Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. April 2012
Aktenzeichen: I-20 U 176/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.04.2012, Az.: I-20 U 176/11)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin und ihrer Streithelferin wird das am 3. August 2011 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2011 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der Kosten der Streithilfe trägt die Antragstellerin.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Parteien streiten über die Verwendung der Angabe "E." im Zusammenhang mit der Benutzeroberfläche einer so genannten Set-Top-Box.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Gemeinschaftswortmarke Nr. … "E.", die am 30.06.2008 eingetragen wurde und die Schutz beansprucht für "Betriebssysteme, Treiber, Set-Top-Boxen, Satellitenreceiver und digitale TV-Empfänger". Für diese Marke erteilte sie ihrer Schwestergesellschaft, der D.M. GmbH, eine ausschließliche Lizenz. Die Schwestergesellschaft vertreibt seit mehr als zehn Jahren Set-Top-Boxen auf der Basis des Open-Source-Betriebssystems Linux unter der Bezeichnung "D.box". Hierfür entwickelte sie eine Benutzeroberfläche, die im Jahr 2000 unter der Bezeichnung "E." veröffentlicht wurde und die unter der GNU General Public License Version 2 (nachfolgend: GPLv2) lizenziert wurde. Seit dem Jahr 2006 vertreibt die Schwestergesellschaft der Antragstellerin eine Benutzeroberfläche "E. 2", die ebenfalls unter der GPLv2 lizenziert ist. Die Benutzeroberfläche wird auch von einer Vielzahl von Wettbewerbern für deren unter dem Betriebssystem Linux arbeitenden Set-Top-Boxen verwendet. Dabei ist zumindest eine Anpassung an die jeweilige Hardware erforderlich, weil sich die Set-Top-Boxen verschiedener Hersteller zum Beispiel in Bezug auf Fernbedienung und Anzeigen unterscheiden.

Die Antragsgegnerin bezieht von ihrer Streithelferin eine Set-Top-Box unter der Bezeichnung VU+ DUO, die ebenfalls mit dem Betriebssystem Linux und der von der Schwestergesellschaft der Antragstellerin entwickelten Benutzeroberfläche "E. 2" versehen ist, allerdings mit Anpassungen an das eigene Gerät. Die Antragsgegnerin bewarb das Gerät mit einem Flyer, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf die Anlage Ast. 4 Bezug genommen wird. Dort heißt es unter anderem: "VU+ DUO Your Smart Linux TV Player. Der VU+ DUO ist ein voll ausgestatteter HDTV Twin Tuner PVR mit Linux E. 2 Betriebssystem, ..." Ferner wird das Gerät wie folgt beschrieben:

"400 Mhz CPU + Linux OS E. 2 + Internal HDD (2.5/3.5) + Twin DVB-S2 Tuner + E-SATA/ 3 x USB + PVR (2,5/3.5 HDD) + WiFi USB (Option) + Low Power Consumption (Standby: 0.5 W)"

Darüber hinaus wird die Angabe "E." bei Aufruf des Menüpunkts "Über" bzw. "About" mit näheren Angaben zum Softwarestand angezeigt.

Die Antragstellerin sieht durch die Angabe "E." ihre Rechte an der Gemeinschaftsmarke verletzt. Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 4. Mai 2011 unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "E. 2" für ein Betriebssystem zu benutzen, insbesondere digitale SAT-Receiver mit einem derart gekennzeichneten Betriebssystem anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht diese einstweilige Verfügung bestätigt.

Hiergegen wenden sich sowohl die Antragsgegnerin als auch ihre Streithelferin mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen.

Die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin sind der Ansicht, die Angelegenheit sei nicht dringlich, da die Antragstellerin gewusst habe, dass eine Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin die entsprechenden Set-Top-Boxen mit der Benutzeroberfläche "E." vertreibe. Darüber hinaus fehle es an einer markenmäßigen Benutzung. Die Angabe werde lediglich als Werktitel benutzt. Bei Open Source Software sei der Verkehr daran gewöhnt, dass ein Werktitel nicht auf die betriebliche Herkunft hinweise. Es bedürfe der Angabe zur Beschreibung ihres Angebotes, weil die Verbraucher bezüglich der Kompatibilität von Erweiterungen wissen müssten, welche Benutzeroberfläche Verwendung finde. Da sie, die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin, nach der GPLv2 die Software nutzen dürften, könne die Antragstellerin die Benennung der beanstandeten Verwendung nicht verbieten.

Die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung vom 4. Mai 2011 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufungen mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sich das Verbot auf die Benutzung der Bezeichnung "E. 2" im geschäftlichen Verkehr für ein Erzeugnis richten solle, das als Programm der Benutzeroberfläche in einen SAT-Receiver eingebaut ist wie in den Anlagen Ast 4, Ast 5 und Ast 10 geschehen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, es liege eine markenmäßige Benutzung vor. Die GPLv2 treffe keine Regelung hinsichtlich der Markenrechte. Im Übrigen erlaube sie keine kommerzielle Verwendung. Auch könne sich die Antragsgegnerin deshalb nicht auf die GPLv2 berufen, weil sie sich nicht an diese halte. Schließlich habe die Antragsgegnerin bzw. ihre Lieferantin das Betriebssystem bzw. die Benutzeroberfläche notwendigerweise verändern müssen, damit sie auf den Geräten der Antragsgegnerin überhaupt lauffähig sei; der Umfang der Änderungen ist streitig.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die zulässigen Berufungen der Antragsgegnerin und ihrer Streithelferin haben auch in der Sache Erfolg. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin ein Verbot der Angabe "E." jedenfalls nicht im Eilverfahren verlangen. Nach dem Stand des vorliegenden Verfahrens ist es nämlich nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 1 b) GMV zusteht. Es überwiegt vielmehr die Wahrscheinlichkeit, dass die Antragsgegnerin die Angabe "E." in zulässiger Weise als Werktitel der entsprechenden Software benutzt. Den Gebrauch kann die Antragstellerin nicht verbieten, weil die Angabe nach der maßgeblichen Verkehrsanschauung als Werktitel zutrifft. Jedenfalls ist eine derartige Verwendung nach Art. 12 b) GMV zulässig. Im Streitfall bedarf die Antragsgegnerin keines Nutzungsrechts an der Marke der Antragstellerin, so dass es nicht darauf ankommt, ob eine GPL, wie sie im Streitfall besteht, markenrechtliche Befugnisse gewährt (vgl. Senat GRUR-RR 2010, 467).

Nach Art. 9 Abs. 1 b) GMV kann der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke Dritten eine Zeichenbenutzung im geschäftlichen Verkehr verbieten, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Sieht man eine Marke entsprechend der herkömmlichen deutschen Auffassung durch die Benutzung eines anderen Zeichens von vornherein nur dann als verletzt an, wenn das Zeichen seinerseits markenmäßig benutzt wird (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Auflage, § 14 Rn. 73ff. mit Nachweisen der Rechtsprechung), scheitert im Streitfall - so wie er sich derzeit darstellt - die Annahme einer Markenverletzung daran, dass die Antragsgegnerin mit der beanstandeten Verwendung nicht auf die betriebliche Herkunft der grafischen Benutzeroberfläche hinweist, sondern darauf, welches Programm auf dem Gerät bezüglich der grafischen Benutzeroberfläche installiert ist. Der Europäische Gerichtshof hat das Erfordernis einer markenmäßigen Benutzung ebenfalls aufgestellt, (GRUR Int 1999, 438 - BMW/Deenik), es aber von Anfang an in einem weiten Sinn verstanden. Fragt man zur Feststellung einer Markenverletzung nunmehr gemäß neueren Kriterien des Europäischen Gerichtshof (GRUR 2009, 756 - L'Oréal/Bellure) zusätzlich oder allein noch nach der Beeinträchtigung einer Markenfunktion durch die jeweils beanstandete Zeichennutzung, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (a.a.O.), wenn es - wie vorliegend - nicht um die Benutzung eines identischen Zeichens für identische Erzeugnisse im Sinne des Buchstabens a der genannten Vorschrift geht, sondern um die Benutzung eines nur ähnlichen Zeichens oder eine Zeichennutzung für nur ähnliche Erzeugnisse im Sinne des Buchstabens b), allein eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion als der Hauptfunktion der Marke in Betracht zu ziehen; die weiteren Markenfunktionen spielen dann keine Rolle. Gerade die Herkunftsfunktion einer geschützten Marke wird durch eine allein auf die Nämlichkeit der verwendeten Software hinweisende Angabe aber nicht beeinträchtigt.

Ohne Rücksicht auf die Frage einer markenmäßigen Benutzung scheitert der Unterlassungsanspruch des Streitfalls - so wie er sich jetzt darstellt - in jedem Fall aber an der ausdrücklichen Norm des Artikels 12 b) GMV, derzufolge eine Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht gibt, einem Dritten die Benutzung von Angaben über die Art und Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung zu verbieten, wenn diese Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

Die beanstandete Angabe "E. 2" erfolgt zur Bezeichnung eines bestimmten Computerprogramms und damit als Werktitel. Im Text des Werbeflyers wird darauf hingewiesen, das angebotene Gerät sei mit einem "Linux E. 2 Betriebssystem" ausgestattet. Die Angabe wird von den angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden, dass das Betriebssystem Linux mit der grafischen Benutzeroberfläche "E. 2" zur angebotenen Ausstattung des von der Antragsgegnerin beworbenen Receivers gehört. Die Kreise sehen demnach in der Angabe die namentliche Bezeichnung eines Computerprogramms. Für die Verwendungsform im Rahmen der Anzeige "About" bzw. "Über" gilt nichts anderes.

Allerdings ist es nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass der Verkehr in der Bezeichnung einer Software, also in einem Werktitel, auch einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses sieht (vgl. Hacker a.a.O. § 5 Rn. 77 und § 14 Rn. 175). Ein solches Verständnis liegt im Streitfall allerdings nicht nahe. Die Angabe "E." bzw. "E. 2" bezeichnet ein Softwareprogramm, welches urheberrechtlich unter den Bedingungen der GPLv2 lizenziert ist. Nach dieser Lizenz kann daher das Programm - bei Einhaltung ihrer Bedingungen - grundsätzlich von jedermann vervielfältigt, verbreitet und benutzt werden. Tatsächlich wird das System nicht nur von der Antragstellerin und der Antragsgegnerin unter der Bezeichnung verwendet, sondern bedient sich schon seit mehr als zehn Jahren eine Vielzahl von Herstellern auf dem Betriebssystem Linux basierender Set-Top-Boxen des Programms unter dieser Angabe - ein Umstand, den die Antragstellerin selbst bzw. deren Schwesterunternehmen werbend herausstellen. Die Angabe "E." begegnet den angesprochenen Verkehrskreisen mithin seit langem als Bezeichnung einer Open Source-Software unterschiedlicher betrieblicher Herkunft, also als Werktitel.

Aber auch ohne eine Vertrautheit des Verkehrs mit diesen Verhältnissen läge jedenfalls eine zulässige beschreibende Verwendung im Sinne des Art. 12 Buchstabe b) GMV vor. Ein unter einer freien Lizenz stehendes Computerprogramm ist in dieser Hinsicht einem Werk vergleichbar, dessen Urheberschutz abgelaufen ist. In einem solchen Fall, in dem Dritte das Werk reproduzieren dürfen, besteht für diese Dritten das Bedürfnis, das reproduzierte Werk auch zu bezeichnen (Hacker a.a.O. § 23 Rn. 79). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dem berechtigten Interesse an der Verwendung des Titels eines Werkes, dessen urheberrechtlicher Schutz abgelaufen ist und das daher von jedermann verwertet werden kann, gegebenenfalls im Rahmen des Schutzumfangs eines als Marke eingetragenen Werktitels nach § 23 Nr. 2 MarkenG Rechnung zu tragen (BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt). Die Interessenlage ist aber keine andere, wenn die Verwendung des Werkes von vorneherein aufgrund der Gewährung einer freien Lizenz urheberrechtlich zulässig ist. Auch dann besteht für den berechtigten Verwender die Notwendigkeit, auf die Nämlichkeit des Werkes hinzuweisen, also dessen Werktitel zu verwenden. Handelt es sich bei der an das System der Antragsgegnerin angepassten Software um das gleiche Werk und halten die Antragsgegnerin bzw. ihre Lieferantin die Bedingungen der GPLv2 ein, bringen sie daher die Software berechtigterweise als grafische Benutzeroberfläche zum Einsatz, verstößt die beanstandete Angabe auch nicht gegen die anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe.

An diesen Voraussetzungen fehlt es nicht deshalb, weil die Software der Antragsgegnerin in im Einzelnen streitigen Umfang an die verwendete Hardware angepasst worden ist, bestehende Fehlfunktionen behoben und einige sonstige Veränderungen vorgenommen worden sind. Die Software "E." begegnet dem Verbraucher als Open Source Programm, und zwar als grafische Benutzeroberfläche der Geräte verschiedener Hersteller. Die freie Nutzung setzt eine Anpassung des Programms an verschiedene Hardwareplattformen voraus. Das liegt auf der Hand, soweit die ursprüngliche Benutzeroberfläche Geräte gerade der Antragstellerin wiedergibt oder deren Marken anzeigt. Aber auch die Schaffung unterschiedlicher Bedienelemente und ein unterschiedlicher Funktionsumfang machen eine gewisse Anpassung der Software erforderlich. Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen bei derartigen Veränderungen jedenfalls so lange eine Übereinstimmung der Programme an, wie die wesentlichen Funktionen identisch sind und insbesondere von Drittanbietern angebotene Plug-Ins, also Ergänzungen, Verwendung finden können. Gerade die auf die Benutzeroberfläche aufsetzenden Programmergänzungen begründen die angesprochene Notwendigkeit, die Software mit ihrem Namen zu bezeichnen. Auch liegt ein Vergleich mit der Nutzung gemeinfrei gewordener Werke nicht fern: Bei solchen Werken kann es zu voneinander unabhängigen, zulässigen Bearbeitungen kommen (z.B. unterschiedliche Verfilmungen), die jeweils den Titel des gemeinfreien Werkes nutzen. Auch hinsichtlich einer solchen Titelnutzung ist davon auszugehen, dass sie als lautere beschreibende Verwendung zulässig ist (vgl. OLG München, GRUR-RR 2009, 307, 308 Der Seewolf; Hacker a.a.O. § 23 Rn. 80). Bezogen auf den Streitfall wird der Verkehr das von verschiedenen Anbietern seit Jahren aufgrund der Freilizenz erlaubterweise vertriebene und verschiedenen Plattformen angepasste Programm auch mit den hier gegebenen geringfügigen Änderungen und Anpassungen noch als das gleiche zu Recht den Namen "E." bzw. "E. 2" führende Open-Source-Werk ansehen. Dass die Anpassung über den erwarteten Umfang hinausgehen würde, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dies gilt insbesondere für die vom Verkehr erwartete Möglichkeit, für das System "E." entwickelte Programmergänzungen zu verwenden.

Soweit die Antragstellerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27. März 2012 über das Unstreitige hinaus vorträgt, in der Software sei noch die Abfrage eines "Securitychips herausgepatcht" worden, die in ihrer Software zur Überprüfung enthalten sei, ob sie auf einem Gerät der Antragstellerin bzw. ihrer Schwestergesellschaft laufe, bedarf es der beantragten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung - soweit sie im Eilverfahren überhaupt in Betracht käme - nicht, weil zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt werden kann, dass diese Angabe zutrifft, ohne dass dies die Berechtigung der Antragsgegnerin zur Verwendung der Bezeichnung "E." in Frage stellen würde. Auch eine solche Änderung entspräche den geschilderten Verkehrserwartungen.

Schließlich ist es nach dem Stand des Verfügungsverfahrens überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin und ihre Vorlieferanten die Lizenzbedingungen der GPLv2 einhalten. Das anfänglich pauschale Bestreiten der Antragstellerin reichte nicht aus. Die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin haben immer behauptet, die Lizenzbedingungen einzuhalten. Diese Behauptung genügte angesichts des erheblichen Umfangs und teilweise verschiedener Alternativen der jeweiligen Bedingungen. Es wäre - wie bei sonstigen negativen Tatsachen - Sache der Antragstellerin gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, welche konkreten Bedingungen die Antragsgegnerin nicht erfüllt haben sollte. Der Vortrag der Antragstellerin erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war überraschend. Ohne eine Verkürzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin kann er gegen sie nicht berücksichtigt werden. Von ihr konnte nämlich nicht erwartet werden, dass sie Material zur Widerlegung in der Sitzung bereithielt.

In erster Instanz hat die Antragstellerin die Ansicht vertreten, die GPLv2 erlaube keine kommerzielle Verwendung. Dies trifft allerdings - worauf die Antragsgegnerin hingewiesen hat - nicht zu. Die GPLv2 verbietet lediglich, für die Nutzung des Programms ein Entgelt zu verlangen. Der Verwendung in einer Hardware, die ihrerseits nur entgeltlich vertrieben wird, steht sie gerade nicht entgegen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Antragstellerin erstmals in Frage gestellt, dass die Antragsgegnerin bzw. deren Vorlieferantin ihrerseits den Quellcode zur Verfügung stellten und die Änderungen unter Urheberbenennung dokumentiert hätten. Auch füge sie die Lizenz nicht bei. Dem ist die Antragsgegnerin entgegen getreten und hat vorgetragen, die Lizenzbedingungen seien beigefügt, der Quellcode stehe im Internet zum Download bereit und dieser enthalte die nach der Lizenz erforderliche Dokumentation der Veränderungen. Selbst dann, wenn man in dem Vortrag der Antragstellerin nicht nur ein ins Blaue hinein erfolgtes Herausgreifen einzelner Klauseln sieht, war von der Antragsgegnerin angesichts des bis dahin fehlenden konkreten Sachvortrages über das bloß substantiierte Bestreiten des unerwartet Neuen hinaus eine Glaubhaftmachung nicht zu verlangen.

Gegenüber der beanstandeten Verwendung der Angabe "E." kann sich die Antragstellerin nach dem Gesagten genau so wenig auf einen Werktitel, der allein für sie geschützt wäre (§ 5 Abs. 3 MarkenG), stützen wie auf eine Marke ganz abgesehen davon, dass es insoweit an einem Verfügungsgrund fehlt. Der Anspruch ist erst nachträglich in das Eilverfahren eingeführt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil das Urteil kraft Gesetzes nicht revisibel ist (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Streitwert: 100.000,00 € (entsprechend der erstinstanzlichen Festsetzung)






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.04.2012
Az: I-20 U 176/11


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