Landgericht Nürnberg-Fürth:
Urteil vom 20. Februar 2012
Aktenzeichen: 1 HK O 9414/11, 1 HK O 9414/11

(LG Nürnberg-Fürth: Urteil v. 20.02.2012, Az.: 1 HK O 9414/11, 1 HK O 9414/11)

Tenor

I. Die Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten € Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann €, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, wegen jeder Zuwiderhandlung, verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen unter Angabe von Preisen zu werben, ohne den tatsächlichen Endpreis einschließlich der anfallenden Frachtkosten anzugeben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 18.500 vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf € 16.000 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.

Die Klägerin ist eine eingetragene rechtsfähige Vereinigung von Gewerbetreibenden und Verbänden von Gewerbetreibenden zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs auf dem Gebiet des Kraftfahrzeuggewerbes, die satzungsmäßig die Einhaltung von Wettbewerbsbestimmungen überwacht und Wettbewerbsverstöße verfolgt.

Die Beklagte betreibt ein Autohaus in € . Am 01.06.2011 bewarb die Beklagte den Verkauf von Fahrzeugen der Modelle Ford KA Ambiente und Ford Fiesta Trend mit der im folgenden wiedergegebene Anzeige in der Lokalpresse:

...

Mit Schreiben vom 28.07.2011 hat die Klägerin die Beklagte abgemahnt und zur Abgabe eines strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte hat die Erklärung nicht abgegeben.

Die Klägerin ist der Ansicht, da die Beklagte einen Endpreis einschließlich Frachtkosten nicht angebe, gehe der Verbraucher aufgrund der Gestaltung der Anzeige zwangsläufig davon aus, dass der Preis für die beworbenen Fahrzeuge nur € 7.990 und € 10.990 betrage. Dabei komme es nicht darauf an, ob Verbraucher in der Lage sei, den Endpreis der beworbenen Fahrzeuge zu ermitteln, indem er die angegebenen Frachtkosten zu dem "Hauspreis" addiere. Denn der Verbraucher müsse wegen der Gestaltung der Anzeige annehmen, der angegebene Preis sei der Endpreis. Damit verstoße die Beklagte gegen §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG, § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 PAngV sowie gegen § 5 a Abs. 3 Ziffer 3 UWG. Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte auch § 5 a Abs. 2 UWG verletze, sei auch die Voraussetzung des § 3 Abs. 2 UWG als erfüllt anzusehen.

Die Klägerin hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen, für den Verkauf von Kraftfahrzeugen unter Angabe von Preisen zu werben, ohne den tatsächlichen Endpreis einschließlich der anfallenden Frachtkosten anzugeben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, § 5 a UWG und die Vorschriften der PAngV seien bereits deshalb nicht einschlägig, weil die Beklagte nicht mit einem Endpreis werbe, sondern mit einem "ab-Preis". Zudem werde der Verbraucher in der Anzeige deutlich darauf hingewiesen, dass zu dem beworbenen Preis € 650 Frachtkosten hinzukämen. Der Endpreis könne von dem Verbraucher daher durch eine einfache Rechenoperation mühelos errechnet werden. Es liege somit jedenfalls ein Bagatellfall im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UWG vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Beweis ist nicht erhoben worden.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Klagebefugnis der Klägerin gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist ersichtlich gegeben und zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Die Klägerin ist eine eingetragene rechtsfähige Vereinigung von Gewerbetreibenden und Verbänden von Gewerbetreibenden zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs auf dem Gebiet des Kraftfahrzeuggewerbes, die satzungsmäßig die Einhaltung von Wettbewerbsbestimmungen überwacht und Wettbewerbsverstöße verfolgt. Dass die Klägerin den satzungsgemäßen Zweck tatsächlich verfolgt und dass ihr eine hinreichende Anzahl von Mitgliedern angehört, deren Interessen von der streitgegenständlichen Zuwiderhandlung berührt sind und die aus diesem Grunde anspruchsberechtigt sind, hat die Klägerin dargelegt und ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.

II. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 PAngV im beantragten Umfange zu.

1. Die Beklagte hat durch die beanstandete Werbung gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV verstoßen.

16Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer oder sonstiger Preisbestandteile unabhängig von einer Rabattgewährung zu zahlen sind (Endpreise). Zu den "sonstigen Preisbestandteilen" gehören die Überführungskosten für Kraftfahrzeuge jedenfalls dann, wenn sie, wie hier, mangels eines Angebots an den Kunden, das Fahrzeug selbst beim Hersteller abzuholen, obligatorisch anfallen (Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., 2012, Rz. 18 zu § 1 PAngV, Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl. 2011, Rz. 13 zu § 1 PAngV, jeweils m. w. N.). Denn der Verkauf des Fahrzeugs erscheint jedenfalls in diesen Fällen aus Sicht der Letztverbraucher als ein einheitliches Leistungsangebot und Gegenstand eines einheitlichen Vertragsschlusses. Die Überführung des Fahrzeugs zum Händler wird dem Kunden nach seinem Verständnis nicht als gesonderte Leistung angeboten.

Daran ändert vorliegend nichts, dass die Beklagte den beworbenen Preis als "ab-Preis" bezeichnet. Denn der Verkehr ist an "ab-Preise" im Kfz-Handel gewöhnt. Er versteht diese "ab-Preise" so, dass sich der Preis bei zusätzlicher Ausstattung des Fahrzeugs erhöht. Er wird daher zwar erkennen, dass der Preis für die Fahrzeuge nicht im Voraus berechnet ist, eine Preismehrung jedoch immer nur dann annehmen, wenn er weitere Ausstattungsmerkmale, nicht jedoch, wenn er das beworbene ausstattungsärmste Modell wählt. Stets wird er annehmen, dass die Überführung im Leistungsangebot des Händlers € unabhängig von den gewählten Ausstattungsmerkmalen € enthalten ist. Hinzu kommt die besondere Gestaltung der Anzeige, die den Preis ohne Fracht blickfangartig hervorhebt, wobei dieser Preis geringfügig unter € 8.000 bzw. € 11.000, einschließlich Fracht jedoch deutlich darüber liegt. Ersichtlich hat die Beklagte die Werbung so gestaltet, um bei dem durchschnittlich aufmerksamen Betrachter der Anzeige den Eindruck zu erwecken, die Modelle kosteten "um" € 7.000 bzw. € 10.000.

Somit hat die Beklagte, die gerade keinen Endpreis ausgewiesen hat, sondern die Kosten der Überführung gesondert genannt hat, gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV verstoßen.

2. In diesem Verstoß liegt zugleich unlauteres Verhalten gem. § 4 Nr. 11 UWG.

Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. § 1 Abs. 1 PAngV ist eine Markverhaltensregel in diesem Sinne.

Zweck der Vorschrift ist es, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung des Verbrauchers gegenüber den Unternehmen zu stärken und zu fördern (vgl. Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rz. 11.142 zu § 4 m. w. N.). Die Norm hat somit zum einen die Funktion, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen (zu dieser Voraussetzung vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2009, Az. I ZR 152/07, Rz. 18, zitiert nach juris/das Rechtsportal), zum anderen weist sie eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion auf (zu dieser Voraussetzung vgl. BGH a. a. O., Rz. 23).

Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung von § 4 Nr. 11 UWG nicht entgegen. Zwar hat die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in ihrem Anwendungsbereich gem. Art. 3 der Richtlinie zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt (vgl. BGH Urteil vom 29.04.2010, I ZR 23/08 und Urteil vom 04.02.2010, I ZR 66/09, jeweils zitiert nach juris/das Rechtsportal) und regelt daher die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, wie insbesondere die in diesem Verhältnis bestehenden Informationspflichten, abschließend. Dementsprechend kann ein Verstoß gegen solche nationalen Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG nur noch insoweit begründen, als die betreffenden € hier: in § 1 Abs. 1 PAngV aufgestellten € Informationspflichten eine Grundlage im Gemeinschaftsrecht haben. Diese Voraussetzung ist jedoch vorliegend erfüllt. Mit der Vorschrift wird die in Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 lit a) der Richtlinie 1998/6/EG über den Schutz des Verbrauchers bei der Angabe der Preise und in Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken normierte Pflicht zur Angabe des Endpreises in deutsches Recht umgesetzt.

3. Die beanstandete Werbung der Beklagten ist schließlich geeignet, die durch die § 1 Abs. 1 PAngV geschützten Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen und diese damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UWG.

24Allein aus dem Umstand, dass der Verbraucher grundsätzlich den Endpreis einschließlich Überführungskosten ermitteln kann, folgt nicht, dass ein Bagatellverstoß vorliegt. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass eine Reihe von Obergerichten eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne der genannten Vorschriften dann verneint haben, wenn der Adressat der Werbung Grund- oder Endpreis leicht selbst errechnen konnte (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 10.12.2009, 4 U 156/09, Rz. 47, für einen Verstoß gegen § 2 PAngV und OLG Hamm, Urteil vom 25.11.2004, 4 U 137/04, Rz. 9 f, für einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV, jeweils zitiert nach juris/das Rechtsportal). Die Beklagte enthält jedoch, wie ausgeführt, Informationen vor, die sie gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zu machen hat. Um den Vorrang der Wertungen dieses Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, ist § 3 UWG richtlinienkonform auszulegen. Dies hat zur Folge, dass die Vorenthaltung von Informationen, die nach § 5 a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 UWG, der die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in deutsches Recht umsetzt, wesentlich sind, stets spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UWG ist. Einer zusätzlichen Prüfung, ob die angegriffene Werbung geeignet ist, die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt ist, bedarf es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2010, I ZR 66/09, zitiert nach juris/das Rechtsportal, für einen Verstoß gegen die Verpflichtung zu Angaben nach der PKW-EnVKV und Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rz. 8 e a. E. zu § 3).

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.






LG Nürnberg-Fürth:
Urteil v. 20.02.2012
Az: 1 HK O 9414/11, 1 HK O 9414/11


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