oder ob ein Mandatsvertrag über die regulären Gebühren geschlossen werden soll.

Dies bedingt die Aufnahme eines Beratungshilfeantrages zu Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und eine Glaubhaftmachung, dass die finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von BerH zum Zeitpunkt des Mandatsbeginns vorgelegen haben. Die Glaubhaftmachung, dass ein Mandatsverhältnis im Rahmen der BerH geschlossen wurde, kann für das Gericht nur aus der Unterzeichnung und Datierung des nachträglichen Antrags entnommen werden, da alle Verhältnisse außerhalb des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks (vgl. BerHVV) von Seiten des Gerichts einer Überprüfung nicht zugänglich sind, und das Gericht auch nicht verpflichtet ist den Sachverhalt zu ermitteln. Vielmehr müssen und können sich alle für das Verfahren relevanten Daten und Angaben nur aus dem Vordruck ergeben.

Würde man eine Datierung und Unterzeichnung des sog. nachträglichen Antrags zeitlich nach der ersten Tätigkeit d. Bevollmächtigten zulassen, so würde dies auch bedeuten, dass die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sich auf das angegebene Datum, und nicht auf den maßgeblichen Zeitpunkt der ersten Tätigkeit durch d. Bevollmächtigte(n) beziehen, da das gesetzlich vorgeschriebene Antragsformular keine Möglichkeit vorsieht, Angaben für die Vergangenheit zu machen.

Da hier der nachträgliche Antrag jedoch nach der ersten anwaltlichen Tätigkeit datiert, ist daher nach hiesiger Auffassung ein Beratungsvertrag auf Grundlage der Gebühren der Nr. 2100 ff. VV RVG geschlossen worden.






AG Konstanz:
Beschluss v. 11.04.2007
Az: UR II 30/07


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