Verwaltungsgericht Darmstadt:
Urteil vom 25. März 2011
Aktenzeichen: 5 K 1496/09.DA

(VG Darmstadt: Urteil v. 25.03.2011, Az.: 5 K 1496/09.DA)

1. Für den Ausschluss des Widerspruchsverfahrens gegen Kostenentscheidungen, wenn gegen die Sachentscheidung kein Rechtsbehelf eingelegt wird (Nr. 10.1 [jetzt: Nr. 9.1 Buchst. b] der Anlage zu § 16 a HessAGVwGO) ist es unerheblich, ob die Kostenentscheidung zusammen mit der Sachentscheidung in einem Bescheid oder getrennt in einem gesonderten Kostenbescheid erlassen wird; vielmehr ent-fällt in beiden Fällen das Widerspruchsverfahren.2. Entscheidet sich der Normgeber bei der Abfassung eines Gebührentatbestands in einer Verwaltungskostenordnung für die namentliche Erwähnung der Rechts-grundlage, auf der die gebührenpflichtige Amtshandlung beruht, unterfallen Amtshandlungen, die auf anderen Rechtsvorschriften beruhen, nicht der Gebüh-renpflicht dieser Regelung. 3. Gebührentatbestände können regelmäßig nicht durch Analogiebildung geschaffen werden.4. Seit Inkrafttreten des TKG 2004 darf mit einer Verwaltungsgebühr für eine Zu-stimmung nach § 68 Abs. 3 TKG 2004 nur der tatsächliche Verwaltungsaufwand abgegolten werden. Gemäß § 142 Abs. 6 TKG 2004 ist es unzulässig, die Gebühr auch nach dem Wert der Telekommunikationsleitung zu bestimmen, den sie für den Betreiber hat.5. Ein Rahmengebührentatbestand berechtigt die Behörde, die Gebühr nach Ermes-sen festzulegen. Für die gerichtliche Überprüfung der getroffenen Gebührenent-scheidung gilt § 114 VwGO.

Tenor

1. Der Gebührenbescheid des Amtes für Straßen- und VerkehrswesenA. vom 24.09.2009 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.050,00 EURnebst jährlich 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 16.10.2009 zuzahlen.

3 Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Amtes für Straßen-und Verkehrswesen A. vom 03.09.2009 insoweit unwirksam ist, alsdarin eine Gebühr in Höhe von 1.050,00 EUR festgesetzt wordenist.

4. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufigvollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durchSicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden,falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit inderselben Höhe leistet.

Tatbestand

Am 06.08.2009 beantragte die Klägerin beim Amt für Straßen- und Verkehrswesen A. die Zustimmung zur Verlegung einer Telekommunikationsleitung entlang der Landesstraße ... zwischen B. und C. nebst Aufstellung dreier Multifunktionsgehäuse.

Mit Bescheid des Amtes für Straßen- und Verkehrsweisen A. vom 03.09.2009 wurde die Zustimmung unter Auflagen erteilt. Zugleich enthielt der Bescheid unter VII. folgende Regelung:

€VII. Die Gebühr wird auf 1050 € festgesetzt.

Ziffer L/4141 (2 Kreuzungen) = 2 X 200 €= 400,00 €Ziffer L/41421 (1250 m Längsverlegung) = je 100 m X 50 €= 650,00 €_________= 1050,00 €Der Gebührenbescheid für diesen Bescheid geht in den nächsten Tagen separat bei Ihnen ein.€

Dem Bescheid ist eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werde könne. Soweit sich der Rechtsbehelf ausschließlich gegen die Kostenentscheidung richte, könne Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Darmstadt erhoben werden.

Unter dem 24.09.2009 erließ das Amt für Straßen- und Verkehrswesen A. einen weiteren Bescheid. Unter Bezugnahme auf €das Schreiben vom 03.09.2009€ heißt es dort lediglich:

€Die Verwaltungsgebühr wird auf

Ziffer L/41421 (1250 m Längsverlegung) = je 100 m X 50,- €= 650,- €Ziffer L/4141 (2 Kreuzungen) = 2 X 200,- €= 400,- € _________ = 1050,- €festgesetzt. (Verwaltungskostenverordnung für den Geschäftsbereich des Hess. Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 19.03.2004)€

Eine weitere Begründung enthält der Bescheid nicht. Es folgt eine Rechtsbehelfsbelehrung, die derjenigen des Bescheids vom 03.09.2009 entspricht und entweder den Widerspruch oder die Klage (falls nur die Kostenentscheidung angefochten werde) als zutreffenden Rechtsbehelf angibt.

Gegen den Bescheid vom 24.09.2009 hat die Klägerin am 16.10.2009 beim erkennenden Gericht Klage erhoben. Die Klage wendet sich nur gegen die erfolgte Kostenfestsetzung. Die Klägerin trägt vor, der Kostenfestsetzung fehle eine wirksame Ermächtigungsgrundlage. Die vom Amt für Straßen- und Verkehrswesen A. herangezogene Kostenverordnung betreffe Zustimmungen nach § 50 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz vom 25.07.1996 (BGBl. I S. 1120) € nachfolgend: TKG a. F. €. Die jetzige Zustimmung beruhe hingegen auf § 68 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz vom 22.06.2004 (BGBl. I S. 1190) € nachfolgend: TKG 2004 €. Die herangezogene Ermächtigungsgrundlage sei zu unbestimmt. Außerdem orientierten sich die erhobenen Gebühren nicht allein am Kostendeckungsprinzip, wie es § 142 Abs. 6 TKG 2004 vorschreibe, sondern enthielten Wertgebührenelemente, die den wirtschaftlichen Vorteil der Leitungen berücksichtigten. Zudem sei der Längenmaßstab keine taugliche Tarifgrundlage. Es sei durchaus möglich, dass die Prüfung einer Telekommunikationslinie in einem Ballungsgebiet einen mehrfach höheren Aufwand nach sich ziehe als die Verlegung in einem Neubaugebiet. Letztlich sei die Festsetzung auch ermessensfehlerhaft erfolgt. Inwiefern der Gebührenrahmen für Längsverlegungen, der zwischen 50,00 und 100,00 EUR je angefangene 100 Meter betrage und im Falle einer Kreuzung mit zwischen 100,00 und 350,00 EUR anzusetzen sei, vertretbar ausgeschöpft worden sei, lasse die Entscheidung nicht erkennen, da ihr jede nähere Begründung fehle.

Der Begleichung der Gebührenschuld kam die Klägerin unter Vorbehalt nach.

Nachdem der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auf den Hinweis der Gerichts, die Gebührenregelung im Bescheid vom 03.09.2009 sei bisher nicht angefochten worden, entgegnete, insoweit sei die Gebührenregelung vom 03.09.2009 möglicherweise bestandskräftig geworden, beantragt der Kläger zuletzt,

1. den Gebührenbescheid des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen A. vom 24.09.2009 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.050,00 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz jährlich ab 16.10.2009 zu zahlen,

3 festzustellen, dass der Bescheid vom 03.09.2009 insoweit unwirksam ist, als darin eine Gebühr in Höhe von 1.050,00 EUR festgesetzt worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, die Klage sei bereits unzulässig. Bei dem Gebührenbescheid handele es sich um einen eigenständigen Bescheid, der nicht unter Nr. 10.1. der Anlage zu § 16 a HessAGVwGO falle, weshalb zunächst Widerspruch hätte eingelegt werden müssen. § 3 der angewendeten Kostenverordnung bestimme, dass die in den Gebührentatbeständen zitierten Rechtsvorschriften in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden seien. § 50 Abs. 3 TKG a. F. werde zudem nur in der Abschnittsüberschrift zitiert, nicht hingegen in den einzelnen Gebührentatbeständen. § 3 HessVwKG sei ergänzend anzuwenden; hiernach sei eine Berücksichtigung der Bedeutung und des wirtschaftlichen Nutzens der Amtshandlung für den Begünstigten bei der Bemessung der Gebühren zulässig. Der im Rahmen der Gebührenfestsetzung gewählte Mittelwert von 200,00 EUR für eine Kreuzung decke den Verwaltungsaufwand; insoweit sei es Sache der Klägerin darzulegen, warum die Gebühr unangemessen hoch sein soll.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungs-, Feststellungs- und allgemeine Leistungsklage zulässig. Ein Vorverfahren war hinsichtlich des Anfechtungs- und Leistungsteils der Klage nicht durchzuführen. Gemäß Nr. 10.1 der Anlage zu § 16 a HessAGVwGO in der vor Inkrafttreten des Gesetzes v. 29.11.2010 (GVBl. I S. 421) geltenden Fassung entfiel ein Widerspruchsverfahren unter anderem für den Fall, dass gegen die gebührenpflichtige Amtshandlung, auf die sich die Kostenentscheidung bezieht, nicht Widerspruch oder bei Entfallen des Vorverfahrens nicht Klage erhoben wird. Diese Voraussetzungen liegen hier unzweifelhaft vor, denn die erteilte Zustimmung hat die Klägerin bestandskräftig werden lassen und das geplante Vorhaben realisiert; sie wendet sich allein gegen die Kostenentscheidung.

Ob Hauptregelung und Kostenentscheidung in einem oder in zwei Akten ergehen, ist entgegen der Auffassung des Beklagten unerheblich. Zweck der Regelung ist es, das Widerspruchsverfahren entfallen zu lassen, wenn nur über die Kosten gestritten wird. Nach der amtlichen Begründung zur Urfassung des § 16 a HessAGVwGO ist der Anteil der Fälle, in denen eine Überprüfung im Widerspruchsverfahren zu einem anderen Ergebnis der Kostenschuld führe, wegen der rechtlichen Gebundenheit der Entscheidung oder bei Rahmengebühren wegen des eingeschränkten Ermessens als sehr gering einzustufen (LT-Drs. 15/2347, S. 5). Ausdrücklich heißt es weiter (LT-Drs. 15/2347, S. 9 zur Urfassung des § 16 a Satz 1 Nr. 3 b HessAGVwGO, der mit der späteren Nr. 10.1 der Anlage zu § 16 a HessAGVwGO übereinstimmt):

€Weiterhin vorgesehen ist der Wegfall des Vorverfahrens für die Fälle, in denen der Kostenschuldner sich darauf beschränkt, nur gegen die Kostenentscheidung der Ausgangsbehörde vorzugehen, während die Sachentscheidung nicht mit einem Widerspruch oder bei Entfallen des Vorverfahrens nicht mit einer Klage angefochten wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kostenentscheidung zusammen mit der Sachentscheidung in einem Bescheid oder getrennt in einem gesonderten Kostenbescheid erlassen wird.€ (Hervorhebung vom Gericht).

Die gegenteilige Auffassung des Beklagten trifft daher ersichtlich nicht zu.

Hinsichtlich des Leistungsbegehrens ergibt sich die Zulässigkeit der Klage aus einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Regelung wird € auch jenseits des Vollzugs durch die Verwaltung € ein allgemeiner Anspruch auf Rückgängigmachung der weiter anhaltenden rechtswidrigen Folgen eines aufgehobenen Verwaltungsaktes entnommen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 13 Rdnr. 80 ff.). Kommt die Klägerin dem Verwaltungsakt daher freiwillig nach, steht ihr mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes zugleich dieser Folgenbeseitigungsanspruch zu.

Auch der Feststellungsteil der Klage ist zulässig. Er beruht auf § 43 Abs. 1 VwGO, wonach mit der Feststellungsklage die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden kann. An der beantragten Feststellung hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse, denn einerseits ist trotz des Zusatzes, dass ein gesonderter Gebührenbescheid noch ergehe, durch die gleichwohl erfolgte rechtsförmliche Festsetzung nebst hierauf bezogener Rechtsbehelfsbelehrung der Rechtsschein einer wie auch immer gearteten Wirksamkeit einer Regelung gesetzt worden, und andererseits hat der Behördenvertreter durch seine Bemerkung in der mündlichen Verhandlung, der Bescheid vom 03.09.2009 mit der Kostenregelung sei wohl bestandskräftig geworden, Anlass zu neuen Spekulationen gegeben, die Behörde könne diesen Bescheid nunmehr zur Grundlage einer Vollstreckung ihrer Kostenforderung machen. Ein Feststellungsinteresse ist € schon allein schon wegen der irreführenden Verfahrensweise des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen A. € zu bejahen.

Dieser Antrag konnte auch mehr als 1 ½ Jahre nach Erlass des Bescheids noch gestellt werden, da er an die Einhaltung der einjährigen Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO € einjährig deswegen, weil in beiden Bescheiden ein falsche Gerichtsadresse angegeben wurde € nicht gebunden ist.

Die hiernach zulässige Klage ist auch in allen Punkten begründet.

Der angegriffene Bescheid vom 24.09.2009 ist offensichtlich rechtswidrig. Es fehlt ihm bereits an einer ausreichenden Rechtsgrundlage.

Zu Recht wendet die Klägerin ein, die kostenpflichtige Amtshandlung beruhe auf § 68 Abs. 3 TKG 2004 und nicht auf § 50 Abs. 3 TKG a. F. Lediglich die Amtshandlung nach § 50 Abs. 3 TKG a. F. ist jedoch gebührenpflichtig. Die hier fraglichen Gebührentatbestände des Verwaltungskostenverzeichnisses zu § 1 der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung € nachfolgend: VwKostO-MWVL € vom 19.03.2004 (GVBl. I S. 114) lauten:

Nr.GegenstandBemessungsgrundlageGebühr EUR414Zustimmung nach § 50 Telekommunikationsgesetz 4141Kreuzung einer Leitung mit einer öffentlichen Straßeje Leitung100 bis 3504142Längsverlegung einer Leitung an einer öffentlichen Straße41421Streckenlänge bis 1 kmje 100 m50mindestens 10041422Streckenlänge mehr als 1 kmje km500Aus der fett gedruckten Überschrift dieses Abschnitts ergibt sich bereits, dass die nachfolgend aufgeführten Einzeltatbestände allein Zustimmungshandlungen nach § 50 TKG a. F. und damit auf keiner anderen Rechtsvorschrift beruhend betreffen. Entscheidet sich der Verordnungsgeber € wie hier € für eine namentliche Erwähnung der Rechtsgrundlage, auf der die gebührenpflichtige Amtshandlung beruht, unterfallen Amtshandlungen, die auf anderen Rechtsvorschriften beruhen, nicht der Gebührenpflicht dieser Regelung (wie hier VG Osnabrück, Urt. v. 22.06.2007 € 2 A 268/05 €, Umdruck S. 5).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 3 VwKostO-MWVL, wonach die im Verwaltungskostenverzeichnis genannten Rechtsvorschriften in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind. Diese Vorschrift gebietet vorliegend nur, diejenige Fassung des § 50 TKG anzuwenden, die im Zeitpunkt der Amtshandlung galt. Am 03.09.2009 regelte § 50 TKG jedoch €Zugangsberechtigungssysteme€ und enthielt an keiner Stelle ein Zustimmungserfordernis. Der Gebührentatbestand läuft daher seit der Neufassung des TKG 2004 leer.

Der Zustimmungen nach § 50 Abs. 3 TKG a. F. betreffende Gebührenkatalog kann auch nicht analog auf Zustimmungen nach § 68 Abs. 3 TKG 2004 angewendet werden. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG entwickelte Bestimmtheitsgebot fordert im Bereich des Gebühren- und Beitragsrechts eine dem jeweiligen Zusammenhang angemessene Regelungsdichte, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließt (BVerfG, Beschl. v. 17.07.2003 € 2 BvL 1/99, 2 BvL 4/99, 2 BvL 6/99, 2 BvL 16/99, 2 BvL 18/99 €, NVwZ 2003, 1241 [1247]; BVerwG, Beschl. v. 20.08.1997 € 8 B 170/97 €, NVwZ 1998, 408 [409]). Gebührenforderungen, die erst über Gesetzesanalogien zum Entstehen gebracht werden, sind mit dieser Verpflichtung nicht vereinbar.

Auch materiellrechtlich besteht kein Anlass, vorliegend eine Analogie zuzulassen. Bis zur Neuverkündung des TKG am 25.06.2004 und seinem Inkrafttreten einen Tag später brauchte die Gebühr für eine Zustimmung nach § 50 Abs. 3 TKG a. F. nicht dem strengen Kostendeckungsprinzip zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war das Landesrecht zuvor nämlich nicht gehindert, neben der Kostendeckung weitere Ziele zu verfolgen und bei den Gebührenmaßstäben auch den Wert der staatlichen Leistung zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 30.05.2002 € 6 B 3/02 €, juris). Diese Option wollte das TKG 2004 ausdrücklich verschließen. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollten die Wegebaulastträger in ihrem Zuständigkeitsbereich Regelungen erlassen können, nach denen lediglich Verwaltungskosten abdeckende Gebühren und Auslagen für die Erteilung von Zustimmungsbescheiden nach § 68 Abs. 3 TKG 2004 zur Nutzung öffentlicher Wege erhoben werden können, wobei eine Pauschalierung zulässig sei. Diese in der Regierungsvorlage als § 140 Abs. 6 E-TKG 2004 aufgenommene Regelung (vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 51) stieß auf den Widerstand des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme eine alternative Fassung vorschlug, die wie folgt lauten sollte (BT-Drs. 15/2316, S. 126/127):

€Die Wegebaulastträger können in ihrem Zuständigkeitsbereich Regelungen erlassen, nach denen für die Erteilung von Zustimmungsbescheiden nach § 66 Abs. 3 [später: § 68 Abs. 3 TKG 2004, Anm. des Gerichts] zur Nutzung öffentlicher Wege Verwaltungsgebühren und Auslagen erhoben werden können.€

Zur Begründung führte der Bundesrat aus:

€Die Klarstellung der grundsätzlichen Zulässigkeit der Erhebung von Verwaltungsgebühren für Amtshandlungen nach § 66 Abs. 3 TKG-E ist zu begrüßen. Die vorgesehene Beschränkung auf das Kostendeckungsprinzip ist jedoch nicht berechtigt. Wie das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Mai 2002, Az. 6 B 3/02 für die Erteilung von Zustimmungen nach dem TKG ausdrücklich klargestellt hat, verbleibt den Ländern im Rahmen der zu beachtenden bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung hinsichtlich der Gebührenhöhe ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsraum. Das Landesrecht ist insbesondere nicht gehindert, neben der Kostendeckung weitere Ziele zu verfolgen und bei den Gebührenmaßstäben auch den Wert der staatlichen Leistung zu berücksichtigen. Diesen Grundsätzen steht auch das unentgeltliche Wegebenutzungsrecht für öffentliche Zwecke nach dem TKG nicht entgegen.€

Mit diesem Vorschlag erklärte sich die Bundesregierung jedoch nicht einverstanden. In ihrer Gegenäußerung vom 14.01.2004 (BT-Drs. 15/2345, S. 10) führte sie aus:

€Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag nicht zu.

Die Zulässigkeit, Verwaltungsgebühren für Amtshandlungen nach § 66 Abs. 3 TKG-E zu erheben, muss auf das Kostendeckungsprinzip beschränkt bleiben, weil die Nutzungsberechtigung der Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien nach dem TKG unentgeltlich ist. Mit § 140 Abs. 6 TKG-E soll den Kommunen lediglich die Möglichkeit gegeben werden, ggf. den erhöhten Aufwand bei der Zustimmungserteilung verursachergerecht durch die Erhebung von Gebühren zu decken. Andere Ziele dürfen mit dieser Festlegung nicht verfolgt werden.€

Der ursprüngliche Regierungsentwurf wurde schließlich als § 142 Abs. 6 TKG 2004 Gesetz.

Aus der Entstehungsgeschichte wird deutlich, dass mit dem Inkrafttreten des TKG 2004 eine qualitative Änderung des Gebührenbemessungsrechts in Kraft getreten ist. Die früher für zulässig gehaltenen Wertabschöpfungsanteile bei der Gebührenbemessung dürfen künftig nicht mehr in die Gebühren eingearbeitet sein. Die gegenteilige Auffassung des Beklagten trifft daher nicht zu; § 3 Abs. 1 Satz 2 HessVwKG, wonach die Bedeutung der Amtshandlung für den Empfänger der Amtshandlung zum Zeitpunkt ihrer Beendigung zu berücksichtigen sei, ist auf die Gebühr für die Zustimmung nach § 68 Abs. 3 TKG 2004 nicht anwendbar.

Die herangezogene Gebührenordnung dürfte € unabhängig von der schon durch die Gesetzesänderung erforderlich werdenden Überprüfung € zudem gegen § 3 Abs. 3 HessVwKG verstoßen. Nach dieser Vorschrift ist in einem Abstand von zwei Jahren zu prüfen, ob die Gebührensätze zu ändern sind, weil sie nicht mehr den Grundsätzen des § 3 Abs. 1 HessVwKG entsprechen. In die Gebühr darf unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips nur der tatsächliche Verwaltungsaufwand € mithin der Personal- und Sachaufwand und kalkulatorische Kosten (§ 3 Abs. 2 HessVwKG) € einfließen. Außerdem soll die Gebühr den Verwaltungsaufwand nicht unterschreiten, aber auch nicht in einem Missverhältnis zur Amtshandlung stehen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 und 4 HessVwKG). Die inzwischen mehr als siebenjährige Untätigkeit des Verordnungsgebers, wenigstens die Rechtsgrundlage im Gebührentatbestand 414 auf den aktuellen Rechtsstand zu bringen, deutet darauf hin, dass dieser gesetzlichen Pflicht bisher nicht entsprochen worden ist.

Zu Recht wendet die Klägerin ein, die in Rede stehenden Gebührensätze der VwKostO-MWVL verstießen gegen das Äquivalenzprinzip. In Anbetracht der vom Beklagten vorgelegten Berechnungen einzelner Straßenämter aus dem Jahre 1997 dürfte der tatsächliche Verwaltungsaufwand weit unter den Gebührensätzen der VwKostO-MWVL liegen. So hat das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Frankfurt am Main 1997 einen durchschnittlichen Aufwand bei der Prüfung der Längsverlegung von Leitungen von umgerechnet 126,00 EUR je Kilometer errechnet. Das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Schotten hat 1997 einen Verwaltungskostenaufwand von umgerechnet 153,00 EUR für Leitungen mit einer Länge zwischen 500 und 1.000 Meter und von 256,00 EUR einheitlich für Leitungen ab 1.000 Meter, ungeachtet ihrer Gesamtlänge, als kostendeckend erachtet. Die VwKostO-MWVL des Jahres 2004 setzt demgegenüber in Nr. 41421 des Verwaltungskostenverzeichnisses eine Gebühr von 50,00 EUR je 100 Meter Leitungslänge bei einer Gesamtlänge von einem Kilometer Streckenlänge, mindestens jedoch 100,00 EUR, und nach Nr. 41422 des Verwaltungskostenverzeichnisses eine Gebühr von 500,00 EUR je Kilometer für Streckenlängen von mehr als einem Kilometer an. Auch unter Berücksichtigung einer jährlichen Inflationsrate von 1 bis 3 % dürften die angesetzten Gebühren auch heute noch überhöht sein.

Weniger grundsätzliche Bedenken bestehen gegen die festgelegte Rahmengebühr von 100,00 bis 350,00 EUR gemäß Nr. 4141 des Verwaltungskostenverzeichnisses für die Kreuzung einer Leitung mit einer Straße. Denn eine Rahmengebühr eröffnet der Behörde die Möglichkeit, die Gebühr nach Ermessen (vgl. hierzu OVG Berlin, Urt. v. 25.08.1992 € 8 B 59.91 €, juris, Rdnr. 18 und 22) unter Berücksichtigung ihres individuellen Kostenaufwands zu bestimmen. Hierzu ist es allerdings erforderlich, die Berechnungsgrundlage des jeweiligen Sach- und Zeitaufwands der an der Amtshandlung beteiligten Bediensteten zu ermitteln, zu bewerten und bei der Gebührenfestsetzung mitzuteilen. Das Verwaltungsgericht prüft im Streitfalle nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Mit der unbegründet gebliebenen Festsetzung der Gebühr in Höhe von einheitlich je 200,00 EUR für zwei Straßenkreuzungen € soweit ersichtlich handelt es sich dabei um den im Bereich der Brücke über die D. erforderlichen Wechsel der Leitung vom nördlichen zum südlichen Straßenrand und zurück wegen des in der Brücke bereits vorhandenen Leerrohrs € kann die Vertretbarkeit der angesetzten Gebühr nicht nachvollzogen werden. Vieles spricht dafür, dass die Gebühr willkürlich und nicht am individuellen Aufwand orientiert festgesetzt worden ist.

Soweit der Beklagte einwendet, es sei Sache der Klägerin vorzutragen, warum die Gebühr überhöht sei, verkennt er die Rechtslage. Es ist vielmehr Sache der Behörde, im Gebührenbescheid darzulegen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Gebühr errechnet wurde. Hierzu ist die Behörde gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 HessVwVfG verpflichtet. Ist die Berechnung der Rahmengebühr nicht nachvollziehbar, ist von einem Ermessensfehlgebrauch auszugehen. Fehlen Ermessenserwägungen € wie hier € vollständig, können sie auch nicht mehr gemäß § 114 Satz 2 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 113 Rdnr 72). Schon allein wegen einer fehlenden nachvollziehbaren Begründung ist die Kostenentscheidung insoweit aufzuheben.

Im Übrigen kann die Gebührenforderung auch nicht auf § 2 Abs. 2 HessVwKG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift wird für eine Amtshandlung, für die noch kein Gebührentatbestand bestimmt ist, längstens bis zum Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten der Rechtsvorschrift, auf der die Amtshandlung beruht, eine Gebühr bis zu 5.000 EUR erhoben. Es kann offen bleiben, ob diese Regelung mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang steht. Jedenfalls war die gesetzliche Jahresfrist am 26.06.2005 abgelaufen. Im Jahre 2009 kann die Vorschrift somit nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage für den streitigen Gebührenbescheid bemüht werden.

Der geltend gemachte Zinsanspruch für Prozesszinsen beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 291 i. V. mit § 288 Abs. 2 BGB (BVerwG, Beschl. v. 21.01.2010 € 9 B 66.08 €, DVBl. 2010, 575 [577]).

Auch der Feststellungsantrag ist begründet. Einerseits im Bescheid vom 03.09.2009 eine Gebühr förmlich festzusetzen, die betroffenen Gebührentatbestände mitzuteilen, aus denen sich der Gesamtbetrag rechnerisch ergibt, in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hinzuweisen, dass die Anfechtungsklage gegeben sei, soweit sich der Rechtsbehelf €ausschließlich gegen die Kostenentscheidung€ richte, andererseits aber zugleich mitzuteilen, dass ein Gebührenbescheid für diesen Betrag € trotz der bereits unzweifelhaft erfolgten Gebührenfestsetzung € in den nächsten Tagen noch separat ergehe, weckt bei dem Empfänger die Frage nach der Sinnhaftigkeit und der rechtlichen Bedeutung dieses und des noch angekündigten weiteren Gebührenbescheids. In der Widersprüchlichkeit der behördlichen Vorgehensweise, die den Empfänger des Bescheides verunsichert, liegt zugleich ein nicht hinnehmbarer besonders schwerwiegender Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände auch offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 HessVwVfG). Die Gebührenfestsetzung im Bescheid vom 03.09.2004 ist daher nichtig und somit keine taugliche Grundlage für eine Gebührenforderung. Das besondere Interesse an einer entsprechenden Feststellung hat die Klägerin in ausreichendem Maße dargelegt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i. V. mit § 167 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert wird endgültig auf 2.100,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 GKG. Der zuletzt gestellte Feststellungsantrag betrifft einen bisher nicht streitigen Bescheid und damit einen neuen Streitgegenstand, der mit einem weiteren Betrag in Höhe der Gebührenforderung anzusetzen ist.






VG Darmstadt:
Urteil v. 25.03.2011
Az: 5 K 1496/09.DA


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