Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2000
Aktenzeichen: 13 W (pat) 52/97

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2000, Az.: 13 W (pat) 52/97)

Tenor

Die Beschwerden der Einsprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Erteilung des Patents 41 30 448 sind zwei Einsprüche erhoben worden. Begründet waren die Einsprüche im wesentlichen damit, daß das beanspruchte Verfahren zur Herstellung einer schnittfesten Fleisch/Käse-Mischung gegenüber dem nachfolgend genannten Stand der Technik nicht patentfähig sei:

1. eine offenkundige Vorbenutzung entsprechend einem Auszug aus einem Katalog der Firma Nocker, Germaringen (ohne Veröffentlichungsdatum)

2. DE 37 26 204 C1 3. US-PS 17 21 406 4. DE-OS 27 56 885 5. US-PS 18 47 223 6. "Technologie der Kochwurst und Kochpökelware", Kulmbacher Reihe, Bd. 8, Hsg. Institut für Technologie der Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulmbach, 1988, Seiten 53 bis 164, insb Seiten 91 bis 109, 144, 145, 162 7. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Aufl., Bd. 4, 1991, Seite 2943 8. " " " , Lebensmittelchemie, 1995, Seite 583 (nicht vorveröffentlicht)

9. Moiser, Nass, Oberländer : Fachkunde für Fleischer, Westermann, Seite 147 10. VDI-Handbuch Lebensmitteltechnik, April 1970, Richtlinie VDI 2656, Blatt 5 Außerdem wurden Offenbarungsmängel und unzulässige Erweiterungen geltend gemacht.

Von der Patentinhaberin wurden ferner vorgelegt 11. Deutsches Lebensmittelbuch, Leitsätze 1992, Bundesanzeiger, Seiten 54 und 55 12. Arbeitsablauf Leberwurst-, Brühwurst- und Rohwurstherstellung (ohne Quellenangabe) und Fließschema "Geldergold Käseschinken" v. 23. Oktober 1995 (nachveröffentlicht).

Nach Prüfung der Einsprüche hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patentamts mit Beschluß vom 24. Juni 1997 das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten mit der Begründung, daß der Stand der Technik nicht patenthindernd entgegenstehe und auch die übrigen vorgebrachten Patenthindernisse nicht vorlägen.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der beiden Einsprechenden.

Die Einsprechende II widerspricht den Gründen des patentamtlichen Beschlusses in allen wesentlichen Punkten und verweist ferner auf 13. R. Hamm, Kolloidchemie des Fleisches, 1972, Verlag Paul Parey, Berlin, Hamburg Seite 171 bis 173.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die ordnungsgemäß geladene Einsprechende I ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat sich im Beschwerdeverfahren auch schriftsätzlich nicht zur Sache geäußert. Mit Schriftsatz vom 25. November 1999 hat sie unter Hinweis auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

Sie beantragt ebenfalls Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Widerruf des Patents.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden II in allen wesentlichen Punkten. Insbesondere verweist sie darauf, daß gemäß den US-Patentschriften 17 21 406 und 18 47 223 ausschließlich Schmelzkäse verwendet werde, der sich grundsätzlich von Naturkäse unterscheide, wie zB aus der DE-OS 27 56 885 Seiten 4 und 5 hervorgehe.

Die Einsprechende II und die Patentinhaberin haben zur Untermauerung ihres Vorbringens zu verschiedenen strittigen Punkten jeweils Gutachten vorgelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerden sind form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. Sie bleiben jedoch ohne Erfolg.

Der Anspruch 1 lautet:

1. Verfahren zum Herstellen einer schnittfesten Fleisch/Käse-Mischung, bei dem Fleischstücke aus gepökeltem Fleisch gegebenenfalls auch mariniertem Fleisch, welches bei alternierenden Temperaturen von 60¡C bis 80¡C getrocknet, anschließend in einem Dampfrauchverfahren geräuchert und dann bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 70¡C bis 80¡C gegart worden ist, mit Naturkäsestücken gemischt werden, dann die Mischung in einem thermostabilen Beutel verpackt, der Beutel evakuiert und geschlossen wird, dann der geschlossene Beutel bei einer Temperatur von ca. 80¡C mehrere Stunden in einer Kochform bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 50¡C bis 70¡C erhitzt und anschließend bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 5¡C bis 12¡C abgekühlt wird.

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Ansprüche sind inhaltlich aus den Erstunterlagen herleitbar. Der Anspruch 1 geht zurück auf die Ansprüche 1, 5, 9 und 10, die Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den Ansprüchen 2 bis 4 und 6 bis 8.

Es trifft zu, daß im Verlauf des Prüfungsverfahrens in die Beschreibung eine das beanspruchte Verfahren näher erläuternde Passage aufgenommen worden ist (Sp 2 Z 32 bis 63 der Streitpatentschrift). Dieser Beschreibungsteil hat aber keinen Niederschlag in den Ansprüchen gefunden. Eine unzulässige Erweiterung liegt daher nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, daß in den Ansprüchen verschiedene unerlässliche Angaben hinsichtlich des Trocknungsgrades nach dem Pökeln, Trocknen, Räuchern und Garen sowie zu Zeitdauer und Intensität dieser Verfahrensschritte fehlen. Denn die Streitpatentschrift wendet sich an den Fachmann. Dieser ist, da sich die Streitpatentschrift sowohl auf die Verarbeitung von Käse als auch von Fleisch bezieht, ein Lebensmitteltechnologe mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluß, dem die Fachgebiete Molkerei und Fleischverarbeitung vertraut sind.

Dieser Fachmann ist zweifellos in der Lage, durch wenige orientierende Versuche - da nur ein einzelner Parameter, nämlich der Wassergehalt, zu ermitteln ist -, den für das beanspruchte Verfahren erforderlichen Trocknungsgrad des Fleisches herauszufinden.

Bezüglich der Intensität und Zeitdauer der Maßnahmen "Pökeln, Trocknen, Räuchern, Garen" ist dem Fachmann klar, daß zum einen der geeignete Trocknungsgrad erreicht werden muß und ferner - wegen der niedrigen Kerntemperatur von 50 bis 70¡C bei der anschließenden Umsetzung mit dem Naturkäse - das Fleisch, allein schon aus Geschmacksgründen, bereits vollständig koaguliert - also "gar" zu sein hat.

Ferner ist festzustellen, daß die Ansprüche die für die Herstellung der Fleisch/Käse-Mischung erforderlichen Ausgangsprodukte abschließend festlegen. Die Verwendung von Brät ebenso wie irgendwelcher anderer, nicht in den Ansprüchen und im Zusammenhang mit diesen ggf in der Beschreibung genannter Zusätze ist ausgeschlossen.

Für den vorstehend definierten Fachmann ist schließlich klar, daß unter Naturkäse - wie schon der Wortzusammenhang sagt - ein natürlich hergestellter Käse verstanden werden muß.

Die Ansprüche sind daher zulässig.

III.

Das Verfahren nach Anspruch 1 ist patentfähig.

Aufgabe ist es, ein Verfahren aufzuzeigen, wonach sich ein neuartiges Lebensmittelprodukt auf Basis von Fleisch und Käse herstellen läßt, welches als einheitliches Endprodukt besonders schmackhaft ist, sich durch ein appetitanregendes Erscheinungsbild auszeichnet und den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen genügt (Patentschrift Sp 2 Z 3 bis 9).

Diese Aufgabe wird nach Anspruch 1 durch die folgenden obligatorischen Maßnahmen gelöst:

1. Fleisch wird 1a gepökelt 1b bei alternierenden Temperaturen von 60 bis 80 ¡C getrocknet 1c anschließend in einem Dampfrauchverfahren geräuchert 1d und dann bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 70 bis 80 ¡C gegart 1e in Stücke geteilt 2. die Fleischstücke werden mit Naturkäsestücken gemischt 3. die Mischung wird in einem thermostabilen Beutel verpackt, der Beutel wird evakuiert und geschlossen 4. der geschlossene Beutel wird bei einer Temperatur von ca. 80¡C in einer Kochform mehrere Stunden bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 50 bis 70¡C erhitzt 5. schließlich wird bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 5 bis 12¡C abgekühlt.

Dieses Verfahren geht mit der Gesamtheit seiner Merkmale aus keiner der insgesamt bekanntgewordenen Druckschriften hervor, auch nicht aus den von der Einsprechenden II in der mündlichen Verhandlung - neben den lediglich zum Nachweis allgemeiner Kenntnisse des Fachmanns zitierten Fachbüchern "Kolloidchemie des Fleisches" (1972) und "Technologie der Kochwurst" (1988) - nur noch behandelten Druckschriften US-Patentschrift 17 21 406 und US-Patentschrift 18 47 223. Das strittige Verfahren ist daher neu. Dies ergibt sich auch ohne weiteres aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

Das Verfahren nach Anspruch 1 wird dem Fachmann durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.

Den dem beanspruchten Verfahren am nächsten kommenden Stand der Technik geben unbestritten die US-Patentschriften 17 21 406 und 18 47 223 wieder.

Diese befassen sich ebenfalls mit Verfahren zur Herstellung von Nahrungsmitteln, bei deren Herstellung von Produkten auf Basis von Fleisch und Käse ausgegangen wird.

Jedoch wird nach den US-Patentschriften 17 21 406 und 18 47 223 regelmäßig nur von gekochtem (uU teilweise gekochtem) Fleisch ausgegangen (vgl US-Patentschrift 17 21 406 S 1 Z 8 bis 14 oder US-Patentschrift 18 47 223 S 1 Z 8 bis 21 oder Z 66 bis 87).

Unter Kochen von Fleisch wird üblicherweise das Garen in siedendem Wasser, also bei etwa 100¡C verstanden. Ein Garvorgang findet zwar auch gemäß Merkmal 1d der obigen Merkmalsgliederung statt, allerdings bei Kerntemperaturen von nur 70 bis 80¡C und ausschließlich in Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Maßnahmen gemäß Merkmalen 1a, 1b und 1c.

Irgendwelche Hinweise darauf, daß in den Verfahren nach den US Patentschriften 17 21 406 und 18 47 223 Fleisch, das durch die Gesamtheit der Maßnahmen 1a bis 1d erhalten worden ist, verwendet werden sollte oder könnte, sind aus diesen Druckschriften nicht zu entnehmen.

Ferner wird in den Verfahren gemäß diesen US-Patentschriften aus den im folgenden dargelegten Gründen kein Naturkäse, sondern ausschließlich Schmelzkäse verwendet.

Dem Fachmann ist zB aus der DE-OS 27 56 885 Seiten 4 und 5 bekannt, daß beim Erwärmen von natürlichem Käse Wasser verdampft, das Butterfett ausschmilzt und das Eiweiß zu einer zähen, klebrigen Masse gerinnt. Dieser Sachverhalt ist von der Einsprechenden II zwar in der mündlichen Verhandlung bestritten worden, geht aber eindeutig auch aus der einschlägigen Fachliteratur hervor (vgl gutachtlich "Handbuch der Käse", (1974), Volkswirtschaftlicher Verlag GmbH Kempten (Allgäu) S 732 reSp oder "Handbuch der Lebensmittelchemie", Bd III/1. Teil (1968) Seite 590 Mitte).

Nun soll gemäß der Druckschrift US-Patentschrift 17 21 406 ein "Käse" verwendet werden, der zu einem heißen, flüssigen Zustand geschmolzen werden kann, ohne daß sich Butterfett in merklichem Maß ausscheidet (vgl US-Patentschrift 17 21 406 S 1 Z 40 bis 44). Um dies zu erreichen, wird natürlicher Käse mit bestimmten Stoffen vermischt ("blended"), um sicherzustellen, daß das so hergestellte Produkt beim Erhitzen stabil ist ("will not break down") (vgl US-Patentschrift 17 21 406 S 1 Z 48 bis 52). Gemäß einem erläuternden Beispiel wird zur Herstellung eines solchen stabilen Produkts eine Naturkäsemischung mit 2 bis 7 % Wasser, 0,5 bis 1 % Salz und etwa 2 bis 3 % eines emulgierenden Mittels, zB Natrium-Kalium-Tartrat, verwendet (vgl US-Patentschrift 17 21 406 Seite 1 Z 40 bis 66). Dieses hier "emulgierend" genannte Mittel ist nichts anderes als ein Schmelzsalz, wie es zur Herstellung von Schmelzkäse benötigt wird. Denn Natrium-Kalium-Tartrat war früher bei der Herstellung von Schmelzkäse üblich (vgl gutachtlich Handbuch der Lebensmittelchemie aaO Seite 592 oben, wonach hierfür schon 1933 ua Weinsäure und deren Salze (Tartrate) ausdrücklich genannt wurden).

Das in der US-Patentschrift 17 21 406 als "emulsified cheese", "cheese emulsion" oder einfach "cheese" bezeichnete Produkt ist also eindeutig Schmelzkäse. Alle weiteren Angaben in der US-Patentschrift 17 21 406 beziehen sich folglich mangels irgendwelcher anderslautender Hinweise auf Schmelzkäse und nicht auf Naturkäse.

Schmelzkäse unterscheidet sich nun aber insbesondere auch bezüglich des Verhaltens beim Erhitzen grundsätzlich von Naturkäse. Wie dargelegt, bleibt Schmelzkäse beim Erhitzen stabil, während sich Naturkäse gemäß den Ausführungen in der DE-OS 27 56 885 aaO und in den genannten Fachbüchern "Handbuch der Käse" und "Handbuch der Lebensmittelchemie", jeweils aaO, irreversibel zersetzt.

Es liegt daher für den Fachmann auf der Hand, daß man vom Verhalten von Schmelzkäse beim Erhitzen keinesfalls auf das Verhalten von Naturkäse beim Erhitzen schließen kann.

Wenn also in der US-Patentschrift 17 21 406 im Hinblick auf die festhaftende Vereinigung von (Schmelz-)Käse und Fleisch ausgeführt wird (vgl Seite 2 Z 36 bis 50), daß die Temperatur des geschmolzenen Käses für den Fall, daß noch heißes gekochtes Fleisch verwendet wird, niedriger sein könne als die bei Verwendung von kaltem gekochtem Fleisch angewendeten 180 bis 190¡F (= 82 bis 88¡C), erlaubt dies keine Schlußfolgerung dahingehend, daß man bei der Verarbeitung von Naturkäse bei Kerntemperaturen von 50 bis 70¡C eine feste Verbindung mit dem Fleisch erreichen könnte. Auch die Tatsache, daß das Fleisch durch die patentgemäßen Verarbeitungsschritte 1a bis 1d weitgehend, genauso wie es bei gekochtem Fleisch der Fall ist, sein Wasserbindungsvermögen verloren hat, vermag dem Fachmann daher keine Hinweise auf erforderliche Verfahrensweisen und sich einstellende Ergebnisse bei der Suche nach einem Produkt aus Naturkäse und Fleisch zu vermitteln.

Für die Druckschrift US-Patentschrift 18 47 223 gilt dies in gleicher Weise . Denn es liegt ein eindeutiger Bezug beider Druckschriften zueinander dahingehend vor, wonach auch hier durchgehend nur Schmelzkäse verarbeitet wird.

Gemäß der US-Patentschrift 17 21 406 wird, wie dargelegt, ausschließlich Schmelzkäse verarbeitet (vgl Anspruch 1). Es wird hier zB ein Behälter teilweise mit geschmolzenem Käse gefüllt und dann Fleisch so eingelegt, daß das Fleisch völlig von dem geschmolzenen Käse bedeckt wird (vgl zB Fig 2 iVm Seite 1 Z 100 bis Seite 2 Z 5). Dann wird so hoch erhitzt ("cooking operation"), daß sich der Käse mit dem Fleisch verbindet (vgl Seite 2 Z 28 bis 44).

Nach der US-Patentschrift 18 47 223 wird nun gemäß einer ersten Alternative (Seite 1 Z 1 bis 65) der Käse zum Schmelzen nicht so hoch erhitzt wie gemäß der US-Patentschrift 17 21 406, ehe er mit dem Fleisch zusammengebracht wird. Da aber so der Zusammenhalt zwischen Käse und Fleisch nicht immer ausreichend ist, wird das erhaltene Produkt nochmals auf Temperaturen von 180 bis 220¡F (= 82 bis 104¡C) erwärmt (vgl S 1 Z 30 bis 65).

Gemäß der zweiten Alternative (S 1 Z 66 bis Beschreibungsende) wird dann vom Einlegen in flüssigen Käse abgegangen; es wird der Käse in Form fester Scheiben eingesetzt ("slabs"), die um das Fleisch herum angeordnet werden. Denn es soll nämlich gemäß Seite 1 Z 66 bis 71 das vorherige Schmelzen vermieden und das Gemisch in einem einzigen Arbeitsgang verarbeitet werden. Die Anordnung wird dann entsprechend in einem Ofen so hoch erhitzt, daß der Käse schmilzt ("runs together") und sich mit dem Fleisch verbindet (vgl Seite 1 Z 66 bis Seite 2 Z 2).

Ausdrücklich wird hier also der Bezug zur ersten Alternative dergestalt hergestellt, daß das vorherige Schmelzen des Käses so entfallen kann (vgl Seite 1 Z 66 bis 71).

Dem steht nicht entgegen, daß im zweiten Teil der US-Patentschrift 18 47 223 ausschließlich von Käse ("cheese") und nicht von Schmelzkäse ("cheese emulsion" oder "emulsified cheese") gesprochen wird. Denn sowohl in der US-Patentschrift 17 21 406 als auch in dem die erste Alternative von US-Patentschrift 18 47 223 betreffenden Teil werden die Begriffe "cheese", "emulsified cheese" und "cheese emulsion" - obwohl jeweils dasselbe gemeint ist, nämlich Schmelzkäse, - gleichbedeutend verwendet (vgl US-Patentschrift 18 47 223 S 1, Z 54/55 "emulsified cheese"; S 1 Z 56, 61 oder 65 "cheese"; S 1 Z 10, 11 "cheese emulsion").

Wenn also in dem die zweite Alternative betreffenden Teil der US-Patentschrift 18 47 223 nur noch von "cheese" gesprochen wird, konnte der Fachmann mangels irgendwelcher entsprechender Hinweise allenfalls in Kenntnis des Streitgegenstandes darauf schließen, daß anstelle von Schmelzkäse hier nun die Verwendung von Naturkäse angesprochen sein könnte.

Entsprechend ist die "Nacharbeitung" des US Patents 18 47 223 mit Naturkäse gemäß dem Gutachten Prof. Dr. F... (Anlage A, dort Anl 2 vom 5. März 1999 und Anlage Ai vom 29. Februar 2000) bedeutungslos und vermag allenfalls die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens zu belegen.

Jedenfalls sind die grundlegenden Verfahrensmaßnahmen des Anspruchs 1 des Streitpatents, nämlich das Fleisch zu pökeln, zu trocknen, zu räuchern und zu garen, ferner - statt Schmelzkäse - Naturkäse einzusetzen und das so vorbehandelte Fleisch zusammen mit dem Naturkäse bei einer Temperatur von 80¡C mehrere Stunden bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 50 bis 70¡C zu erhitzen - also die wesentlichen Teile der Merkmale 1, 2 und 4 gemäß Merkmalsgliederung und somit das beanspruchte Verfahren in der Gesamtheit seiner Merkmale - aus der US-Patentschrift 17 21 406 und/oder der US-Patentschrift 18 47 223 nicht herzuleiten.

Ob das Vermischen von Fleisch und Käse jeweils in Stücken gemäß Merkmal 2 durch die US-Patentschrift 17 21 406 oder die US-Patentschrift 18 47 223 vorbeschrieben oder nahegelegt ist (gemäß US-Patentschrift 17 21 406 Fig 6 und 7 liegen Fleischstücke in dem Produkt vor), kann daher ebenso dahingestellt bleiben wie die Tatsache, daß das Versiegeln von Nahrungsmitteln, insbesondere auch solcher auf der Basis von Fleisch und Käse, in evakuierten Beuteln - sofern erhitzt werden soll, eben in thermostabilen Beuteln - gemäß Merkmal 3 bekannt und üblich ist.

Letzteres dient in erster Linie dem Ausschluß von Luftsauerstoff. Auch kann vorliegend eine Unterstützung des Verbindens der Fleisch- und Käsestücke wegen des Zusammenpressens durch den äußeren Luftdruck angenommen werden.

Das Merkmal 5, nämlich bis zum Erreichen einer Kerntemperatur von 5 bis 12 ¡C abzukühlen, stellt mangels irgendwelcher anderslautender Hinweise in der Patentbeschreibung wohl nur die Anweisung dar, schließlich bis zum Erreichen der Lagertemperatur abkühlen zu lassen (vgl Streitpatentschrift Sp 2 Z 25/26, wo eine geeignete Lagertemperatur von 3 bis 8¡C genannt ist).

Die Einsprechende II hat darauf verwiesen, daß bei Verarbeitung von Fleisch sowohl gemäß den Merkmalen 1a bis 1d ebenso wie beim einfachen Kochen infolge Saftaustritts bei der Denaturierung bzw (Hitze-)Koagulation bestimmte Trocknungsvorgänge wegen des Saftverlustes auftreten (vgl auch Kolloidchemie des Fleisches 1972 Seite 171 bis 173).

Selbst wenn nun aber in "Technologie der Kochwurst und Kochpökelware", Kulmbacher Reihe, Bd. 8, Seite 144/145 bezüglich der Herstellung von Kochwürsten gefordert wird, daß Fleischeinlagen unter entsprechender Trocknung vorerhitzt werden müssen, um Bindungsmängel zu vermeiden, konnte der Fachmann dennoch daraus nicht auf die Herstellung von Produkten schließen, die aus Fleisch und Käse gewonnen werden. Denn die Bindung von Fleischeinlagen an irgendwelche Bestandteile von Kochwurst ist nicht vergleichbar mit der Bindung von Fleisch an Käse, da die weiteren Bestandteile von Kochwurst naturgemäß völlig andere Eigenschaften als dieser aufweisen.

Welchen Trocknungsgrad die Fleischeinlage etwa aufweisen muß, geht im übrigen aus der Beschreibung des Streitpatents hervor. Danach wird zB von einem Fleisch mit 69,5 % Wasser und 19 % Fleischeiweiß = Wasser/Eiweiß -Verhältnis 3,66 ausgegangen. Dieses Fleisch soll nach dem Räucherprozeß und vor dem Garen ein Wasser/Eiweiß -Verhältnis von etwa 2,5 aufweisen (vgl Sp 3 Z 1 bis 11 iVm Sp 2 Z 12 bis 18).

Weiterhin wurde durch Gutachten (Anl Aiii zum Gutachten Prof F... vom 29. Februar 2000) belegt, daß Naturkäse ohne Zersetzung sogar noch höher - nämlich auf 80¡C Kerntemperatur (vgl Charge 3) - erhitzt werden kann als die im Anspruch 1 angegebenen Kerntemperaturen von 50 bis 70 ¡C. Dies mag zutreffen. Es ist hier aber zum einen keine Haltezeit bei der Kerntemperatur angegeben (gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ist eine Haltezeit von mehreren Stunden vorgeschrieben), und es ist zum anderen unklar, was unter der Beurteilung "etwas weicher" genau zu verstehen sein soll. Zum Patentgegenstand hinführende Gesichtspunkte gehen aus diesem Teil des Gutachtens - auch in Verbindung mit den beiden erörterten US-Patentschriften - nicht hervor, denn der Versuch ist nicht geeignet, die grundsätzliche Verschiedenheit von Schmelzkäse und Naturkäse in Frage zu stellen.

Dies gilt auch für die Tatsache, daß bei Raclette kein Käsegeschmack festzustellen ist. Denn zum Entstehen von Schmelzkäse bedarf es - wie dargelegt - des Zusatzes von Schmelzsalzen. Solche werden aber bei der Herstellung von Raclette sicherlich nicht zugesetzt. Ein Schmelzsalzgeschmack kann dann naturgemäß gar nicht entstehen. Geschmolzener Käse ist eben - aus fachmännischer Sicht - kein Schmelzkäse.

Die weiterhin bekanntgewordenen vorveröffentlichten Druckschriften ebenso wie die im Einspruchsverfahren geltend gemachte Benutzung (Offenkundigkeit vor dem Anmeldetag unterstellt) sind von der Einsprechenden II in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen worden. Diese Druckschriften lassen ebenso wie die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung auch keine weitergehenden, zum Patentgegenstand hinführenden Gesichtspunkte erkennen.

Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Parteien haben schließlich umfänglich darüber diskutiert und mit Gutachten zu belegen versucht, ob und ggf welche Stoffübergänge zwischen Fleisch und Käse bei dem beanspruchten Verfahren stattfinden bzw welche Bindungsverhältnisse zwischen Fleisch und Käse vorliegen. Hinsichtlich der hier - nur - zu treffenden Entscheidung, ob das beanspruchte Verfahren die Kriterien der sachlichen Patentfähigkeit, insbesondere Neuheit und erfinderische Tätigkeit aufweist, sind diese Erörterungen aber unerheblich. Denn es bedarf keiner wissenschaftlichen Erklärungen für den erreichten technischen Erfolg eines beanspruchten Verfahrens (vgl Schulte, 5. Aufl., Rn 170 zu § 35 PatG "Polymerisationsbeschleuniger").

Der Anspruch 1 ist daher rechtsbeständig.

Mit dem Anspruch 1 haben die rückbezogenen, Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffenden Ansprüche 2 bis 7 ebenfalls Bestand.

Die Beschwerden waren daher zurückzuweisen.

Ch. Ulrich Dr. K. Vogel Eberhard Dr. W. Maierprö






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2000
Az: 13 W (pat) 52/97


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