Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 19. März 2008
Aktenzeichen: 8 U 115/07

(OLG Hamm: Urteil v. 19.03.2008, Az.: 8 U 115/07)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. Januar 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Essen unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 08. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 8 gefasste Beschluss insgesamt nichtig ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebe-nintervenienten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines in der Hauptversammlung der Beklagten vom 08. Mai 2006 zu Punkt 8 der Tagesordnung gefassten Beschlusses betreffend eine Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen (lit. a), die Schaffung eines bedingten Kapitals zu diesem Zweck (lit. b) sowie eine entsprechende Satzungsänderung (lit. c). Wegen des Wortlauts des Beschlusses wird auf die zur Akte gereichte Niederschrift, Anlage B1, Bl. 84 ff. der Gerichtsakten, Bezug genommen.

Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse zu TOP 8 lit. b) und lit. c) und hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Beschlusses zu TOP 8 begehrt. Äußerst hilfsweise hat sie beantragt, den zu TOP 8 lit. a) gefassten Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als der Vorstand ermächtigt wird, unter den dort genannten Bedingungen das Bezugsrecht der Aktionäre auf die Wandel- und Optionsschuldverschreibungen auszuschließen.

Die Klägerin hat gemeint, der Beschluss über die Schaffung des bedingten Kapitals und die entsprechende Satzungsänderung seien nichtig, da entgegen den gesetzlichen Anforderungen kein Ausgabebetrag und auch keine Grundlagen zur Errechnung des Ausgabebetrags festgesetzt worden seien. Die beschlossenen Grundlagen für die Ermittlung eines Mindestausgabebetrages genügten den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der dem Vorstand gewährte Ermessensspielraum bei der Festlegung des Ausgabebetrages stelle sich als rechtswidrige Kompetenzverschiebung dar, die die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge habe. Nichtig sei der Beschluss außerdem, weil weder die Art noch die Zahl der auszugebenden Aktien bestimmt worden seien. Schließlich sei auch die Ermächtigung des Vorstands, das Bezugsrecht der Aktionäre unter vereinfachten Bedingungen auszuschließen, fehlerhaft.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Beschluss genüge den gesetzlichen Anforderungen. Mit der Festlegung der Grundlagen für die Ermittlung eines Mindestausgabebetrages sei der Schutz der Altaktionäre vor einer weiter gehenden Verwässerung ihrer Anteile gewährleistet. Ein schützenswertes Interesse an der Festsetzung eines Höchstausgabebetrages durch die Hauptversammlung bestehe nicht. Art und Zahl der auszugebenden Aktien ergäben sich unmittelbar aus der Satzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Festlegung nur eines Mindestausgabebetrages entspreche zwar nicht dem Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Hierdurch werde aber die Grenze der Beeinträchtigung der Vermögens- und Beteiligungsrechte der Altaktionäre festgelegt, womit dem Zweck der Vorschrift genüge getan sei. Das dem Vorstand eingeräumte Ermessen bei der Festlegung des endgültigen Ausgabebetrages sei angesichts der faktischen Orientierung an dem Börsenaktienpreis nicht erheblich und damit unschädlich. Unschädlich sei auch, dass in dem Beschluss der Hauptversammlung nicht konkret die Aktienstückzahl und die Aktienart genannt seien. Diese Parameter ließen sich eindeutig aus der Satzung der Gesellschaft ermitteln. Auch die Ermächtigung des Vorstands zum vereinfachten Ausschluss des Bezugsrechts sei nicht zu beanstanden. Der Beschluss sei durch die analog anzuwendende Vorschrift des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG gedeckt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Anträge unter Vertiefung ihrer Rechtsausführungen weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

festzustellen, dass der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft unter Tagesordnungspunkt 8 lit. b) und c) gefasste Beschluss (Schaffung eines bedingten Kapitals (Kapital III) nebst Satzungsänderung) nichtig ist,

hilfsweise

festzustellen, dass der gesamte in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 08. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 8 gefasste Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen, Schaffung eines bedingten Kapitals (Kapital III) nebst Satzungsänderungen) nichtig ist,

weiter hilfsweise zum Haupt- und ersten Hilfsantrag

den in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 08. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 8 lit. a) gefassten Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen) insoweit für nichtig zu erklären, als dass der Vorstand dazu ermächtigt wird, in analoger Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre auf die Wandelschuldverschreibungen und Optionsschuldverschreibungen auszuschließen, sofern der Vorstand nach pflichtgemäßer Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass deren Ausgabepreis den nach anerkannten finanzmathematischen Methoden ermittelten theoretischen Marktwert der Schuldverschreibungen nicht wesentlich unterschreitet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit weiteren Ausführungen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die Klage ist mit dem ersten Hilfsantrag begründet.

I.

Der Hauptantrag, mit dem die Klägerin die Festsstellung der Nichtigkeit einzelner Teile des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 8 der Hauptversammlung vom 08. Mai 2006 begehrt (lit b und c: Schaffung eines bedingten Kapitals nebst Satzungsänderung), ist unbegründet.

Nach ständiger Rechtsprechung, der der Senat folgt, kann die Nichtigkeit einzelner Teile eines formal einheitlich gefassten Hauptversammlungsbeschlusses nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB nur dann festgestellt werden, wenn die nicht angefochtenen Teile in keinerlei Zusammenhang zu den angefochtenen Teilen des Beschlusses stehen. Aufeinander bezogene oder von einander abhängige Bestandteile eines einheitlichen Beschlusses können demgegenüber nicht mit Erfolg isoliert angegriffen werden (vgl. BGH Z 124, 111, 122; BGH NJW 1988, 1214; LG München, WM 1996, 305, 309; bestätigt von OLG München, WM 1996, 1910, 1911).

Die einzelnen Teile des einheitlich abgestimmten Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 8, nämlich die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen, die Schaffung von bedingtem Kapital zu eben diesem Zweck sowie die hierzu erforderlichen Satzungsänderungen sind klar aufeinander bezogen und von einander abhängig. Eine isolierte Anfechtung nur von lit. b) und lit c) des Beschlusses ist daher nicht möglich. Dies war der Klägerin auch bewusst, weshalb sie bereits in der Klageschrift klargestellt hat, dass der Hauptantrag nur vorsorglich für den Fall gestellt wird, dass das Gericht die Frage des Zusammenhangs der einzelnen Beschlussteile abweichend beurteilt.

II.

Der erste Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Feststellung der Gesamtnichtigkeit des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 8 begehrt, ist begründet. Der Beschluss genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG und ist daher gemäß §§ 241 Nr. 3 AktG, 139 BGB insgesamt nichtig.

Nach § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG müssen in dem Beschluss der Hauptversammlung über eine bedingte Kapitalerhöhung im Sinne des § 192 Abs. 1 AktG der Ausgabebetrag der Bezugsaktien oder die Grundlagen, nach denen dieser Betrag berechnet wird, festgestellt werden.

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da der streitgegenständliche Hauptversammlungsbeschluss lediglich Grundlagen für die Ermittlung eines Mindestausgabebetrages feststellt und im Übrigen den Vorstand ermächtigt, die konkrete Festsetzung des Ausgabebetrages in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem er von der Ermächtigung zur Ausgabe der Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen Gebrauch macht.

1.

Ob die Verfahrensweise, in dem Beschluss über die Schaffung eines bedingten Kapitals nur einen Mindestausgabebetrag festzulegen und den genauen Betrag in das Ermessen des Vorstands zu stellen, gesetzeskonform ist, ist allerdings umstritten und bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Während ein Teil des Schrifttums und die bislang veröffentlichte instanzgerichtliche Rechtsprechung insbesondere unter Hinweis auf den klaren Wortlaut der Vorschrift des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG die vom Gesetzgeber vorgegebene Kompetenzverteilung zwischen Hauptversammlung und Vorstand sowie die registerrechtliche Publizität die bloße Feststellung eines Mindestausgabebetrages durch die Hauptversammlung für nicht ausreichend erachtet,

vgl. Großkomm AktG/Frey, 4. Aufl., § 193 AktG Rn. 37, 51; Schmidt/Lutter/Veil, § 193 AktG Rn. 9; Maul, NZG 2000, 679 ff.; KG Berlin, U. v. 03.08.2007 - 14 U 72/06,

siehe Anlage KB 13; OLG Celle, U. v. 07.11.2007 - 9 U 57/07, siehe Anlage KB 14; LG Kiel, U. v. 30.09.2005 - 15 O 68/05, siehe Anlage K 6; LG Hamburg, U. v. 20.10.2005 - 415 O 85/05, siehe Anlage B 4; LG Hamburg, U. v. 14.12.2005 - 417 O 164/05, siehe Anlage N1; LG Coburg, U. v. 21.06.2006, 1 HK O 43/05, siehe Anlage K 8; LG Kassel, U. v. 21.12.2006 - 11 O 4073/06, siehe Anlage KB 9; LG Berlin, U. v. 06.01.2007 - 94 O 57/05, Anlage K 7; LG Berlin, U. v. 09.01.2007 - 98 O 37/06, siehe Anlage KB 8; LG Hannover, U.v. 22.02.2007 - 25 O 60/06, siehe Anlage KB 10,

hält ein anderer Teil des Schrifttums die Feststellung eines Mindestausgabebetrages im Beschluss der Hauptversammlung für ausreichend. Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren, der Zweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, nämlich der Schutz der Aktionäre vor der Verwässerung ihrer Anteile, werde bei der Festlegung eines Mindestausgabebetrages durch die Hauptversammlung in vollem Umfang erreicht. Ein schützenswertes Interesse, auch eine Höchstgrenze des Ausgabebetrages zwingend durch die Hauptversammlung zu bestimmen, bestehe nicht. Demgegenüber bestehe jedenfalls in den Fällen, in denen der Vorstand gemäß § 221 Abs. 2 AktG zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren ermächtigt sei, ein praktisches Bedürfnis, ihm bei der Festsetzung des Ausgabebetrages der Bezugsaktien ein gewisses Ermessen einzuräumen, um auf die zum Zeitpunkt der Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen bestehende Marktlage reagieren zu können. Jedenfalls im Zusammenhang mit der Anwendung des § 221 Abs. 2 AktG sei daher eine teleologische Reduktion des § 193 Abs. 3 Nr. 2 AktG dahingehend geboten, dass die Festsetzung eines Mindestausgabebetrages durch die Hauptversammlung genügt.

vgl. Maier-Reimer, Gedächtnisschrift für Ulrich Bosch, S.85 ff.; Spiering/Grabbe, AG 2004, 91 ff.; Weiß, WM 1999, 353 ff.; Schlitt/Seiler/Singhoff, AG 2003, 255 ff., 256; MünchKomm/Fuchs, 2. Aufl., § 193 AktG Rn. 13 f.; Krieger in MünchHdB GesellschaftsR, Bd.4, 3. Aufl., § 57 Rn. 18.

2.

Der Senat teilt aus den vom Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 03.08.2007 überzeugend herausgearbeiteten Gründen die erstgenannte Auffassung. Auch das Vorbringen der Beklagten im hiesigen Rechtsstreit rechtfertigt keine andere Entscheidung. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes.

a)

Der Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nach Auffassung des Senats eindeutig. Die Vorschrift verlangt die Feststellung des Ausgabebetrages der neuen Aktien durch die Hauptversammlung und eben nicht nur die Feststellung eines unteren Wertes, auf dessen Basis der Vorstand später nach seinem Ermessen den Ausgabebetrag festlegt. Wäre dies gewollt gewesen, hätte der Gesetzgeber den an anderer Stelle im Gesetz verwandten Begriff des "Mindestbetrages, unter dem die Aktien nicht ausgegeben werden sollen" (vgl. § 182 Abs. 3 AktG) verwenden können.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts erfüllt die Feststellung eines Mindestausgabebetrages auch nicht die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Ein Mindestausgabebetrag ist keine Grundlage, nach welcher der Ausgabebetrag errechnet wird. Wie schon das Kammergericht Berlin zutreffend ausgeführt hat, bezeichnet der Begriff "Ausgabebetrag" sprachlich eindeutig eine abschließend bezifferte Summe. Die Grundlagen für die Errechnung dieses Betrages müssen daher im Ergebnis ihrer Anwendung ebenso zu einer abschließend bezifferten Summe führen. Der Mindestausgabebetrag ist demgegenüber keine Grundlage für die Errechnung des Ausgabebetrages, sondern lediglich eine Grundlage für das vom Vorstand auszuübende Ermessen bei der Festsetzung des Ausgabebetrages. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Argumentation von Maier-Reimer (a.a.O., Ziff. IV, S. 90 ff.) meint, der Ausgabebetrag sei hier im Ergebnis wegen der in lit. a) Abs. 3 des Hauptversammlungsbeschlusses vorgeschriebenen Koppelung des Ausgabepreises der Teilschuldverschreibungen an den Marktwert berechenbar, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil dieses Kriterium nur im Falle des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses greift, während der Vorstand bei der Festlegung des Ausgabebetrages der Teilschuldverschreibungen im Übrigen frei ist.

b)

Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG entnehmen. Bei der teleologischen Auslegung ist zunächst zu beachten, dass ein eindeutiger Wortlaut des Gesetzes grundsätzlich bindende Wirkung entfaltet. Von ihm darf nur abgewichen werden, wenn der Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung gebietet. Nicht ausreichend ist demgegenüber, wenn eine vom Wortlaut abweichende Auslegung den Gesetzeszweck möglicherweise auch noch erfüllt.

Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, wenn das Landgericht im Anschluss an die von einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung (vgl. die Nachweise oben Ziff.1) argumentiert, die Festsetzung eines Mindestausgabebetrages genüge den Anforderungen an einen Schutz der Altaktionäre vor einer Verwässerung ihrer Anteile. Diese Ansicht verkürzt die Intention des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG auf einen - zugegebenermaßen wichtigen - Teilaspekt. Neben dem Schutz der Altaktionäre vor einer Verwässerung ihrer Anteile hat die Vorschrift weitere Regelungszwecke, die gleichfalls im Blick zu halten sind. So dient sie etwa einer klaren Abgrenzung der Kompetenzen der Hauptversammlung und des Vorstandes (vgl. Großkomm AktG/Frey,4. Aufl., § 193 AktG Rn. 51; Schmidt/Lutter/Veil, § 193 AktG Rn. 9). Ferner soll sie das Registergericht, aber auch Gläubiger und potentielle Anleger über die beabsichtigte Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital informieren. Dieser Zweck der Regelung bleibt auch nach dem Wegfall der Vorschrift des § 196 AktG a.F. erhalten. Zwar ist danach eine Bekanntmachung der Eintragung nicht mehr vorgeschrieben, der Inhalt der Eintragung nach § 195 AktG ist hiervon jedoch unberührt und kann seit Anfang 2007 über das elektronische Handelsregister online abgerufen werden. Der Informationsgehalt eines Mindestbetrags ist aber gering. Die genannten Ziele werden daher optimal nur mit der vom Wortlaut vorgesehenen Feststellung eines bestimmten oder ohne weitere Ermessensspielräume errechenbaren Betrages erreicht.

c)

Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist auch nicht aus systematischen Erwägungen geboten. Insbesondere bedingt die Möglichkeit der Ermächtigung des Vorstandes zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 2 AktG nicht auch die Einräumung eines weiteren Ermessens für den Vorstand bei der Festlegung des Ausgabebetrages. Denn das Vorstandsermessen bei der Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen hat einen eigenständigen Anwendungsbereich. Die von Teilen des Schrifttums geforderte Möglichkeit für den Vorstand, die Anleihebedingungen an die aktuellen Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt anzupassen, ist jedenfalls zum Teil auch über die sonstigen Optionsbedingungen wie Zinssatz und Laufzeit der Anleihe erreichbar. Soweit es jedoch um die Bedingungen des Bezugsrechts geht, geht § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG als speziellere Vorschrift vor (so überzeugend: Großkomm AktG/Frey, 4. Aufl., § 193 AktG Rn. 51).

Aus gesetzessystematischer Sicht spricht schließlich ein weiterer Umstand gegen eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Die Vorschrift des § 198 Abs. 1 S.3 AktG verlangt die Aufnahme der Feststellungen nach § 195 Abs. 2 AktG in die Bezugserklärung. Der Inhalt des Zeichnungsvertrages soll hierdurch konkretisiert und fixiert werden. Wird jedoch die von § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG geforderte Feststellung des Ausgabebetrages auf die bloße Angabe eines Mindestausgabebetrages reduziert, so verliert die Vorschrift des § 198 Abs. 1 S.3 AktG ihren Sinn.

3.

Infolge der fehlenden Feststellung des Ausgabebetrages der Bezugsaktien oder der Grundlagen, nach denen der Betrag errechnet wird, ist der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 8 der Hauptversammlung gemäß § 241 Nr. 3 AktG i.V.m. § 139 BGB insgesamt nichtig. Die Vorschriften des § 193 Abs. 2 Nr. 1 - 3 AktG bestehen nach allgemeiner Ansicht im öffentlichen Interesse (vgl. MünchKomm/Fuchs, 2. Aufl., § 193 AktG Rn. 38 m.w.N.).

Aus diesem Grund kann hier offen bleiben, ob der Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung - wie die Klägerin meint - an weiteren zur Nichtigkeit führenden Mängeln leidet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Abweisung des Hauptantrages führt nicht zu einer Kostenteilung, da die Klägerin den umfassenden Antrag auf Nichtigerklärung des gesamten Hauptversammlungsbeschlusses aus prozessualen Gründen nur als Hilfsantrag gestellt hat. Der Wert des nicht erfolgreichen Hauptantrages ist im Gegenstand und Wert des erfolgreichen Hilfsantrags enthalten (vgl. OLG München, WM 1996, 1910, 1911).

IV.

Im Hinblick auf die umstrittene und bisher höchstrichterlich nicht geklärte Frage, ob die Feststellung eines Mindestausgabebetrages den Anforderungen des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG genügt, hat der Senat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.






OLG Hamm:
Urteil v. 19.03.2008
Az: 8 U 115/07


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