Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. April 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 244/02

(BPatG: Beschluss v. 21.04.2004, Az.: 28 W (pat) 244/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die IR-Marke 670 602 WILDLAND sucht für die Waren 5 Produits hygieniques; substances dietetiques à usage medical.

29 Fruits et legumes seches et cuits; lait et produits laitiers; huiles et graisses comestibles.

30 Riz, preparations faites de cereales; sucre, farines, p‰tisserie; miel, vinaigre, sauces (condiments) ; epicesum Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach.

Hiergegen hat die Inhaberin der rangälteren Marke 395 51 457 siehe Abb. 1 Widerspruch erhoben. Diese Marke ist für eine Vielzahl von Waren eingetragen, nämlich Joghurt, Frucht- und Kräuterjoghurt, Fruchtspeisequark, alkoholfreie Milchmischgetränke; Fertigdesserts, im wesentlichen aus Milch, Joghurt, Quark und/oder Sahne; Milchgetränkepulver, auch mit Zusatz von Cerealien; Fruchtzubereitungen zur Herstellung von Milcherzeugnissen; sämtliche Erzeugnisse (soweit möglich) auch als diätetische Erzeugnisse für medizinische und nichtmedizinische Zwecke und/oder als kalorienarme Erzeugnisse; Getreidepräparate für Nahrungszwecke; Zucker und Schokoladewaren, auch in Riegelform; feine Back- und Konditorwaren, insbesondere gefüllte Waffeln und Kekse mit Cremefüllung; Speiseeis, insbesondere Eiskrem in Konfektform, Speiseeiszubereitungen zum Selbstgefrieren, bestehend aus Fruchtextrakten auf Milch- oder Wasserbasis; aromatisierte Mineralwässer und andere kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare; Grundstoffe und Essenzen (soweit in Klasse 32 enthalten) für die Herstellung vorgenannter Getränke.

Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr verneint, denn es handle sich bei der jüngeren Marke "WILDLAND" um einen Gesamtbegriff mit einem von der älteren Marke "WILD" abweichenden Bedeutungsinhalt. Trotz zum Teil identischer oder sehr ähnlicher Vergleichswaren reiche der Markenabstand sowohl in unmittelbarer als auch in mittelbarer Hinsicht aus, da "WILD" für die betroffenen Waren kennzeichnungsschwach sei und sich die angegriffene Marke von ihrer Zeichenbildung her nicht in die von der Widersprechenden geltend gemachten Zeichenserie einreihen lasse, so dass für eine Herauslösung des Bestandteils "WILD" kein Anlass bestünde.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und insbesondere auf die Identität bzw. große Nähe der Waren hingewiesen, die einen erheblichen Markenabstand erfordere, der von der jüngeren Marke nicht eingehalten werde. Beide Marken seien von dem Bestandteil "WILD" geprägt, zumal der Zusatz "LAND" in der angegriffenen Marke als bloßer Hinweis auf eine Betriebsstätte mit großer Verkaufsfläche oder großem Warenangebot üblich geworden sei. Zudem besitze ihre Widerspruchsmarke einen erhöhten Schutzumfang aufgrund starker Benutzung auch als Firmenname, der auch Grundlage einer Markenserie sei. Ob dieser Stamm in Ein- oder Mehrwortmarken verwendet werde, trete klanglich nicht in Erscheinung, so dass sich die jüngere Marke in ihre Serie einreihen lasse.

Die Markeninhaberin verweist darauf, dass sich eine Aufspaltung der jüngeren Marke registerrechtlich verbiete und eine Markenserie der Widersprechenden mit einem hinweiskräftigen Stamm nicht hinreichend dargelegt sei. Die Ausführungen der Markenstelle seien deshalb zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Trotz der erheblichen Warennähe bzw Warenidentität hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand ein, um eine relevante Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auszuschließen.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend eine Verwechslungsgefahr verneint werden, obwohl aufgrund der sich gegenüberstehenden Waren, die - bis auf wenige Ausnahmen (z.B. produits hygieniques) - zumindest hochgradig ähnlich sind, ein deutlicher Markenabstand erforderlich ist. Was den Schutzumfang der Widerspruchsmarke betrifft, kann dieser nur als durchschnittlich angesehen werden, denn für die behauptete große Bekanntheit fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag. Selbst die behauptete Zeichenserie mit dem Wortbestandteil "Wild" ist nicht näher spezifiziert worden.

Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit steht zwischen den Beteiligten im Grunde außer Streit, dass die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche Unterschiede aufweisen, weil sie - neben der zusätzlichen grafischen Gestaltung der Widerspruchsmarke - in ihrem Wortbestandteil unterschiedliche Länge, Buchstaben und Silbenzahl zeigen, was auch bei einem flüchtigen Verhalten weder überhört noch übersehen werden kann. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit wäre allenfalls über die identische Buchstabenfolge "WILD" in Betracht zu ziehen, was sich in der Regel aber schon deshalb verbietet, weil der Verkehr Zeichen regelmäßig so auffasst, wie sie ihm entgegentreten, d.h. als einheitliches und eigenständiges Gebilde. Gleichermaßen wäre es rechtsfehlerhaft, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich deshalb feststellen zu wollen, weil sich ein Teil des älteren Zeichens wie hier fast identisch in dem jüngeren Zeichen wiederfindet. Vielmehr gilt insoweit der Grundsatz, dass nur bei Kombinationsmarken, die getrennte Bestandteile aufweisen oder sich als mehrgliedrig darstellen, Einzelbestandteile gegenübergestellt werden können, was aber bei zusammengeschriebenen Wörtern in Normalschrift - wie hier - regelmäßig ausscheidet (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7.Aufl. 2003, § 9 Rdn. 339 m.w.N.).

Auch unter dem Gesichtspunkt der sog. "Abspaltung" von Zeichenteilen ergibt sich im vorliegenden Fall nichts anderes. Eine derartige Verkürzung der angegriffenen Marke wäre allenfalls denkbar, wenn es sich bei "LAND" im betroffenen Warensektor um ein geläufiges beschreibendes Kürzel (für eine Verkaufsstätte mit besonders umfangreichen Angebot) handeln würde, wie man es auf dem Arzneimittelsektor mit Wörtern wie "soft, forte, plus" usw. häufig antrifft. Für eine solche Annahme fehlt es hier jedoch an tatsächlichen Feststellungen. Zwar dürfte für den Fachverkehr der Hinweis auf eine Verkaufsstätte nicht fern liegen; gleichwohl hat der Senat Zweifel, hieraus bereits eine unmittelbare klangliche wie schriftbildliche Verwechslungsgefahr herzuleiten. Immerhin handelt es sich nicht ohne weiteres um eine schutzunfähige Angabe. So hat der Senat in einer neueren Entscheidung (28 W (pat) 22/02 vom 26.03.2003) die Marke "Schinkenland" als Gesamtbegriff weder für freihaltungsbedürftig noch für nicht unterscheidungskräftig erachtet, weil die Bezeichnung für einen kaufmännischen Betrieb nicht notwendig auch eine konkrete Merkmale beschreibende Sachangabe für die in einem solchen Betrieb veräußerten Waren darstelle (unter Hinweis auf BGH MarkenR 1999, 292, 293 - House of Blues). Jedenfalls kann man für die ohnehin umstrittene Form der Verwechslungsgefahr aufgrund einer Abspaltung den Bestandteil "LAND" nicht mit den oben zitierten Beispielen gleichstellen.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr muss ebenfalls verneint werden. Abgesehen davon, dass ein solcher Sonderfall nur ausnahmsweise zum Zuge kommen kann, scheitert seine Anwendung im vorliegenden Fall aus zwei Gründen. Zum einen wird der Verkehr, der mit den Vergleichsmarken unmittelbar nebeneinander konfrontiert ist, ohne weiteres das zusätzliche grafische Element in der Widerspruchsmarke erkennen, was von vornherein ein starkes Indiz gegen die Annahme einer Verwechslungsgefahr darstellt. Zum andern liegen keine hinreichend gesicherten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verkehr den gemeinsamen Wortbestandteil "WILD" als Stamm einer Serie von Marken verstehen wird, der auf die Widersprechende weist. Diese hat zwar eine solche Serie geltend gemacht, ohne sie jedoch im einzelnen zu spezifizieren, insbesondere ob hierbei die vorliegende, grafisch gestaltete Widerspruchsmarke oder allein das Wort "WILD" verwendet wurde. Auch ist "Wild" als Firmenname nicht derart bekannt, dass dem Verkehr nahegelegt wäre, die angegriffenen Marke als Serienmarke der Widersprechenden aufzufassen und ihr zuzuordnen. Hierfür wären weitergehende Überlegungen erforderlich, etwa dass es sich um ein "LAND"-Serienprodukt der Widersprechenden handelt, was insbesondere deshalb zweifelhaft ist, weil der Stammbestandteil begrifflich ebenfalls beschreibenden Anklang im Sinne tierischer Ausgangsstoffe hat und sich als Gesamtbegriff präsentiert. Unter diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt, den Abstand der Vergleichsmarken auch unter dem Blickwinkel einer mittelbaren Verwechslungsgefahr noch für ausreichend zu erachten.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb Abb.1 http://agora/bpatgkollision/docs/D1370.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 21.04.2004
Az: 28 W (pat) 244/02


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