Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 163/02

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2005, Az.: 33 W (pat) 163/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2002 aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Am 30. Juni 1998 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke ABC DESIGN für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 38 angemeldet worden.

Mit Beschluss vom 4. April 2002 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung durch ein Mitglied des Patentamts nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise nämlich für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse, Photografien und Werbung"

zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Marke für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Sie setze sich aus der Buchstabenfolge "ABC" für "Alphabet" und dem eingedeutschten Wort "Design" für "Gestaltung" zusammen. Die ersten drei Buchstaben des Alphabets würden insbesondere in neuen Medien wie dem Internet, aber auch in der Werbung, häufig als Hinweis auf die gegenständliche Verwendung von Zeichensätzen und Schriftarten benutzt. Die Anmeldemarke werde unschwer so verstanden, dass Waren und Dienstleistungen gemeint seien, welche die Gestaltung von Text-, Zeichen- und Photos zum Gegenstand hätten. Insbesondere könne es sich um Druckereierzeugnisse und Photografien handeln, in denen verschiedene gestalterische Möglichkeiten, das Design von Schriftarten und deren Verwendung vorgestellt oder beschrieben seien. Auch könne es sich um Dienstleistungen der Werbung handeln, die sich mit der Gestaltung von Schriftarten etwa für die Gestaltung und Präsentation von Produkten beschäftigen. Der angesprochene Verkehr würde daher die angemeldete Marke lediglich als beschreibende Sachangabe für die betroffenen Waren und Dienstleistungen und nicht als Unterscheidungsmittel hinsichtlich deren Herkunft sehen. Als Nachweise hat die Markenstelle vier den Bestandteil "ABC" betreffende Internet-Fundstellen dem Beschluss beigefügt und Auszüge aus der 4. Auflage des Duden Deutsches Universalwörterbuch zitiert.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei der Marke in ihrer angemeldeten Form nicht um eine Bezeichnung handele, der jegliche Unterscheidungskraft fehle. Es würden lediglich einzelne ihrer Bestandteile einen Bedeutungsinhalt aufweisen, nicht aber deren spezielle Zusammensetzung. In Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen sei das Zeichen ebenfalls nicht beschreibend. Zudem lägen die nachgewiesenen Benutzungen des Bestandteils "ABC" nicht im unmittelbaren Bereich der vom Zurückweisungsbeschluss betroffenen Waren und Dienstleistungen. Die nachgewiesenen Benutzungen beträfen Computersoftware und Zeichensätze gemäß Warenklasse 9, sowie deren Wartung, Pflege und Erstellung gemäß der Dienstleistungsklasse 42. Daher seien die nachgewiesenen Benutzungen für die vorliegende Markenanmeldung nicht relevant. Auch z.B. Dienstleistungen eines Grafikers oder Grafikdesigners seien nicht beansprucht.

Zum Rückzahlungsantrag trägt die Anmelderin vor, dass ihr die Markenstelle die im angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Fundstellen erst zusammen mit dem Beschluss übermittelt habe. Daher habe sie keine Möglichkeit gehabt, vorher zu diesen Belegen Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

1. Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

Es sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt, weil sie einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bedeutungsgehalt aufweist oder als geläufiger Begriff der Alltagssprache nur als solches und nicht als Unternehmenshinweis verstanden wird.

Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Die Markenstelle ist im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke die streitgegenständlichen Waren dahingehend beschreibe, dass sie der Gestaltung von Text, Zeichen, Photos und insbesondere Schriftarten bzw. - zeichen dienen könnten. Ein solches beschreibendes Verständnis der Marke "ABC DESIGN" im Sinne von "Design der Schriftzeichen des Alphabets", "Schriftarten/-zeichen-Design", "Buchstaben-Design" o.Ä. würde allerdings voraussetzen, dass "ABC" nicht bloß als Synonym für das Alphabet, sondern weitergehend auch als Synonym für die Gesamtheit der im Alphabet enthaltenen lateinischen (Schrift-) Buchstaben verwendet und verstanden wird. Abgesehen davon, dass damit für die streitgegenständlichen Waren, insbesondere für "Fotografien", die Unmittelbarkeit einer solchen Beschreibung nicht ohne Weiteres auf der Hand läge, ließen sich jedenfalls weder von der Markenstelle noch vom Senat hinreichende Belege für ein solches Verständnis der Buchstabenfolge "ABC" ermitteln. Vielmehr ist "ABC" überhaupt keine für die angemeldeten Waren gängige Fachabkürzung, wie sich auch bei einer Recherche in Abkürzungslexika gezeigt hat.

Insbesondere spricht die im Bereich der Drucktechnik und Satzgestaltung häufig anzutreffende Verwendung von Begriffen wie "ABC-Fonts" oder "ABC-Schriften", mit denen offenbar lateinische Schriftzeichen im Gegensatz z.B. zu kyrillischen oder arabischen Buchstaben bezeichnet werden, eher dagegen, dass schon die Buchstabenfolge "ABC" alleine, also ohne Zusatzwörter wie "Fonts" oder "Schrift", einen derartigen Sachhinweis darstellen kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass eine vollständige Schriftartengestaltung nicht nur die im Alphabet enthaltenen Buchstaben, sondern auch Umlaute, Sonderbuchstaben wie "ß", und vor allem die Zahlen von 0 bis 9 mit erfassen muss. Bei der Schriftartengestaltung taucht daher die Folge "ABC" häufig nur als Beispiel oder Platzhalter für beliebige Buchstaben auf, um eine bestimmte Schriftart beispielhaft darstellen zu können (z.B. "ARIAL ABC abc 123"; "Times ABC 1234", "Verdana ABC"). Eine Verwendung der angemeldeten Buchstaben-Wortkombination als Merkmalsbeschreibung im Sinne von Schriftarten- bzw. Font-Design ließ damit nicht feststellen.

Auch ein Bedeutungsgehalt von "ABC DESIGN" im Sinne von (Grund-) Wissen bzw. 1x1 des Designs, der als Angabe des inhaltlichthematischen Gegenstands von Druckereierzeugnissen eine Merkmalsbezeichnung darstellen könnte, hat sich nicht feststellen lassen. In diesem Sinne wird "ABC" nur verwendet, wenn es einem Fachbegriff nachgestellt (z.B. "Font-ABC", "Druck-ABC") oder in einer Genitiv-Konstruktion verwendet wird ("ABC des Druckens", "ABC der Textverarbeitung" usw.). In dieser Weise sind die Markenbestandteile hier aber nicht kombiniert.

Zwar konnte der Senat auch offensichtlich beschreibende Verwendungen der Buchstaben-Wortfolge "ABC DESIGN" auffinden. Dabei handelt es sich jedoch um völlig unterschiedliche und zudem sehr speziell anmutende Bedeutungsgehalte, die auch nur in englischsprachigen Websites enthalten waren. So werden in einigen Internetfundstellen etwa Bekleidungsmuster, die aufgedruckte oder eingenähte Buchstaben des Alphabets aufweisen mit "ABC-Design" benannt (vgl. www.homeroomdirect.com/product.html€t_q=CN354). Oftmals werden auch technische oder wirtschaftliche Begriffe gebildet, bei denen die Buchstaben A, B und C jeweils als Abkürzung für verschiedene Sachbegriffe stehen (rcfctoronto.ca/flypaper/-flypaper_0302.pdf, im Zusammenhang mit Flugzeugmotoren: "... Aluminum piston..., Brass cylinder liner that is Chrome plated ... with an ABC design...; http://bi.knowledgestorm.com/ksbi/search/browse/1451/1451.jsp: The following are results within the Activity Based Costing (ABC) category"; www.maaw.-info/ArticleSummaries/ArtSumAnderson95.htm: "... were attributed to poor ABC designs, inadequate management awareness of ABC system costs and benefits, ..."). Im Bereich psychologischer oder sozialwissenschaftlicher Studien wird die Buchstabenfolge "ABC" in der alphabetischen Gliederungsfolge auch zur Bezeichnung von verschiedenen, jeweils mit einem Gliederungsbuchstaben bezeichneten Phasen bzw. Stufen von medizinischen Behandlungen, Untersuchungen, Entwicklungen o.Ä. verwendet (z.B. www.mimh.edu/faculty/hile/SIBReview/17_m.htm: "This study used an ABC design to treat ... in phase B, and was used in phase C ..."; www.usd.edu/med/socialwor/cschwartz/classnotes/socw320.cfm: "Descriptive Case-Level Designs - The AB and ABC Designs ... Thus we would have an ABC design".

Diese - völlig unterschiedlichen - beschreibenden Bedeutungsgehalte sind äußerst speziell und zudem nur im angloamerikanischen Raum belegbar, wobei für den Außenstehenden häufig nicht nachvollziehbar ist, wie die Bezeichnung "ABC Design" im jeweiligen Zusammenhang zustande gekommen ist. Um als ernsthafte Bezeichnung des thematischen Gegenstands bzw. Schwerpunkts d e u t s c h e r Druckereierzeugnisse oder Werbung in Betracht zu kommen, sind diese Verwendungen zu uneinheitlich und fern liegend.

Gleichzeitig hat die Senatsrecherche jedoch auch ergeben, dass die Buchstabenfolge "ABC" außergewöhnlich häufig als kennzeichnender Bestandteil von Unternehmens- und Produktkennzeichnungen, insbesondere in der deutschen Druck- und Grafik- und Werbebranche, verwendet wird. Dies zeigt zwar einerseits, dass die Buchstabenfolge als Anspielung auf das Alphabet und den Umgang mit Buchstaben beliebt ist, so dass ihr als Kennzeichnung i.S.d. §§ 4 u. 5 MarkenG eine Originalitätsschwäche anhaften mag. Andererseits ist der Verkehr aber zugleich an eine unternehmens- oder produktkennzeichnende Verwendung der Buchstabenfolge gewöhnt, was wiederum für die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis spricht. Diese Beliebtheit wird vor allem dadurch bedingt sein, dass sich "ABC" vergleichsweise gut merken lässt, also einen hohen Wiedererkennungswert hat. Daher kombinieren Unternehmen häufig beschreibende Einzelbegriffe zu einer (insgesamt kennzeichnenden) ABC-Wortfolge (bekanntes Beispiel: "ABC - American Broadcasting Channel").

Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG fehlt.

Auch ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt nicht vor. Wie sich aus den Ausführungen zur Frage der Unterscheidungskraft ergibt, weist die angemeldete Marke keinen eindeutigen, im Vordergrund stehenden Bedeutungsgehalt auf, mit dem sie vom Verkehr ohne weitere Gedankenschritte als Bezeichnung von Merkmalen der Waren "Druckereierzeugnisse, Fotografien, Werbung" verstanden wird und daher für den freien beschreibenden Gebrauch durch die Mitbewerber freizuhalten wäre.

Damit liegen insgesamt keine zureichenden Anhaltspunkte für das Bestehen von Eintragungshindernissen vor, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.

2. Die Beschwerdegebühr ist nach § 71 Abs. 3 MarkenG aus Gründen der Billigkeit zurückzuzahlen. Zunächst weist das Verfahren insofern einen Fehler auf, als die Markenstelle der Anmelderin erst mit dem angefochtenen Beschluss die Belege zur Kenntnis gegeben hat, auf die sie ihre Annahme des Vorliegens von Eintragungshindernissen gestützt hat. Hierin liegt, wie die Anmelderin zu Recht gerügt hat, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Auch die weitere Voraussetzung für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, nämlich die Kausalität zwischen der fehlerhaften Sachbehandlung und der Notwendigkeit einer Beschwerdeeinlegung (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdn. 61) liegt hier vor. Da die Anmelderin in der Beschwerdebegründung zur Brauchbarkeit der Belege Stellung genommen und richtig darauf hingewiesen hat, dass die Relevanz der aus dem Bereich der Schrift- und Druckgestaltung stammenden Belege für die noch streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen fraglich ist, kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Markenstelle ihre Haltung noch einmal überprüft, ggf. zumindest nachrecherchiert hätte, wenn sie ordnungsgemäß den Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt hätte. Das Verfahren hätte damit möglicherweise einen anderen Verlauf genommen, was die Einlegung der Beschwerde hätte vermeiden können. Damit war auch dem Rückzahlungsantrag zu entsprechen.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
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Az: 33 W (pat) 163/02


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