Amtsgericht Charlottenburg:
Urteil vom 24. Juni 2010
Aktenzeichen: 235 C 191/09

(AG Charlottenburg: Urteil v. 24.06.2010, Az.: 235 C 191/09)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt an die Kläger 145,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2008, Mahnkosten in Höhe von 7,50 EUR, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 39,00 EUR und Auskunftskosten in Höhe von 0,65 € zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 313a, 511 ZPO abgesehen.

Gründe

I. Die Klage ist überwiegend begründet, weil die Klägerin gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht des Telekommunikationsunternehmens € GmbH einen Anspruch auf Zahlung des zuerkannten Betrages hat.

1. Die Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachten Entgelte in dem Zeitraum vom 05.12.2007 bis zum 14.12.2007 liegen vor.

Durch die Nutzung so genannter Internet-by-Call Verbindungen wird gem. § 40 Absatz 1 TKG ein Vertragsverhältnis direkt zwischen dem Kunden und dem angewählten Telekommunikationsunternehmen begründet.

Dabei kommt der Vertrag dadurch zustande, dass der Anbieter im Wege eines tatsächlichen Angebots seine Leistung bereithält und ein Nutzer durch die Anwahl einer bestimmten Einwahlrufnummer mit Angabe von Benutzernahmen und Passwort das Angebot stillschweigend annimmt. Hierbei wird mit jeder Neueinwahl ein neues Vertragsverhältnis für die jeweilige Onlinesitzung mit dem ausgewählten Betreiber begründet.

Insbesondere wurden vorliegend auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die mit Wirkung zum 05.12.2007 erfolgte Preis- und Tarifumstellung wirksam in die einzelnen Verträge einbezogen.

a) Unerheblich ist, dass vor bzw. nach Einwahl ins Internet kein Hinweis des Telekommunikationsunternehmens bezüglich einer Tarifanpassung erfolgte.

Denn eine Pflicht des Anbieters, vor bzw. nach jeder Einwahl auf seine Tarife ausdrücklich hinzuweisen, besteht nicht.

Bei Verträgen über Telekommunikations-, Informations- und andere Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem erbracht werden, genügt gem. § 305 Absatz 2, § 305a Nr. 2b BGB eine Veröffentlichung von Tarifen im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, wenn die Tarife vor Vertragsabschluss nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zugänglich gemacht werden können.

Grund für diese vereinfachte Einbeziehung ist, dass der Anbieter keine Möglichkeit hat, dem Kunden den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohne erheblichen Zeitverlust bekannt zu machen. Gleichzeitig besteht gerade von Seiten des Kunden ein Interesse an einfacher und schneller Inanspruchnahme der Dienstleistungen (Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Telekommunikationsverträge Rn. 13 mit Verweis auf den RegE, BT-Drucksache, 14/6040). Die praktische Durchführbarkeit von Call-by-call-Verbindungen wie auch die Inanspruchnahme kostenpflichtiger Servicenummern wäre erheblich erschwert, wenn der Anbieter dem Kunden zuerst seine AGB übermitteln müsste (Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305a, Rn. 14). Das gilt auch für Internet-by-call-Verbindungen. Hier wird ein schneller Verbindungsaufbau, an dem der durchschnittliche Internetnutzer sehr interessiert ist, verhindert, wenn bei jedem Verbindungsaufbau sämtliche AGB des Anbieters erscheinen, denen der Nutzer dann ausdrücklich zustimmen muss. Die gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts Meldorf (Urteil vom 15.09.2009, 87 C 554/09), wonach Anbieter die Möglichkeit haben, ihre Geschäftsbedingungen einzublenden, überzeugt nicht. Dies mag zwar technisch möglich sein, wird aber den Anforderungen an einen schnellen und unkomplizierten Verbindungsaufbau, der für den durchschnittlichen Internetnutzer sehr wichtig ist, nicht gerecht.

Der Anbieter hat auf seiner Internetseite die Kosten und Tarifdaten zur Einsicht gestellt, so dass der Beklagte von diesen in angemessener Weise Kenntnis nehmen konnte.

Mangels Anmeldung bzw. Registrierung fehlten dem Anbieter auch jegliche Daten, um einen potentiellen Nutzer entsprechend vor Vertragsschluss zu informieren. Bei Inter-by-Call-Verbindungen kommt im übrigen der Vertrag erst durch die Inanspruchnahme der Dienstleistung zustande, sodass es auch praktisch nicht umzusetzen ist, den Kunden vor Vertragsschluss - etwa durch ein sich automatisch öffnendes Fenster - über Tarifänderungen zu informieren.

b) Soweit der Beklagte vorträgt, bei seiner täglichen Kontrolle der Preise nur auf den Tarifnamen €flat2surf by call 1€ geachtet bzw. abgestellt und nicht etwa auch die zugehörigen Zugangsdaten, wie Benutzernamen, Passwort und Einwahlnummer verglichen zu haben, ist dies für den Anspruch unerheblich.

Denn der Nutzung eines Internet-by-call Angebots ohne vorherige Anmeldung liegt gerade eine Vertragsabschlussfreiheit zugrunde, die sich durch eine größtmögliche Freiheit bei der Tarifwahl begründet und durch Anwendung bekannter Zugangsdaten eine große Unabhängigkeit für den Nutzer ermöglicht. Dafür geben die Anbieter die gültigen Minutenpreis und eine mögliche Einwahlgebühr auf ihrer Webseite bekannt und veröffentlichen die zu diesem Angebot gehörende Einwahlnummer und die Einwahlkennung (Benutzernamen und Passwort). Um ein von ihm ausgewähltes Produkt des Internetanbieters nutzen zu können, hat der Nutzer die Zugangsdaten vor Aufruf der Verbindung am Computer einzugeben. Dabei ist es für die jeweils zu erfolgende Neueinschätzung unerheblich, ob der Nutzer aufgrund von Bequemlichkeitserwägungen die Zugangsdaten nur eines Anbieters als eingerichtete Modemverbindung dauerhaft abspeichert, weil mit jeder Einwahl ein neues Vertragsverhältnis und somit gerade kein Dauerschuldverhältnis entsteht.

Die erforderliche Zuordnung zu einem bestimmten Internet-by-call-Tarif erfolgt immer anhand der Tarif- und Preisaufstellung des Internetanbieters unter Hinzuziehung aller angegebenen Daten. Es kann somit nicht allein auf einen Produktnamen abgestellt werden.

Dadurch obliegt es dem Nutzer im Rahmen seiner Wahlfreiheit und der beabsichtigten Kostenersparnis, sich selbst umfassend und ausführlich darüber zu informieren, welche Nutzungsbedingungen dem gewählten Tarif zugrunde liegen.

Dem Nutzer ist dabei zuzumuten, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel auszunutzen, um über das aktuelle Angebot informiert zu sein. Ob dies nun allein über die Internetseite des Anbieters oder aber auch über andere Hilfestellung gebende Internetseiten erfolgt, ist dem Nutzer selbst überlassen. Er kann sich aber nicht auf bestimmte Informationen Dritter, die nicht vom Anbieter veranlasst worden sind, verlassen. Ausschlaggebend für den Vertragsschluss kann nur der Tarif sein, der im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht worden ist, oder von dem der Nutzer über die Anbieterseite in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen kann.

Im vorliegenden Fall konnte der Beklagte bereits der Rechnung vom Dezember 2007 entnehmen, dass die Onlinedienste nicht anhand eines bestimmten Tarifnamens, sondern anhand von jeweiligen Einwahlnummern abgerechnet werden. Ein Tarifname wird nicht ausdrücklich ausgewiesen.

Soweit der Beklagte vorträgt, die Einwahlrufnummer 01937400602 sei einem anderen Tarif zugeordnet worden, hat er diese Behauptung nicht bewiesen. Auch das durch die Klägerin eingereichte Tarifblatt lässt keinen Rückschluss auf eine geänderte Einwahlnummer zu, da diese auch nach der Preiserhöhung vom 05.12.2007 unverändert blieb.

c) Der Beklagte konnte auch nicht durch einmalige Rechnungsstellung von einem unveränderten Preis des ausgewählten Onlinedienstes ausgehen.

Denn die Veränderung der Entgeltpreise für Internet-by-call Verbindungen unterliegt allgemein üblichen und bekannten Preisschwankungen, die mitunter kurzfristig vorgenommen werden. Eine Tarifkontinuität gibt es nicht. Dies bestätigte ja schließlich auch der Beklagte selbst und versuchte sein Verhalten entsprechend anzupassen.

2. Der Anspruch ist auch nicht durch eine Beanstandung des Beklagten mit dem Einwand einer Falschberechnung unwirksam geworden.

Denn ein fristgerecht eingereichtes Beanstandungsschreiben mit Erklärung eines Grundes zur Zahlungsverweigerung hat der Beklagte trotz Behauptung nicht vorgelegt. Insbesondere für den rechtzeitigen Zugang eines solchen Schreibens ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.

Die erfolgte Teilzahlung in Höhe von 1,97 EUR auf den Rechnungsbetrag kann nicht als konkludente Beanstandung ausgelegt werden, da ihr keine Gründe zu entnehmen sind. Diese Reduzierung des Teilbetrages genügt nicht dem Erfordernis einer substantiierten Begründung entsprechend dem TKG.

3. Weiterhin kann der Beklagte nicht mit den Einwand durchdringen, die jeweils zustande gekommenen Verträge seien gemäß § 138 II BGB wegen erheblich überhöhter Verbindungspreise nichtig.

Der Beklagte hat zu den Voraussetzungen eines wucherischen Rechtsgeschäfts nicht ausreichend vorgetragen. Dabei kann dahinstehen, ob die angewendeten Entgelte in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen, weil bereits die subjektiven Voraussetzungen einer Ausbeutung durch eine bestehende Schwächesituation liegen nicht vor.

Der Beklagte befand sich nicht in einer Zwangslage. Sein Vortrag, dass er aufgrund eines Anbieterwechsels seines DSL Anschlusses und einer daraus resultierenden zeitlichen Verzögerung der Freischaltung seines Anschlusses auf die Nutzung analoger Internetverbindungen zurückgreifen musste, genügt diesem Erfordernis nicht.

Hierzu legt der Beklagte keine schwerwiegenden Nachteile durch einen zeitlich begrenzten fehlenden Internetanschluss dar. Zudem standen Alternativen zur Nutzung des Internets neben den analogen Verbindungen zur Verfügung, so dass der Beklagte nicht darauf angewiesen war. Schließlich war der Beklagte auch nicht gezwungen, das Angebot von € zu nutzen, weil es weitere Anbieter von Internet-by-call-Verbindungen gab.

4. Dem Beklagten steht auch kein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB zu. Die Täuschungshandlung kann insbesondere nicht in einem arglistigen Verschweigen der geänderten Preise gesehen werden, weil der Anbieter diese durch Veröffentlichung ausreichend und angemessen bekannt gegeben hat.

II. Die Nebenforderungen sind in Höhe des zuerkannten Betrages begründet.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus dem Verzug der Zahlung (§§ 286, 280 I BGB).

Die vorgerichtlichen Mahn-, Anwaltskosten und Auskunftskosten folgen dem Grunde und der Höhe nach ebenfalls aus dem Verzug des Beklagten und waren erforderlich.

Allerdings ist die durch die Klägerin angesetzte Pauschale für mindestens drei Mahnschreiben nur in Höhe eines Betrages von insgesamt 7,50 EUR begründet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig gering ist und das Unterliegen sich insgesamt nur auf Nebenforderungen bezieht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte nach § 708 Nr.11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert beträgt 145,92 EUR.

Ein Grund, die Berufung zuzulassen, besteht nicht.






AG Charlottenburg:
Urteil v. 24.06.2010
Az: 235 C 191/09


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