Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2010
Aktenzeichen: 28 W (pat) 127/09

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2010, Az.: 28 W (pat) 127/09)

Tenor

BPatG 152 Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet ist die Wortmarke We Are Pioneering Solutionsfür die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 6 und 12

"Befestigungselemente aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten; Einbaufertige Teile und mechanische Baugruppen für die Kraftfahrzeugindustrie, soweit in Klasse 12 enthalten".

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handle es sich um eine sprachregelmäßig gebildete Wortfolge, die sich in der werbeüblichen anpreisenden Aussage erschöpfe, dass es bei den fraglichen Waren um die Bereitstellung und Entwicklung technischer Lösungen gehe. Die Wortfolge "We Are Pioneering Solutions" stelle eine grammatikalische Form der Aussage "We pioneer solutions" dar, die sich dem Publikum ohne Weiteres in ihrem anpreisenden Sinne erschließe. Von einem ungewöhnlichen und grammatikalisch inkorrekten Satzbau könne keine Rede sein. Die angemeldete Bezeichnung werde vielmehr von den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von "Wir bahnen den Weg für Lösungen" und damit als rein werblich anpreisender Hinweis darauf verstanden, dass die angebotenen Waren Lösungen für Probleme der Abnehmer darstellen. Vergleichbar gebildete Slogans wie "pioneering solutions" oder "pioneering green solutions" würden auch bereits in produktbezogenen Zusammenhängen verwendet. Selbst wenn der Verkehr die angemeldete Bezeichnung im Sinne von "Wir sind Pionierleistungen, Wir sind bahnbrechende Lösungen, Wir sind Lösungen" interpretieren sollte, wie dies die Anmelderin geltend gemacht habe, werde er in dieser Aussage ebenfalls nur eine werbliche Anpreisung einer den angemeldeten Waren zugrunde liegenden, innovativen Entwicklung von Problemlösungen entnehmen, nicht aber einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zur Vorbereitung einer Entscheidung hat der Senat die Anmelderin mit einem Zwischenbescheid auf die bestehenden Schutzfähigkeitsbedenken hingewiesen. Daraufhin hat die Anmelderin vorgetragen, bei der Marke handle es sich um eine sprachliche Neuschöpfung, deren produktbezogene Benutzung im Verkehr nicht nachzuweisen sei. Auch die von der Markenstelle herangezogenen Bedeutungsgehalte könnten der angemeldeten Wortfolge nicht zugrunde gelegt werden, da diese eine sprachregelwidrige Wortzusammensetzung und Verfremdung beinhalte. Deshalb würde die von der Markenstelle behauptete Übersetzung eine mit aufwendigen Zwischenschritten verbundene Analyse voraussetzen, wie sie vom Verkehr nicht vorgenommen werde. Bei wörtlicher Übersetzung der Bestandteile "We are [...] Solutions" bleibe das weitere Wort "pioneering" für die angesprochenen Verbraucher völlig unverständlich. Gleiches gelte für die in dem Zwischenbescheid des Senats angeführten Aussagegehalte "Wir leisten Pionierarbeit für Lösungen/Wir bereiten den Weg für Lösungen" und "Wir sind zukunftsweisende/bahnbrechende/wegweisende Lösungen", die sich dem Verkehr ebenfalls erst nach einer analysierenden Betrachtungsweise erschließen könnten. Soweit der Senat auf den Sprachgebrauch der Anmelderin in ihrem Internetauftritt hingewiesen habe, sei dieser an die englischen Verkehrskreise gerichtet, während sich die Marke jedoch ausschließlich an deutsche Verkehrsteilnehmer wende. Zudem werde die Wortfolge auf der Homepage der Anmelderin eindeutig markenmäßig benutzt und veranschauliche somit gerade die vorhandene Unterscheidungskraft. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG scheide gleichfalls aus, da mit der Marke keine relevanten Produktmerkmale beschrieben würden und es deshalb an dem erforderlichen, unmittelbaren Warenbezug fehle.

Somit bestehe kein schutzwürdiges Bedürfnis der Mitbewerber, die Wortfolge frei verwenden zu können, da dies nur für eindeutig beschreibende Angaben bejaht werden könne. Außerdem werde die Wortfolge vom inländischen Verkehr ohnehin nicht verstanden, so dass der genannte Ausschlusstatbestand auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erfüllt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn der angemeldeten Marke ist bereits jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eignung eines Zeichens, die mit ihm beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, 761, Rdn. 58 - L'Oreal; BGH GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006). Diese Herkunftsfunktion von Marken ist nach ständiger Rechtsprechung als ihre Hauptfunktion anzusehen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, 761, Rdn. 58 - L'Oreal; EuGH GRUR Int 2005, 1012, 1014, Rdn. 27 - BioID; BGH GRUR 2008, 710, Rdn. 12 - VISAGE; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Vermag eine angemeldete Marke diese Herkunftsfunktion nicht zu erfüllen, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR Int 2004, 631, 634, Rdn. 48 - Dreidimensionale Tablettenform I).

Der angemeldeten, aus einfachen Wörtern der englischen Sprache gebildeten Marke kann nach den allgemeinen Sprachregeln der für die inländischen Verbraucher naheliegendste Aussagegehalt "Wir bereiten den Weg für Lösungen" sowie die Bedeutung "Wir sind zukunftsweisende/bahnbrechende Lösungen" zugeordnet werden.

Angesichts der Verwendung von ausnahmslos einfachen und gängigen Wörtern, sind die für ein entsprechendes Verständnis der Anmeldemarke erforderlichen Englischkenntnisse des inländischen Publikums als gegeben anzusehen, zumal sich in zahlreichen Wirtschaftsbereichen - zu denen auch der hier einschlägige Sektor zu zählen ist - Englisch längst als zweite Fachsprache etabliert hat (vgl. hierzu auch Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdn. 110 f). Durch die verfahrensgegenständlichen Waren werden zudem neben Endabnehmern vor allem Fachkreise aus dem Bereich der Kfz-Industrie und Wirtschaft angesprochen, insbesondere durch die beanspruchten "einbaufertige Teile und mechanische Baugruppen für die Kraftfahrzeugindustrie". Dieses Fachpublikum sowie die bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft fremdsprachiger Marken immer auch zu berücksichtigenden, am internationalen Handelsverkehr mit den fraglichen Waren beteiligten (inländischen) Fachkreise (EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdn. 24 - Matratzen Concord/Hukla), verfügen über besonders qualifizierte und zum Verständnis der angemeldeten Wortfolge in jedem Fall ausreichende Sprachkenntnisse. Vergleichbar gebildete Werbeaussagen sind zudem schon seit längerem gebräuchlich. Hierzu hat die Markenstelle der Anmelderin mit dem angefochtenen Beschluss verschiedene Belege übermittelt, etwa zur Verwendung der Slogans "Dräger Safety. Pioneering Solutions" und "Pioneering Green Solutions" sowie zu produktbezogenen Aussagen wie "We are pioneering new ways ..." und "We are pioneering world class multidisciplinary activities ...".

Die Wortfolge "We Are Pioneering Solutions" bewegt sich in jeder Hinsicht im Rahmen der aktuellen und für den Verkehr verständlichen Werbesprache und verlangt den angesprochenen Verkehrskreisen keinerlei analysierende Gedankengänge ab. Vielmehr werden sie die angemeldete Marke im Hinblick auf die beanspruchten Waren ohne jede weitergehendere Überlegungen als bloßes Werbemittel zur Herausstellung einer entwicklungstechnischen Kompetenz des Anbieters und damit einer entsprechenden Qualität bzw. Beschaffenheit der verfahrensgegenständlichen Produkte verstehen. Zwar kann aus der Wahrnehmung einer Wortfolge als Werbeslogan nicht schon für sich genommen auf ihre fehlende Unterscheidungskraft geschlossen werden, denn es ist grundsätzlich möglich, dass auch solche Slogans die für Marken zwingend erforderliche Herkunftsfunktion ausüben können (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 41 f., 45 - Vorsprung durch Technik; EuGH GRUR 2004, 1027, Rdn. 41 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949, Rdn. 12 - My World). An sloganartige Wortfolgen sind auch unter sonstigen Gesichtspunkten keine strengeren Schutzvoraussetzungen zu stellen als an andere Wortmarken, insbesondere dürfen keine erhöhten Anforderungen an ihre Eigenart gefordert werden. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass Slogans oder schlagwortartige Wortfolgen generell einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Vielmehr kann auch einer eher einfachen Aussage durchaus die Eignung zur Produktidentifikation i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zukommen (vgl. BGH GRUR 2009, 778, Rdn. 12 - Willkommen im Leben). Diese Grundsätze wurden im Übrigen durch die von der Anmelderin besonders hervorgehobene Entscheidung "Vorsprung durch Technik" des EuGH (vgl. GRUR 2010, 228) nicht in Frage gestellt oder grundlegend modifiziert. Vielmehr hat der EuGH in diesem Urteil erneut seine Wertung bestätigt, dass Slogans von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenkategorien (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 37 - Vorsprung durch Technik, unter Verweis auf EuGH GRUR 2004, 1027, Rdn. 33 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).

Als Anhaltspunkte für eine hinreichende Unterscheidungskraft kommen etwa die Originalität oder Prägnanz einer Wortfolge in Betracht oder eine gewisse Interpretationsbedürftigkeit, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen differenzierten Denkprozess auslöst (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 57 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2009, 949, Rdn. 12 - My World). Werbeslogans und sloganartige Wortfolgen unterliegen anderseits aber auch keinen geringeren Schutzvoraussetzungen als andere Wortzeichen, so dass ihnen die notwendige, markenrechtliche Unterscheidungskraft dann abzusprechen ist, wenn sie sich als bloße produktbeschreibende Aussage darstellen oder wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Produkten oder Leistungen hergestellt wird (vgl. nochmals BGH GRUR 2009, 778, Rdn. 11, 14 - Willkommen im Leben; BGH GRUR 2006, 850, 854; Rdn. 19 - FUSSBALL WM 2006; sowie Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 144 m.

w. N.). Genau dies ist vorliegend der Fall, da sich die angemeldete Marke in einer werbeüblichen Sachaussage erschöpft, so dass nicht von einer in markenrechtlicher Hinsicht unterscheidungskräftigen Marke ausgegangen werden kann. Die angesprochenen Verkehrskreise werden der Wortfolge "We Are Pioneering Solutions" im Hinblick auf die hier einschlägigen Produkte ohne jeden Interpretationsaufwand die offenkundige, sachbezogene Werbeaussage entnehmen, dass den betreffenden Waren eine besondere, problemlösungsorientierte Entwicklungskompetenz des Herstellers zugrunde liegt. Damit ist das Verständnis der Marke durch die angesprochenen Verkehrteilnehmer ein rein werblich beschreibendes, was eindeutig gegen ihre Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis spricht. Im Hinblick auf den Gesichtspunkt, dass der englischen Wortfolge mehrere Bedeutungen zugeordnet werden können, bleibt darauf hinzuweisen, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichend ist, wenn nur einer von mehreren Bedeutungen eine Aussage mit eindeutig beschreibendem Charakter entnommen werden kann (vgl. dazu Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 93 m.

w. N.). Im vorliegenden Fall stellen aber sogar beide dargestellten Bedeutungen der Wortfolge "We Are Pioneering Solutions" für die angesprochenen Verkehrskreise eine eindeutig produktbeschreibende Aussage dar.

Da das angemeldete Zeichen somit die zwingend erforderliche betriebliche Kennzeichnungsfunktion nicht erfüllen kann, steht ihrer Eintragung bereits das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Frage, ob auch ein Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Nachdem das Bundespatentgericht über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung verhandelt (§ 69 MarkenG) und im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung weder vom Beschwerdeführer beantragt wurde noch nach Wertung des Senats sachdienlich gewesen wäre, konnte diese Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.

Martens Kirschneck Schell Me






BPatG:
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Az: 28 W (pat) 127/09


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